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10.1016/B978-3-437-22107-1.50123-0
978-3-437-22107-1
Elsevier Inc.
Achalasie
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Vorbemerkungen E 2 – 1
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Diagnostische Voraussetzungen E 2 – 2
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Konservative Behandlungsverfahren E 2 – 3
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Chirurgische Therapie E 2 – 6
Kernaussagen:
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Die Achalasie ist eine primäre motorische Störung der Speiseröhre mit ungeklärter Ursache. Es kommt zu einer zunehmenden Aufweitung der Speiseröhre, die schließlich mehrere Tage alte Speisereste enthalten kann.
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Diagnostische Maßnahmen sind der Ösophagusbreischluck und die Ösophagusmanometrie. Alle Patienten sollten außerdem einer Ösophagogastroskopie zugeführt werden, um eine Pseudoachalasie, insbesondere durch einen Tumor des gastroösophagealen Überganges bedingt, auszuschließen.
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Eine Wiederherstellung einer geordneten Speiseröhrenmotilität ist nicht möglich, Therapieziele sind deshalb eine Verbesserung der Speiseröhrenentleerung und eine Abmilderung der vorliegenden Beschwerden.
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Erfolg versprechende konservative Behandlungsoptionen sind die Dehnungstherapie mit einem pneumatischen Ballondilatator oder die Botulinuminjektion in den UÖS (unteren ösophagealen Sphinkter). Die Botulinuminjektion muss aber in etwa halbjährlichen Abständen wiederholt werden.
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Indikation und Zeitpunkt einer primären chirurgischen Intervention werden derzeit noch diskutiert.
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Als Goldstandard der Operation wird die laparoskopisch durchgeführte Myotomie angesehen, wobei der bindegewebige Aufhängeapparat am ösophagogastralen Übergang möglichst wenig durchtrennt werden sollte.
E 2 – 1
Vorbemerkungen
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Der Ösophaguskörper ist 20–22 cm lang und setzt sich sowohl aus quer gestreifter als auch aus glatter Muskulatur zusammen.
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Am proximalen und distalen Ende ist er von so genannten digestiven Sphinktern, dem oberen (OÖS) und unteren (UÖS) begrenzt.
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Das pathologische Korrelat der Achalasie ist der selektive Verlust von postganglionischen inhibitorischen Neuronen des Plexus myentericus, die Nitritoxid (NO) und Vasoaktives Intestinales Polypeptid
(VIP) enthalten.
Die Konsequenz sind ein erhöhter Basaltonus des UÖS und Aperistaltik des Ösophaguskörpers durch den Verlust des Latenzzeitgradienten entlang des Ösophaguskörpers, ein Prozess der durch NO vermittelt wird.
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Die Folge ist eine zunehmende Aufweitung der Speiseröhre, in einigen Fällen bildet sich ein S-förmig gewundener von bis zu Armdicke weiter Ösophagus, der mehrere Tage alte Speisereste beinhalten kann.
E 2 – 2
Diagnostische Voraussetzungen
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Im Ösophagusbreischluck zeigt sich typischerweise eine spitz zulaufende Stenose im terminalen Ösophagus mit prästenotisch weit gestelltem Ösophagus.
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Bei der Manometrie finden sich aperistaltische, repetitive Kontraktionen im Ösophaguskörper, sowohl im Anschluss an den Schluckakt als auch spontan. Die schluckreflektorische Erschlaffung des UÖS, der einen erhöhten Ruhetonus aufweist, ist fehlend oder unvollständig.
Als Faustregel gilt:
Alle Patienten sollten, bevor eine Therapie begonnen wird, einer Ösophagogastroskopie zugeführt werden, um eine Pseudoachalasie, insbesondere durch einen Tumor des gastroösophagealen Überganges bedingt, auszuschließen.
E 2 – 3
Konservative Behandlungsverfahren
Als Faustregel gilt:
Alle Patienten sollten, sobald die Diagnose eindeutig ist, unbedingt einer Therapie zugeführt werden, auch wenn bei einigen noch keine wesentlichen Beschwerden vorliegen sollten oder noch keine Dilatation der Speiseröhre nachweisbar ist, um eine Progression der Erkrankung zu verhindern.
