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Sonografie des Sonografie:UrogenitaltraktUrogenitaltrakts

Miktionstagebuch

Hypo- und Epispadie

Differenzialdiagnose genitaler Ulcus molleUlcus molleSyphilisSyphilisSexually Transmitted Disease (STD):DifferenzialdiagnoseSexually Transmitted Disease (STD):DifferenzialdiagnoseLymphogranuloma:venereumLymphogranuloma:venereumLymphogranuloma:inguinaleLymphogranuloma:inguinaleHerpes:genitalisHerpes:genitalisChlamydieninfektionChlamydieninfektionUlzerationen
Nach der Leitlinie „Genital Ulcer Disease“ der kanadischen Public Health Agency (2013).
Diagnose | Erreger | Lokalisation | Morphologie | Weitere Hinweise | Inkubationszeit |
Herpes-simplex-Infektion | HSV-1, HSV-2 | „Unterhosen-Region“: Männer: Glans penis, Penisschaft, Präputium (evtl. Anus, Rektum) Frauen: Zervix, Vulva, Vagina, Perineum, Oberschenkel, Gesäß | gruppierte schmerzhafte oder juckende Bläschen und oberflächliche rundliche Ulzera auf gerötetem Grund | druckempfindliche Leistenlymphknoten, u. U. Fieber, Mattigkeit, Pharyngitis bei primärer Infektion | 2–7(–14) Tage bei primärer Infektion |
primäre Syphilis | Treponema pallidum | Kontaktregion | Papel, dann schmerzloses Geschwür, zumeist einzeln | häufig vergrößerte, nicht schmerzhafte Lymphknoten | 3–90 Tage |
Lymphogranuloma inguinale | Klebsiella granulomatis | Kontaktregion | einzelne oder mehrere, schmerzlose Ulzera, die stark gerötet sind und zu Blutungen neigen | - | 1–180 Tage |
Lymphogranuloma venereum | Chlamydia trachomatis | Kontaktregion | schmerzlose Papeln, die ulzerieren können | Urethritis, später schmerzhafte inguinale Lymphknotenschwellungen; unbehandelt als Spätfolge u. U. massive Lymphabflussbehinderung bis zur Elephantiasis | 3–30 Tage |
Ulcus molle | Haemophilus ducreyi | Kontaktregion | einzelne oder mehrere schmerzhafte, nekrotisierende Geschwüre | oft schmerzhafte Schwellung regionaler Lymphknoten, u. U. mit Ödem und Rötung der Haut sowie eitriger Abszedierung | 5–14 Tage |
Beschwerden und Erkrankungen im Urogenitalbereich, sexuell übertragbare Krankheiten
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15.1
Algurie, Dysurie366
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15.2
Hämaturie371
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15.3
Harninkontinenz376
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15.4
Flankenschmerzen382
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15.5
Nierenkolik385
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15.6
Harnverhalt390
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15.7
Hodenschwellung/-veränderungen395
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15.8
Penisveränderungen401
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15.9
Spezifische Infektionen405
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15.10
Erektile Dysfunktion416
Algurie, Dysurie
Harnwegsinfekt Dysurie Algurie
Fallbericht
Eine Patientin sucht Sie am Sonntag im Notdienst auf und schildert ihre Beschwerden: „Auch wenn es Sonntag ist, halte ich es bis morgen nicht mehr aus. Dauernd muss ich auf die Toilette, das Wasserlassen brennt furchtbar. Ich brauche heute noch Ihre Hilfe. Ich habe Ihnen meinen Urin gleich mitgebracht.“
Die Untersuchung ergibt folgenden Befund: Körpertemperatur 37,9 °C, rektal gemessen. Die Nierenregion ist nicht druck- oder klopfschmerzhaft. Bei der Palpation des Abdomens besteht ein Druckschmerz oberhalb der Symphyse. Die Teststreifenuntersuchung mit einem Multifunktionsteststreifen (Combur-9-Test®) ergibt einen positiven Nitrittest, eine deutliche Leukozyturie sowie eine Mikrohämaturie.
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Harnwegsinfekt:komplizierterAuftreten bei Kindern, Männern, Schwangeren
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Diabetes mellitus
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neurologische Erkrankungen mit Auswirkungen auf die Blasenfunktion
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anatomische oder funktionelle Anomalie der Harnwege (z. B. urethrale Enge, Reflux, Restharn, Enteroptose)
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Nierensteinleiden
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Dauerkatheter
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Immunsuppression
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Niereninsuffizienz
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Zystennieren
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Harnwegsinfekt:MännerPollakisurie, Nykturie und Harndrang kommen häufig auch bei älteren Männern ohne Harnwegsinfekt vor, gelegentlich auch Dysurien. Daher ist eine Diagnosevermutung anhand der Symptome unsicher.
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Asymptomatische Bakteriurien sind häufig bei älteren Männern, bei Patienten im Krankenhaus oder bei Blasenkatheter-Trägern. Daher ist bei diesen Patienten die Bakterienzahlbestimmung allein nicht ausreichend zum Erkennen einer behandlungsbedürftigen Infektion.
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Die Evidenz in der Diagnostik ist unzureichend, da viele Studien zur Uringewinnung und Befundinterpretation nur bei Frauen durchgeführt wurden.
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neue oder sich verschlechternde Harninkontinenz
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Fieber
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Schmerzen suprapubisch oder in der Flanke
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septische Zeichen, reduzierter Allgemeinzustand, Blutdruckabfall, Tachykardie, Tachypnoe
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Liegt ein Urethralsyndrom oder eine Reizblase vor?
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Gibt es ein orthopädisches, gynäkologisches, sexuelles, gastroenterologisches oder neurologisches Problem? Sind Sediment, Urinkultur und Antibiogramm sinnvolle und ausreichende Diagnostika?
