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10.1016/B978-3-437-22107-1.50327-7
978-3-437-22107-1
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Patient im Alter von zwei Wochen mit Verkrümmungen und Verkürzung der Extremitäten, Schädel kaum verknöchert, sehr weite bis in die Stirn hineinziehende groβe Fontanelle.

a: Schädelaufnahme seitlich mit erheblich verminderter Mineralisation der Schädelkalotte; zu erkennen sind zahlreich Schaltknochen. b: Röntgen-Thorax mit multiplen Rippenfrakturen.

Das Babygramm zeigt multiple Rippenfrakturen, verkürzte, frakturierte, verbogene lange Röhrenknochen, auβerdem ist eine allgemeine Mineralsalzminderung des Skelettsystems festzustellen.

Wirbelsäule seitlich vor und sechs Monate nach Bisphosphonattherapie: die Mineralisation hat zugenommen, der keilförmige Wirbelkörper hat sich –wie auch benachbarte Wirbelkörper – etwas aufgerichtet.

Osteogenesis imperfecta: klinisch-genetische Kriterien.
Form | Gendefekt | Vererbung | MIM | Beginn | Knochenform | Fraktur-häufigkeit | Augenbeteiligung | Dentinogenesis imperfecta | Verlauf, Prognose |
I A | COL1A1, COL1A2 | AD | 166200 | 1.-10. Lebensjahr | nahezu normal | + | blaue Skleren | - | gut,gehfähig |
B | 166240 | ja | |||||||
II A | COL1A1, COL1A2 | AD | 166210 | intrauterin, bei Geburt | • breite, gestauchte Femura | +++ | blaue Skleren | letal | |
• “rosenkranzartige” Rippen | |||||||||
B | CRTAP | AR | 610854 | • breite, gestauchte Femura | +++ | blaue Skleren Proptosis | letal | ||
• wenig/keine Rippenfrakturen | |||||||||
C | • schmale, frakturierte Femura | +++ | blaue Skleren | letal | |||||
• dünne “rosenkranzartige” Rippen | |||||||||
III | COL1A1,COL1A2 | AD,selten AR | 259420 | intrauterin, bei Geburt | weniger Frakturen als bei Form II | ++ bis +++ | bläuliche Skleren | häufig | schwer, rollstuhlpflichtig |
IV A | COL1A1,COL1A2 | AD | 166220 | 1.-10.Lebensjahr | nahezu normal | + bis ++ | weibe oder blassblaue Skleren | - | variabel,Gehhilfen |
B | ja | ||||||||
V | nicht COL1A1, COL1A2 | AD | 610967 | 1.-10.Lebensjahr | wie Form IV, hypertrophe Kallusbildung | +/++ | weibe Skleren | gut,gehfähig | |
VI | 3p24.1-p.22 | AR? | 610968 | – 1.Lebensjahr | schwerer als Form IV, Kompressionsfrakturen der WK | ++ | weißblauliche Skleren | - | |
VII1 | CRTAP | AR | 610682 | bei Geburt bzw. im 1. Lebensjahr | wie Form III/IV, Verkürzung von OA u.OS | ++ bis +++ | bläuliche Skleren | - | schwer |
VIII | LEPRE1 | AR | 610915 | bei Geburt | wie Form II/III | ++ bis +++ | weibe Skleren | ? | schwer/letal |
MIM, „Mendelian Inheritance in Man: A Catalog of Human Genes and Genetic Disorders” (McKusick-Nummer; diese Zusammenstellung von Gendefekten und Erbkrankheiten des Menschen liegt inzwischen in der 12. Auflage vor)
AD, autosomal dominant; AR, autosomal rezessiv
OA, Oberarm; OS, Oberschenkel; WK, Wirbelkörper
COL1A1, COL1A2, die für die α-Ketten des Typ-I-Kollagens codierenden Gene; CRTAP, cartilage associated protein; LEPRE1, Leprecan
1
(rhizomeler oder „Indian” Typ)
Behandlungsschema für Kinder mit Osteogenesis imperfecta > 3. Lebensjahr mit Pamindronat.
