© 2021 by Elsevier GmbH
Bitte nutzen Sie das untenstehende Formular um uns Kritik, Fragen oder Anregungen zukommen zu lassen.
Willkommen
Mehr InformationenB978-3-437-22107-1.50053-4
10.1016/B978-3-437-22107-1.50053-4
978-3-437-22107-1
Elsevier Inc.
Enzymsysteme, die am hepatischen Arzneimittelstoffwechsel beteiligt sind: UDP-GT = UDP-Glukuronosyltransferase; ST = Sulfotransferase; GST = Glutathion-S-Transferase (nach Murray,

Einfluss pathophysiologischer Veränderungen auf den hepatischen Arzneimittelmetabolismus bei Leberzirrhose.
(modifiziert nach Lewis und Stine 2013)
Pathophysiologie | Klinische Konsequenz |
verminderte Leberdurchblutung mit geringerem First-Pass-Effekt und porto-systemischen Shunts | erhöhte Bioverfügbarkeit/Plasmaspiegel |
Hypoalbuminämie | geringerer proteingebundener Anteil (erhöhte Serumkonzentrationen) |
Aszites/Ödeme | erhöhtes Verteilungsvolumen für hydrophile Medikamente |
portale Gastropathie | Änderung der Medikamentenaufnahme |
Abnahme der CYP-Aktivität | reduzierter First-Pass-Metabolismus/Clearance |
Abnahme der hepatischen Glutathionspeicher | erhöhte Toxizität |
Abnahme der biliären Exkretion | erhöhte Plasmakonzentrationen |
Abnahme der renalen Clearance | erhöhte Plasmakonzentrationen |
CYP, cytochrome P450-Enzyme
Pharmakokinetische Daten für Medikamente mit hoher und niedriger hepatischer Extraktionsrate (ER) bei Patienten mit Leberzirrhose und bei Lebergesunden.
(modifiziert nach Bass und Williams 1989)
Clearance (l/h) | Halbwertszeit (h) | Bioverfügbarkeit (%) | zulässige Steady-State-Konzentration Css | |
ER > 0,5 | ||||
Lidocain | 54,6 ± 16,4 (84 ± 16,4) | 2,67 (1,5) | ∼ 50? < 1 μg/l ∼ 20? | |
Propranolol | 33,5 ± 21 (51,6 ± 16,2) | 11,8 ± 8,5 (4,0 ± 0,9) | 60 ± 20 (38 ± 9) | < 100 μg/l |
Morphin | 69 ± 21,0 (73,8 ± 25,8) | 2,2 ± 1,3 (2,5 ± 0,5) | 80 ± 6,1 (Absorption 50%) (30 ± 14) (Absorption 50%) | < 70 μg/l |
Pentazocin | 23,9 ± 7,26 (46,1 ± 7,8) | 12 ± 3 (5,7 ± 1,4) | 70 ± 19 (21 ± 7) | |
Isoptin | 37,2 ± 16,8 (75,6 ± 11,4) | 14,2 (3,7) | 52,3 ± 13,3 (22,0 ± 7,8) | < 150 μg/l |
ER < 0,5 | ||||
Ampicillin | 16,8 ± 8,4 (20,4 ± 48,0) | 1,9 ± 0,56 (1,31 ± 0,15) | 40 (Absorption 40%) 40 (Absorption 40%) | MIC: 1,5 μg/l |
Atenolol | 12,7 ± 7,92 (10,3 ± 11,4) | 6,0 ± 1,4 (5,0 ± 1,4) | 40 (Absorption 40%) 40 (Absorption 40%) | < 600 μg/l |
Cimetidin | 27,8 ± 8,7 (31,0 ± 5,58) | 2,9 ± 1,1 (2,3 ± 0,7) | 75 (75) | < 1 μg/l |
Diazepam | 0,828 ± 0,144 (1,6 ± 0,246) | 105 ± 15,2 (46,6 ± 14,2) | < 300 μg/l | |
Furosemid | 13,0 ± 4,63 (10,4 ± 1,92) | 0,87 ± 0,13 (0,85 ± 0,13) | 67 (Absorption 67%) 67 (Absorption 67%) | < 30 μg/l |
Prednison | 16,7 ± 4,74 (15,4 ± 3,36) | 3 ± 1 (3,3 ± 1,0) | 80 80 | < 100 μg/l |
Werte für Lebergesunde in Klammern; Absorption, wenn nicht gesondert aufgeführt, 100%
MIC: Minimale Hemmkonzentration
Cave: Nebenwirkungen sind nur teilweise dosisabhängig.