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Genitalinfektionen durch Chlamydien, Neisserien, Herpes-simplex-Viren
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Vaginalinfektionen durch Candida albicans oder Trichomonaden
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Irritationen durch Deodorants, Reinigungslösungen oder eine Latexallergie
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Geschlechtsverkehr
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Atrophie der Urethralschleimhaut bei postmenopausalen Frauen
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antimikrobielle Therapie
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Vermeiden auslösender Faktoren
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passagere sexuelle Enthaltsamkeit
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lokale Östrogentherapie
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ProstatitisDysurie
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tiefsitzende Rücken- oder Dammschmerzen, suprapubische Schmerzen
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Druckgefühl
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gestörtes Wasserlassen (verzögertes Wasserlassen, abgeschwächter Harnstrahl, Nachträufeln)
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Vergrößerung und Konsistenzveränderungen der Prostata
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teils erhebliche Druckschmerzhaftigkeit der Prostata bei der rektalen Palpation
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NIH I: akute bakterielle Prostatitis
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NIH II: chronische bakterielle Prostatitis
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NIH III: chronische Prostatitis bzw. chronisches Beckenschmerzsyndrom mit den Varianten a) entzündlich und b) nicht entzündlich
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NIH IV: asymptomatische Prostatitis, histologisch nachweisbar
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Neben der Gabe von Analgetika (Paracetamol, nichtsteroidale Antirheumatika) empfiehlt sich bei bakterieller Prostatitis initial die Gabe von β-Laktam-Antibiotika:ProstatitisAntibiotika und/oder Fluorchinolonen. Nach Resistenzbestimmung aus dem Urin ggf. Umstellung auf testgerechte Antibiotika. Bei Allergien oder Unverträglichkeiten ist Trimethoprim-Sulfamethoxazol eine sinnvolle Alternative. Die Therapiedauer sollte mindestens 28 Tage betragen.
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Bei den nichtbakteriellen Formen wird symptomatisch behandelt. Es besteht keine sichere Evidenz für die teilweise empfohlenen Maßnahmen (transvesikale Mikrowellentherapie, Prostatamassage, Sitzbäder, Biofeedbackmethoden, probatorische Antibiotikatherapie).
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Urinbefund (Bakteriurie, Hämaturie, Leukozyturie, Proteinurie, evtl. Leukozytenzylinder)
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Urinkultur
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Blutuntersuchungen (Blutbild, Kreatinin, CRP)
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Ultraschall der Nieren (Parenchym-Pyelon-Relation, erweitertes Nierenbecken, Nierengröße, Atemexkursion, Tumor?). Die weiterführende Diagnostik (bei unklarem Krankheitsbild) erfordert z. B. ein CT der Niere (Hinweise für die Ursache von Abflussstörungen, Perfusionsstörungen), sollte aber dem urologischen Facharzt überlassen werden.
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Lumbago mit Fieber unterschiedlicher Ursache
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Adnexitis mit Schmerzausstrahlung in die Flanken
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supravesikale renale Abflussstörung (Ureterstein, Ureter fissus, Ureterpapillome, Nierenbecken-[Ventil-]Stein, Tumoren des kleinen Beckens, Z. n. Baucheingriffen u. a.)
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Appendizitis (Schmerzen im rechten Unterbauch und der rechten Flanke)
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akute Divertikulitis (Schmerzen im linken Unterbauch mit evtl. Ausstrahlung)
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Glomerulonephritis
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paranephritischer Abszess
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Pleuritis mit basaler Pneumonie, Pankreatitis oder Magen-Darm-Ulkus sind möglich, haben aber andere Leitsymptome.
Literatur
AWMF-S3-Leitlinie „Epidemiologie and Diagnostik
AWMF-S3-Leitlinie „Epidemiologie, Diagnostik, Therapie und Management unkomplizierter bakterieller ambulant erworbener Harnwegsinfektionen bei erwachsenen Patienten“. (2010–2015, in Überarbeitung). www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/043-044.htmlGrabe et al., 2015
SIGN (Scottish Intercollegiate Guidelines Network), 2012
Sönnichsen, 2014
Wagenlehner et al., 2009
Weidner et al., 2004
Hämaturie
Fallbericht
UrinstreifentestHämaturieAm Dienstag stellte sich Ihre 65-jährige Patientin Frau D. vor, da sich bei den abschließenden Untersuchungen im Krankenhaus, wo sie einen Hüftgelenkersatz erhalten hatte, eine Mikrohämaturie gezeigt hatte. Bei Frau D. sind außerdem ein Diabetes mellitus Typ II b, eine arterielle Hypertonie und eine Hyperurikämie bekannt. In den Laboruntersuchungen in der Praxis fiel im Urinteststreifen (Combur-9-Test®) eine Mikrohämaturie von ca. 50 Erythrozyten/μl Urin auf. BSG, Blutzucker, Kreatinin und Kaliumwert waren unauffällig, der Harnsäurewert mit 9,5 mg/dl erhöht.
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Falsch positive Befunde können auftreten während der Menstruation, durch Povidon-Jod oder durch Verunreinigung des Uringefäßes durch stark oxidierende Reinigungsmittel.
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Falsch negative Ergebnisse sind möglich durch große Mengen Ascorbinsäure im Urin oder Verunreinigungen des Uringefäßes mit Formalin.
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schmerzhaftes Wasserlassen, häufiges, unergiebiges Wasserlassen (Zystitis mit Dysurie, Pollakisurie)
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verzögertes oder erschwertes, häufiges nächtliches Wasserlassen, abgeschwächter Harnstrahl, Nachträufeln nach dem Wasserlassen (Hinweise für eine Prostatahyperplasie bei Männern)
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Fragen zur Nierensteinanamnese, familiäre Nierenerkrankungen (Zystenniere)
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vorbestehende Erkrankungen des Urogenitaltrakts
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Einnahme von gerinnungshemmenden Medikamenten verbunden mit weiteren Blutungszeichen
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sportliche Belastung (vesikale oder renale Mikrotraumen, veränderte Nierendurchblutung)
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Traumata in der aktuellen Vorgeschichte
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Pharyngitis in den letzten Wochen (postinfektiöse Glomerulonephritis)
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Hautblutungen und Gelenkschmerzen (Purpura und Arthralgien durch Vaskulitiden, Kollagenosen)
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Tumortherapie: Strahlenbehandlung (aktinische Zystitis) oder Cyclophosphamid-Therapie (hämorrhagische Zystitis)
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Auslandsaufenthalte (Blasenbilharziose)
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Fieber oder Gewichtsverlust (Entzündungen, Tumoren, Tuberkulose)
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Palpation des Abdomens (Raumforderung?) mit Palpation der Nierenlager (Druckschmerz?)
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Inspektion des äußeren Genitale (Ausfluss, Phimose, Balanitis)
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rektale Untersuchung (Prozesse im Douglas-Raum, Prostatahyperplasie, Prostatakarzinom)
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Blutdruckmessung
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Inspektion auf Ödeme (renale/kardiale Erkrankungen)
Der Wunsch der Patientin, die nach dem Krankenhausaufenthalt sehr beunruhigt wirkte und auf eine rasche Klärung der Blutbeimengung drängte, war Anlass für Sie, vor der Überweisung zum Spezialisten eine ergänzende Ultraschalluntersuchung des Urogenitaltrakts durchzuführen (Abb. 15.1).
