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978-3-437-22447-8
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Vorsorgeuntersuchungen im Vorsorgeuntersuchungenbei KindernKindesalter
Untersuchung | Zeitpunkt | Toleranzgrenzen |
U1 | unmittelbar nach der Geburt | keine |
U2 | 3.–10. d | 3.–14. d |
U3 | 4.–5. Wo. | 3.–8. Wo. |
U4 | 3.–4. Mon. | 2.–4½. Mon. |
U5 | 6.–7. Mon. | 5.–8. Mon. |
U6 | 10.–12. Mon. | 9.–14. Mon. |
U7 | 1¾–2 J. (21.–24. Mon.) | 20.–27. Mon. |
U7a | 2¾–3 J. (34.–36. Mon.) | 33.–38. Mon. |
U8 | 3¾–4 J. (46.–48. Mon.) | 43.–50. Mon. |
U9 | 5–5¼ J. (60.–64. Mon.) | 58.–66. Mon. |
U10 | 7.–8. J. | 7. Geburtstag bis 1 Tag vor 9. Geburtstag |
U11 | 9.–10. J. | 8. Geburtstag bis 1 Tag vor 11. Geburtstag |
Die 5 Säulen der SozialversicherungSäulenSozialversicherung
Gesetzliche Krankenversicherung | Soziale Pflegeversicherung | Gesetzliche Rentenversicherung | Gesetzliche Unfallversicherung | Arbeitsförderung | |
Leistungsträger | Gesetzliche Krankenkassen, z. B. AOK, IKK, BKK, Ersatzkassen | Gesetzliche Pflegeversicherung bei den Krankenkassen | DRV-Bund, Dt. Rentenvers. Knappschaft-Bahn-See, Landwirtsch. Alterskassen | Gewerbliche u. landwirtschaftliche Berufsgenossenschaften, Gemeindeunfallversicherungsverbände | Agentur für Arbeit |
Abgesichertes Risiko | Krankheit, AU | Pflegebedürftigkeit | Alter, Erwerbsminderung | Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten (BK) | Arbeitslosigkeit |
Leistungen (Beispiele) | Krankenbehandlung, Krankengeld, Vorsorge- u. Reha-Maßnahmen, Heil- u. Hilfsmittel | Geld-/Sachleistungen, Betreuungsleistungen, Pflegehilfsmittel, sonstige Hilfen (z. B. Urlaubsvertretung. etc.) | Med./berufliche Reha (ergänzende Reha-Leistungen, z. B. Übergangsgeld), Renten | Med./berufliche Reha, Renten, ggf. Pflegeleistungen | Arbeitslosengeld, berufl. Reha (z. B. Umschulung), Beratungsleistungen |
Zuständigkeit verschiedener Rehabilitationsträger (31.3) RehabilitationLeistungsträger
Leistungen | zur med. Rehabilitation | zur Teilhabe am Arbeitsleben | zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft | Unterhaltssichernde u. a. ergänzende Leistungen |
Träger | ||||
Gesetzliche Krankenversicherung | ja | nein | nein | ja |
Gesetzliche Rentenversicherung | ja | ja | nein | ja |
Alterssicherung für Landwirte | ja | nein | nein | ja |
Gesetzliche Unfallversicherung | ja | ja | ja | ja |
Bundesagentur für Arbeit | nein | ja | nein | ja |
Kriegsopferfürsorge | ja | ja | ja | ja |
Träger der öffentlichen Jugendhilfe | Ja | Ja | Ja | Ja |
Träger der Sozialhilfe | ja | ja | ja | ja |
ja = bietet an; nein = bietet nicht an
ErwerbsunfähigkeitRenteRentenformenRentenformen (ab 1.1.2001) Altersrente
A. Rente wegen Alters | B. Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit |
|
|
„Alte“ Renten mit Übergangsregelungen
|
„Alte“ Renten mit Übergangsregelungen
|
Die Bewertungssystematik im Überblick (SEP = Summe der Einzelpunkte; GP = gewichteter Punktwert PflegebedürftigkeitBewertungssystematikSelbstständigkeitBewertungssystematik
Module (M) und Gewichtung | Schweregrad der Beeinträchtigung von Selbstständigkeit oder Fähigkeiten | SEP und daraus resultierender GP des Moduls | ||||
keine | gering | erheblich | schwer | schwerst | ||
M 10 % |
0–1 | 2–3 | 4–5 | 6–9 | 10–15 | SEP M 1 |
0 | 2,5 | 5 | 7,5 | 10 | GP M 1 | |
M 2 | 0–1 | 2–5 | 6–10 | 11–16 | 17–33 | SEP M 2 |
M 3 | 0 | 1–2 | 3–4 | 5–6 | 7–65 | SEP M 3 |
Höchster Wert aus M 2 o. 3
15 % |
0 | 3,75 | 7,5 | 11,25 | 15 | GP für M 2 u. 3 |
M 4
40 % |
0–2 | 3–7 | 8–18 | 19–36 | 37–54 | SEP M 4 |
0 | 10 | 20 | 30 | 40 | GP M 4 | |
M 5
20 % |
0 | 1 | 2–3 | 4–5 | 6–15 | SEP M 5 |
0 | 5 | 10 | 15 | 20 | GP M 5 | |
M 6
15 % |
0 | 1–3 | 4–6 | 7–11 | 12–18 | SEP M 6 |
0 | 3,75 | 7,5 | 11,25 | 15 | GP M 6 |
Leistungen der Pflegeversicherung ab 2017 in €/Mon. PflegeversicherungLeistungen
Beeinträchtigung der Selbstständigkeit | gering | erheblich | schwer | schwerst | schwerst mit bes. Anforderungen an die Pflege |
Häusliche Pflege | |||||
Pflegesachleistung | Anspruch nur über Entlastungsbetrag | 689 | 1.298 | 1.612 | 1.995 |
Pflegegeld | – | 316 | 545 | 728 | 901 |
Pflegevertretung (Aufwendungen bis 6 Wo. im Kalenderjahr) | |||||
erwerbsmäßig | – | 1.612 | 1.612 | 1.612 | 1.612 |
d. nahe Angehörige | – | 474 | 817,50 | 1.092 | 1.351,50 |
Kurzzeitpflege (Aufwendungen bis 8 Wo. im Kalenderjahr) | |||||
Anspruch nur über Entlastungsbetrag | 1.612 | 1.612 | 1.612 | 1.612 | |
Teilstationäre Tages- und Nachtpflege | |||||
Anspruch nur über Entlastungsbetrag | 689 | 1.298 | 1.612 | 1.995 | |
Zusätzliche Leistungen für Pflegebedürftige in ambulant betreuten Wohngruppen | |||||
214 | 214 | 214 | 214 | 214 | |
Anschubfinanzierung zur Gründung ambulant betreuter Wohngruppen | |||||
2.500 | 2.500 | 2.500 | 2.500 | 2.500 | |
Entlastungsbetrag | |||||
125 | 125 | 125 | 125 | 125 | |
Vollstationäre Pflege | |||||
Anspruch nur über Entlastungsbetrag | 770 | 1.262 | 1.775 | 2.005 | |
Vollstationäre Pflege | |||||
Anspruch nur über Entlastungsbetrag | 770 | 1.262 | 1.775 | 2.005 | |
Pflege in vollstationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen | |||||
– | 266 | 266 | 266 | 266 | |
Zum Verbrauch bestimmter Pflegehilfsmittel | |||||
40 | 40 | 40 | 40 | 40 | |
Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes | |||||
Aufwendungen in Höhe von bis zu | 4.000 | 4.000 | 4.000 | 4.000 | 4.000 |
Umwandlungsanspruch: Übertragung des ambulanten Sachleistungsanspruchs (40%) | |||||
Unterstützungsleistungen im Alltag | – | 275,60 | 519,20 | 644,80 | 798 |
Prävention und Sozialmedizin
-
31.1
Prävention Thomas Ledig1560
-
31.2
Sozialmedizin Martin Rieger1569
31.2.1
Wichtige sozialmedizinische Begriffe1569
31.2.2
Das System der sozialen Sicherung1573
31.2.3
Leistungen bei Arbeits- und vorübergehender Dienstunfähigkeit1574
31.2.4
Verordnung häuslicher Krankenpflege1578
31.2.5
Verordnung einer Haushaltshilfe oder eines landwirtschaftlichen Helfers1579
31.2.6
Rehabilitationsleistungen1580
31.2.7
Rentenleistungen1583
31.2.8
Sozialleistungen nach Schwerbehindertenrecht1585
31.2.9
Pflegeversicherung1587
31.2.10
Zusammenarbeit zwischen Hausarzt und Sozialleistungsträger1592
-
31.3
Internetadressen1593
31.1
Prävention
-
1.
