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978-3-437-24950-1
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Akute infektiöse Enteritiden bei Erwachsenen
-
43.1
Allgemeine Therapieprinzipien337
-
43.2
Enteritis durch enteropathogene Bakterien338
-
43.3
Enteritis durch enteropathogene Viren342
-
43.4
Enteritis durch Protozoen343
Kernaussagen
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Enteritis, akute infektiöseDie akute infektiöse Diarrhö ist in entwickelten Ländern sehr häufig. Sie verläuft i.d.R. selbstlimitierend und mit geringer Mortalität.
•
In Deutschland werden mehr als 90% der gemeldeten Fälle durch vier Erreger verursacht: Norovirus, Rotavirus, Campylobacter und Salmonellen. Weitaus seltener sind Enteritiden durch protozoale Infektionen. Giardia (G). lamblia ist der häufigste Auslöser einer infektiös bedingten chronischen Diarrhö.
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Die wichtigste therapeutische Maßnahme ist der Ausgleich von Flüssigkeits- und Elektrolytverlusten.
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Sofern eine orale Flüssigkeitszufuhr möglich ist, kann eine glukosehaltige orale Rehydrierungslösung mit Erfolg eingesetzt werden.
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Die Indikation zur Antibiotikatherapie sollte nur bei begründetem Verdacht auf eine bakterielle Ursache und restriktiv gestellt (z.B. schwerer Verlauf, relevante Komorbidität, Immunsuppression).
•
Ein zunehmendes Problem ist die mit der Anwendung von Antibiotika assoziierte Infektion mit Clostridium (C.) difficile. Neben einer endemischen Zunahme von nosokomialen und ambulant erworbenen C.-difficile-Infektionen ist es in den letzten Jahren auch zu nosokomialen Ausbrüchen mit deutlich erhöhter Morbidität und Mortalität gekommen.
•
Abgesehen von milden Verläufen sollte bei der Infektion mit C. difficile eine spezifische Antibiotikatherapie eingeleitet werden.
43.1
Allgemeine Therapieprinzipien
Als Faustregeln gilt
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Das größte Risiko für Patienten mit akuter infektiöser Enteritis entsteht aus der Volumendepletion. Die Wiederherstellung einer physiologischen Flüssigkeits- und Elektrolytbilanz ist daher das wichtigste Therapieprinzip.
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In besonderer Weise gilt dies für Kinder, alte Menschen und alle Patienten, die aufgrund von Komorbidität durch einen Volumenmangel besonders gefährdet werden.
Volumensubstitution
•
Der Zusatz von Glukose ist von entscheidender Bedeutung, da die Aktivität der intestinalen Na-abhängigen Glukoseresorption auch bei ausgeprägter Enteritis erhalten bleibt und zur Natrium- und Wasseraufnahme genutzt werden kann.
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Die Zusammensetzung der Lösung erfolgt unter Berücksichtigung der Stöchiometrie des Natrium-Glukose-Kotransporters, des enteralen Bikarbonatverlusts und der Gesamtosmolalität der Lösung. Bewährt hat sich die von der WHO empfohlene Trinklösung folgender Zusammensetzung (Angaben pro Liter Wasser, Osmolarität 245 osmol/l):
–
13,5 g Glukose
–
2,6 g NaCl
–
2,9 g Natriumcitrat
–
1,5 g Kaliumchlorid
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Abgepackte Mischungen zur Herstellung äquivalenter Lösungen werden von kommerziellen Anbietern vertrieben und sind in Apotheken frei verkäuflich.
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Notfalls kann eine orale Rehydrierungslösung nach folgendem Rezept auch selbst hergestellt werden (Zutaten in 1 l abgekochtem Wasser lösen):
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½ Teelöffel Kochsalz
–
½ Teelöffel Backpulver (enthält Natriumbikarbonat)
–
4 Esslöffel Zucker
Symptomatische Therapie
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Motilitätshemmer der Wahl ist Loperamid, das seine motilitätshemmende Wirkung u.a. über Bindung an periphere Opiatrezeptoren im Intestinaltrakt entfaltet. Laut Fachinformation sollten Erwachsene zu Beginn der Behandlung 4 mg und anschließend nach jedem ungeformten Stuhl jeweils 2 mg Loperamid erhalten. Die Maximaldosis liegt bei 16 mg/d.