Zeitpunkt | Behandlung | Untersuchungen |
Vor Therapiebeginn |
|
|
1. Therapietag | Pamidronat 0,5 mg/kg KG | vor Infusion: BB, Ca, Kreatinin |
2. Therapietag | Pamidronat 1,0 mg/kg KG | |
3. Therapietag | Pamidronat 1,0 mg/kg KG | nach Infusion: BB, Ca, Kreatinin |
Jahresuntersuchung |
|
LWS, Lendenwirbelsäule; BWS, Brustwirbelsäule;
DEXA, Dual-Röntgen-Absorptiometrie (Knochendichtemessung); AP, alkalische Phosphatase; PTH, Parathormon; Ca, Calcium; DPD, Desoxypyrridinolin; BB, Blutbild
Altersabhängige Dosierungsempfehlung (kumulative Jahresdosis jeweils 9 mg/kg KG).
Alter | Dosis (mg Pamidronat/kg KG) | zeitlicher Abstand |
0.–2. Lebensjahr | 0,5 | alle 2 Monate |
3. Lebensjahr | 0,75 | alle 3 Monate |
ab 4. Lebensjahr | 1 | alle 4 Monate |
Betreuungsprotokoll für Kinder mit Achondroplasie (nach: Committee on Genetics 1995).
Zeitpunkt | nach Klinik | ||||||||||||
Geburt | 6 Wochen | 3 Mon. | 6 Mon. | 9 Mon. | 12 Mon. | 18 Mon. | 24 Mon. | 3 Jahre | 4 Jahre | 5 Jahre | jährlich | ||
klinische Untersuchung1 | + | + | + | + | + | + | + | + | + | + | + | + | |
Röntgen (Wirbelsäule, Becken, Knie) | bei Bedarf für Diagnose | + | |||||||||||
Sonographie Schädel1 | + | ||||||||||||
Hörscreening, Hörtest, HNO-Konsil | + | + | + | + | + | + | + | + | + (bis ca.10 Jahre) | ||||
Kernspintomographie Schädel1 | nach Bedarf | +, Dann nach Bedarf | |||||||||||
Kernspintomographie Schädel, spinal1 | + | ||||||||||||
somatosensorisch evozierte Potenziale (SEP)1 | +, dann nach Bedarf | + mindestens einmal, dann nach Bedarf | |||||||||||
Oxykardio-Respirographie1 | nach Bedarf | + | + | nach Bedarf | + (nachts, Schlaflabor) | ||||||||
Physiotherapie1 | + | + | + | + | + | + | + | + | + | + | + | ||
Vorstellung Orthopädie | + mindestens einmal, dann nach Bedarf |
+ empfohlene Untersuchung; Mon., Monate
1
in spezialisierten Zentren
Einteilung der Osteopetrosis nach M. P. Whyte, modifiziert durch Spranger et al. (2002).
typische Symptome | Verlauf | Defekt | MIM Vererbung | infantile Formen | |
• letal | intrauterine Frakturen | Tod im Neugeborenenalter | 259700 | AR | |
• maligne | Anämie, Hepatosplenomegalie, Sehstörung | unbehandelt Tod in der 1. Lebensdekade | a. TCIRG1 (T-Zellimmunregulator 1) | 259720 | AR |
b. CLCN-7 (Chlorid Kanal) | |||||
• neuroaxonale Dystrophie | frühe neurologische Verschlechterung | Tod im Neugeborenenalter | 600.329 | AR | |
• Raine Typ | kraniofaziale Auffälligkeiten | Tod im Neugeborenenalter | 259775 | AR | |
juvenile Formen | |||||
• Typ I „benigne” | Sklerose des Schädeldachs, nicht der Wirbelkörper, keine Frakturen | Überleben ins Erwachsenenalter | AD | ||
• Typ II „benigne” | Sklerosiereung der Schädelbasis und der Wirbelkörperendplatten, Frakturen | Überleben ins Erwachsenenalter | 166000, 259710 | AD | |
• Typ III | milde bis moderate Form | Überleben ins Erwachsenenalter | AR | ||
intermediäre Formen | |||||
• Typ IV mit Carboanhydrase-Mangel | milde Form mit renaler Azidose | Überleben ins Erwachsenenalter | CA2 (Carboanhydrase II) | 259730 | AR |
• Typ V Dysosteosklerose | weite Metaphysen | Überleben ins Erwachsenenalter | 224300 | AR/XLR | |
• Typ VI Pyknodysostose | offene Fontanelle, milde Osteosklerose | Überleben ins Erwachsenenalter | CTSK (Kathepsin K) | 265800 | AR |