Maßnahmen zur Verhütung des Auftretens von Erkr. (Krankheitsvorbeugung, primäre PräventionPrimärprävention): Dazu gehören:
-
–
Standard-/Indikationsimpfungen (9.2.3)
-
–
Anregung u. Unterstützung von Verhaltensweisen, die gesundheitsfördernd u. krankheitsvorbeugend wirken, z. B. regelmäßige Bewegungs-/Sportprogramme, ausgewogene Ernährung, Strategien zur Stressvorbeugung/-bewältigung
-
–
Vermeidung krankheitsauslösender Faktoren wie Rauchen, Alkohol-/Drogenkonsum, Übergewicht, einseitige/Mangelernährung
-
-
2.
Früherkennung bereits bestehender Erkr. in einem Stadium, in dem diese noch wenig o. überhaupt nicht symptomatisch sind u. eine Behandlung eine wesentliche Verlängerung der Lebenserwartung bedeuten kann (sekundäre PräventionSekundärprävention, z. B. Test auf okkultes Blut im Stuhl, Zervixabstrich u. a. Screeningunters.)
-
3.
Maßnahmen zur Verhinderung des Fortschreitens bereits bestehender Erkr., z. B. amb. Herz-/Diabetesgruppen, Einwirken auf Fähigkeitsstörungen in der Rehabilitation o. zur Wiederherstellung möglichst weitgehenden Wohlbefindens nach schweren Erkr., Unfällen, Malignomen (tertiäre PräventionTertiärprävention)
-
4.
Quartäre PräventionQuartärprävention: Schutz des Pat. vor überflüssigen med. Maßnahmen u. daraus resultierenden Folgen. Diese Präventionsform gewinnt angesichts der Zunahme von technisch Machbarem, Leistungsausweitung u. „Doctor-Hopping“ in der Tätigkeit des Haus- u. Familienarztes zunehmend an Bedeutung.
31.1.1
Krankheitsvorbeugung
-
•
Empathisches, verstehendes Zuhören u. nichtdirektives Erforschen der Gründe für gesundheitsschädliche Gewohnheiten u. Belastungsfaktoren
-
•
Veränderungen am besten durch kleine verhaltensther. Programme u. Aktivierung der Eigeninitiative der Pat.
-
•
Pat. möglichst kurzfristig wiedereinbestellen (Erfolgsbeobachtung u. häufige pos. Verstärkung der erzielten Fortschritte)
-
•
Broschüren zu nahezu jeder Facette gesundheitsbewussten Lebens in großer Auswahl bei den KK
-
•
Qualifiziertes u. produktneutrales Schulungs- u. Informationsmaterial: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Deutsche Krebshilfe, viele Selbsthilfegruppen (34.2, Adressen), Suchtberatungsstellen 31.3
-
•
Praxiseigene Materialien erstellen, Austausch in Qualitätszirkeln/Ärztenetzen, Gruppenangebote in eigener Praxis organisieren
Nikotinentwöhnungsstrategien
-
•
Verschiedene Entwöhnungsstrategien, Entspannungs-/Stressbewältigungsübungen anbieten u. erläutern
-
•
Wenn Bereitschaft des Pat. zum Nikotinstopp: konkrete Planung, ggf. Nikotinersatz, häufige Sprechstundenkontakte, um Schwierigkeiten zu besprechen. Rauchertagebuch führen (Häufigkeit u. Anlässe des Rauchens). Rückfälle häufig, kein Grund zur Aufgabe der Bemühungen, u. U. begleitend Akupunktur (27.2.3), Hypnose, autogenes Training
-
•
Unterstützende Maßnahmen wie Nikotinkaugummi, -pflaster, -nasenspray fangen Entzugssymptome ab. Einsatz nur nach ausführlicher Aufklärung i. R. eines Gesamtkonzepts (verhaltensther. Maßnahmen). Cave: nur zur Überbrückung der akuten Entwöhnungszeit (ca. 2, max. 4 Wo.); auf rechtzeitige, selbstprogrammierte Reduktion achten, sonst verlängerte Nikotinabhängigkeit!
-
•
Einsatz von Bupropion (Zyban®)/Varenidin (Champix®): exakt auf einschleichende Dos./mögliche NW achten. Bei Medikationsbeginn Termin für die letzte Zigarette mit Pat. vereinbaren!
Alkohol- und Drogenprävention
-
•
Einzel- u./o. Familien- u./o. Partnergespräche anbieten
-
•
Vermittlung an lokale Beratungsstellen, Alkoholikergruppen (Adressen über Bundesverbände, 34.2)
-
•
Nach stat. Alkoholentgiftung unbedingt Anbindung an Beratungsstelle u./o. Selbsthilfegruppe (34.2). Abstinenzerhaltung in Einzelfällen mit Acamprosat (z. B. Campral®) wirksam unterstützen
-
•
Einleitung eines Heilverfahrens zur Entwöhnung
-
•
Bei Gefährdung o. manifester Erkr. Angebot bzgl. Vermittlung von Beratungsstellen (Adressen über Bundesverbände, 34.2)
-
•
Beantragung eines Heilverfahrens, auf Wunsch des Pat. auch unter Einbeziehung des Betriebsarztes (BA)
Impfprophylaxe
-
•
Grund-, Auffrischungs-, Nachholimpfungen gem. Empfehlungen der Ständigen Impfkommission am RKI (STIKO, 31.3), 9.2.2.
-
•
Aushang im Wartezimmer, praxisinternes Merkblatt
-
•
Zusätzliches Angebot: Impfberatungen bei Fernreisen (9.10.8)
-
•
Recall-System zur Erinnerung an fällige Impfungen anbieten. (Cave: Schriftliches Einverständnis des Pat. einholen!)
-
•
STIKO-Empfehlungen sind wissenschaftliche Grundlage für länderspez. verbindliche Impfempfehlungen. Einzelne Bundesländer können von STIKO-Empfehlungen abweichen.
-
•
Durch andere Ärzte vorgenommene Impfungen nicht nachträglich im Impfpass bestätigen (ungeklärte Haftungsfrage bei Irrtümern). Evtl. vorliegende Impfbescheinigungen einkleben o. Eintrag der Impfung mit Vermerk „lt. Angaben des Pat.“ ohne Unterschrift.
-
•
Impfberatungen, -leistungen in Zusammenhang mit Auslandsreisen je nach GKV evtl. abrechnungsfähig (31.3), ansonsten private Liquidation als IGeL-Leistung.
31.1.2
Früherkennungsuntersuchungen
-
•
FÄ Allgemeinmedizin/praktische Ärzte, hausärztl. tätige FÄ Innere Medizin
-
–
Päd. Versorgung: alle Ärzte: U2–U9, J1; je nach KV mit bes. Qualifikationsnachweis: zusätzlich U10, U11, J2 (31.3)
-
–
Früherkennung bei Jgl., Erw.: Jugendarbeitsschutzunters.Jugendarbeitsschutzuntersuchung, Gesundheitsunters. ≙ Check-upCheck-up, Krebsfrüherkennung bei M
-
-
•
FÄ Innere Medizin (Schwerpunkt Gastroenterologie), FÄ Chirurgie (Subspezialisierung Koloskopie): Früherkennungskoloskopie
-
•
FÄ Urologie, Dermatologie, Chirurgie: Krebsfrüherkennung bei M
-
•
FÄ Gynäkologie: Krebsfrüherkennung bei F
-
•
FÄ Kinder-, Jugendmedizin: U2–U11, J1, J2
-
•
Hautkrebsscreening: FÄ Allgemeinmedizin, Innere Medizin, Dermatologie nach standardisierter Schulung
-
•
Auffällige Befunde sehr ernst nehmen
-
•
Kontrollen in geeignetem Abstand in eigener Praxis o. beim spezialisierten FA veranlassen
-
•
Bei suspektem Befund Pat. immer umfassend aufklären u. Kontrolltermin vereinbaren
Es gibt wenig Schlimmeres für Gewissen u. Ruf als auch nur ein Pat., bei dem sich kurz nach der Vorsorge ein übersehener path. Befund herausstellt!
Vorsorgeuntersuchungen bei Kindern
-
•
Auf Toleranzgrenzen für Untersuchungszeitpunkt achten, sonst nicht abrechnungsfähig.
-
•
Früh-, Risikogeborene primär durch FA Pädiatrie untersuchen lassen.
-
•
Tipp: Entwicklungsschritte im Vergleich zur Entwicklung älterer Geschwister abfragen (16.2).
-
•
Einzelne KK erstatten zusätzliche Vorsorgeunters.: U10 mit 7–8 J., U11 mit 9–10 J., J2 mit 16–17 J. (vorher bei KK erkundigen). Dokumentationsheft für zusätzliche Vorsorgen vom Bundesverband der Kinder- u. Jugendärzte (31.3). Bei einzelnen KVen bestehen Selektivverträge ausschl. mit FÄ Pädiatrie bzgl. erweiterter Vorsorgeangebote (z. B. aktuell „Paed.Plus®“ bei BEK, vorher klären!).