Dehnungsbehandlung
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Mit dem pneumatischen Dilatator wird die Muskulatur des UÖS auseinandergezerrt, dabei sogar teilweise zerrissen. Dadurch wird der UÖS so geschwächt, dass er vom hydrostatischen Druck der Speisen und von Flüssigkeiten im Ösophagus geöffnet werden kann.
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Der Rigiflexballondilatator hat an seinem distalen Ende einen 10 cm langen Polyethylenballon.
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Er wird in drei verschiedenen Ballondurchmessern von 30 mm, 35 mm und 40 mm bei kompletter Ballonfüllung angeboten.
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Der Ballon ist im ungefüllten Zustand unter Durchleuchtung nicht sichtbar, am Schaft sind aber 3 röntgendichte Markierungen angebracht, die Beginn, Mitte und Ende des Ballons anzeigen.
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Über einen Führungsdraht wird der Ballon unter Durchleuchtung platziert.
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Da der Rigiflexballon keine Compliance hat, wird der vorgegebene maximale Ballondurchmesser auch bei vermehrter Luftinsufflation nicht überschritten, es kann lediglich zur Ruptur des Ballons kommen.
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Der Witzel-Dilatator besteht aus einer 20 cm langen Polyvinylsonde, die umhüllt wird von einem 15 cm langen Polyurethanballon, der nur in einem Ballondurchmesser von 40 mm kommerziell erhältlich ist.
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Die Sonde wird retrograd auf den Schaft des Gastroskopes positioniert. Der Witzel-Dilatator wird unter endoskopischer Sicht am gastroösophagealen Übergang platziert und bedarf daher keiner Durchleuchtung.
Technik
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Die pneumatischen Dilatationen werden in der Regel ambulant durchgeführt.
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Die Patienten werden angehalten, sich am Tag vor der Untersuchung nur flüssig zu ernähren und 12 Stunden vor dem geplanten Eingriff Nahrungskarenz einzuhalten.
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Die Patienten werden in Linksseitenlage gelagert, zur Sedierung und Analgesie werden Midazolam und Fentanyl verabreicht, die Dosis richtet sich nach dem individuellen Bedarf eines jeden Patienten.
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Zunächst wird das Gastroskop in den Magen vorgeschoben und über dessen Arbeitskanal ein Führungsdraht in den Magen eingeführt. Dann wird das Gastroskop herausgezogen. Anschließend wird der Patient auf den Rücken gelagert und über den liegenden Führungsdraht der Rigiflexballon unter Durchleuchtungskontrolle mit Hilfe der Röngtenmarkierungen am Schaft in die Kardia positioniert.
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Beim ersten Dilatationsversuch kommt der kleinste Ballon mit 30 mm Durchmesser zur Anwendung. Der Ballon wird über eine pneumatische Handpumpe inklusive eines Manometers unter ständiger Durchleuchtungskontrolle aufgeblasen, bis eine Taille zu erkennen ist, die durch den UÖS bedingt ist. Die Lage des Ballons wird dann so korrigiert, dass die Ballonmitte genau auf der Höhe der Einschnürung zu liegen kommt. Anschließend wird der Ballon soweit aufgeblasen bis die Taille völlig verstreicht und für 120 Sekunden in der Position gehalten.
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Es ist dabei zu beachten, dass während des Aufblasvorgangs der Ballon die Tendenz hat magenwärts zu gleiten, sodass ein Zug am Ballon ausgeübt werden muss, um die korrekte Position nicht zu verlieren.
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Danach wird die Luft aus dem Ballon abgelassen und nach einer dreiminütigen Pause der Dehnungsvorgang wiederholt.
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Wir haben keine bestimmte Druckgrenze, die nicht überschritten werden darf. Bei den meisten Patienten verstreicht die Einschnürung am Ballon bei Psi-Werten von 7 bis 10.
