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978-3-437-24950-1
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Diabetes mellitus – Psychosomatische Aspekte
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90.1
Diabetes mellitus Typ 1691
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90.2
Diabetes mellitus Typ 2692
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90.3
Folgeschäden692
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90.4
Hypoglykämie692
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90.5
Psychische Störungen693
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90.6
Fazit693
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90.7
Kasuistik693
Kernaussagen
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Die Akzeptanz des Diabetes mellitus Typ 1 spielt für Erwachsene und Kinder eine wesentliche Rolle im erfolgreichen Umgang mit der Erkrankung.
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Dem Patienten müssen Lebensperspektiven aufgezeigt werden und die Therapie muss verdeutlichen, dass trotz der Diagnose eine weitgehend normale Lebensführung möglich ist.
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In der Betreuung von Familien mit an Typ-1-Diabetes erkrankten Kindern muss besonders darauf geachtet werden, dass die Erkrankung nicht zum Familienproblem wird und dass eine normale körperliche und psychosoziale Entwicklung der jungen Patienten gewährleistet wird.
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Diabetes mellitus Typ 2 ist in erster Linie durch den Lebensstil bedingt, deshalb bedeutet die Diagnose für die Betroffenen Abschied nehmen von lieb gewonnenen Lebensgewohnheiten.
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Verfahren der Wahl bei der psychischen Betreuung von Patienten mit Typ-2-Diabetes sind verhaltenstherapeutisch aufgebaute Programme.
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Sowohl eingetretene Folgeschäden als auch die Angst davor bedeuten eine erhebliche psychische Belastung für die Patienten. Die Angst vor Folgeschäden kann eine sichere Therapieführung stark gefährden.
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Kommt es zu Hypoglykämien aufgrund einer fehlerhaften Wahrnehmung des Blutzuckerstatus, so sind neben der medizinischen Behandlung spezielle Schulungsprogramme zum Erlernen bestimmter Signale der Unterzuckerung indiziert.
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Auch die Angst vor Hypoglykämie kann zu erheblichen Problemen bis hin zur sozialen Isolation aufgrund von Vermeidungsstrategien führen. Hier muss ebenfalls verhaltenstherapeutisch interveniert werden.
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Patienten mit Diabetes mellitus leiden häufiger unter psychischen Störungen, insbesondere Depressionen treten öfter auf.
90.1
Diabetes mellitus Typ 1
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Beim Typ-1-Diabetes sind die Patienten gezwungen, lebenslang Insulin zu injizieren und 4–6 tägliche Blutzuckerspiegelmessungen vorzunehmen.
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Darüber hinaus gilt es, vor jeder Mahlzeit den in der Nahrung enthaltenen Kohlenhydratanteil zu identifizieren und zu quantifizieren.
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Da beim Typ-1-Diabetes-mellitus einige Zeit nach der Manifestation die endogenen Insulinreserven erschöpft sind, muss die exogene Insulinzufuhr sehr exakt erfolgen.
Als Faustregel gilt
Hauptaufgabe bei der Ersteinstellung von Typ-1-Diabetikern ist v.a. die Bewältigung der Diagnose Diabetes mellitus. Nur so lassen sich Krankheitsakzeptanz und eine langfristige Motivation zu einer guten Therapiedurchführung sicherstellen.
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dem Patienten Lebensperspektiven aufzuzeigen und
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ihm klarzumachen, dass trotz der Diagnose Typ-1-Diabetes eine weitgehend normale Lebensführung möglich ist und auf diese Weise weder die Lebenszufriedenheit noch die Lebensqualität leiden sollte.
Erstmanifestation bei Kindern und Jugendlichen
Cave
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Diabetes mellitusKinder und JugendlicheDie Diagnose Diabetes mellitus im Kindes- und Jugendalter hat weitreichende Folgen für die Betroffenen, aber auch für die Familienangehörigen. Es ist von besonderer Bedeutung, dass der Diabetes mellitus nicht zum Familienproblem wird.
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Primär gilt es, die bei vielen Elternteilen häufig aufkommenden Schuldgefühle („Wie konnte es passieren, dass mein Kind zuckerkrank wird?”) zu vermeiden.
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Auch sollte das Kind durch den Diabetes weder diskriminiert noch mit Sonderrechten versehen werden.
90.2
Diabetes mellitus Typ 2
Als Faustregel gilt
Für die Schulung des Typ-2-Diabetikers sind Programme mit reiner Wissensvermittlung für einen langfristigen Erfolg ungeeignet, vielmehr sollten verhaltenstherapeutisch aufgebaute Programme (z.B. MEDIAS 2 Basis, Medias 2 ICT, Medias 2 CT) Mittel der Wahl sein.
Cave
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!
Trotz der motivierenden Wirkung, die der Kontakt zu Patienten mit bereits ausgeprägten Folgeschäden haben kann, erscheint eine Therapie, die auf das Schüren von Ängsten setzt, bei Typ-2-Diabetikern eher ungeeignet: Beispielsweise sind Drohungen mit einer sonst anstehenden Insulintherapie
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einerseits nur kurzfristig wirksam,
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andererseits erschweren sie langfristig bei einer wirklich anstehenden Insulintherapie den Einstieg in eine solche.
90.3
Folgeschäden
Angst vor Folgeschäden
Cave
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!