Durchführung
-
•
Bei jeder Vorsorge Kind vollständig entkleidet untersuchen. Kindgerechte Atmosphäre, warme Umgebung wichtig bzgl. Untersuchungsqualität u. Akzeptanz
-
•
(Zwischen-)Anamnese mit Erfassung entwicklungsgefährdender Erkr. o. OP. Gezielte Fragen nach Meilensteinen der Entwicklung (16.2, Abb. 16.2), Abhängigkeitserkr. d. Eltern
-
•
Ernährungsanamnese; Ess-/Trinkverhalten, welche Speisen werden angeboten/angenommen
-
•
Gewichts-/Körpergrößenkontrolle, Kopfumfang, Eintragung in Somatogramm
-
•
Vollständige Unters, inkl. Bewegungsorgane u. Nervensystem
-
•
Überprüfung Schutzimpfungen (9.2.2), Vit.-D-, Fluoridprophylaxe, in Jodmangelgebieten jodiertes Speisesalz empfehlen (16.3.7, 16.3.8, 16.3.9)
-
•
Filterpapierkarte für erweitertes NG-Screening (TSH u. a., s. o.) umgehend einsenden.
-
•
Kind muss in den letzten 2 d Milch getrunken haben (Galaktosämie-Screening).
-
•
Kärtchen vorher mit Personalien beschriften.
-
•
Felder müssen vollständig mit Blut gefüllt sein.
-
•
Vorzeitige Hep.-B-Impfung bei HbSAg-Träger in der Familie
-
•
Cave NG-Screening (Fersenblut): keine sicher verwertbaren Ergebnisse unter laufender Antibiotikather.
Früherkennung von Schwerhörigkeit bei Kindern
-
•
Rezid. Otitiden/Sinusitiden, Adenoide (16.6.10, 16.6.11, 16.6.12).
-
•
Psychogen o. Ausdruck einer Hirnleistungsstörung (z. B. Geburtstrauma, Meningitis).
Drohende verzögerte/gestörte Sprachentwicklung → Früherkennung wesentlicher Bestandteil jeder Vorsorgeunters. (s. U3–U11).
-
•
Gezielte Anamnese:
-
–
Reaktion auf Ansprache, Geräusche. Reagiert Kind auch, wenn es Sprechenden nicht sieht?
-
–
Vergleich mit älteren Geschwistern
-
–
Fortschritte in Sprachentwicklung, Phonationsstörungen
-
-
•
Spez. Unters. (in Praxissituation oft schwierig, da Kind durch ungewohnte Umgebung erregt/abgelenkt)
-
–
Knistern mit Papier, Hochtonrassel (Kopf wenden), Händeklatschen (Erschrecken)
-
–
Ansprache mit Namen (ab ca. 9 Mon.)
-
–
Unters. Rachen, Gehörgänge, Trommelfelle
-
–
Hörtest (U8)
-
-
•
Tympanometrie, Stapediusreflexprüfung
-
•
Messung otoakustische Emissionen (OAE), akustisch evozierte Potenziale (AEP)
-
•
Frühzeitige Verordnung von Stimm-/Sprech-/Sprachther.
Jugendgesundheitsberatung
Jugendarbeitsschutzuntersuchung
-
•
Erstunters.: vor Aufnahme Ausbildung/Tätigkeit
-
•
Nachunters.: vor Ablauf des 1. Beschäftigungsjahres (sofern Jgl. dann noch nicht 18. Lj. vollendet hat!)
-
•
Außerordentliche Nachunters.: wenn vom Erstuntersucher aufgrund des Gesundheitszustands als notwendig veranlasst
-
•
Gute Gelegenheit zur Impfstatusüberprüfung
-
•
Anamnese (vollständig!), auf standardisiertem Fragebogen dokumentieren
-
•
Ganzkörperunters. (inkl. Sehtest für Nah-/Fernvisus, Farbtest, Hörprüfung mit einfachen Mitteln, Beurteilung Körperbau, Bewegungsapparat)
-
•
Urinunters. (Streifentest, bei Auffälligkeit Sediment)
-
•
Ergänzungsunters. bei abklärungsbedürftigen Befunden. Sofern ÜW spezialisierten FA erforderlich, entsprechende Formulare (s. u.) verwenden. Abschließende Beurteilung (mit Ausstellung Bescheinigungen für Arbeitgeber, Sorgeberechtigte) erst nach Vorliegen der Befunde
-
•
Keine Leistung der GKV! Abrechnung mit zuständigem Gewerbeaufsichtsamt (Rechnungsstellung: Vordruck gem. Ziff. 32 GOÄ)
-
•
Überweisungen zu Ergänzungsunters. nicht zulasten der KK, sondern auf gesonderten Formularen zur Abrechnung mit Gewerbeaufsichtsamt. In einigen Bereichen: Formulare über KV, Berechtigungsscheine vom Einwohnermeldeamt
-
•
Sofern in zeitlichem Zusammenhang andere Beratungen o. Unters. fällig werden, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit Jugendarbeitsschutzunters. stehen, erfolgen diese zulasten der KK
Krebsfrüherkennungsuntersuchungen
Gesetzlich vorgesehene Früherkennungsunters. werden derzeit nur von einem Teil der Berechtigten wahrgenommen (durchschnittlich ca. 50 % der berechtigten F u. 19 % der berechtigten M). Steigerung der Teilnahme möglich durch:
-
•
Gezieltes Ansprechen der Berechtigten, Ausgabe von Infoflyern
-
•
Gesonderte Vorsorge-Terminsprechstunde
-
•
Optimierte Organisation (z. B. Ausgabe „Vorsorgepaket“ mit Infoblatt, Anamnesebogen zur Vorbereitung etc.)
-
•
Ausgabe Terminkarte (Dokumentation der Durchführung/Erinnerung an nächsten Vorsorgetermin; 31.3)
-
•
Breites hausärztl. Angebot, d. h. Durchführung aller Vorsorgeunters. (v. a. in ländlichen Gebieten wichtig)
-
•
Einführung Recall-System: Pat. wird von der Praxis an Fälligkeit der Vorsorgeunters. erinnert (cave: setzt schriftliches Einverständnis des Pat. voraus; entsprechendes Formular vorbereiten u. unterschreiben lassen)
Bei Frauen
-
•
Ab dem Alter von 20 J. jährlich:
-
–
Anamnese
-
–
Abdomen palpieren, Einstellung Vagina, Portio: Fluor? Leukoplakie? Erythroplakie?
-
–
Abstrichentnahme von Portio u. Zervikalkanal (Zytologie)
-
–
Bimanuelle Unters. von Uterus u. Adnexen
-
–
Beratung
-
–
Ggf. FA-Überweisung (kurativ)
-
-
•
Ab dem Alter von 30 J. zusätzlich: Unters. Mammae, Axillen, Haut auf suspekte Veränderungen u. Lk
-
•
Ab dem Alter von 50 J. zusätzlich: rektal-digitale Unters.
Bei Männern
-
•
Anamnese
-
•
Unters. Haut, Leistenregion, äußeres Genitale, Analregion
-
•
Digitale Palpation Rektum u. Prostata
-
•
Beratung
-
•
Ggf. FA-Überweisung (kurativ)
Gesundheitsuntersuchung („Check-up“)
-
•
Angebot einer Früherkennungssprechstunde außerhalb üblicher Arbeitszeiten erhöht die Akzeptanz berufstätiger Pat.
-
•
Risikoberatung, ggf. Lebensstilveränderung: Beratungssoftware (z.B. ARRIBA-Hausarzt) hilfreich
-
•
Eigen-/Familienanamnese, Erhebung kardiovaskuläres RF-Profil
-
•
Ganzkörperunters. gem. Vordruck Muster 30 (31.3)
-
•
Blutentnahme (Chol., BZ). Empfehlung: Fundierte Risikoberatung erfordert i. d. R. Bestimmung weiterer Laborparameter (BB, HDL-/LDL-Differenzierung): dem Pat. bei Blutentnahme empfehlen (z. B. als IGeL-Leistung)
-
•
Harnstreifentest (Eiweiß, Glukose, Erys, Leukos, Nitrit)
-
•
Beratung, Präventionsempfehlungen
Medizinisch sinnvolle Erweiterung der Check-up-Unters. auf Wunsch des Pat.: zusätzlich z. B. erweitertes Labor (z. B. BB, PSA, Transaminasen, Lipidprofil), EKG, Sono, Spiro, Doppler, Ergo (Selbstzahlerleistung, „IGeL“).
Hautkrebsscreening (HKS)
-
•
Gezielte, strukturierte Anamnese bzgl. Risikofaktoren für malignes Melanom, Spinalzell-, Basalzellkarzinom
-
•
Standardisierte visuelle Unters. der gesamten Körperoberfläche (einschl. behaarte Kopfhaut) auf suspekte Hautveränderungen
-
•
Beratung zu Hauttyp, Sonnenexposition, Maßnahmen der Hautkrebsprophylaxe
-
•
Suspekte Befunde: ÜW → FA Dermatologie (zweite HKS-Stufe): Überprüfung des suspekten Befunds, ggf. Veranlassung Biopsie
Darmkrebsfrüherkennung (Vorsorgekoloskopie)
-
•
Ab 50.–55. Lj.:
-
–
Information bzgl. Programm (Bestandteil hausärztl. Versorgung gem. Ordinations-/Konsultationsziffer)
-
–
Jährliche Testung auf okkultes Blut im Stuhl
-
-
•
Ab 56. Lj.:
-
–
Zweite Beratung zum Krankheitsbild u. dem Ziel der Vorsorge, Abwägung der Vor- u. Nachteile („Motivationsgespräch“ gem. Ziff. 01740 EBM 2000)
-
–
Ausgabe des Merkblatts (31.3)
-
–
Zwei Koloskopien im Abstand von 10 J.