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Der Enkephalinase-Hemmer Racecadotril stellt eine Alternative dar. Anders als Loperamid verlängert Racecadotril nicht die intestinale Transitzeit, sondern wirkt über eine Sekretionshemmung. In Studien war die Wirksamkeit vergleichbar mit der von Loperamid. Racecadotril ist nur für Erwachsene zugelassen. Die empfohlene Dosierung liegt bei 3 × 100 mg/d.
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Für die zahlreichen frei verkäuflichen pflanzlichen oder mineralischen Antidiarrhoika (z.B. Uzara, Apfelpektin, Myrrhe, Tannin, Siliciumdioxid, Kohle) liegen keine kontrollierten Studien vor, sodass keine evidenzbasierte Empfehlung ausgesprochen werden kann.
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Zur symptomatischen Therapie von abdominellen Krämpfen kann das Spasmolytikum Butylscopolamin eingesetzt werden, in Anbetracht der schlechten oralen Bioverfügbarkeit der Substanz vorzugsweise rektal oder parenteral.
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Schmerzen sollten primär mit peripher wirkenden Analgetika wie Paracetamol oder Metamizol behandelt werden. Auf NSAR, Coxibe und Acetylsalicylsäure sollte wegen ihrer schleimhautschädigenden Wirkung verzichtet werden. Vor dem Einsatz von Opiaten ist deren motilitätshemmende Wirkung zu bedenken.
Empirische Antibiotikatherapie
43.2
Enteritis durch enteropathogene Bakterien
Salmonellen- und Campylobacter-Enteritis
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Nach einer variablen Inkubationszeit (Salmonellen 8–48 h; Campylobacter 2–5 d) kommt es zu wässrigen Durchfällen begleitet von Übelkeit, Erbrechen und krampfartigen abdominellen Schmerzen.
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Häufiger als die Salmonellose geht die Camplyobacter-Infektion mit einem fieberhaften Prodromalstadium, mit blutiger Diarrhö und extraintestinalen Komplikationen (z.B. reaktive Arthritis, Guillain-Barré-Syndrom) einher.
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Umgekehrt sind systemische Verläufe häufiger bei der Salmonellose. Eine gefürchtete Komplikation sind septische Absiedlungen auf implantiertem Fremdmaterial oder in atherosklerotisch veränderten Gefäßen.
Spezifische Therapie der Campylobacter-Enteritis
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C. jejuni und C. coli, die beiden klinisch wichtigsten Campylobacter-Spezies, besitzen eine natürliche Resistenz gegen Trimethoprim und die meisten β-Laktamantibiotika. Da die Häufigkeit der Chinolonresistenz dieser Erreger in den letzten Jahren erheblich zugenommen hat, sind derzeit Makrolide das Mittel der Wahl. Aufgrund seines gegenüber Erythromycin günstigeren Toxizitätsprofils und geringeren Interaktionspotenzials sollte Azithromycin (1 × 500 mg/d für 3 d) als Erstlinientherapeutikum eingesetzt werden [Empfehlungsgrad A].
•
Wenn eine entsprechende Resistenz ausgeschlossen wurde, können auch Fluorchinolone verwendet werden.
•
Eine systemische Infektion sollte antibiogrammgerecht parenteral behandelt werden. Empirisch wird die Verwendung von Carbapenemen und Aminoglykosiden empfohlen, gegen die Campylobacter nur sehr selten Resistenzen ausbildet [Empfehlungsgrad C].