MIM, „Mendelian Inheritance in Man: A Catalog of Human Genes and Genetic Disorders” (McKusick-Nummer; diese Zusammenstellung von Gendefekten und Erbkrankheiten des Menschen liegt inzwischen in der 12. Auflage vor)
AD, autosomal dominant; AR, autosmal rezessiv; XLR, X-chromosomal rezessiv
Angeborene Knochenerkrankungen
-
Osteogenesis imperfecta O 20 – 1
-
Achondroplasie, Hypochondroplasie O 20 – 4
-
Osteopetrose O 20 – 5
-
Kasuistik O 20 – 6
Kernaussagen:
-
□
Die Osteogenesis imperfecta beruht auf Mutationen in diversen Genen, die für den Kollagenstoffwechsel von Bedeutung sind bzw. Mutationen in den Kollagen-Genen COL1A1 und COL1A2 direkt. Folge ist eine quantitative oder qualitative Störung der Bildung der Knochensubstanz.
-
□
Eine kausale Behandlungsoption für die Osteogenesis imperfecta gibt es nicht. In der symptomatischen Behandlung wird die operative Versorgung von Knochenbrüchen unterstützt durch physiotherapeutische Behandlung und medikamentöse Therapie mit Bisphosphonaten.
-
□
Die Implantation von intramedullären Teleskopnägeln zur Prävention von Verformungen und von Frakturen hat sich bewährt.
-
□
Die medikamentöse Behandlung mit Bisphosphonaten bei Kindern und Jugendlichen mit schweren Formen der OI hat sich als erfolgreich erwiesen, dennoch ist diese Wirkstoffgruppe bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland bislang nicht zugelassen.
-
□
Die häufigste angeborene Skeletterkrankung ist die Achondroplasie, die wie die Hypochondroplasie auf einem Defekt des Gens für den Fibroblastenwachstumsfaktor-Rezeptor 3 beruht.
-
□
Eine kausale Behandlung der Achondroplasie und der Hypochondroplasie gibt es nicht. Am meisten belastet die Betroffenen häufig ihr dysproportionierter Kleinwuchs. Verlängerungsosteotomien können gegebenenfalls bis zu einem gewissen Grad Entlastung bringen.
-
□
Als Osteopetrose oder Marmorknochenerkrankung bezeichnet man eine heterogene Gruppe von Erkrankungen mit erhöhter Knochendichte. Je nach zugrunde liegendem Gendefekt, können weitere Organe in unterschiedlichem Maβe betroffen sein, das klinische Bild reicht von geringer Einschränkung bis zu schwerer Beeinträchtigung der Lebensqualität.
-
□
Während die benignen Formen der Osteopetrose häufig symptomlos bleiben und keiner Therapie bedürfen, hat sich bei der malignen Form der Erkrankung die frühe Knochenmarktransplantation als Mittel der Wahl erwiesen.
Als Osteochondrodysplasien bezeichnet man eine Gruppe von mehr als 150 verschiedenen seltenen Erkrankungen des Skelettsystems. Nachfolgend sind die Therapiemöglichkeiten von drei in sich heterogenen Erkrankungen stellvertretend dargestellt.
O 20 – 1
Osteogenesis imperfecta
•
Durch die Störung des Bindegewebsstoffwechsels infolge Mutationen für die Kollagen Typ I kodierenden Gene COL1A1 und COL1A2 kommt es vorrangig zur Produktion von qualitativ und quantitativ gestörter Knochensubstanz mit
–
erhöhter Frakturneigung,
–
Verringerung der Knochenmasse,
–
Skelettverformungen, vor allem der langen Röhrenknochen und der Wirbelsäule.
•
Begleitsymptome können sein:
–
Schwerhörigkeit,
–
Zahnbeteiligung (Dentinogenesis imperfecta),
–
mehr oder weniger ausgeprägter Minderwuchs,
–
blaue Skleren,
–
muskuläre Hypotonie und
–
Bandinstabilitäten.
