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10.1016/B978-3-437-24950-1.00045-7
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Abb. 45.1

(nach Benson 3rd AB et al. 2004). [F774-002]
Algorithmus Therapie der chemotherapieinduzierten Diarrhö
Abb. 45.2

(nach Losowsky u. Kelleher 1986)
Konsequenzen ausgedehnter Dünndarmresektionen.
Malabsorption durch Medikamente.
Medikament | Mechanismus | Klinik/Malabsorption | Therapie |
Neomycin |
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Colchicin |
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Thiazid-Diuretika | Interferenz mit dem Na+-abhängigen aktiven Transportsystem |
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Biguanide | Hemmung der Zuckerresorption und des aktiven Zuckertransportes sind Teil des therapeutischen Effekts |
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Colestyramin |
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Parenterale Substitution fettlöslicher Vitamine und von Ca2+ empfohlen |
Phenytoin |
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Intestinale Ischämie durch Medikamente.
Mechanismus | Medikamente |
Arterieller Spasmus |
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Thrombose (arteriell oder venös) |
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Hypovolämisch/hypotensiv |
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Zytostatika mit spezifischer Dünndarmschädigung.
Medikament | Klinik | Pathomechanismus | Prävention |
5-Fluorouracil (5-FU) |
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Dünndarmentzündung durch Vasospasmen und/oder verminderte fibrinolytische Aktivität | Low-dose-Heparin? |
Irinotecan (CPT-11) | Diarrhöen | Charakteristische Schleimhautschädigung des Ileums durch den aktiven Metaboliten von CPT-11 SN 38 | Experimentell wirksam:
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Methotrexat (MTX) |
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Mitosehemmung, Interferenz mit aktiven Transportmechanismen |
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Cisplatin | Diarrhöen | Vermehrte Freisetzung von 5-Hydroxytryptamin | Ondansetron 2 × 8 mg i.v. |
Dünndarmfunktionsstörungen durch medikamentöse Nebenwirkungen, Strahlentherapie und Resektionen
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45.1
Funktionsstörungen durch Medikamente348
-
45.2
Radiogene Enteropathie351
-
45.3
Der operierte Dünndarm354
Kernaussagen
-
•
Eine Vielzahl von Medikamenten kann über unterschiedliche Mechanismen eine Störung der Dünndarmfunktion bewirken. Möglich sind etwa Angioödembildung, Schleimhautschädigung, Hämatombildung, Intoleranzen wie die Laktoseintoleranz und diverse Malabsorptionssyndrome.
-
•
Die Therapie bei medikamenteninduzierten Dünndarmschädigungen besteht in erster Linie im Absetzen der auslösenden Medikation.
-
•
Auch die Therapie mit Zytostatika kann zu Malabsorptionssyndromen und Durchfällen führen. Im Vordergrund steht die Mukositis und eine exsudative Diarrhö, gekennzeichnet durch intestinale Hypersekretion bei gleichzeitig gestörter Rückresorption. Eine kausale Behandlung steht nicht zur Verfügung, aber eine optimale Supportivtherapie kann das Outcome der Patienten wesentlich verbessern.
-
•
Der Dünndarm ist ein sehr strahlensensibles Organ. Risikofaktoren für eine radiogene Enteropathie sind u.a. Narbenbildungen bzw. Adhäsionen nach Voroperationen oder aufgrund chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen. Risikogruppen sind Patienten mit mehr Dünndarm im kleinen Becken (Frauen, ältere und dünne Patienten).
-
•
Zur Prävention einer radiogenen Enteropathie kommen eine gezielte, nicht zu hoch dosierte, fraktionierte Bestrahlung, eine präventive Medikation und Elementardiät sowie spezielle chirurgische Maßnahmen in Betracht.
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•
Die akute Strahlenenteritis verläuft meist selbstlimitierend und bedarf keiner spezifischen Therapie.
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•
Das Hauptaugenmerk im Hinblick auf radiogene Spätfolgen sollte schon bei der Behandlungsplanung auf der Prävention liegen. Eine Behandlung solcher Spätschäden sollte symptomatisch und so konservativ wie möglich erfolgen.
-
•
Bei einem Drittel aller Patienten mit einer chronischen Strahlenenteritis versagen jedoch die konservativen Maßnahmen und eine Operation, die mit erheblichem Mortalitäts- und Morbiditätsrisiko behaftet ist, wird unumgänglich.