Die weitere urologische Diagnostik bestätigte die benigne Nierenzyste. Kontrolluntersuchungen der Zyste im Abstand von sechs Monaten wurden empfohlen. Als Blutungsursache wurde bei der Patientin zystoskopisch ein UrothelkarzinomUrothelkarzinom der Harnblase im Stadium pTa, G1 gefunden. Die Erstbehandlung und diagnostische Sicherung erfolgte durch die transurethrale Resektion (TUR) des Tumors.
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Ileum-Conduit mit Urinableitung über ein perkutanes Stoma mit einem aus dem Darmkontinuum ausgeschalteten Ileumstück als Durchlaufreservoir oder als Neoblase (Pouch)
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Neoblase aus Darmanteilen mit Anastomosierung an die Urethra
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Frauen während der Menstruation → Urinkontrolle zwischen den Menstruationen
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Frauen mit Harnwegsinfekten → Kontrolle nach Therapie
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Verdacht auf sportinduzierte Hämaturie → Kontrolle nach mindestens 48 Stunden sportfreiem Intervall
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Patienten mit anhaltender Makrohämaturie gehören wegen der Gefahr des Blutungsschocks oder einer Nierenstauung oder Blasentamponade in stationäre Behandlung.
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Ebenso Patienten mit progredienter Verschlechterung der Nierenfunktion
Literatur
AWMF-S1-Leitlinie „Nicht-sichtbare Hämaturie“, 2013
Horstmann et al., 2014
U. S. National Cancer Institute, 2015
Utsch and Klaus, 2014
Harninkontinenz
Fallbericht
HarninkontinenzEine Ihnen bekannte Patientin, die an einer schweren Skoliose mit hochgradiger Einschränkung der Lungenfunktion leidet, dies aber als schicksalhaft toleriert, sitzt hilfesuchend vor Ihnen: Sie halte das so nicht mehr aus. Die häufige Rennerei zur Toilette sei sie ja gewohnt, aber jetzt sei es ihr schon mehrfach passiert, dass sie die Toilette nicht mehr erreicht habe. Sie leide sehr darunter, den Urin nicht mehr halten zu können. Ihr Gynäkologe habe ihr schon früher eine Operation an der Blase empfohlen, aber eine Narkose wolle sie wegen ihrer schlechten Lungen nicht riskieren.
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Haben Sie in den letzten drei Monaten unfreiwillig Urin verloren?
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Welches sind die Hauptauslöser für unwillkürlichen Harnabgang?
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Besteht die Inkontinenz nur bei körperlicher Belastung oder bei Harndrang?
Bei der Patientin besteht eine anhaltende Harninkontinenz. Lediglich die bei vielen Patienten vorhandene Scheu, dieses Problem dem Arzt vorzutragen, hat bisher eine weitere Abklärung verhindert.
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Harninkontinenz:AnamneseMuster der Blasenfunktionsstörung (Harndrang, Häufigkeit, mögliche Miktionskontrolle, Störungen in der Nacht)
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Vorerkrankungen (Trauma, Operationen, Diabetes mellitus, neurologische Störungen)
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Geburten (Zahl, vaginal, Geburtsverletzungen)
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eine beobachtete Hämaturie
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Obstipation
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wiederholte Harnwegsinfekte
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Angaben zum Trinkverhalten
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Angaben zur Medikamenteneinnahme
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Delirium (Verwirrtheitszustände)
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Infektionen der Harnwege
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Atrophie von Harnröhre oder Vagina
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Pharmaka (z. B. Diuretika, Sedativa, α-Rezeptor-Blocker), Psyche
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endokrine Ursachen (z. B. Hyperglykämie, Hyperkalzämie, hypophysärer ADH-Mangel)
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reduzierte Mobilität (Immobilität)
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Stuhlverhaltung
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vor operativen Maßnahmen
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bei Verdacht auf einen Descensus vaginae bzw. eine Enteroptose
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bei Patientinnen, die sich nicht in gynäkologischer Betreuung befinden und einer Vorstellung beim Gynäkologen zustimmen
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Harninkontinenz:BeckenbodentrainingBelastungsinkontinenz:OperationBeckenbodentrainingBeckenbodentraining (s. u.; erstmals beschrieben von Kegel im Jahr 1948)
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Medikamente gelten bisher in der Therapie der Belastungsinkontinenz als wenig sinnvoll, da sie teilweise nicht besser als Placebo sind oder nicht tolerable Nebenwirkungen haben.
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Biofeedback und externe Elektrostimulation sind Verfahren, die nur bei wenigen, sehr kooperativen Patientinnen eingesetzt werden können und deren Evidenzlage unbefriedigend ist.
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Harninkontinenz:Verfahren, operativeOperative Verfahren sind nur nach gründlicher urodynamischer Abklärung sinnvoll, z. B. retropubische Suspension, vordere Vaginalplastik oder Blasenhals-Suspension. Die Bandumschlingungsverfahren, sog. Tension-free Vaginal Tape (TVT)Tension-free Vaginal Tape (TVT) und Trans-Obturator Tape (TOT) der Urethra können in Lokal- oder Regionalanästhesie ausgeführt Trans-Obturator Tape (TOT)werden. Bei beiden Methoden werden Erfolgsraten von etwa 80 % angegeben.
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Als Ultima Ratio kommt bei sehr eingeschränkter Lebensqualität die Implantation einer urethralen Sphinkter-Prothese oder eine supravesikale Harnableitung infrage.
In einer Studie an Frauen unterschiedlichen Alters hat sich dieses Beckenbodentraining, allerdings teilweise in Gruppen unter Anleitung, nach sechs Monaten als wirksam erwiesen, besser als das Training der Beckenbodenmuskulatur mit Vaginalkonen oder durch Elektrostimulation.
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Anticholinergika:DranginkontinenzAnticholinergika, wie Oxybutinin und die neueren Präparate Tolterodin, Darifenacin, Solifenacin oder Trospiumchlorid, bessern oder beseitigen die erhöhte Reizbarkeit des Blasendetrusors. Dabei sind die Neuentwicklungen möglicherweise besser verträglich, jedoch auch teurer.
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Verhaltensmodifizierende Techniken, wie das Blasen- oder das Gewohnheitstraining, ergänzen oder ersetzen die medikamentöse Therapie.