Genetische Ursachen
-
•
Ursache des Krankheitsbilds für die Formen I bis IV ist eine Störung im Aufbau des Strukturproteins Kollagen Typ I. Die kodierenden Gene COL1A1 und COL1A2 sind auf den Chromosomen 17 und 7 lokalisiert.
-
•
Der molekulare Defekt für die Form V ist ungeklärt. Nach Knochenbrüchen entwickelt sich hypertropher Kallus mit manchmal monströsen Ausmaβen. Pronation und Supination der Arme ist in Folge der Verkalkung der interossären Membranen eingeschränkt.
-
•
Die Form VI wird vermutlich autosomal rezessiv vererbt. Die ersten Knochenbrüche treten im 1. Lebensjahr auf.
Die Schwere der Erkrankung gleicht etwa der der Form IV. Auffällig ist die erheblich vermehrte Osteoidbildung.
-
•
Der Defekt der Form VII wurde auf dem kurzen Arm von Chromosom 3 lokalisiert (3p22, 3p24.1-p22). Die Erkrankung wird autosomal-rezessiv vererbt. Ursache ist ein Defekt des CRTAP-Gens, das für ein knorpelassoziiertes Protein kodiert. Dieses wiederum ist notwendig für die Funktion der Prolyl-3-hydroxylase, die für einen Schritt in der posttranslationalen Modifizierung von Kollagen Typ I erforderlich ist. Die Betroffenen haben verkürzte Oberarme und Oberschenkel. Bisher wurde die Form VII nur bei einer kleinen ethnischen Gruppe in Nordamerika gefunden. Man spricht daher von einer rhizomelen Form oder vom „Indian Type”.
-
•
Die Form VIII wird ebenfalls autosomal-rezessiv vererbt. Ursache ist eine Mutation im LEPRE1-Gen, das für die Prolyl-3-hydroxylase kodiert. Zusammen mit CRTAP und Cyclophilin B bildet das Enzym einen Komplex, der einen der Hydroxylierungsschritte der Kollagenreifung katalysiert.
Die Patienten sind ähnlich schwer betroffen wie Patienten der Formen II oder III.
Diagnostik
Als Faustregel gilt:
Die Diagnose wird nach dem Leitsymptom multipler Frakturen ohne adäquates Trauma oder anhand von Skelettverformungen gestellt.
-
•
Laborparameter zur Diagnosehilfe gibt es nicht. Häufig ist die alkalische Phosphatase erhöht, das Kollagen-1-Propeptid im Serum ist erniedrigt. Oft findet man eine erhöhte Ausscheidung von Deoxypyridinolin. Allgemeine labordiagnostische Untersuchungen sind aber nicht spezifisch für das Krankheitsbild und geben nur indirekt Hinweise auf den Zustand des Skelettsystems.
-
•
Radiologisch zeigen sich neben Frakturen unterschiedlichen Alters eine generalisierte Osteopenie und Knochendeformierungen. Im Bereich der langen Röhrenknochen kann es zu einer Auftreibung der Metaphysen („Popcorn-Metaphysen”) bei Verschmälerung der Diaphyse kommen.
-
•
Molekulargenetisch kann nur bei etwa 85% der Patienten eine Mutation der Kollagen-Typ-I-kodierenden Gene nachgewiesen werden.
✓
Ein fehlender Nachweis einer Mutation dieser Gene schlieβt das Vorliegen einer OI nicht aus.
O 20 – 2
Therapie
Grundsätzlich gilt:
Eine kausale Behandlungsmöglichkeit gibt es nicht.
•
orthopädisch-chirurgische Maβnahmen,
•
intensive krankengymnastische Übungsbehandlung und
•
medikamentöse Therapie mit Bisphosphonaten.
Operative Versorgung
Frakturbehandlung
✓
Die Dauer der Ruhigstellung sollte so kurz wie möglich gehalten werden, um einer Inaktivitäts-Osteoporose vorzubeugen.