-
–
Wenn Koloskopie nicht gewünscht: Test auf okkultes Blut im Stuhl alle 2 J.
-
–
Ab dem 1.10.2016 ist die Verwendung eines immunolog. Stuhltests auf okkultes Blut vorgeschrieben (iFOBT; 32.1.5)
-
-
•
Falls erste Koloskopie nach 65. Lj. durchgeführt wird, besteht kein Anspruch auf eine zweite!
-
•
Stuhlunters. kann auch unabhängig von Teilnahme an anderen Krebsfrüherkennungsmaßnahmen durchgeführt werden (Erhöhung Akzeptanz).
-
•
Pos. Testergebnis bzgl. okkultes Blut: Anspruch auf koloskopische Abklärung (keine Mengenbeschränkung).
-
•
Alle Früherkennungsunters./-beratungen auch zur Überprüfung des Impfschutzes nutzen!
31.2
Sozialmedizin
31.2.1
Wichtige sozialmedizinische Begriffe
Arbeitsunfähigkeit (AU)
Behinderung
Berufsunfähigkeit (BU)
Erwerbsminderung
-
•
Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wg. Krankheit o. Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarkts mind. 6 h tägl. erwerbstätig zu sein.
-
•
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die im gleichen Sinne nicht mehr mind. 3 h täglich erwerbstätig sein können.
Erwerbsunfähigkeit (EU)
Gleichstellung
Grad der Behinderung (GdB)
Grad der Schädigungsfolgen (GdS)
Heilungsbewährung
ICF
Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE)
-
•
MdE in der gesetzlichen Unfallversicherung (SGB VII, § 56): Maß für den Umfang der sich aufgrund eines Arbeitsunfalls o. einer BK ergebenden Beeinträchtigung des körperl. u. geistigen Leistungsvermögens auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. In einer abstrakten Betrachtung wird Erwerbsfähigkeit vor einem Arbeitsunfall/BK mit derjenigen danach verglichen. Prozentualer Verlust stellt Maß für zu gewährende Teilrente dar.
-
•
MdE im Recht der sozialen Entschädigung (z. B. Ausgleich von Kriegsfolgeschäden, Schäden i. R. von Wehr- u. Zivildienst) wurde seit dem 21.12.2007 begrifflich durch Grad der Schädigungsfolgen (GdS, s. o.) abgelöst.
-
•
In der gesetzlichen Rentenversicherung (SGB VI) ist die Minderung der Erwerbsfähigkeit eine erhebliche u. länger andauernde (> 6 Mon.) Einschränkung der Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben infolge gesundheitlicher Beeinträchtigungen. Aus der prozentualen Höhe einer MdE kann kein Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit im ErwerbslebenErwerbsminderung gezogen werden!
Pflegebedürftigkeit
Rehabilitation
Schwerbehinderte
Vertrauensschutz
Zumutbarkeit
-
•
Allg. Gründe: Verstoß der Beschäftigung gegen gesetzliche, tarifliche o. in Betriebsvereinbarungen festgelegte Bestimmungen über Arbeitsbedingungen o. gegen Bestimmungen des Arbeitsschutzes.
-
•
Personenbezogene Gründe: Das erzielbare Arbeitsentgelt ist „erheblich“ niedriger als das der Bemessung des Arbeitslosengeldes zugrunde liegende (zuletzt erzielte) Arbeitsentgelt; d. h. um > 20 % in den ersten 3 Mon., um > 30 % im 4.–6. Mon. der Arbeitslosigkeit. Ab Beginn des 7. Mon. ist dem Arbeitslosen die Aufnahme einer Tätigkeit nur dann nicht zumutbar, wenn Nettoeinkommen niedriger ist als bezogene Sozialleistung (Arbeitslosengeld I o. II).
31.2.2
Das System der sozialen Sicherung
Sozialversicherung
Soziale Entschädigung
Soziale Förderung
Sozialhilfe (SGB XII)
-
•
Nachrangigkeit (Subsidiaritätsprinzip)
-
•
Individualisierung (d. h. Bemessung ausschließlich am konkreten Fall)
-
•
ausschl. Deckung des aktuellen Bedarfs (d. h. nie rückwirkend)
31.2.3
Leistungen bei Arbeits- und vorübergehender Dienstunfähigkeit
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•
AU lt. GKV: ArbeitsunfähigkeitVersicherter kann aus Krankheitsgründen seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit nicht mehr o. nur unter der Gefahr der Verschlimmerung nachgehen. Gemeint ist eine erhebliche Verschlimmerung innerhalb einer absehbar kurzen Zeitspanne, nicht theoretisch mögliche Verschlechterungen durch langfristige weitere Tätigkeit.
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AU lt. PKV: Versicherter kann seine berufliche Tätigkeit nach med. Befunden vorübergehend in keiner Weise erfüllen, übt sie tatsächlich nicht aus u. geht keiner anderweitigen Erwerbstätigkeit nach.
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Dienstunfähigkeit bei Beamten, Richtern, Soldaten u. Wehdienstleistenden: DienstunfähigkeitPat. ist krankheits- o. unfallbedingt nicht in der Lage, seine Dienstpflichten zu erfüllen.
Sozialleistung und Leistungsträger
Voraussetzungen für Anspruch auf Entgeltfortzahlung und Krankengeld
Keine Arbeitsunfähigkeit bei nicht krankheitsbedingter Arbeitsverhinderung (AU-Richtlinie vom 1.12.2003, letzte Änderung 13.11.2013).
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Bei Beaufsichtigung/Betreuung eines erkrankten Kindes < 12 J.
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Bei diagn./ther. Maßnahmen, sofern diese selbst keine AU bedingen
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Bei Beschäftigungsverboten gem. Infektionsschutzgesetz
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Bei Beschäftigungsverboten gem. Mutterschutzgesetz, z. B. für Arbeiten auf Beförderungsmitteln nach Ablauf des 3. Schwangerschaftsmon., für Arbeiten mit erhöhter Unfallgefahr, bes. der Gefahr auszugleiten, zu fallen, abzustürzen, Akkordarbeit, Arbeiten mit längerem Stehen (> 4 h)
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Bei Organspendern; KV des Organempfängers ersetzt Lohnausfall des Spenders
Ausstellung einer Arbeits-, Dienstunfähigkeitsbescheinigung
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GKV: Bescheinigung auf neuem ArbeitsunfähigkeitFormularFormular Muster 1 (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung), das seit 1.1.2016 auch nach Ende der Entgeltfortzahlung verwendet wird (dann Feld „ab 7. AU-Woche o. sonstiger Krankengeldfall“ ankreuzen) (1.3.4); Beginn der AU am Tag der ärztl. Feststellung; Rückdatierung nur in Ausnahmefällen um max. 2 d möglich; Dauer muss im Voraus angegeben werden.
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PKV, Dienstunfähigkeitsbescheinigung: formloses Attest für Arbeitgeber ohne Angabe der Diagnose. Besteht eine Krankentagegeldversicherung, erhalten Pat. meist ab Anspruchsbeginn einen Vordruck der Versicherung, auf dem Diagnose u. voraussichtliche Erkr.-Dauer einzutragen sind.
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Dauer der Arbeits-/Dienstunfähigkeit: bei med. Ind. keine zeitl. Begrenzung. Initial eher kürzere Fristen (1–2 Wo.), bei Krankengeldbezug regelmäßige Kontrollen nach jeweils ca. 3. Wo. Entgeltfortzahlung bzw. Krankengeldanspruch wg. „derselben“ Krankheit sind zeitl. auf 78 Wo. innerhalb eines von der KK zu ermittelnden 3-Jahres-Zeitraums (Blockfrist) begrenzt!
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Aufbewahrungspflicht: Durchschläge der AU-Bescheinigung 1 J.
Auf den Durchschlag, den die KK erhält, gehört nur die Diagnose (ICD-10 verschlüsselt), die die aktuelle AU tatsächlich verursacht. Die Nennung evtl. bestehender Begleiterkr. (die eigentlich keine AU verursachen) kann dazu führen, dass Anspruchsfristen für Krankengeldbezug falsch u. für Pat. ungünstiger errechnet werden.
Aufeinanderfolge von Arbeitsunfähigkeitszeiten
Entgeltfortzahlung (Arbeitgeber)
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Wird i. d. R. bei AU wg. ein Entgeltfortzahlungu. derselben Krankheit bis 6 Wo. (je nach Tarifvertrag auch länger) gezahlt. Cave: komplizierte Fristenberechnungen (Aufgabe der KK).
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Anspruchsdauer verlängert sich nicht, wenn während AU zweite Erkr. hinzutritt, die ebenfalls AU begründet.