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Bei Therapieversagen ist je nach klinischer Gesamtsituation zusammen mit Spezialisten der Einsatz von Botulinumtoxin, nervaler Elektrostimulation oder operativer Maßnahmen zu überlegen.
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Anticholinergika:NebenwirkungenNebenwirkungen: Mundtrockenheit, Sodbrennen, Blähungen, Obstipation; Tachykardie; Schläfrigkeit; trockene Augen, Akkommodationsstörungen
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Kontraindikation: unbehandeltes Engwinkel-Glaukom, Prostatahyperplasie mit Restharnbildung, Myasthenia gravis, schwere Colitis ulcerosa u. a.
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Trizyklische Antidepressiva können wegen ihrer anticholinergen Wirkung eine Blasenentleerungsschwäche und Obstipationsneigung induzieren, aber ebenfalls eine Dranginkontinenz lindern.
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Antihypertensiva vom Typ der α-Rezeptor-Blocker (Doxazosin, Labetolol) hemmen die α-adrenergen Rezeptoren des inneren Harnblasensphinkters und können eine Belastungsinkontinenz verstärken.
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Diuretika erhöhen das Harnvolumen.
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Muskelrelaxanzien verringern den Sphinktertonus.
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Betablockerβ-Rezeptor-Blocker verringern die β-adrenerge Hemmung des Detrusor vesicae und erhöhen so den Harndrang.
Literatur
AWMF-S2e-Leitlinie „Harninkontinenz bei geriatrischen PatientenDiagnostik und Therapie“, 2016
Humburg, 2013
Lucas et al., 2015
Tekgül et al., 2015
Flankenschmerzen
Fallbericht
FlankenschmerzSie werden auf einen Bauernhof gerufen. Der 43-jährige Bauer empfängt Sie mit folgenden Worten: „Ich glaube, mich hat die Hexe geschossen!“ Er presst seine Hand in die linke Flanke und vermeidet sorgsam jede unnötige Bewegung. „Am liebsten bleibe ich stehen, das halte ich am besten aus“, erklärt er seine Weigerung, Platz zu nehmen. „Ich kam mit meinen Schmerzen einfach nicht ins Auto. Deshalb musste ich Sie herbitten.“ Sie kennen Ihren Patienten gut, einen kräftigen, bisher nicht ernsthaft krank gewesenen Landwirt. Er ist nicht wehleidig und würde keinen Hausbesuch anfordern, wenn es nicht unbedingt nötig wäre.
Der Landwirt berichtet, dass die Schmerzen plötzlich begonnen hätten, als er im Stall nach der defekten Melkmaschine sehen wollte.
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Muskuläre Verspannungen oder Wirbelsäulenblockierungen sind die häufigsten Ursachen für untere Rückenbeschwerden mit und ohne Ausstrahlung.
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Pyelonephritis
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Harnstau durch einen den Urinabfluss störenden Prozess im oder auf dem Harnleiter. Die Ursache kann ein Harnleiterstein, seltener eine Endometriose, ein Blutkoagelabgang oder sehr selten ein Papillennekroseabgang sein. Aber auch eine Schwangerschaft, selten eine Nierenbeckenabgangsenge, sehr selten eine retroperitoneale Fibrose können durch Kompression auf den Harnleiter Koliken und Flankenschmerzen auslösen.
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Eine Radikulitis durch einen Herpes simplex oder beginnenden Herpes Herpes zosterzoster vor Auftreten von Hautveränderungen kann eine Ischialgie oder Flankenschmerzen bewirken.
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Vorerkrankungen (Tuberkulose, Endometriose, Radiatio)?
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unfreiwilliger Gewichtsverlust in letzter Zeit, Nachschweiß (Tumor, Infektion)?
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durchgemachte Traumata oder Operationen (Milz-, Nierenverletzung, Narbenbildungen mit Harnleitereinengung)?
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Dauermedikation (Antihypertensiva, Antikoagulanzien, Medikamente mit eventuellen ulzerogenen Nebenwirkungen, Analgetikanephropathie mit nachfolgenden Papillennekrosen)?
Die Basisuntersuchungen (Anamnese, körperliche Untersuchung, Urin-Teststreifen) ergeben bei dem Patienten keinen Hinweis auf eine Erkrankung innerer Organe, speziell von Nieren und harnleitendem System, sondern erhärten Ihren Erstverdacht eines akuten Rückenschmerzes mit Ausstrahlung.
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symptomatisches Aortenaneurysma
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stumpfes Nieren- oder Milztrauma
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Pankreatitis
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perforiertes Ulcus ventriculi et duodeni
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stielgedrehte Ovarialzyste
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Extrauteringravidität (bei Ausbleiben der Regelblutung in Verbindung mit heftigen Flankenschmerzen)
Literatur
AWMF-S3-Leitlinie „Nationale VersorgungsLeitlinie Kreuzschmerz“, 2015
Schöppler et al., 2012
Zaak et al., 2003
Nierenkolik
Fallbericht
NierensteinNierenkolikSie erhalten einen Anruf von einem ca. 10 km entfernten Campingplatz: „Kommen Sie schnell, mein Mann hat furchtbare Schmerzen im Rücken und hat schon zweimal erbrochen. Er hält es nicht mehr aus.“ Auf der Fahrt zu dem Campingplatz
haben Sie Zeit, Ihr Vorgehen zu planen. Beim Eintreffen ist die Untersuchung in dem engen Wohnwagen schwierig, der Patient stöhnt vor Schmerzen, stemmt die linke Hand in seine Flanke und ist kaum zum Hinlegen zu bewegen. Seine Haut wirkt blass und schwitzig, wobei eine schlechte Beleuchtung die Beurteilung schwierig macht.
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Wie sind die Schmerzen: gleichmäßig, kolikartig, progredient?
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Strahlen die Schmerzen aus? Wenn ja, wohin?
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Bestehen Begleitsymptome (Fieber, bei Frauen: mögliche Schwangerschaft)?
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Welche Vorerkrankungen sind bekannt?
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Hatte der Patient in den letzten Tagen einen Unfall?
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Operationen/Bestrahlung in dieser Region?