•
Zur Schienung und Ruhigstellung sollten leichte Materialen verwendet werden, um die Patienten mit häufiger muskulärer Hypotonie nicht zusätzlich durch schwere Materialien zu belasten.
Prävention
•
Teleskopnägel sind besonders bei Kindern, bei denen das Wachstum noch nicht abgeschlossen ist, indiziert. Diese Teleskopnägel können etwa ab einem Alter von 3 Jahren implantiert werden.
✓
Diese speziellen operativen Eingriffe sollte nur ein mit der Methode erfahrener Chirurg bzw. Orthopäde durchführen.
✓
Andere Techniken der operativen Frakturversorgung wie Verplattungen, Verdrahtungen u.Ä. haben sich bei der OI nicht bewährt.
Weitergehende chirurgische Eingriffe
•
bei Patienten mit progressiven Wirbelsäulenverkrümmungen oder
•
bei der Entwicklung einer basilaren Impression.
Medikamentöse Behandlung
-
✓
Früher verwendete Medikamente wie Vitamine (Vitamin D, Vitamin C), Fluor, Kalzium oder Hormone (Calcitonin, Östrogene) waren ohne Erfolg.
•
einer rückläufigen Frakturneigung,
•
einer zunehmenden Mineralisierung des Skelettsystems,
•
einer Zunahme der Knochendichte,
•
einer Steigerung der Mobilität,
•
der Verminderung von (Knochen-)Schmerzen und
•
einer Verbesserung des Gedeihens im Vergleich zu etwa gleich schwer betroffenen, gleichaltrigen, nicht behandelten Patienten.
✓
Nach wie vor sind Bisphosphonate aber im Kindesund Jugendalter nicht zugelassen.
Intravenöse Infusion
•
erhöhter Frakturrate (> 2–3 Knochenbrüche/Jahr),
•
erheblicher Wirbelsäulenbeteiligung mit Höhenminderung der Wirbelkörper, Sinterungsfrakturen und drohender Fehlstellung sowie
•
Skelettschmerzen.
Als Faustregel gilt:
Die i.v. Gabe von Bisphosphonaten ist indiziert bei schweren Verlaufsformen.
•
Dosis und Abstand der Behandlungszyklen werden dem Alter des Kindes angepasst (Tab. 2 und Tab. 3).
•
Die kumulative Jahresdosis beträgt 9 mg/kg KG.
✓
Am ersten Tag des Behandlungszyklus sollte die Dosis halbiert werden, um die häufig zu beobachtenden grippeähnlichen Erscheinungen (Knochen-, Gelenkschmerzen, Fieber) abzumildern bzw. ihnen vorzubeugen.
✓
Bei Kindern < 1 Jahr sollte die Dosis von 2 mg/kg KG auf zwei Tage verteilt werden, d.h. 1 mg/kg KG/Tag.
Nebenwirkungen der Bisphosphonate
-
•
Häufig kommt es bei der ersten Bisphosphonatgabe zu einer Akut-Phase-Reaktion mit grippeähnlichen Beschwerden, Gelenk- und Knochenmerzen und Fieber, z.T. bis 40 °C. Diese Symptome verschwinden innerhalb von 1–2 Tagen. Bei den Folgeinfusionen treten sie nicht mehr auf, auβer nach sehr langen Therapiepausen.
-
✓
Wegen des möglichen Zusammenhangs mit der Entwicklung von Kiefernekrosen empfiehlt sich vor Beginn einer Bisphosphonattherapie eine zahnärztliche Untersuchung.
O 20 – 3
Physiotherapie
•
Viele schwer betroffene Patienten sind auf die Benutzung von Hilfsmitteln angewiesen (Rollator, Orthesen, Unterarmgehstützen, Rollstuhl). Damit sind Muskeln und Gelenke oft unphysiolgisch beansprucht.
Grundsätzlich gilt:
Auch unabhängig von Frakturen oder eingeschränkter Beweglichkeit kann durch die Krankengymnastik durch Kräftigung der Muskulatur eine gewisse Verbesserung der Mineralisation des Skeletts und damit eine Verminderung der Frakturneigung erzielt werden.