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Für ≥ 2 AU-Phasen wg. verschiedener Erkr., die im Abstand von wenigen Tagen o. Wo. aufeinanderfolgen, besteht jeweils Anspruch auf Entgeltfortzahlung für volle 6 Wo.
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Falls Zeitraum zwischen Beginn einer neuen u. Ende einer vorangegangenen AU wg. „derselben“ Krankheit < 6 Mon.: Anspruch auf Entgeltfortzahlung für nur max. 42 d.
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Liegt bei Krankheit A das AU-Ende (mit voller 6-wöchiger Entgeltfortzahlung) zu Beginn von Krankheit B schon mehr als 6 Mon. zurück, hat Pat. erneut Anspruch auf 6-wöchige Entgeltfortzahlung. Bei anschließender erneuter AU wg. Krankheit B erhielte der Pat. aber erst nach > 12 Mon. erneut eine Entgeltfortzahlung über 6 Wo. → Arbeitgeber müssen i. d. R. bei chron. Kranken nur einmal pro J. Entgeltfortzahlung leisten.
Krankengeld (Krankenkasse)
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Keine zeitliche Begrenzung. Wg. „Krankengeldderselben“ Krankheit allerdings längstens 78 Wo. innerhalb einer 3-jährigen Rahmenfrist (s. o.).
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Beginn des Krankengeldanspruchs: ab dem Tag der ärztl. Feststellung der AU (kein „Karenztag“ mehr) o. ab Beginn einer Behandlung in einem Krankenhaus (KH) o. einer Vorsorge-/Reha-Einrichtung. Bei fortbestehender AU reicht Feststellung am nächsten Werktag (Samstag kein Werktag).
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Anspruch auf Krankengeld ruht während Entgeltfortzahlungen, bei Bezug von Entgeltersatzleistungen wie z. B. Arbeitslosengeld, Mutterschaftsgeld, Übergangsgeld der DRV.
Krankentagegeld
Wichtige Hinweise zur AU
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Behandlungsbedürftigkeit u. Behandlungsfähigkeit sind keine zwingenden Voraussetzungen für AU. Ein Heizungsbauer mit schwersten u. nicht reparablen Knieschäden bleibt z. B. auf Dauer arbeitsunfähig, auch wenn ein nicht mehr behandlungsfähiger „Endzustand“ erreicht ist.
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Auch Behinderte, die z. B. in Behindertenwerkstätten arbeiten, können arbeitsunfähig sein, ebenso Rentner, die noch einer regelmäßigen Beschäftigung nachgehen, o. „geringfügig Beschäftigte“. Auch sie haben Anspruch auf Entgeltfortzahlung.
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Arbeitslose müssen bei AU bei der Agentur für Arbeit eine AU-Bescheinigung vorlegen. Sie erhalten ihre Bezüge für weitere 6 Wo., danach Krankengeld mit Bezug auf das zuvor bezogene Arbeitslosengeld I.
Möglichkeiten der beruflichen Wiedereingliederung
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Vollschichtiger WiedereingliederungberuflicheArbeitsversuch mit AU-Beendigung.
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Stufenweise Wiedereingliederung (Hamburger Modell).
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I. d. R. soll mind. halbschichtiges Leistungsvermögen gegeben sein.
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Pat. u. Arbeitgeber müssen zustimmen, in bestimmten Fällen auch BA.
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Es besteht weiter AU → Arbeitgeber muss keinen Lohn zahlen; volle Anrechnung auf max. Dauer des Krankengeldanspruchs.
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Dauer: 4–6 Wo.; länger nur bei nachvollziehbarer med. Begründung.
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Cave: Nicht selten Forderung von Personalabteilungen mit vollkommen überzogenen Wiedereingliederungszeiten!
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Rehabilitationsmaßnahmen bei erheblich gefährdeter/geminderter Erwerbsfähigkeit:
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Bei Pat. > 40 J.: prim. med. Reha-Maßnahmen, vom Rentenversicherungsträger finanziert
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–
Bei Pat. bis ca. 40 J.: prim. berufliche Reha-Maßnahmen, z. B. von Arbeitsagentur o. RV-Träger finanziert
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Ist Tätigkeit am alten Arbeitsplatz auf Dauer nicht möglich:
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Prüfung, ob technische Hilfsmittel das Arbeiten wieder möglich machen können
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Prüfung, ob ein innerbetrieblicher Arbeitsplatzwechsel möglich ist; evtl. Kontakt mit Werks-/Betriebsarzt aufnehmen
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Gutachten zur AU durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK)
„Missbrauch der Arbeitsunfähigkeit“ kann bestehen:
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•
Bei chron. Arbeitsplatzkonflikten
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Bei auslaufenden Arbeitsverhältnissen
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Bei auslaufenden Sozialleistungsansprüchen ggü. anderen Trägern, die die Basis für die Bemessung des Krankengelds darstellen (z. B. Arbeitslosengeld o. Mutterschaftsgeld beim Übergang in den Erziehungsurlaub) u. die Gesamtbezugsdauer von Sozialleistungen verlängern
Ansehen des Arztes bei seinen Pat. hängt hier mehr von seiner Konsequenz als von seiner Nachgiebigkeit ab!
31.2.4
Verordnung häuslicher Krankenpflege
Leistungen und Leistungsträger
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•
HKP wird im Haus des Pat. o. seiner Familie erbracht, kann aber auch z. B. in Schulen, betreuten Wohnformen o. Arbeitsstätten gewährt werden, weil sich Pat. dort regelmäßig aufhält u. wenn verordnete Leistung dort zuverlässig erbracht werden kann.
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•
Grundpflege: Hilfe bei der Körperpflege (z. B. Waschen, Zahnpflege, Kämmen); bei der Ernährung (z. B. Füttern) u. bei der Mobilität (z. B. Aufstehen, An- u. Auskleiden).
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•
Unterschiede bzgl. Pflegemaßnahmen, verrichtungsbezogene krankheitsspezifischeBehandlungspflege (nicht abschließend definiert): Behandlungspflege
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„Einfache“ Leistungen können i. d. R. von Laien, d. h. auch von Angehörigen, erbracht werden, z. B. RR-Messung, evtl. auch BZ-Messungen, Geh- u. Bewegungsübungen, Einreibungen, Abgabe von Medikamenten
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–
Leistungen, die grundsätzlich von geschultem Fachpersonal erbracht werden sollen o. müssen (z. B. Wundpflege, Einläufe, Spülen von Körperhöhlen)
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-
•
Hauswirtschaftliche Versorgung: z. B. Bettenmachen, Putzen, Zubereiten von Mahlzeiten
Voraussetzung für die Bewilligung häuslicher Krankenpflege
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•
KH-Behandlung ist geboten, aber nicht ausführbar oder Häusliche KrankenpflegeVoraussetzungen
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•
KH-Behandlung kann durch Verordnung vermieden/verkürzt werden oder
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•
Verordnung sichert das Ziel der ärztl. Behandlung.
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Außerdem: Es gibt keine im Haushalt lebende Person (nicht notwendigerweise naher Angehöriger), die den Kranken in ausreichendem Umfang pflegen u. versorgen kann.
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•
Neu seit 1.1.2016: bis zu 4 Wo HKP in Versorgungskonstellationen wg. schwerer Krankheit o. akuter Verschlimmerung einer Krankheit nach KH-Aufenthalt, nach amb. OPs/KH-Behandlungen.
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•
KH-Vermeidungspflege: Grund- u. Behandlungspflege sowie hauswirtschaftliche Versorgung
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•
Sicherungspflege: nur Behandlungspflege
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•
Leistungen der „psychiatrischen Krankenpflege“ (Nr. 27 a der Richtlinien „Häusliche Krankenpflege“) bei einer Reihe von F-Diagnosen: Verordnung nur von Ärzten für Psychiatrie/Neurologie/Psychother. Medizin o. Zusatzbez. Psychotherapie. Sie können durch Leistungen der Soziotherapie mit anderer Zielsetzung ergänzt werden.
Ist Pflegebedürftigkeit nach SGB XI (Pflegeversicherung, 31.2.9) anerkannt, ist Verordnung zusätzlicher Leistungen zur Grundpflege u. hauswirtschaftlichen Versorgung nicht zulässig, aber Verordnung von Behandlungspflege (s. o.). Nach Pflegegraden fragen!
Verordnung
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Jede verordnete Leistung muss durch angegebene Diagnose eindeutig erklärt sein.
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Damit ein KH-Aufenthalt als „abgekürzt“ gilt, muss sich Erstverordnung unmittelbar an den Aufenthalt anschließen.
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Keinesfalls ist die Abwesenheit von Angehörigen, die z. B. einen alten Menschen versorgen, alleiniger Grund für einen KH-Aufenthalt.
Nicht vergessen, Verordnungen, die nach Besserung des Krankheitsbilds nicht mehr indiziert sind, wieder abzusetzen!