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Schmerzen, die trotz Therapie mehr als eine Stunde persistieren
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reduzierter Allgemeinzustand
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Anurie
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Zeichen der Infektion (Fieber, Pyurie)
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unzureichende häusliche Unterstützung
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vorbestehender Verlust oder Funktionslosigkeit einer Niere
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Frauen mit der Möglichkeit einer Extrauteringravidität
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Patienten > 60 Jahre (Risiko des Aortenaneurysmas)
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Wunsch des Patienten nach einer stationären Betreuung
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Nierenstein:RezidivprophylaxeBei allen Steinen ist (möglichst auch in der Nacht) eine hohe Flüssigkeitszufuhr (> 2,5 l/24 h) anzustreben, die ein Harnvolumen von mindestens 2 l/d ergibt, sofern keine Kontraindikationen (z. B. Herzinsuffizienz) bestehen. Faustregel: Der Urin sollte hellgelb, also wenig konzentriert sein.
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Kalzium- und Harnsäuresteine erfordern eine ausgewogene Mischkost.
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Eine rein vegetarische Ernährung führt zur Harnalkalisierung und begünstigt dadurch die Bildung von Tripelphosphatsteinen. Phosphatreiche Nahrungsmittel wie Käse, Kakao, Nüsse und Hülsenfrüchte sollten hier gemieden werden.
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Bei den seltenen Zystinsteinen sollte neben einer ausgewogenen Mischkost eine noch höhere Flüssigkeitsaufnahme (3–4 l/d) angestrebt und gleichmäßig über den Tag verteilt werden (500 ml Flüssigkeit auch vor dem Zubettgehen und noch einmal in der Nacht).
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Eine ausgewogene, ballaststoffreiche, kochsalzarme (4–5 g/Tag), kaliumreiche und eiweißkontrollierte Ernährung mit maximal 1 g tierischem Eiweiß/kg KG/Tag ist anzustreben.
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Bei Harnsäuresteinen ist bei bestehender Hyperurikämie die Gabe von Allopurinol sinnvoll. Die Harnalkalisierung mit Kaliumzitrat (Ziel: pH > 6,5) oder hohem vegetabilem Nahrungsanteil erhöht die Harnsäurelöslichkeit wesentlich und kann zur Auflösung von Harnsäuresteinen führen.
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Die Gabe von Thiazid-Diuretika bei kalziumhaltigen Steinen zur Senkung der Kalziumausscheidung ist von begrenztem Wert und angesichts der möglichen Nebenwirkungen nur sehr kritisch zu erwägen.
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Einlage einer Ureterschiene zur Drainage und einer Ureterschlinge zum möglichst schmerzlosen Steinabgang
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perkutane oder endoskopische LithotripsieLithotripsie, z. B. durch Stoßwellen
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die heute seltene offene operative Lithektomie
Literatur
AWMF-S2k-Leitlinie „Urolithiasis, 2015
Ferraro et al., 2016
Fisang et al., 2015
Kochen, 2013
Türk et al., 2015
Harnverhalt
Fallbericht
HarnverhaltUnangemeldet kommt ein Ihnen bekannter Patient, ein stämmiger Landwirt, in die Morgensprechstunde. Er glaubt, einen Darmverschluss zu haben. Seit dem Vortag könne er nicht mehr auf die Toilette, der Urin komme auch nur noch tröpfchenweise, und er verspüre einen starken Druck im Bauch. Die typische Vorgeschichte, die bei der abdominalen Palpation fast bis zum Nabel reichende Resistenz sowie das sonografische Bild machen die Diagnose leicht: Harnverhalt.
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Pollakisurie, teilweise imperativer Harndrang, u. U. mit Dranginkontinenz, schmerzhaftes Wasserlassen
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Nykturie
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verzögerter Miktionsbeginn
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Nachträufeln
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Restharnbildung
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Überlauf-Harninkontinenz
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Harnverhalt
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beobachtendes Abwarten: angemessen bei Patienten mit milden und tolerablen Symptomen
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Bei stärkerer Symptomatik sind α1-Rezeptor-Blocker (z. B. Doxazosin, Tamsulosin) Mittel der ersten Wahl. Nebenwirkungen sind v. a. Hypotonie, Orthostasereaktion, reflektorische Tachykardie, Müdigkeit.
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Ein 5α-Reduktase-Hemmer (Finasterid) ist bei Nebenwirkungen der α-Rezeptor-Blockade und mittelstarker Symptomatik eine medikamentöse Alternative. Nebenwirkungen sind v. a. sexuelle Funktionsstörungen und, häufig erwünscht, ein verminderter Verlust von Haupthaaren.
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Als Phytopharmaka werden vor allem Serenoa-repens-(Zwergsägepalme-)Extrakte, außerdem Extrakte aus Brennnesseln, Kürbissamen, Blütenpollen sowie β-Sitosterin verwendet. Alle Produkte sind nebenwirkungsarm, ihre Evidenzbasierung ist jedoch schwach.
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Bei ausgeprägter Restharnbildung > 100 ml und/oder Harnverhalt ist die transurethrale Prostataresektion das Standardverfahren. Nebenwirkungen sind Impotenz (14 %) und Harninkontinenz (1–2 %, teilweise Angaben bis 10 %); die perioperative Mortalität beträgt 0,3–1,7 %.
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Neuere Methoden sind Laserresektion, transurethrale Mikrowellentherapie (TUMT) und transurethrale Nadelablation der Prostata (TUNA).
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Beschwerden des Patienten (Miktionsfrequenz, Dysurie, Harnwegsinfekte)
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Restharn
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evtl. Rückstau und Dilatation des oberen Harntrakts
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Komorbidität und damit verbundene Risiken bei bestimmten Therapien
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Gefühl der unvollständigen Blasenentleerung
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Pollakisurie
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gestörten Harnfluss
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Harndrang
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abgeschwächten Harnstrahl
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Notwendigkeit des Mitpressens beim Wasserlassen
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Nykturie
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Harnverhalt
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tastbarer Blase oder ausgeprägtem Restharn
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Harninkontinenz
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Hämaturie
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Harnwegsinfekt
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dauerhaft belästigenden Symptomen
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Blasensteinen
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suspekten Prostatapalpationsbefunden (hart, irregulär, höckrig)
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PSA-Wert über 4 ng/ml (> 2 ng/ml, wenn mit 5α-Reduktase-Hemmern behandelt wird)
Fallbericht
Ein 69-jähriger Patient sucht Sie in der Praxis auf. Bei seiner jährlichen Krebsfrüherkennungsuntersuchung beim Urologen wurde ein PSA-PSA-WertWert von 12 ng/ml gemessen. Der Urologe riet ihm dringend zu einer Abklärung des Prostatakarzinom-Verdachts mittels Biopsie. Er habe keine Beschwerden außer einer einmaligen Nykturie sowie gelegentlichem Harndrang. Bei der rektalen Untersuchung hatte ihm der Urologe noch mitgeteilt, dass bis auf eine leichte altersbedingte Vergrößerung der Prostata „alles in Ordnung“ sei. Allerdings ist der Vater des Patienten an einem Prostatakarzinom verstorben. Nun sollen Sie ihn zum weiteren Vorgehen beraten, bittet er.