Spezifische Therapie der Salmonellen-Enteritis
•
Salmonellen-EnteritisTherapieEine antibiotische Behandlung bei leichten und mittelschweren Salmonellen-Enteritiden ohne weitere Risikofaktoren ist nicht indiziert, da die Erkrankung selbstlimitierend ist, und eine Antibiotikatherapie die Dauer der Symptomatik nicht wesentlich beeinflusst, sondern sogar die Dauer der Erregerausscheidung verlängern kann [Empfehlungsgrad A].
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Bei Bakteriämie bzw. Zeichen einer systemischen Infektion [Empfehlungsgrad A], bei Immunsupprimierten und Hämodialysepatienten [Empfehlungsgrad B] sollte dagegen eine Antibiotikatherapie durchgeführt, bei Vorliegen von Gefäßaneurysmen, Gefäßprothesen oder sonstigem implantiertem Fremdmaterial [Empfehlungsgrad C] eine solche erwogen werden.
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In diesen Fällen wird eine 5- bis 7-tägige Behandlung mit Ciprofloxacin, 2 × 500 mg/d, empfohlen. Eine Alternative ist die parenterale Therapie mit Ceftriaxon (2 g/d) [Empfehlungsgrad A].
Shigellose
Therapie
•
Wegen zunehmender Ciprofloxacin-Resistenz sollte bei V.a. Shigellose und unbekannter Resistenzlage in erster Linie Azithromycin (500 mg/d für 3 d) eingesetzt werden [Empfehlungsgrad B].
•
Zu beachten ist allerdings die in den letzten Jahren zunehmende Verbreitung Azithromycin-resistenter Stämme insbesondere bei Männern, die Sex mit Männern haben, sowie die hohe Prävalenz resistenter Stämme in Asien. Bei entsprechender Konstellation sollte daher ein Cephalosporin der 3. Generation (z.B. Ceftriaxon 1–2 g/d für 5 d) bevorzugt werden, da bislang kaum Shigellen isoliert wurden, die gegen diese Antibiotikagruppe Resistenzen aufwiesen [Empfehlungsgrad B].
Yersiniose
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abdominelle Schmerzen,
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wässrige oder breiige Durchfälle, gelegentlich auch mit Blutbeimengungen, insbesondere bei Kindern und
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Fieber mit einer Dauer von mehreren Tagen.
Therapie
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In diesen Fällen können Doxycyclin (2 × 100 mg/d) oder Cotrimoxazol (960 mg/d), alternativ ein Fluorchinolon, z.B. Ciprofloxacin 2 × 500 mg/d, eingesetzt werden [Empfehlungsgrad C]. Die Therapiedauer wurde bislang nicht durch Studien definiert. Auf der Basis von Expertenmeinung werden im Allgemeinen 5–7 d empfohlen [Empfehlungsgrad C].
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Bei schwerem Verlauf oder Yersinien-Sepsis sollte eine i.v. Therapie gemäß den Ergebnissen einer Resistenztestung mit einem Fluorchinolon oder einem Cephalosporin der 3. Generation durchgeführt werden [Empfehlungsgrad B].
E.-coli-Infektionen
Enteropathogene E. coli (EPEC)
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Wie bei allen Durchfallerkrankungen stehen Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution sowie ausreichende Kalorienzufuhr im Vordergrund.
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Antibiotische Regime haben bisher keinen Vorteil gezeigt.
Enterotoxische E. coli (ETEC)
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Für die Therapie gelten die allgemeinen Therapieprinzipien der akuten infektiösen Enteritis.
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Der Nutzen einer antibiotischen Therapie der selbstlimitierenden Erkrankung ist sehr fraglich.
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Seit 2005 steht ein gut verträglicher oraler Impfstoff zur Verfügung (Dukoral®), der durch Bildung toxininaktivierender Antikörper über 1–2 J. einen ca. 60-prozentigen Schutz gegenüber Cholera vermittelt. Aufgrund einer hohen Homologie zwischen Choleratoxin und ETEC-Toxin wurde eine Schutzwirkung der Vakzine gegen ETEC-Infektion vermutet und in einzelnen Studien auch gefunden. In Metaanalysen konnte diese Wirkung aber nicht sicher bestätigt werden, sodass der Effekt der Choleravakzine auf die ETEC-Reisediarrhö derzeit unklar ist.