Nachuntersuchungen, Erfolgsrate
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Die Patienten werden nach 4–6 Wochen ambulant nachuntersucht, wenn keine klinische Besserung eingetreten ist, wird ein erneuter Dehnungsversuch mit einem Ballon von 35 mm Durchmesser durchgeführt.
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Bei erneutem Therapieversagen wird nach 4–6 Wochen eine weitere Dehnungsbehandlung mit einem Ballon von 40 mm Durchmesser angeschlossen.
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Tritt auch nach der dritten Dehnungsbehandlung kein klinischer Erfolg ein, wird die Dehnungstherapie als gescheitert angesehen und nicht mehr fortgesetzt. In solchen Fällen werden andere Therapieoptionen in Erwägung gezogen.
Als Faustregel gilt:
Die Gesamterfolgsrate der pneumatischen Dilatation liegt bei etwa 80% und ist der chirurgischen Therapie etwa vergleichbar.
Komplikationen
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Die schwerwiegendste Komplikation der pneumatischen Dilatation ist die Perforation, die in etwa 2% der Fälle auftritt. In der Regel können solche Perforationen konservativ behandelt werden mit Antibiotikatherapie, Nahrungskarenz und Hemmung der Magensäure.
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Bei einem geringen Teil der Patienten (etwa 5–10%) entwickelt sich nach erfolgreicher Dehnungsbehandlung, wie auch nach operativer Therapie, eine sekundäre Refluxösophagitis als Folge einer zu starken Schwächung des UÖS.
E 2 – 4
Lokale Injektionsbehandlung mit Botulinumtoxin (Botox®, Dysport®)
Biochemische Wirkung von Botulinumtoxin
Technik
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Wie bei einer Routinegastroskopie wird der mutmaßliche Bereich des UÖS visuell festgelegt.
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Über den Arbeitskanal des Gastroskopes wird eine Standardsklerosierungsnadel eingeführt. Diese wird in einem Winkel von 45° etwa 1 cm oberhalb der mutmaßlichen proximalen Begrenzung des UÖS in die Ösophaguswand eingeführt.
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Injektionen von 1 ml Portionen werden in allen vier Quadranten appliziert.
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Die unterschiedliche Dosierung der beiden kommerziell erhältlichen Präparate muss beachtet werden:
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Botox®: 4 × 20–25 E,
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Dysport®: 4 × 80–125 E.
Erfolgsrate
Medikamentöse Behandlung
Als Faustregel gilt:
Die alleinige medikamentöse Therapie führt in der Regel nicht zu einem befriedigenden Erfolg und ist wegen der Nebenwirkungen selten langfristig anwendbar.
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Von den Kalziumantagonisten ist Nifedipin am besten geeignet, da es effektiver den Druck im UÖS senkt als Verapamil und Diltiazem. Nifedipin sollte in einer Dosierung von 10–20 mg 3- bis 4-mal täglich verabreicht werden.
Die Wirkung von Nifedipin setzt innerhalb von 30 Minuten ein und dauert etwa 60 Minuten an, folglich sollte es 30 Minuten vor den Mahlzeiten eingenommen werden.
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Da die Passage unzerkauter Kapseln bei der Achalasie sehr unzuverlässig ist, sollte Nifedipin ausschließlich sublingual gegeben werden.
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Nitrate scheinen den Druck im UÖS effektiver senken zu können als Nifedipin. Isosorbiddinitrat ist dabei potenter als Isosorbidmononitrat und Glyceroltrinitrat und sollte daher bevorzugt werden. Die übliche Dosierung beträgt 5 mg täglich in einer sublingualen Applikation.
E 2 – 5
Therapie der Autoren
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Sobald die Diagnose einer Achalasie mit Ösophagusbreischluck und Manometrie gesichert wurde und ein Tumor endoskopisch und gegebenenfalls mit einer Minisonden-Endosonographie ausgeschlossen wurde, wird in aller Regel eine pneumatische Dilatation mit dem Rigiflexballon ambulant durchgeführt, wie in Abschnitt E 2 – 3 beschrieben.