Nach der von Ihnen empfohlenen Prostatabiopsie mit leider positivem Befund (Gleason-Score primär Stadium 3, sekundär Stadium 3) hat der behandelnde Urologe dem Patienten eine Operation nahegelegt.
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lokal begrenztes Prostatakarzinom
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lokal fortgeschrittenes (T3) Prostatakarzinom
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metastasiertes Prostatakarzinom
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Prostatakarzinom:lokal begrenztesausschließlich aufmerksames Beobachten mit Monitoring von PSA und rektalem Befund
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radikale Prostatektomie
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Strahlenbehandlung
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Hormontherapie mit Androgenentzug
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Andere Verfahren bei Low-Grade-Tumoren, wie Kryotherapie oder HIFU (High Intensity Focused Ultrasound) werden angewendet, jedoch fehlen noch valide Langzeitergebnisse.
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Prostatakarzinom:Androgenentzugchirurgische Kastration
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Gabe von GnRH-Analoga (Goserelin, Buserelin)
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Anti-Androgene (z. B. Flutamid)
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synthetische Östrogene, wie Fosfestrol
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Gestagene (Medroxyprogesteron)
Literatur
AWMF-S2e-Leitline „Benignes Prostatasyndrom (BPS) and Differenzialdiagnostik“, 2009
AWMF-S3-Leitlinie „Prostatakarzinom; Früherkennung, 2014
Bill-Axelson et al., 2014
Gravas et al., 2016
Memorial Sloan-Kettering Cancer Centers
Mottet et al., 2016
Hodenschwellung/-veränderungen
Fallbericht
HodenveränderungenHodenschwellung„Herr Doktor, könnten Sie sich auch mal meinen Hoden ansehen. Ich glaube, der ist zu groß.“ So leitet ein 17-jähriger Patient das Gespräch von dem zunächst beklagten grippalen Infekt auf sein wohl wichtigeres Anliegen. Bei der körperlichen Untersuchung, die am besten im Stehen durchgeführt wird, war der rechte Hoden gut faustgroß, nicht druckschmerzhaft und nicht von Nebenhoden und Samenstrang abgrenzbar. Weiteres Befragen klärt, dass diese Vergrößerung schon seit fast zwei Jahren besteht und ihn dieses Handicap und die Scham vor seinen Sportkollegen zum Rückzug von seinem geliebten Fußballspielen veranlasst haben.
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im Stadium I (keine Metastasen nachweisbar) bei Patienten, die sich nicht für die primäre Chemotherapie eignen oder dagegen entscheiden (trotz Überlegenheit),
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im Stadium II A (retroperitoneale Metastasen < 2 cm) bei Markerfreiheit als Option,
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im Stadium II A/B ohne Markererhöhung zur Histologiesicherung.
Fallbericht
Ein Patient, 35 Jahre alt, Verwaltungsangestellter, sucht Sie auf, weil seine Ehe seit zwei Jahren ungewollt kinderlos ist, und bittet um eine Empfehlung für einen geeigneten Spezialisten. Auch wenn die Anamnese und der Patientenwunsch eine Überweisung zum Spezialisten nahelegen (z. B. Notwendigkeit eines Spermiogramms), nutzen Sie den Erstkontakt für eine Anamnese nach früheren Erkrankungen sowie für eine Gesundheitsuntersuchung, die dem Patienten ab 35 Jahre als Kassenleistung zusteht.Dabei fällt Ihnen im linken Skrotalbereich im Stehen eine knäuelartige Schwellung auf, die im Liegen weitgehend verschwindet. Der Hoden ist palpatorisch unauffällig. Nach Angaben des Patienten besteht diese Veränderung schon viele Jahre und sei von seinem früheren Hausarzt als harmlos beschrieben worden. Beschwerden habe er dadurch auch nicht gehabt, auch keine sexuellen Funktionsstörungen.
Fallbericht
Aufgeregt bittet morgens um sechs Uhr Frau J. um einen dringenden Hausbesuch bei ihrem 17-jährigen Sohn. Beim Aufstehen habe er plötzlich heftigste Schmerzen in einem Hoden bekommen und sei beinahe ohnmächtig geworden. Beim Eintreffen liegt der Patient blass, schweißgebadet und mit gekrümmten Beinen im Bett, die rechte Skrotumhälfte ist geschwollen, hochgradig spontan- und berührungsschmerzhaft, eine genauere Untersuchung ist wegen der Schmerzhaftigkeit nicht möglich.
Fallbericht
In Ihre Sprechstunde kommt eine Ihrer Patientinnen mit ihrem kleinen Sohn: Bei den Vorsorgeuntersuchungen war der Mutter stets mitgeteilt worden, dass er sich prächtig entwickle und alles in Ordnung sei. Nun hatte im Wochenenddienst, den die Mutter wegen eines gastrointestinalen Infekts ihres Sohnes konsultiert hatte, der diensthabende Arzt fast vorwurfsvoll gemahnt, dass der Kleine rasch operiert werden müsse, da ein HodenhochstandHodenhochstand bestehe und sonst Unfruchtbarkeit oder sogar Hodenkrebs drohen würde.
Literatur
Albers et al., 2016
AWMF-S2k-Leitlinie „Akutes Skrotum im Kindes-und Jugendalter“, 2015
Grabe et al., 2016
Jungwirth et al., 2015
Tekgül et al., 2016
Penisveränderungen
Fallbericht
PenisveränderungenWeinend und ängstlich sitzt der kleine Karl mit seiner Mutter vor Ihnen. Beim abendlichen Ausziehen war es passiert: Eine millionenfach segensreiche Errungenschaft der Technik, der Reißverschluss, hatte sich durch Unachtsamkeit zur scheinbar unentrinnbaren Falle für einen Zipfel seiner Vorhaut gewandelt. Zahlreiche Versuche seiner Mutter, den kleinen Kerl aus seiner misslichen Situation zu befreien, hatten die Lage nicht gebessert, die Schmerzen und Ängstlichkeit des Kindes aber nachhaltig vergrößert. Nun bleibt nur der Hausarzt als Retter in abendlicher Not.