Patienten mit übertriebener Angst zeichnen sich durch überproportional häufiges Blutzuckerspiegelmessen und sofortige Intervention auch bei nur gering von der Norm abweichenden Blutzuckerwerten aus. Dies verhindert oft völlig den sicheren Umgang mit dem Diabetes mellitus und stellt darüber hinaus ein erhebliches Eigengefährdungspotenzial durch Unterzuckerungen dar.
90.4
Hypoglykämie
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Die fehlende Wahrnehmung einer Unterzuckerung muss sowohl ärztlich als auch mithilfe eines Psychologen angegangen werden.
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Zunächst wird der Blutzuckerwert, der sich im Mittel regelhaft im Bereich von < 100 mg/dl befindet, wieder leicht über den Normbereich angehoben. Dabei kommt es zu einer Umgewöhnung und einer besseren Wahrnehmung abfallender Blutzuckerspiegel.
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Mithilfe von Schulungsprogrammen (z.B. HYPOS, BGAT) trainieren die Patienten dann, andere als die bekannten neuroglykopenischen bzw. adrenergen Symptome als bedeutsam für eine sich ankündigende Unterzuckerung wahrzunehmen. Hierfür existieren verschiedene Strategien, die sich in der Regel in der Gruppe und zum Teil auch mit gezielten, ärztlich geleiteten Unterzuckerungen erlernen lassen.
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Das andere mit Hypoglykämien assoziierte Problem ist die Angst vor Unterzuckerungen, etwa aufgrund eines entsprechenden Erlebnisses. Die Vermeidungsstrategie zielt nun darauf ab, den Blutzuckerwert stets in deutlich erhöhten Bereichen zu halten, die eine Unterzuckerung ausschließen. Oft vermeiden die Patienten auch Situationen, bei denen eine Unterzuckerung schwerwiegende Folgen haben könnte, wie beispielsweise Autofahren, Sport oder die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen. Dies führt nicht selten zu sozialer Isolation mit all ihren negativen Folgen.
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Hier ist eine verhaltenstherapeutische Intervention eine wichtige Voraussetzung, um das Problem zu lösen.
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Begleitet wird diese Maßnahme von ärztlichen Interventionen, die auf eine Blutzuckerstabilisierung abzielen.
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Cave
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!
Die übertriebene Angst vor Unterzuckerungen begründet sich oft in einem einschneidenden Ereignis, bei dem der Patient durch eine Unterzuckerung hilflos wurde oder in eine peinliche Situation geraten ist.
90.5
Psychische Störungen
Als Faustregel gilt
Psychische Störungen Diabetes mellituspsychische Störungentreten bei Diabetikern häufiger auf als in der Normalbevölkerung. Dies gilt v.a. für Depressionen, die doppelt so häufig vorkommen.
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Insbesondere Depressionen können über den damit verbundenen Hyperkortisolismus und die Verschlechterung des metabolischen Syndroms, aber auch durch die damit verbundenen Compliance-Probleme die Behandlung erschweren.
90.6
Fazit
Grundsätzlich gilt
Ein verhaltensmedizinischer Aspekt ist heute integraler Bestandteil einer zeitgemäßen Diabetestherapie.
90.7
Kasuistik
Anamnese
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Vor drei Jahren war sie während einer Präsentation einer großen Werbekampagne durch eine Unterzuckerung so beeinträchtigt, dass sie die Präsentation nicht zu Ende führen konnte und nur mit Mühe durch Hilfe ihres Arbeitskollegen aus der Hypoglykämie herauskam.
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Dieses Ereignis wurde von ihr so einschneidend und peinlich empfunden, dass sie seit dieser Zeit nie wieder einen HbA1c-Wert unter 8% erreichte.
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Von ihrem Diabetologen wurde sie schließlich in ein spezialisiertes Zentrum überwiesen.
Therapie und Verlauf
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Neueinstellung des Diabetes,
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psychologische Gesprächstherapie,
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Verhaltenstraining,
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Schulung,
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gruppendynamische Aspekte.
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Um der Patientin mehr Sicherzeit vor Unterzuckerungen zu geben, wurde der Zielblutzucker zunächst auf 140 mg/dl eingestellt.
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Trotz der langen Diabetesdauer wies Karin B. deutliche Schulungsdefizite auf, die korrigiert wurden und ihr zu mehr Sicherheit verhalfen.
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In regelmäßigen psychologischen Einzelgesprächen konnte Karin B. ihre Angst artikulieren, überdenken und fand schließlich neue Perspektiven und mehr Sicherheit.
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Besonders hilfreich war für die Patientin die Betreuung in einer geschlossenen Schulungsgruppe aus neun Patienten, die ähnliche Hypoglykämieängste aufwiesen, sodass sich ein reger Austausch unter den Gruppenteilnehmern entwickelte, der ebenfalls stabilisierend wirkte.
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Dennoch wurde eine wohnortnahe psychologische Nachbetreuung organisiert und
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mit dem behandelnden Diabetologen eine weitere Absenkung des Zielblutzuckers innerhalb der nächsten drei Monate besprochen.
Weiterführende Literatur
Hermanns et al., 2010
Hermanns et al., 2012
Hermanns et al., 2013
Hermanns et al., 2010
Hirsch, 1998
Kubiak et al., 2002
Kulzer et al., 2013
Kulzer and Hermanns, 2001
Kulzer et al., 2003
Kulzer et al., 2010
Schmitt et al., 2013
Schmitt et al., 2014
Skinner and Cradock, 2000
Snoek and Skinner, 2000