Weitere Organbeteiligung
•
sonographische Untersuchungen der Nieren: erhöhtes Risiko der Entwicklung von Konkrementen und/oder einer Nephrokalzinose;
•
kardiologische Untersuchungen: mögliche Entwicklung eines pulmonalen Hochdrucks bei Verformung des Thorax;
•
Lungenfunktionsuntersuchungen.
Herz-Kreislauf-System
✓
Kardiochirurgische Eingriffe sind aufgrund der allgemeinen Bindegewebsschwäche mit erhöhtem Risiko behaftet. Über erfolgreiche Operationen zum Herzklappenersatz wurde berichtet.
Soziale Integration
Zukunftsperspektiven
-
•
Die Behandlung mit Wachstumshormonen wurde versucht. Allerdings sind die Ergebnisse nicht so augenscheinlich, dass diese Therapieoption allgemein empfohlen wird.
-
•
Stammzell- oder Knochenmarktransplantationen kommen allenfalls bei sehr schwer betroffenen Kindern in Frage. Erfahrungen damit sind gering.
Als Faustregel gilt:
Die bisher praktizierten Behandlungsmöglichkeiten (Physiotherapie, medikamentöse Behandlung und Operationen) sind so aufeinander abzustimmen, dass den Patienten ein möglichst selbstständiges Leben ermöglicht wird.
O 20 – 4
Achondroplasie, Hypochondroplasie
Achondroplasie
•
einen dysproportionierten Minderwuchs mit kurzen Extremitäten,
•
einen groβen Kopf mit prominenter Stirn, eingesunkener Nasenwurzel und Mittelgesichtshypoplasie mit eingeengten Nasenräumen.
•
Ferner besteht neben einem flachen, häufig glockenförmigen Thorax eine thorako-lumbale Kyphose und lumbale Hyperlordose mit vorgewölbtem Abdomen.
•
Die Finger sind kurz und weisen aufgrund mangelhafter Adduktion eine Spreizstellung auf (sog. „Dreizack-Hand”).
•
Die Streckung der Ellbogengelenke ist endgradig eingeschränkt zudem
•
Genua vara, seltener valga.
•
Häufig ist das Foramen magnum klein und der lumbale Wirbelkanal ist kaudalwärts eingeengt.
•
Das Becken ist flach und breit, der Beckeneingang eingeengt, sodass er üblicherweise ein Geburtshindernis darstellt.
•
Die Hüftpfannen sind flach, die Röhrenknochen bei normaler Breite verkürzt.
Hypochondroplasie
Genetische Ursachen
•
Mehr als 97% aller Patienten mit Achondroplasie sind Träger einer Mutation, die zu einer Aminosäuresubstitution (G380R) in der Transmembrandomäne des FGFR3-Moleküls führt.
•
Weniger häufig sind die Mutationen G346E und G375C.
•
Für die Hypochondroplasie ist die häufigste Mutation N540K (ca. 50%).
•
Sehr schwere Formen der „Achondroplasie-Familie” mit einem Defekt des FGFR3-Rezeptors sind die Thanatophore Dysplasie I und II (mit dem Leben nicht zu vereinbaren) und –selten – Kinder mit schwerer Achondroplasie mit Entwicklungsverzögerung und Acanthosis nigricans (sog. SADDAN-Phänotyp).
Diagnostik
Therapie
•
Infolge der Verengung des Foramen magnum und des Wirbelkanals können sich neurologische Symptome entwickeln, die entsprechende entlastende Korrektur-Operationen erfordern.
•
Bei ausgedehnteren Verkrümmungen der langen Röhrenknochen mit Gelenkfehlbelastung sind Umstellungsosteotomien mit Achsenkorrekturen angezeigt, um Arthrosen vorzubeugen.
Kleinwuchs
✓
Eine vollständige Korrektur des Minderwuchses und vor allem der Dysproportionierung ist damit nicht zu erreichen.
Grundsätzlich gilt:
Operativ verlängernde Maβnahmen sind nicht das „normale” Vorgehen beim Kleinwuchs, sondern in Einzelfällen eine sinnvolle Behandlung der Kleinwüchsigkeit (vgl. Kap. M 2).
O 20 – 5
Osteopetrose
•
Einschränkung des Sehvermögens bis zur Blindheit,
•
Retinaatrophie,
•
Schielen,
•
Schwerhörigkeit,
•
Fazialisparese.