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„Gut geschmiert ist halb gewonnen“: Tupfen Sie etwas Kriech- oder Nähmaschinenöl unterhalb der Klemmstelle auf den Zip. Auf die torquierte Haut geben Sie eine lokalanästhesierende Salbe (Xylocain 2 %-Gel, Emla-Salbe) und lassen beides einige Minuten einwirken. Eventuell ist eine Lokalanästhesie der Vorhaut mit einer kleinen Menge Anästhetikum und feiner Nadel erforderlich, um eine ruhigere Behandlungsatmosphäre herzustellen. So können Sie eine Reihe von Fällen im wahrsten Sinne problemlos lösen.
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Zeigt aber weiterhin der Reißverschluss Ihnen und dem kleinen Patienten die Zähne, so durchtrennen Sie entweder mit einer Kneifzange den Mittelsteg zwischen der oberen und unteren Hälfte des Verschlussgleiters oder weiten den Verschlussspalt, indem Sie den Gleiter seitlich beiderseits mit einer Kombizange zusammendrücken. Die früher gelegentlich beschriebene Ultima Ratio einer Zirkumzision dürfte eine Rarität bleiben.
Fallbericht
Besorgt erwartet der 40-jährige Patient Ihre Antwort. Eine akute Rötung der Eichel seit zwei Tagen hatte ihn in Ihre Praxis geführt, wobei seine erste Frage einer möglichen Geschlechtskrankheit als Ursache galt. Daneben störten ihn Brennen und Juckreiz erheblich.
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Präkanzerose:PenisPenisveränderungen:PräkanzeroseErythroplasie (Queyrat)Erythroplasie (Queyrat):
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Klinik: nässende, rötliche Herde am Präputium oder Glans
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Komplikation: Übergang in ein spinozelluläres Karzinom
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Morbus Morbus BowenBowen:
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Klinik: rundliche, schuppige Herde, erheblicher Juckreiz; Zweitkarzinome urogenital und gastrointestinal möglich
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Komplikation: Carcinoma in situ mit Übergang in ein Karzinom
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Leukoplakie, PenisLeukoplakie:
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Klinik: weißliche, hyperkeratotische Hautveränderung am Präputium und Glans penis
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Komplikation: Übergang in ein spinozelluläres Karzinom
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Lichen sclerosus et Lichen sclerosus et atrophicus, Penisatrophicus:
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Klinik: weiße Hautatrophie, Schwund der Elastica, Hyperkeratose an Glans und Präputium. Nachfolgende Phimose und Meatusenge durch narbige Schrumpfung; starker Juckreiz
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Komplikation: Übergang in ein spinozelluläres Karzinom. Das Risiko für eine maligne Entartung liegt bei etwa 6–8 %.
Fallbericht
Bei der Krebsvorsorge eines beschwerdefreien, 60-jährigen Mannes tasten Sie am Penis eine Verhärtung im Bereich der Corpora cavernosa. Auf Befragung berichtet der Patient über eine Peniskrümmung bei der Erektion, die ihn aber nicht behindere.
Literatur
Hakenberg et al., 2015
Tekgül et al., 2016
Spezifische Infektionen
15.9.1
Spezifische genitale Infektionen beim Mann
Fallbericht
Infektion(en):spezifischeGeschlechtskrankheitenSichtlich beunruhigt sitzt ein Patient, 38 Jahre alt, um 20:30 Uhr vor Ihnen. Trotz der fortgeschrittenen Stunde hat er um eine sofortige Beratung gebeten. „Herr Doktor, hoffentlich habe ich keinen Krebs oder eine schlimme Entzündung. Vorhin hatte ich beim Geschlechtsverkehr einen blutigen Samenerguss. Ich bin mir aber“, ergänzt er etwas verlegen, „keiner Schuld bewusst.“
Der Patient ist dankbar, dass die Basisuntersuchungen sofort in der Hausarztpraxis möglich waren und keine krankhaften Befunde ergaben. Erleichtert über den abendlichen Beistand verlässt er die Hausarztpraxis.
Fallbericht
Ein in der Praxis seit Längerem bekannter 25-jähriger Patient ruft Sie am Samstagmorgen im kassenärztlichen Notdienst an, da er ein Rezept „wegen einer Blasenentzündung brauche“. Für einen Termin in der Notfallsprechstunde habe er keine Zeit, da er am Nachmittag für eine Woche nach Mallorca in den Urlaub fliegen wolle. Auf weiteres Nachfragen berichtet er von Brennen beim Wasserlassen seit einigen Tagen sowie einem gelblichen Tropfen aus der Harnröhre, der an diesem Morgen die Unterwäsche beschmutzt habe.
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Gonorrhö:
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Männer mit urethralen Symptomen: alle Sexualpartner der vergangenen zwei Wochen
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Männer/Frauen ohne Symptome, Männer ohne urethrale Symptome: alle Sexualpartner der vergangenen drei Monate
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Chlamydieninfektion:
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Männer mit urethralen Symptomen: alle Sexualpartner der vergangenen vier Wochen
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alle anderen Männer/Frauen: alle Sexualpartner der vergangenen sechs Monate
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nichtspezifische Urethritis bei Männern, d. h. weder Gonokokken- noch Chlamydiennachweis:
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mit Symptomen: alle Sexualpartner der vergangenen vier Wochen
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ohne Symptome: alle Sexualpartner der vergangenen sechs Monate. In Zweifelsfällen sollten alle Sexualpartner der vergangenen sechs Monate informiert und untersucht werden, was angesichts einer fehlenden Meldepflicht und einer häufigen Tabuisierung durch den Patienten nur eine Wunschvorstellung sein kann. Das Untersuchungsprogramm bei den Sexualpartnern hängt von deren eventuell vorhandener Symptomatik ab. Untersucht wird auf eine Gonorrhö, Chlamydienerkrankung, Syphilis und HIV (Details siehe unten).
15.9.2
Genitale Erosionen oder Ulzerationen
Fallbericht
Ulkus:genitalesErosion, genitaleEin Patient, 46 Jahre alt, der Sie vorrangig wegen seiner rezidivierenden Kopfschmerzen konsultiert, möchte vor dem Verlassen des Sprechzimmers eher beiläufig eine Salbe für seine „Pilzinfektion am Glied“. Bei der – stets durchzuführenden – Inspektion finden Sie eine nur wenig schmerzende, braun-rote Ulzeration von etwa 5 mm Durchmesser an der Peniseichel. In der Leiste imponiert zudem eine Lymphknotenschwellung.