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Nach drei erfolglosen Dilatationsversuchen führen wir eine Ösophagusmanometrie durch, um den aktuellen Verschlussdruck des UÖS zu determinieren und besprechen gemeinsam mit dem Patienten, welche der beiden noch offen stehenden Therapieoptionen – Injektion mit Botulinumtoxin oder Operation – als Nächstes versucht werden soll.
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Entscheidet sich der Patient für die lokale endoskopische Botulinumtoxininjektion, wird er darauf aufmerksam gemacht, dass in der Regel wiederholte Injektionen in etwa halbjährlichen Abständen erforderlich sind.
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Bei Patienten mit langjähriger bekannter Achalasie (10 Jahre oder mehr) empfehlen wir wegen des erhöhten Risikos des Auftretens eines Plattenepithelkarzinoms des Ösophagus jährliche gastroskopische Kontrollen.
E 2 – 6
Chirurgische Therapie
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In der einzigen vorliegenden prospektiven Studie mit Vergleich der konventionellen transabdominellen Myotomie und der Dilatationstherapie konnte bei einer Nachbeobachtung von 5 Jahren nach erfolgter Operation ein besseres Ergebnis im Vergleich zur pneumatischen Dilatation erzielt werden: 95% vs. 65% der Patienten waren ohne dysphagische Beschwerden.
Im weiteren Langzeitverlauf werden z.T. nur noch in 75% der Fälle gute oder exellente Ergebnisse beschrieben, ein erneuter Anstieg der Beschwerdesymptomatik bis zu 20% ist primär auf eine Refluxösophagitis bzw. Entwicklung eines Short- oder Long-segment-Barrett-Ösophagus zurückzuführen.
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Dies betrifft zum einen jüngere Patienten unterhalb des 40. Lebensjahres ohne relevante Begleiterkrankungen bzw. Operationsrisiken,
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zum anderen Patienten nach konservativer oder interventioneller Behandlung mit persistierender oder wieder aufgetretener Symptomatik.
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Ferner ist die Operation bei anatomischen Besonder- heiten des Ösophagus oder nach operativen Maßnahmen am ösophagogastralen Übergang zu bevorzugen.
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Letztendlich ist natürlich auch der Patientenwunsch zur primären Chirurgie zu berücksichtigen.
Verfahren
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Als Goldstandard wird deshalb mittlerweile die laparoskopisch durchgeführte Myotomie angesehen, wobei in der Regel der bindegewebige Aufhängeapparat am ösophagogastralen Übergang möglichst wenig durchtrennt werden sollte.
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Obwohl das Ausmaß der Myotomie unterschiedlich angegeben wird, sollte es am distalen Ösophagus etwa 5–6 cm und am proximalen Magen bis zu 2 cm betragen.
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Eine längere Myotomie an der Kardia kann u.U. zu einer vermehrten Refluxsymptomatik führen.
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Die vollständige Myotomie wird endoskopisch assistiert durchgeführt.
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Bevorzugt wird derzeit besonders die anteriore Fundoplastik nach Dor oder Thal. Durch diese Verfahren werden narbige Adhäsionen zum linken Leberlappen verhindert, zudem wird die Mukosa nach Myotomie überdeckt und durch Fixierung an der durchtrennten Muskulatur eine vermehrte lokale Narbenbildung verhindert. Gleichzeitig wirkt diese Fundoplastik als Refluxbarriere, ohne dass dadurch eine zu starke Antirefluxkomponente resultiert.
Komplikationen
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neben postoperativen pulmonalen Störungen
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ein frühes Rezidiv oder
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Post-Fundoplicatiosyndrom bzw.
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eine Refluxösophagitis auftreten.
Literatur
Cade, 2000
Csendes et al., 2006
Eckardt, 2001
Hoogerwerf and Pasricha, 2001
Hunter and Richardson, 1997
Iqbal et al., 2006
Kadakia and Wong, 2001
Khazanchi and Katz, 2001
Raiser et al., 1996
Rossetti et al., 2005
Seelig et al., 1999
Shoenut et al., 1997
Torquati et al., 2006
Vaezi and Richter, 1999