•
Zudem beobachtet man verzögerte Zahnung, Karies, Wachstums- und Entwicklungsverzögerung.
•
Durch die Einengung des Foramen magnum kann es zum Hydrozephalus kommen.
Genetische Ursachen
-
•
Bei einer autosomal-rezessiven Form wurde der molekulare Defekt im Chloridkanal ClCN7 nachgewiesen, eine autosomal-rezessiv vererbte Form ist homozygot für diesen Gendefekt.
-
•
Bei der autosomal-rezessiven malignen Form wurde der zugrunde liegende Defekt in einer Untereinheit der H+-Adenosin-Triphosphatase entdeckt.
-
•
Für weitere infantile maligne in der Tabelle nicht aufgelistete Formen wurden in der Zwischenzeit die molekularen Defekte nachgewiesen:
–
OSTM1, das für das osteopetrosisassoziierte Transmembran-Protein-1 kodiert,
–
TNFSF11, ein für einen Osteoklastendifferenzierungsfaktor kodierendes Gen sowie
–
PLEKHM1.
-
•
Der Defekt der Carboanhydrase II ist mit einer Osteopetrose sowie darüber hinaus mit einer renalen tubulären Azidose verbunden.
Diagnostik
Therapie
Maligne Formen
•
Das erhöhte Risiko einer veno-okklusiven Erkrankung wird durch die Prophylaxe mit Defibrotid, eine einzelsträngige Polydesoxyribonukleinsäure, signifikant gemindert.
•
Bis zur Knochenmarktransplantation kann die –unerwünschte – Kalzifizierung des Skelettsystems durch Verminderung der Kalziumzufuhr und Beendigung der Vitamin-D-Prophylaxe abgemildert werden.
Benigne Formen
•
Bei den milderen Formen und alternativ zur Knochenmarktransplantation ist die Stimulation der Knochenresorption durch Calcitriol (Rocaltrol®) für den Krankheitsverlauf günstig.
•
Eine positive Wirkung konnte durch die Behandlung mit γ-Interferon erzielt werden.
•
Auch eine kalziumarme Diät wurde eingesetzt.
Andere Organmanifestationen
O 20 – 6
Kasuistik
•
Apgar 9/9/10 nach 10 Min.,
•
Gewicht 3.400 g (zwischen 50. und 75. Perzentile),
•
Länge 44 cm (< 3. Perzentile),
•
Kopfumfang 33,5 cm (zwischen 10. und 50. Perzentile).
•
Sehr berührungsempfindliches Kind mit multiplen Fehlstellungen der Extremitäten (Abb. 1), untere Extremitäten beidseits verkürzt und verkrümmt, Varusfehlstellung des rechten Beines, im Hüftbereich nach kranial umgeschlagen; Schädel sehr weich, sehr groβe vordere Fontanelle, bis in die Stirn ziehend; innerorganisch keine Auffälligkeiten.
•
Die offensichtlichen Schmerzen des Kindes wurden mit Tramal-Tropfen behandelt.
•
Am 7. Lebenstag wurde das Kind zur weiteren Versorgung in ein Zentrum verlegt, das Erfahrungen mit Kindern mit Osteogenesis imperfecta hat.
•
Nach Einwilligung der Eltern wurde im Alter von 2 Wochen mit einer dreitägigen, intravenösen Therapie mit dem Bisphosphonat Pamidronat (Aredia®) begonnen. Die Aredia®-Infusionen wurden gut vertragen.
•
Adjuvant wurden Kalziumglukonat p.o. und 2.000 IE Vitamin D verabreicht.
Literatur
Osteogenesis imperfecta
Antoniazzi et al., 2000
Byers, 2001
Gatti et al., 2005
Glorieux et al., 1998
Primorac et al., 2001
Achondroplasie, Hypochondroplasie
Committee on Genetics, 1995
Correll, 2008
Correll and Held, 2000
Hertel et al., 2005
Wilkin et al., 2001
Osteopetrose
Corbaciaglu et al., 2006
Key et al., 1995
Peters and Steward, 2003
Sly and Shah, 2001
Spranger et al., 2002