Dauer der häuslichen Krankenpflege
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•
Behandlungspflege: keine zeitliche Begrenzung
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•
Grundpflege u. hauswirtschaftliche Versorgung: von KK zu KK, je nach Satzung, unterschiedlich
31.2.5
Verordnung einer Haushaltshilfe oder eines landwirtschaftlichen Helfers
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•
Verhinderung der Haushaltsführung wg. KH-Behandlung, amb./stat. Reha-Maßnahmen, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben o. Pflegebedürftigkeit (§ 38 SGB V, § 54 SGB IX).
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•
Neu seit 1.1.2016: bis zu 4 Wo. Haushaltshilfe in Versorgungskonstellationen wg. schwerer Krankheit o. akuter Verschlimmerung einer Krankheit nach KH-Aufenthalt, nach amb. OPs/KH-Behandlungen.
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Im Haushalt lebt mind. 1 Kind, das das 12. Lj. (lt. SGB V; in der Satzung mancher Kassen heißt es 14. Lj.) noch nicht vollendet hat o. behindert ist.
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•
Keine andere „im Haushalt lebende Person kann den Haushalt weiterführen“.
Je nach Satzung der KK kann nach § 38 SGB V eine Leistung auch gewährt werden, wenn „wg. Krankheit“ eine Weiterführung des Haushalts nicht möglich ist.
Es ist nicht ausreichend, das Formular für die „Verordnung häuslicher Krankenpflege“ (nach § 37 SGB V) zu verwenden u. lediglich „hauswirtschaftliche Versorgung“ anzukreuzen.
31.2.6
Rehabilitationsleistungen
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•
Abwendung drohender Beeinträchtigung der Teilhabe (am gesellschaftlichen o. Arbeitsleben). Bei Betroffenen bestehen aufgrund von Schädigungen bereits alltagsrelevante Beeinträchtigungen, die nicht nur vorübergehend sind.
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•
Beseitigung, Verminderung, Verhütung einer Verschlimmerung bereits eingetretener Beeinträchtigung der Teilhabe.
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1.
Leistungen zur med. Rehabilitation mit dem Ziel, möglichen Behinderungen o. möglicher Pflegebedürftigkeit vorzubeugen, sie zu beseitigen o. Verschlimmerungen zu verhüten.
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2.
Leistungen zur beruflichen Rehabilitation, die eine Eingliederung in das Arbeitsleben fördern (keine GKV-Leistung).
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3.
Leistungen zur sozialen Rehabilitation, welche die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft fördern. Sie zielen auf Bewältigung der alltäglichen Anforderungen u. der Wiedereingliederung in das soziale Umfeld (keine GKV-Leistung).
Zuständigkeit für med. Reha wird ganz wesentlich von jeweils trägerspezifischer Zielsetzung bestimmt (Tab. 31.3):
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•
RV: Leistungen zur Rehabilitation von Erwerbstätigen mit dem Ziel, einer drohenden Gefährdung der Erwerbsfähigkeit entgegenzuwirken o. möglichst frühzeitig die geminderte o. aufgehobene Erwerbsfähigkeit wiederherzustellen
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•
GKV: Ziel der Wiederherstellung einer eigenständigen Lebensführung u. Vermeidung/Verminderung von Pflegebedürftigkeit
Allein aus diesen Zielvorgaben können Pat. u. Arzt frühzeitig erkennen, welcher Leistungsträger am ehesten zuständig ist, immer ist jedoch die Unterstützung eines Reha-Trägers erforderlich, sie sind verpflichtet, den ggf. zuständigen Träger zu ermitteln!
Medizinische Rehabilitation durch Krankenkassen
Bes. wichtig ist es, den Pat. zur Eigeninitiative zu motivieren, z. B. Teilnahme an Selbsthilfegruppen, Reha-Sport, Koronarsportgruppe u. a. Angehörige einbinden!
Bewilligung einer Rehabilitationsmaßnahme
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•
RehabilitationBewilligungVersicherter muss selbst für jede einzelne Reha-Leistung Antrag bei jeweiligem Träger stellen (Anträge erhältlich bei Auskunfts- u. Beratungsstellen u. Gemeinsamen Servicestellen für Rehabilitation, gesetzlichen KK u. Versicherungsämtern). Ausnahmen:
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–
Gesetzliche Unfallversicherung muss von Amts wegen tätig werden.
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–
Anschlussrehabilitationen nach schweren Erkr. mit KH-Behandlung werden vom KH veranlasst. Kostenträger: Renten- o. Krankenversicherung (AR-Verfahren).
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•
Frühere Maßnahmen müssen korrekt (vom Pat.) angegeben werden, auch bei Maßnahmen anderer Träger (wichtig für gesetzlich geforderten Reha-Abstand von 4 J.).
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Vertragsärzte können auf neuem Muster 61 Teil A ergänzende Beratung des Versicherten durch KK veranlassen (auch zu Vorsorgeleistungen in anerkannten Kurorten) o. zuständigen Träger ermitteln lassen, z. B. bei gleichrangiger Zuständigkeit für Leistungen der Kinderrehabilitation o. bei onkolog. Reha für Altersrentner.
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•
Besteht Klarheit über die Zuständigkeit der KK: direkt Muster 61 Teil B–D ausfüllen u. med. Reha verordnen. Wert gelegt wird bei Bearbeitung auf Angaben zu alltagsrelevanten Beeinträchtigungen, bisherigen Maßnahmen der amb. KH-Behandlung sowie nachvollziehbare u. realistische Reha-Ziele.
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•
Das Wunsch-/Wahlrecht der Reha-Einrichtung wurde in § 40 SGB V für die GKV-Versicherten erweitert.
Bei Ablehnung einer stat. Reha vom Rentenversicherungsträger kann Pat. noch Antrag bei der KK stellen, da unterschiedliche Zielsetzungen der beiden Reha-Träger.
Dauer der Rehabilitationsmaßnahme
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•
Med. Reha: i. d. R. 3 Wo., bei entsprechender Ind. auch länger
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•
Berufliche Reha: unterschiedlich, von wenigen Wo. bis 2 J.
„Vorzeitige“ Rehabilitationsmaßnahmen
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•
Nur, wenn alle amb. möglichen Maßnahmen tatsächlich ausgeschöpft sind und von stat. Maßnahme wesentliche Verbesserung zu erwarten ist. (Cave: Häufig nicht gegeben!)
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•
Wichtig ist von vornherein plausible med. Begründung der Vorzeitigkeit, z. B. extrem schwer einstellbarer Diab. mell., Reinfarkt, Rückfall einer Abhängigkeitserkr. I. d. R. kommen nur Reha-Fachkliniken (keine Sanatorien) bei Wiederholungsmaßnahmen mit dringlicher Ind. infrage.
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•
Frühere Vorsorgeleistungen u. amb. Reha-Maßnahmen werden auf stat. Maßnahmen nicht angerechnet. Reha-Maßnahmen für Kinder dauern i. d. R. 4–6 Wo.
31.2.7
Rentenleistungen
Zur Klärung von Rentenansprüchen u. Rentenhöhen Pat. immer an Auskunfts- u. Beratungsstellen der RV verweisen.
Wichtige Hinweise
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Leistungsträger: RV
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•
Antragsformulare bei Gemeindeverwaltungen, z. T. auch bei Sozialverbänden (z. B. VdK) erhältlich.
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Vor Bewilligung einer Rente wg. Erwerbsminderung ist Träger zur Prüfung verpflichtet, ob festgestellte Minderung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur med. Reha o. zur Teilhabe am Arbeitsleben behoben werden kann.
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•
Hat Reha-Maßnahme keinen Erfolg, kann Reha-Antrag (ohne erneute Antragstellung) in Rentenantrag „umgedeutet“ werden.
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•
Bei Ablehnung kann innerhalb einer gesetzten Frist Widerspruch eingelegt werden; i. d. R. entscheiden dann paritätisch besetzte Widerspruchsausschüsse nach Einholung weiterer Unterlagen.
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•
Nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens ist Klageweg offen (Sozialgericht).
Rentenformen
Altersrenten
Renten bei verminderter Erwerbsfähigkeit
Für beide Renten gilt: Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allg. Arbeitsmarktes mind. 6 h tägl. erwerbstätig sein kann; dabei ist jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
„Anspruch haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie:
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•
Die allgemeine Wartezeit (5 J.) erfüllt haben;
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•
in den letzten 5 J. vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 J. Pflichtbeiträge für eine Versichertenbeschäftigung o. -tätigkeit entrichtet haben.“
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Bestandsrenten, also BerufsunfähigkeitRentevor dem 1.1.2001 zuerkannte Renten bleiben unverändert, wenn sie „auf Dauer“ zuerkannt wurden. Neue BU-Renten nach altem Recht gibt es nicht mehr.
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Wer vor dem 2.1.1961 geboren ist u. nach altem Recht Anspruch auf eine BU-Rente gehabt hätte, behält prinzipiell diesen Anspruch, bekommt im Fall des Vorliegens der Voraussetzungen aber „nur“ die nach dem neuen Rentenrecht vorgesehene Rente wg. „teilweiser Erwerbsminderung“, die exakt halb so hoch ist wie die Rente wg. „voller Erwerbsminderung“.