Enteroinvasive E. coli (EIEC)
Enteroaggregative E. coli (EAEC)
Enterohämorrhagische E. coli (EHEC)
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das hämolytisch-urämische Syndrom (HUS) und
•
die thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (TTP).
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Daher wird weiterhin die antibiotische Therapie der EHEC-Infektion nicht empfohlen [Empfehlungsgrad B].
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Falls dennoch eine Indikation zur Antibiotikatherapie vorliegt (z.B. septischer Verlauf) sollte ein Carbapenem eingesetzt werden [Empfehlungsgrad C].
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Für Azithromycin ist eine Verkürzung der Erregerausscheidung beschrieben, sodass dieses Antibiotikum zur Sanierung von Dauerausscheidern eingesetzt werden kann [Empfehlungsgrad C].
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Als gesichert gilt, dass Patienten mit EHEC-Infektion keine Motilitätshemmer bekommen sollten [Empfehlungsgrad A]. In retrospektiven Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass bei Patienten mit EHEC-Infektion, die länger als 24 h mit Motilitätshemmern behandelt wurden, das Risiko für ZNS-Manifestationen eines HUS deutlich erhöht war.
Cholera
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Brechdurchfall (Choleradiarrhö),
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Kollaps (Cholera algida) und
•
Reaktion.
Therapie
Als Faustregel gilt
Aufgrund des Hypovolämierisikos kommt der raschen Substitution von Flüssigkeit und Elektrolyten eine besondere Bedeutung zu.
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In diesen Fällen sollte rasch rehydriert werden. In den ersten 30 Min. ca. 30 ml/kg KG, danach langsamer mit einem Ziel von ca. 200 ml/kg KG in den ersten 24 h. Diese Angaben können natürlich nur eine grobe Orientierung geben; die Infusionstherapie muss an die jeweilige Situation des Patienten angepasst werden.
•
Neben Volumenstatus müssen auch Säure-Basen- und Elektrolythaushalt regelmäßig kontrolliert und gegebenenfalls ausgeglichen werden.
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Bei leichteren Krankheitsfällen kann die Therapie mit einer oralen Rehydratationslösung (WHO-Trinklösung, Kap. 43.1) geführt werden.
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Aufgrund weltweit zunehmender Resistenzen gegen nahezu alle Antibiotikaklassen inklusive der Carbapeneme sollte eine empirische Antibiotikatherapie der Cholera nur unter strenger Berücksichtigung der lokalen Resistenzraten erfolgen [Empfehlungsgrad A].
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Falls es die Resistenzlage erlaubt, kann die Cholera gut mit Tetrazyklin, 4 × 500 mg/d, oder Doxycyclin, 300 mg als Einzeldosis, behandelt werden [Empfehlungsgrad B].
•
Aufgrund zunehmender Resistenzen sind Makrolide als alternative Substanzen den Fluorchinolone häufig überlegen. Empfohlen sind Erythromycin 4 × 250 mg/d über 3 d oder Azithromycin 1.000 mg als Einzeldosis [Empfehlungsgrad B].
Clostridium difficile
Therapie
Als Faustregeln gilt
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Veränderungen des Wasser- und Elektrolythaushalts werden durch eine adäquate supportive Therapie korrigiert.
•
Falls möglich, sollte das auslösende Antibiotikum abgesetzt werden.
•
Bei mehr als leichtem Krankheitsbild sollte frühzeitig eine spezifische Therapie initiiert werden.
Cave
!
Motilitätshemmer sind kontraindiziert.
•
Für eine leichte bis moderate Ausprägung wird eine orale Therapie mit Metronidazol 3 × 400–500 mg/d empfohlen [Empfehlungsgrad A].