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generalisierte Lymphknotenschwellungen (auch des sonst nicht anschwellenden Lymphknotens im Sulcus bicipitalis medialis der Ellenbeuge)
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Exantheme: Die Hauterscheinungen sind primär makulös (Roseola syphilitica), können später fast alle Formen von Hautveränderungen annehmen.
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Papeln: Typisch und sehr infektiös sind die Condylomata lataCondylomata lata, erosive Papeln im Genitalbereich.
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reversibler Haarverlust, vornehmlich parietal und okzipital
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luetisches Leukoderm: Leukoderm, luetischesHypopigmentierungen vornehmlich im Nacken- und Halsbereich. Nicht alle Erscheinungen müssen in gleicher Ausprägung auftreten. In Zeiten der antibiotischen Behandlung handelt es sich um seltene Befunde, wenn auch die Inzidenz der Lues (auf niedrigem Niveau) in den letzten Jahren nicht abgenommen hat.
Nach dem Infektionsschutzgesetz (§ 7) ist der direkte oder indirekte Nachweis von Treponema pallidum meldepflichtig (Bundesministerium für Gesundheit).
15.9.3
Genitale Warzen/Papeln
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bestehende Hepatitis-B- oder Hepatitis-C-Infektion
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möglicher HIV-Kontakt
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Verdacht auf Symptome einer Erstinfektion (akutes retrovirales Syndrom)
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Homosexualität mit wechselnden oder unbekannten Partnern
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Migranten aus Zentralafrika
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Der Patient muss über das überprüfte Testergebnis und seine Konsequenzen informiert und beraten werden (Kap. 2.7).
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Ein geeigneter Spezialist oder eine Spezialambulanz ist kurzfristig zu konsultieren, insbesondere zur Frage einer differenzierten medikamentösen Therapie.
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Auch für den symptomlosen und noch nicht behandlungsbedürftigen Patienten ist eine ärztliche Routinebegleitung zu vereinbaren oder wird vom Spezialisten vorgeschlagen.
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Wegen der meist hohen Viruslast ist auf die hohe Infektionsgefährdung von Sexualpartnern hinzuweisen. Als ein wesentliches Ziel der Behandlung sinkt die Virämie unter die Nachweisgrenze.
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Mögliche Warnsymptome (s. u.) und notwendige diagnostische und therapeutische Schritte (u. a. Bestimmung der Virusbelastung und der CD4-Zahl, Prinzipien der antiviralen Therapie, Therapie von Begleiterkrankungen, Besonderheiten bei Lebendimpfstoffen, Prophylaxe von Pneumocystis-jiroveci-Pneumonien, Sexualverhalten) sind mit dem Patienten zu besprechen. Einzelheiten zu Impfungen bei Patienten mit Immunschwäche sind den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) zu entnehmen.
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Wie das Virus „krank macht“ (in groben Zügen),
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was der Unterschied zwischen HIV-infiziert und AIDS-krank ist,
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die Bedeutung von CD4-Zellen und Viruslast,
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wie man Dritte anstecken kann und wie nicht,
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dass jetzt erst recht zusätzliche Geschlechtskrankheiten vermieden werden sollten, weil sie den Verlauf der HIV-Infektion verschlimmern können,
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dass man sich auch ein zweites Mal mit einem anderen, pathogeneren oder resistenten HIV-Stamm infizieren kann,
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wo die HIV-Therapie ansetzt und wie gut sie sein kann,
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dass gesunde Ernährung und körperliches Training sinnvoll sind,
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dass Rauchen das Risiko für viele Komplikationen erhöht,
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wo man weitere Informationen erhält und welche Selbsthilfegruppen (AIDS-Hilfe) und Einrichtungen zur Unterstützung HIV-Infizierter bestehen,
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welche weiteren Untersuchungen weshalb geplant sind.
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schwerere Verläufe von Infektionserkrankungen, verlängerte Rekonvaleszenzen, unklares Fieber oder unerklärlicher Gewichtsverlust
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Husten, insbesondere trockener Husten mit Kurzatmigkeit als Hinweis auf eine mögliche Pneumonie:Pneumocystis jiroveciPneumocystis-jiroveci-Pneumonie, eine Tuberkulose oder andere pulmonale Infekte
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Kopfschmerzen als mögliches Symptom einer zerebralen Toxoplasmose, eines Non-Hodgkin-Lymphoms, Tuberkuloms oder einer Kryptokokken-Meningitis
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Durchfall sollte Anlass sein, eine Infektion mit Cryptosporidium, Mikrosporidium oder Clostridium difficile auszuschließen. Oft ist allerdings keine spezifische Ursache zu finden und lediglich eine symptomatische Therapie erforderlich.
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Schluckbeschwerden als mögliche Folge eines Candida-Befalls der Speiseröhre oder Zytomegalievirus-bedingter (CMV) Ulzerationen
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Sehstörungen durch eine eventuelle CMV-Retinitis
Literatur
AWMF-S2k-Leitlinie „Deutsch-Österreichische Leitlinien zur antiretroviralen Therapie der HIV-Infektion“, 2014
AWMF-S2k-Leitlinie „Deutsch-Österreichische Leitlinien zur postexpositionellen Prophylaxe der HIV-Infektion“, 2013
Behrens et al., 2015
Bundesministerium für Gesundheit
Bundesministerium für Gesundheit: Infektionsschutzgesetz. www.bmg.bund.deBundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: „ … ist da was?“ Aktuelle, kostenfrei in mehreren Sprachen anzufordernde Broschüre über STI-Übertragungswege, Schutz- und Behandlungsmöglichkeiten und tabellarische Übersicht über einzelne STI. www.bzga.de, E-Mail: order@bzga.deGovernment of Canada, 2013
Lazaro, 2013
Madge et al., 2011
Schaaf and Hower, 2014
Zangerle, 2006
Erektile Dysfunktion
Fallbericht
Erektile DysfunktionAm Ende einer routinemäßigen Diabetes-Verlaufsuntersuchung im Rahmen des DMP fragt Sie Ihr 72-jähriger Patient, der körperlich und geistig aktiv ist: „Herr Doktor, ich weiß nicht genau, wie ich es sagen soll – aber bei mir und meiner Christa klappt es leider in der letzten Zeit im Bett nicht mehr so richtig! Ich mache mir wirklich Sorgen, dass Christa mir das übel nimmt!“
Literatur
AWMF-S1-Leitlinie „Erektile Dysfunktion, 2012
Hatzimouratidis et al., 2016
Rosen et al., 2004
Rosen et al., 1997