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Wer nach dem 1.1.1961 geboren ist, hat keinen Anspruch mehr.
Dauernde Dienstunfähigkeit bei Beamten
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•
Vor allem durch Ärzte des Gesundheitsamts.
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Befunde der behandelnden Ärzte gehen in Beurteilung ein → Koordination durch HA.
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Folgen: Versetzung in den Ruhestand o. Entlassung, dabei kann Dienstherr eigene Erfordernisse, z. B. Erstellen eines den Richtlinien entsprechenden Stundenplans, geltend machen.
31.2.8
Sozialleistungen nach Schwerbehindertenrecht
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•
„Behindert“BehinderungDefinition sind Menschen (§ 2 SGB IX), „wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit > 6 Mon. von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist“. Menschen sind „von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist“. Die „Auswirkung“ der Funktionsbeeinträchtigung wird als Grad der Behinderung (GdBGdB (Grad der Behinderung))Grad der Behinderung (GdB), in Zehnergraden abgestuft, von der Versorgungsverwaltung festgestelltVersorgungsverwaltung (§ 69 SGB IX).
Aus der GdB-Höhe ist kein Rückschluss auf berufliche Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben zulässig.
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Schwerbehinderte: SchwerbehinderteDefinitionBehinderungschwerePersonen mit GdB von mind. 50.
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Gleichgestellte: BehinderungGleichstellungPersonen mit einem GdB von mind. 30, die (nach Antragstellung) von Arbeitsverwaltung in einzelnen Aspekten (z. B. Kündigungsschutz) Schwerbehinderten gleichgestellt werden. Voraussetzung: Aufgrund der Behinderung kann ohne Gleichstellung ein Arbeitsplatz nicht gefunden o. behalten werden (§ 68f SGB IX).
Zusätzliche Behinderungsmerkzeichen (Mz) bzw. Nachteilsausgleiche
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G („erheblich beeinträchtigt in der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr“; gehbehindert): Mz erhält, wer infolge einer altersunabhängigen Einschränkung des Gehvermögens Wegstrecken bis 2 km bei einer Gehdauer von etwa ½ h nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten o. Gefahren gehen kann. Gehbehinderung kann auch durch innere Leiden, Anfälle o. Orientierungsstörungen verursacht sein.
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aG („außergewöhnliche GehbehinderungGehbehinderung“): Merkzeichen erhält, wer sich wg. der Schwere seines Leidens dauernd nur mir fremder Hilfe o. nur mit großer Anstrengung außerhalb seines Kraftfahrzeugs bewegen kann (z. B. querschnittsgelähmte, doppelober-/unterschenkelamputierte Menschen).
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H („Hilflos“): Als hilflosHilflosigkeit ist derjenige anzusehen, der infolge seiner Behinderung nicht nur vorübergehend (also > 6 Mon.) für eine Reihe von häufig regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung seiner persönlichen Existenz im Laufe eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedarf (z. B. bei An- u. Auskleiden, Essen u. Körperpflege).
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Bl („Blind“): Vollständiges Fehlen des Augenlichts. BlindBlindheit ist aber auch der behinderte Mensch, dessen Sehschärfe auf keinem Auge u. auch nicht bei beidäugiger Prüfung > 1/50 der normalen Sehschärfe beträgt o. wenn andere Störungen des Sehvermögens von einem solchen Schweregrad vorliegen, dass sie dieser Beeinträchtigung der Sehschärfe gleichrangig sind.
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Gl („Gehörlos“): GehörlosGehörlosigkeit ist ein Mensch mit Taubheit bds. o. mit einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit bds., wenn daneben schwere Sprachstörungen bestehen.
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•
RF („Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunk- u. Fernsehgebührenpflicht liegen vor“): Mz erhalten schwerbehinderte Menschen, die wesentlich sehbehindert bzw. schwer hörgeschädigt sind o. die einen GdB von mind. 80 haben u. wg. ihres Leidens allg. von öffentlichen Veranstaltungen ausgeschlossen sind.
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1. Kl („Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Benutzung der 1. Klasse mit einer Fahrkarte 2. Klasse in der Eisenbahn liegen vor“): Mz erhalten unter bestimmten Voraussetzungen schwerkriegsbeschädigte Menschen (ab 70 % MdE).
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B (Notwendigkeit ständiger Begleitung): Voraussetzungen sind regelhaft beim Vorliegen der Voraussetzungen für die Mz aG u. H mitgegeben. Im Übrigen existiert hierzu eine umfangreiche Rechtsprechung.
Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderter
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•
Formular: wird von SchwerbehinderteAnerkennungVersorgungsverwaltung zur Verfügung gestellt; muss vom Antragsteller selbst o. von bevollmächtigter Person ausgefüllt werden; eingetragen werden:
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Personalien
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Leiden, die als Behinderung anerkannt werden sollen
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Zusätzlich gewünschte Mz, wenn sie mit beantragt werden sollen
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Alle behandelnden Ärzte, Krankenanstalten, Reha-Kliniken, die Aussagen zu den Leiden u. den dauerhaften Auswirkungen machen können
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Einzel-GdB: Für jedes einzelne GdB (Grad der Behinderung)Leiden wird ein separater GdB ermittelt; Grundlage sind die „Versorgungsmedizinischen Grundsätze“ gem. Anlage der seit 1.1.2009 geltenden Versorgungsmedizinverordnung (VersMedV). Bis Ende 2008 galten „Anhaltspunkte für die ärztl. Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht u. nach dem Schwerbehindertengesetz“.
Handliche Auszüge sind über Geschäftsstellen des VdK o. HauptfürsorgestelleHauptfürsorgestellen/Integrationsämter erhältlich.
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•
Gesamt-GdB: festgelegt in Form einer „med. Gesamtwürdigung“ der Einzel-GdBs
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•
Bescheid: geht dem Antragsteller in jedem Fall zu, enthält den Gesamt-GdB, die festgestellten Behinderungen u. die zuerkannten Nachteilsausgleiche
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SchwerbehindertenausweisSchwerbehindertenausweis: BehinderungAusweiswird ausgestellt, wenn Schwerbehinderung festgestellt wurde
Bzgl. des Schwerbehindertenstatus besteht bei gezielter Frage in einem Bewerbungsgespräch Auskunftspflicht → bei arbeitslosen o. von Arbeitslosigkeit bedrohten Pat. vor Antragstellung auf Vor- u. Nachteile hinweisen: Ein einmal ergangener Bescheid kann nicht zurückgegeben werden.
Vergünstigungen bei Schwerbehinderung/Minderung der Erwerbsfähigkeit
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•
Steuerminderung: SchwerbehinderteVergünstigungen
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–
Es gelten steuermindernde Pauschbeträge für den festgestellten GdB u. GdS (Grad der Schädigungsfolgen) nach dem sozialen Entschädigungsrecht wie auch nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung (MdE), allerdings sind hier auch 5er-Prozentsätze üblich.
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–
Pauschbeträge bei Werten < 50 werden nur gewährt:
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wenn ein Anspruch auf Rente/andere laufende Bezüge besteht oder
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wenn Behinderung (ab GdB 30) zu dauernder Einbuße der körperl. Beweglichkeit geführt hat oder
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wenn Behinderung (ab GdB 30) auf einer BK beruht.
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–
Blinden (Mz Bl) u. dauernd Hilflosen (Mz H) wird derzeit ein Pauschbetrag von € 3.700/J. zuerkannt.
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•
Kündigungsschutz: Nach der Probezeit ist Kündigung nur mit Zustimmung Kündigungsschutzder Integrationsämter möglich; dies gilt auch für „IntegrationsamtGleichgestellte“. Kündigungsschutz besteht bereits ab Antragstellung auf Schwerbehinderung o. GleichstellungGleichstellung.
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•
Urlaub: Anspruch auf 5 zusätzliche Urlaubstage
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•
Vorgezogene Altersrente (31.2.7)
31.2.9
Pflegeversicherung
PflegebedürftigkeitDurch den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff verändert sich Begutachtungsverfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit grundlegend: Er berücksichtigt umfassend Auswirkungen somatischer u. psychischer/kognitiver Beeinträchtigungen. Bedarf an allg. Beaufsichtigung u. Betreuung, Beeinträchtigungen bei Tagesgestaltung u. sozialen Kontakten werden ebenso einbezogen wie Unterstützung bei krankheits- u. therapiebedingten Anforderungen u. Belastungen. Ebenfalls dazu gehören Darstellung der Teilnahmemöglichkeiten an sozialen, kulturellen u. a. außerhäuslichen Aktivitäten sowie Selbstständigkeit bei der Haushaltsführung.