•
Bei schwerer Symptomatik sollte die Therapie mit Vancomycin, 4 × 125–250 mg/d, p.o., erfolgen. Wichtig ist es, Vancomycin unbedingt oral/enteral zu verabreichen, da das Antibiotikum bei parenteraler Applikation keine therapeutischen Spiegel im Darmlumen erreicht [Empfehlungsgrad A].
•
Die Therapiedauer beträgt üblicherweise 10–14 d.
•
Falls bereits im Vorfeld ein erhöhtes Rezidivrisiko erkennbar ist (z.B. fortgesetzte Antibiose, Alter > 65 J.) und zusätzliche Patienten durch eine Infektion mit C. difficile einem besonderen Risiko für Komplikationen ausgesetzt wären (z.B. Immunsuppression, schwere Komorbidität) ist der primäre Einsatz von Fidaxomicin (2 × 200 mg/d p.o. für 10 d) sinnvoll [Empfehlungsgrad C].
•
Metronidazol wird vom Darmepithel aktiv sezerniert. Auch nach parenteraler Gabe stellen sich wirksame Konzentrationen in den Fäzes ein. Daher wird, wenn keine enterale Therapie möglich ist, eine parenterale Therapie mit Metronidazol, 3 × 500 mg i.v./d empfohlen [Empfehlungsgrad C]. Allerdings wurden für diesen pharmakokinetisch plausiblen Ansatz bislang keinen Beweise in Form klinischer Studien erbracht. Tigecyclin wird über die Galle in aktiver Form in das Darmlumen sezerniert, sodass auch diese Substanz (Loading Dose 100 mg, dann 2 × 50 mg i.v./d) zur parenteralen Therapie verwendet werden kann [Empfehlungsgrad C]. Aus einer retrospektiven Studie ergaben sich Hinweise für eine Überlegenheit von Tigecyclin gegenüber Metronidazol in der Therapie der schweren C.-difficile-Infektion.
•
Bei Ansprechen der Therapie kommt es zur Entfieberung und nach im Mittel 4–5 d zum Sistieren der Diarrhö.
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Für die Therapie des schwer kranken (Sub)Ileus-Patienten wird die Kombinationstherapie von Vancomycin per enteraler Sonde, per Einlauf oder per Kolonentlastungssonde mit i.v. appliziertem Tigecyclin empfohlen [Empfehlungsgrad C].
Rezidive
•
Da die Therapie des ersten Rezidivs die gleiche Erfolgswahrscheinlichkeit besitzt wie diejenige der Erstmanifestation, erfolgt die Substanzwahl bei der ersten Re-Therapie analog den obigen Empfehlungen zur Primärtherapie [Empfehlungsgrad B].
•
Alternativ kann das mit einem geringeren Rezidivrisiko behaftete Fidaxomicin (2 × 200 mg p.o./d für 10 d) eingesetzt werden [Empfehlungsgrad B].
•
Für die Therapie weiterer Rezidive gibt es keine Empfehlungen auf Studienbasis. Lange war die mit einem Vancomycin-Ausschleich-Puls-Schema (im Anschluss an eine 10- bis 14-tägige Vancomycin-Therapie mit 4 × 125 mg/d, wöchentliche Reduktion um jeweils 125 mg/d, daran anschließend 2–3 × 125 mg Vancomycin/Wo. über 2–8 Wo.) die am häufigsten genutzte, aber nicht immer dauerhaft erfolgreiche Option. Auch für diese Situation ist Fidaxomicin eine rationale Alternative [Empfehlungsgrad C].
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Bei multiplen Rezidiven kann nach adäquatem Spenderscreening die Therapie mittels Transfer fäkaler Mikrobiota erfolgen [Empfehlungsgrad C].
43.3
Enteritis durch enteropathogene Viren
Therapieprinzipien
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Eine spezifische Therapie ist nicht verfügbar.