Zytostatika und Leberzirrhose.
(modifiziert nach Koren et al. 1992)
Medikament | Ausmaß der Leberfunktionseinschränkung | % der Dosis |
Azathioprin | polymorpher Metabolismus, der aktive Metabolit 6-Mercaptopurin wird nicht gebildet | evtl. Dosis erhöhen |
Cyclophosphamid | weniger aktive Metaboliten, daher weniger Nebenwirkungen bei Leberinsuffizienz | gleiche Dosis, evtl. erhöhen |
Cytarabin | wird hauptsächlich hepatisch desaminiert | 50% und je nach Toxizität steigern |
Dactinomycin | hepatisch metabolisiert | 50% und je nach Toxizität steigern |
Doxorubicin | isolierte Transaminasenerhöhung > 3 × ob. Norm | 75% |
Bilirubin 20–51 pmol/l (1,2–3 μg/dl) | 50% | |
Bilirubin 51–85 pmol/l (3–5 μg/dl) | 25% | |
Bilirubin > 85 μmol/l (> 5 μg/dl) | 0% | |
Epirubicin | Bilirubin > 34 μmol/l (> 2 mg/dl) | < 50% |
Etoposid | Bilirubin 25–51 μmol/l (1,5–3 mg/dl); GOT > 3 × ob. Norm unklare Datenlage | 50% |
Fluorouracil | nur Daten bei Ratten | < 50% und je nach Toxizität steigern |
Procarbazin | Bilirubin > 85 μmol/l (> 5 mg/dl); GOT/GPT > 3 × ob. Norm | 0% |
Vincristin | Toxizität assoziiert mit AP- und GT-Anstiegen | 50% |
Arzneimitteltherapie bei Patienten mit Leberinsuffizienz
-
Vorbemerkungen A 4 – 1
-
Pharmakokinetische Grundlagen zur
-
Dosisanpassung bei der Leberinsuffizienz A 4 – 2
-
Pharmakokinetik A 4 – 2.1
-
Grundlagen der Dosisanpassung bei
-
Leberinsuffizienz A 4 – 3
-
Steuerbarkeit der Arzneimitteltherapie bei
-
Leberinsuffizienz A 4 – 4
-
Risiken der Polypharmazie bei Patienten mit
-
Leberzirrhose A 4 – 5
-
Zusammenfassung A 4 – 5
Kernaussagen
-
□
Etwa ein Fünftel aller eingesetzten Medikamente bei Patienten mit Leberzirrhose werden unangemessen dosiert.
-
□
Medikamente mit einer hohen hepatischen Extraktionsrate und einer geringen therapeutischen Breite sind unter den Bedingungen der Leberfunktionseinschränkung am schwierigsten zu steuern.
-
□
Unter den Bedingungen der Leberzirrhose kann bei noch normalen Kreatininserumwerten bereits eine erhebliche Verminderung der renalen Clearance für eingesetzte Medikamente oder deren aktive Metaboliten vorliegen.
-
□
Bei Patienten mit Cholestase sollte sehr zurückhaltend dosiert werden.
-
□
Unerwünschte Medikamenteninteraktionen wie z. B. Hyperkaliämien durch Kombination von ACE-Hemmern mit kaliumsparenden Diuretika oder NSDAI sind bei Patienten mit Leberzirrhose häufig.
-
□
Beim Einsatz von Benzodiazepinen oder Opiaten sollte die Gefahr der Auslösung einer Enzephalopathie beachtet werden.
A 4 – 1
Vorbemerkungen
A 4 – 2
A 4 – 2.1
Pharmakokinetik
Clearance
•
Cin die mittlere, der Leber zufließende Arzneimittelkonzentration (portal und arteriell) und
•
Cout die Arzneimittelkonzentration in den Vv. hepaticae ist.
Gesamtlörper-Clearance
Orale Bioverfügbarkeit
A 4 – 3
Grundlagen der Dosisanpassung bei Leberinsuffizienz
Als Faustregel gilt:
Generell sollten Medikamente unter den Bedingungen der Leberinsuffizienz sehr zurückhaltend eingesetzt werden. So kann man evtl. mit 50% der aus ▸ Tabelle 2 errechneten Dosis beginnen und nach Wirkung steigern.
A 4 – 4
Steuerbarkeit der Arzneimittel-therapie bei Leberinsuffizienz
•
Einer ist die therapeutische Breite eines Medikaments. Aus pharmakokinetischer Sicht kann die Extraktionsrate oder die orale Bioverfügbarkeit eines Medikaments zur Beurteilung der Steuerbarkeit einer Therapie herangezogen werden.