Grad der Selbstständigkeit: 5 Pflegegrade
Pflegeversicherungneues Begutachtungsassessment (NBA)SelbstständigkeitPflegegradeNeuer Maßstab ist Grad der Selbstständigkeit u. wird erfasst mit neuem Begutachtungsassessment (NBANBA (neues Begutachtungsassessment))Neues Begutachtungsassessment (NBA): Einbußen der Selbstständigkeit führen zur Abhängigkeit von personeller Hilfe nicht nur bei einigen Verrichtungen der Grundpflege, sondern in allen Bereichen der elementaren Lebensführung. Das NBA umfasst acht Module, von denen aus Modul 1–6 die Ergebnisse mit unterschiedlicher Gewichtung (Tab. 31.5) in den Pflegegrad einfließen:
-
1.
Mobilität
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2.
Kognitive kommunikative Fähigkeiten
-
3.
Verhaltensweisen u. psychische Problemlagen
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4.
Selbstversorgung (Alltagsverrichtungen)
-
5.
Umgang mit krankheits-/therapiebedingten Anforderungen
-
6.
Gestaltung des Alltagslebens u. sozialer Kontakt
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7.
Außerhäusliche Aktivitäten
-
8.
Haushaltsführung
Die Beeinträchtigung der Selbstständigkeit wird mit Punktescore (0–3) gemessen:
0 | Selbstständig Die Person kann die Aktivität i.d.R. selbstständig durchführen |
1 | Überwiegend selbstständig Die Person kann den größten Teil der Aktivität selbstständig durchführen. |
2 | Überwiegend unselbstständig Die Person kann die Aktivität nur zu einem geringen Teil selbstständig durchführen. |
3 | Unselbstständig Die Person kann die Aktivität in der Regel nicht selbstständig durchführen bzw. steuern, auch nicht teilweise. |
-
•
Der Pflegegrad ergibt sich nicht aus der Summe der Einzelpunkte (SEP), sondern aus der Summe gewichteter Punktwerte (GP).
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•
In den Modulen 1–6 wird der Schweregrad der Beeinträchtigungen in fünf Punktbereichen abgebildet.
-
•
Jedem Punktbereich werden GPs zugeordnet.
Gewichtete Punktwerte (Tab. 31.5) aus den 6 Modulen werden zu einem Gesamtwert addiert. Skala dafür liegt zwischen 0 u. 100 Punkten, zeigt den Pflegegrad an. Pflegegrad 1 ab 12,5 Punkten, Pflegegrad 5 ab 90 Punkten.
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•
Neue Begutachtungsrichtlinien (BRi in der Fassung 2016) des GKV-Spitzenverbandes setzen neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff um u. dienen einer einheitlichen Begutachtung in der gesetzlichen u. privaten Pflegeversicherung. Gelten für alle Anträge, die ab 1.1.2017 gestellt werden.
-
•
Gutachten enthält auch Empfehlungen zu Reha- u. präventiven Maßnahmen, z. B. zur Sturzprophylaxe o. ergänzenden Beratung.
-
•
Pflegebedürftigkeit „auf Dauer“ liegt auch dann vor, wenn verbleibende Lebensspanne voraussichtlich < 6 Mon. beträgt.
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•
Art u. Schwere der Krankheit (z. B. Krebs, AIDS) o. Schädigungen (z. B. Blindheit, Taubheit) haben keinen dir. Einfluss auf die Einstufung.
Antrag und Bewilligung von Leistungen der Pflegeversicherung
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•
Voraussetzung: PflegeversicherungAntragsteller ist der Pflegebedürftige o. eine von ihm bevollmächtigte Person.
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•
Formblätter: bei Kranken-/Pflegekasse erhältlich; variieren von KK zu KK.
-
•
Auftrag für ein Gutachten: gesetzliche Pflegekassen → MDK; private Versicherung → Gutachter von Medicproof (Gutachterdienst der privaten Versicherungsunternehmen)
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Begutachtung mit Pflegegradempfehlung: durch Arzt o. Pflegefachkraft des MDKMDK (medizinischer Dienst der Krankenversicherung)Pflegebedürftigkeit bzw. einen von Medicproof beauftragten Arzt i. R. eines Haus- o. Alten-/Pflegeheimbesuchs; ggf. Einholen med. Untersuchungsbefunde. Honorierung der HA-Leistungen für Befundzusendungen o. unterschiedlich ausführliche ergänzende Berichte je nach Absprache des MDK mit zuständiger KV.
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Einstufung durch Pflegekasse (Leistungsentscheid).
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Gegen den Bescheid kann vom Antragsteller (nicht vom Arzt) formlos Widerspruch eingelegt werden, der dem MDK mitgeteilt wird. Dies führt zu einer Zweitbegutachtung „nach Aktenlage“ o. einem erneuten Besuch durch einen anderen Gutachter.
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Um Widerspruch wirkungsvoll zu untermauern, sollte HA Gutachten kennen u. mit wesentlichen Anspruchsvoraussetzungen für verschiedene Pflegegrade vertraut sein.
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Auf Basis des Zweitgutachtens entscheidet i. d. R. der Widerspruchsausschuss der KK, wobei Betroffene zuvor gehört werden.
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Gegen den Widerspruchsbescheid, der i. d. R. eine Rechtsbehelfsbelehrung enthält, kann vor dem zuständigen Sozialgericht geklagt werden.
Pflegekassen halten i. d. R. formularähnliche PflegetagebücherPflegetagebücher vor, in die der konkrete Hilfebedarf eingetragen werden kann. Realistische u. nachvollziehbar begründete Eintragungen erleichtern sowohl den Begutachtungsprozess als auch die Argumentation im Widerspruch.
Leistungen der Pflegeversicherung
HA hat stabilisierende Funktion der gesamten Pflegesituation, s. a. DEGAM-Leitlinie „Pflegende Angehörige“.
31.2.10
Zusammenarbeit zwischen Hausarzt und Sozialleistungsträger
Sozialleistungen der Arbeitsverwaltung wie Zahlung von Arbeitslosengeld I, Arbeitsplatzvermittlung, berufliche Reha stehen i. d. R. nicht im Zusammenhang mit gesundheitlichen Leistungseinbußen → HA hat vergleichsweise selten mit Arbeitsagenturen zu tun.
Aufgabe des Hausarztes
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Pflicht: Übermittlung aller vorliegenden relevanten Befundberichte an ärztl. Gutachter, um falsche Einschätzung aufgrund lückenhafter Informationen zu vermeiden
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Mitteilung der beim Pat. bestehenden Leiden u. Funktionseinschränkungen; hilfreich ist detaillierte Beschreibung tatsächlich bestehender Leistungseinbußen bei gleichzeitiger Würdigung der Fähigkeiten u. Fertigkeiten (formloses Attest)
Entbindung des Arztes von der Schweigepflicht durch Pat. erforderlich!
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Bei längerer AU Abschätzung, ob Erwerbsminderung droht o. mit erkennbarem Reha-Bedarf bereits eingetreten ist
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Klärung der Frage, ob bei Arbeitslosigkeit voraussichtlich dauernde (> 6 Mon.) Leistungsunfähigkeit vorliegt, d. h. nicht > 3 h/d gearbeitet werden kann
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Klärung der med. Notwendigkeit bei der KK beantragter Leistungen, z. B. Hilfsmittel
Bei Beschreibung der Leistungsfähigkeit Folgen sorgfältig abwägen:
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Je höhergradig die Leistungseinbußen, desto stärker sinken Chancen auf eine berufliche Wiedereingliederung.
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Eine zu pos. Einschätzung des Leistungsvermögens hingegen kann Arbeitnehmer zwingen, eine neu angetretene Stelle bereits nach kurzer Zeit wieder aufzugeben.
31.3
Internetadressen
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Schulungs-, Infomaterial für Pat. bzgl. präventiver Maßnahmen: www.bzga.de, www.krebshilfe.de
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Impfprophylaxe: Robert Koch-Institut (RKI), Ständige Impfkommission Deutschlands (STIKO): www.rki.de
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Kostenerstattung reisemed. Impfungen durch GKV: www.crm.de
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Richtlinien bzgl. Kindervorsorgeuntersuchungen: www.g-ba.de
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Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e.V.(BVKJ); u. a. Bestellung grünes Vorsorgeheft (U10, U11, J2): www.bvkj.de
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„Vorsorge-Checker“ (KBV): www.kbv.de/media/sp/kbvFlyerVorsorge.pdf
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Bestellung „Terminkarte“ zur optimierten Organisation von Früherkennungsuntersuchungen: www.krebshilfe.de
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Merkblatt Vorsorgekoloskopie: www.g-ba.de/downloads/83-691-84/2010-07-27_Merkblatt%20Darmkrebs.pdf
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DEGAM-Leitlinie „Pflegende Angehörige“: www.degam.de/degam-leitlinien-379.html
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Muster 1 (AU), Muster 30 (Check-up), Muster 61, Teil A–D (med. Reha): www.kbv.de/media/sp/02_Mustersammlung.pdf
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Zuständigkeit verschiedener Reha-Träger: www.deutsche-rentenversicherung.de
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Weblinks zur Pflegeversicherung:
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Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e. V. www.mds-ev.de
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Medizinischer Dienst der Krankenversicherung: www.mdk.de
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Bundesministerium für Gesundheit: www.bmg.bund.de
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GKV-Spitzenverband: www.gkv-spitzenverband.de
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