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Für Rotaviren stehen effektive orale Impfstoffe (pentavalente Vakzine: Rotateq®; monovalent Rotarix®) zur Verfügung. Seit 2013 wird die Impfung von der Ständigen Impfkommission (STIKO) allgemein empfohlen. Die Zulassung besteht für Säuglinge bis zur 24. (Rotarix®) oder 32. Lebenswoche (Rotateq®). Wegen der Gefahr der Invagination bei Impfung älterer Säuglinge sollte die Impfung im Idealfall in der 6.-12. Lebenswoche begonnen werden und bis zur 16. (Rotarix®), bzw. 20.–22. (Rotateq®) Lebenswoche abgeschlossen sein.
CMV-Enterokolitis
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chronische Diarrhö,
•
abdominelle Schmerzen und
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schlechtes Allgemeinbefinden.
Therapie
•
Die Behandlung der CMV-Infektion des Intestinaltrakts erfolgt mit Ganciclovir 2 × 5 mg/kg KG/d über mind. 3–6 Wo. i.v. [Empfehlungsgrad A].
•
In Extrapolation von Studiendaten zur CMV-Retinitis ist in Abwesenheit von Resorptionsproblemen (z.B. Morbus Crohn mit Dünndarmbeteiligung) die orale Valganciclovir-Therapie vermutlich äquipotent, sodass nach einer i.v. Induktionsphase in der klinischen Praxis häufig auf die orale Valganciclovir-Therapie mit 2 × 900 mg/d gewechselt wird [Empfehlungsgrad C].
•
Bei Unverträglichkeit oder Nebenwirkungen der myelotoxischen Ganciclovir-Therapie kann alternativ Foscarnet 2 × 90 mg/kg KG/d eingesetzt werden – Cave: Nephrotoxizität, Schleimhautulzera.
•
Bei rezidivierender Erkrankung und fortbestehender Immunsuppression sollte im Anschluss an die Akuttherapie regelhaft eine Sekundärprophylaxe, z.B. mit Valganciclovir, 2 × 450 mg/d, durchgeführt werden [Empfehlungsgrad C].
•
Bei HIV-infizierten Patienten kann die Sekundärprophylaxe ausgesetzt werden, wenn durch eine suppressive antiretrovirale Kombinationstherapie die Helferzellen über mindestens 6 Mon. auf Werte > 100–150/µl angestiegen sind [Empfehlungsgrad B].
43.4
Enteritis durch Protozoen
Giardia lamblia
Therapie
•
Mittel der Wahl sind die Nitroimidazole
•
Bewährt haben sich Metronidazol 3 × 400 mg für 5–7 d oder Tinidazol entweder 2 g/d für 2 d oder 1 g/d für 5 d [Empfehlungsgrad A].
•
Eine Alternative ist Furazolidon 4 × 100 mg/d. Das Medikament ist zwar etwas weniger effektiv als die genannten Nitroimidazolderivate, wird aber international zur Therapie infizierter Kinder (3 × 2 mg/kg KG/d) verwendet, da die Substanz als Suspension verfügbar ist und wenig Nebenwirkungen aufweist [Empfehlungsgrad B]. Die Therapiedauer beträgt 7–10 d. In Deutschland kann die Substanz nur über die Auslandsapotheke bezogen werden.
•
In jüngeren Studien haben sich zudem Albendazol 400 mg/d über 5 d und Nitazoxanid 2 × 100–200 mg/d über 5 d als gleichwertig zu den Nitroimidazolen erwiesen [Empfehlungsgrad B].
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Für die Lamblien-Therapie in der Schwangerschaft wird Paromomycin 3 × 10 mg/kg KG/d über 7 d empfohlen. Das Aminoglykosid-Antibiotikum ist zwar weniger effektiv als die vorgenannten Therapien (Elimination der Zysten in nur 60–70% der Fälle), wird aber kaum resorbiert und gilt daher als sicher. Bei Misserfolg sollte, wenn möglich, eine Behandlung auf die Zeit nach der Entbindung verschoben werden.