Folgende Überlegung verdeutlicht das. Wird zum Beispiel ein zu 100% absorbiertes Medikament wie Isoptin mit einer hohen hepatischen Extraktionsrate (ER = 0,95) eingesetzt, so ist aufgrund der Beziehung F = 1 – ER seine Bioverfügbarkeit gering (F = 0,05). Kommt es nun im Zusammenhang mit einer Lebererkrankung zu einer geringen Änderung der ER von 0,95 auf 0,9, so verdoppelt sich die Bioverfügbarkeit auf 0,1 (▸ Tabelle 2). Das bedeutet, dass schon aufgrund pharmakokinetischer Überlegungen Medikamente mit einer hohen Extraktionsrate unter den Bedingungen der Leberinsuffizienz schlecht steuerbar sind.
•
Der häufig nicht berücksichtigte zweite Aspekt, die Pharmakodynamik eines Medikaments unter den Bedingungen der Leberinsuffizienz, gibt einen Anhalt dafür, wie relevant die Änderung der Bioverfügbarkeit oder Extraktionsrate im Rahmen der Leberinsuffizienz ist.
Ein Beispiel hier ist der Betablocker Propranolol. Diese Substanz hat, wie Isoptin, eine hohe Extraktionsrate und ist daher aufgrund ihrer Pharmakokinetik unter den Bedingungen der Leberinsuffizienz schlecht steuerbar (▸ Tabelle 2). Andererseits muss gesagt werden, dass selbst stark erhöhte Serumspiegel meistens bestens vertragen werden, sodass in der Summe Propranolol trotz seiner pharmakokinetisch ungünstigen Eigenschaften ein sicheres Medikament unter den Bedingungen der Leberinsuffizienz ist. Dementsprechend findet es als Primärprophylaktikum bei der portalen Hypertension eine weite Anwendung. Praktisch wird daher empfohlen, Propranolol nach der Herzfrequenz zu dosieren. Dieses Beispiel zeigt klar, dass eine aufgrund der Clearance und der Serumspiegel adaptierte Dosierung unter den Bedingungen der Leberinsuffizienz nur ein Anhaltspunkt sein kann.
A 4 – 5
Risiken der Polypharmazie bei Patienten mit Leberzirrhose
A 4 – 5
Zusammenfassung
-
•
Bei Patienten mit Leberzirrhose werden ungefähr 20% aller eingesetzten Medikamente unangemessen dosiert.
-
•
Medikamente mit einer hohen hepatischen Extraktionsrate und einer geringen therapeutischen Breite sind unter den Bedingungen der Leberfunktionseinschränkung am schwierigsten zu steuern. Für diese Medikamente gilt, dass im Fall der oralen Aufnahme sowohl die Anfangsdosierung als auch die Erhaltungsdosis auf 50% der normalen Dosierung reduziert werden sollte. Bei parenteraler Gabe muss natürlich nur die Erhaltungsdosis angepasst werden. Bei den meisten primär in der Leber abgebauten Medikamenten mit niedriger oder intermediärer hepatischer Extraktionsrate sollte ebenfalls nur die Erhaltungsdosis angepasst werden.
-
•
Unter den Bedingungen der Leberzirrhose kann bei noch normalen Kreatininserumwerten bereits eine erhebliche Verminderung der renalen Clearance für eingesetzte Medikamente oder deren aktive Metaboliten vorliegen. Bei dieser Patientengruppe sollte daher besonders vorsichtig bei der Gabe von renal eliminierten Medikamenten vorgegangen werden. Genauso sollte bei Patienten mit Cholestase sehr zurückhaltend, möglichst nach erwünschtem Effekt dosiert werden.
-
•
Beim Einsatz von Kombinationen von kaliumsparenden Diuretika mit ACE-Hemmern oder mit NSAID sind Hyperkaliämien, beim Einsatz von Kombinationen von Betablockern mit Insulin aber auch Hypoglykämien häufig. Beim Einsatz von Benzodiazepinen und Opiaten können hepatische Enzephalopathien ausgelöst werden.„
Weiterführende Literatur
Bass and Williams, 1989
Bircher, 1988
Delcò et al., 2005
Franz et al., 2012
Franz et al., 2013
Hebert, 1998
Koren et al., 1992
Lewis and Stine, 2013
Morgan and McLean, 1995
Westphal and Brogard, 1993