Amöbenkolitis
•
Aufgrund ihrer weiten Verbreitung sollte bei jedem Patienten mit blutig-schleimigen Diarrhöen und zurückliegendem Tropenaufenthalt eine Amöbendiagnostik (Stuhlmikroskopie an frischer Stuhlprobe, Antigentest, PCR) veranlasst werden.
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Bei mikroskopischem Nachweis von Amöben im Stuhl sollte mittels Antigentests oder PCR eine Erregeridentifizierung angestrebt werden, um die Infektion mit E. histolytica von einer Kolonisation mit den morphologisch identischen, aber apathogenen Spezies E. disparEntamoeba dispar bzw. fakultativ pathogenen E. moshkovskiiEntamoeba moshkovskii abzugrenzen.
•
Einen starken Hinweis auf das Vorliegen einer E.-histolytica-Infektion liefert auch die Serologie, die im Verlauf einer symptomatischen Amöbiasis i.d.R. nach 7–10 d positiv wird.
Therapie
Als Faustregel gilt
Während eine Kolonisation mit E. dispar und E. moshkovskii keiner Therapie bedarf, sollte bei Nachweis von E. histolytica selbst bei asymptomatischem Befall eine Therapie erfolgen, um das Risiko der Transmission sowie einer späteren invasiven Amöbiasis zu minimieren.
•
Als Mittel der Wahl gilt Metronidazol 3 × 800 mg/d über 10 d [Empfehlungsgrad A].
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Alternativ kann auch mit Tinidazol 3 × 800 mg/d über 5 d behandelt werden [Empfehlungsgrad A].
•
Nachrangig kann auch Nitazoxanid eingesetzt werden, das aber in Deutschland nicht verfügbar ist [Empfehlungsgrad B].
•
In ca. 10–15% der Fälle muss mit Therapieversagen gerechnet werden.
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Standard zur Darmsanierung ist das nicht resorbierbare Aminoglykosid Paromomycin, 3 × 500 mg/d über 10 d [Empfehlungsgrad A].
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Das in Deutschland aktuell nicht verfügbare Diloxanidfuroat, 3 × 500 mg/d über 10 d, ist eine Alternative, hat sich aber in einer vergleichenden Studie dem Paromomycin als unterlegen erwiesen [Empfehlungsgrad B].
•
Auch asymptomatische mit Amöben kolonisierte Patienten sollen mit Paromomycin saniert werden.
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Etwa 2–3 Wo. nach Abschluss der Darmsanierung sollte die erfolgreiche Eradikation der Amöben mittels Stuhluntersuchung überprüft werden.
Kryptosporidiose
Therapie
•
Für immunkompetente Patienten sind neben der symptomatischen Therapie meist keine gegen den Erreger gerichteten spezifischen Maßnahmen notwendig, da die Infektion in 10–14 d spontan zur Ausheilung kommt.
•
Wenn die Symptomatik (z.B. bei Patienten in schlechtem Allgemeinzustand oder bei Kindern) verkürzt werden soll, kann ein Therapieversuch mit Nitazoxanid, 3 × 500 mg/d für 3 d, unternommen werden – in Deutschland nicht verfügbar [Empfehlungsgrad B].
•
Falls Nitazoxanid nicht über die internationale Apotheke besorgt werden kann, bietet das etwas weniger effektive Paromomycin, 3 × 500 mg/d für 10–14 d, eine Alternative [Empfehlungsgrad B].
•
Für Patienten mit erworbenem Immunmangelsyndrom (AIDS) ist die rasche Initiierung einer antiretroviralen Kombinationstherapie die entscheidende Maßnahme, da eine Ausheilung der Kryptosporidiose bei diesen Patienten nur über eine Verbesserung des Immunstatus erreicht werden kann [Empfehlungsgrad A].
Literatur
Epple and Zeitz, 2011
Hagel et al., 2015
Lübbert, 2016