-
•
Beim Kurzdarmsyndrom liegt nach ausgedehnten Dünndarmresektionen eine gestörte intestinale Funktion vor. Das Ausmaß der resultierenden Malabsorption ist dabei individuell unterschiedlich.
-
•
Im Frühstadium des Kurzdarmsyndroms ist eine hochkalorische parenterale Ernährung erforderlich, die aber sobald wie möglich auf eine diätetisch angepasste enterale Ernährung umgestellt werden sollte. Diese erfolgt zunächst kontinuierlich über eine nasogastrale Sonde oder PEG.
-
•
In der Erhaltungsphase schließlich ist bei oraler Ernährung eine Kalorienzufuhr von 40–60 kcal/kg KG, verteilt auf viele kleine Mahlzeiten, erforderlich. Die Kohlenhydratzufuhr sollte eingeschränkt werden, auf eine ausreichende Mineralien- und Vitaminzufuhr ist zu achten.
45.1
Funktionsstörungen durch Medikamente
Malabsorption mit oder ohne strukturelle Schädigung der Dünndarmmukosa
-
•
meist dosisabhängig,
-
•
betreffen mehrere Nährstoffe und
-
•
sind i.d.R. nach Absetzen der Medikation reversibel.
Antibiotikaassoziierte Diarrhö
-
•
Therapie: keine; ggf. Absetzen oder Wechsel der Antibiotikatherapie
-
!
Wichtig: Ausschluss einer Clostridium-difficile-Infektion. Limitierte Daten zum Einsatz von Probiotika.
-
•
Prävention: gezielter und limitierter Einsatz einer Antibiotikatherapie
Erosive Schleimhautschädigung
-
•
Die Therapie besteht im Absetzen der Medikation.
-
•
Eine Wirksamkeit von Misoprostol, Sulfasalazin oder Antibiotika in der Therapie der NSAR-Enteropathie ist nicht belegt.
Intramurale Hämatombildung
-
•
Klinische Beschwerden sind abdominale Schmerzen, Erbrechen, Fieber und tastbare Raumforderungen (Hauptlokalisation: Duodenum).
-
•
Die Therapie ist primär konservativ, bestehend aus Dosisreduktion oder Therapieabbruch, Gabe von Vitamin K und falls erforderlich PPSB (Prothrombinkomplexkonzentrat).
Ischämische Schleimhautschädigung
Laktoseintoleranz
Angioödembildung
-
!
Eine Besserung der Beschwerden auch unter fortlaufender Medikation ist möglich.
Cave
-
!
Eine Umstellung der Medikation auf einen AT2-Rezeptorantagonisten ist ebenfalls mit einem nicht sicher abzuschätzenden Risiko einer Angioödembildung verbunden und sollte nur unter entsprechend engmaschiger Überwachung erfolgen. Bekannt ist dies vor allem für Valsartan und Lorsatan, wobei pathogenetisch auch eine Demaskierung eines hereditären C1-Esterasemangels zugrunde liegen kann.
Neue Antikoagulanzien (NOAK)
Zytostatika
Therapeutische Maßnahmen
-
•
Adsorbenzien, z.B. Kohle-Compretten 4 × 1 g,
-
•
Anionenaustauschern, Colestyramin, Quantalan®, 1–3 × 4 g/d,
-
•
Adstringenzien, Tanninalbuminat, z.B. Tannalbin® 1–2 Tbl. alle 1–2 h und
-
•
motilitätsmodulierenden Opioiden:
-
–
Loperamid, z.B. Imodium®; Anfangsdosis 4 mg, dann 1–2 mg nach jedem ungeformten Stuhlgang, max. 12 mg/d
-
–
Diphenoxylat, z.B. Reasec® 4 × 5 mg/d
-
–
In Loperamid-resistenten Fällen empfiehlt sich ein Behandlungsversuch mit Octreotid, z.B. Sandostatin® 3 × 100–150 µg/d, wobei in Einzelfällen Einzeldosen bis 500 µg (2.500 µg/d) erforderlich sind.
-
-
•
Acetorphan, ein Enkephalinaseinhibitor, führt über eine Blockade der epithelialen cAMP-vermittelten Sekretion zu einer moderaten Beeinflussung der Irinotecan-induzierten Diarrhöen.
Spezifische Schädigungen
-
•
Bei 5-FU- oder Irinotecan-induzierten schweren Diarrhöen (Grad 3–4) kann neben den beschriebenen supportiven Maßnahmen eine zusätzliche Therapie mit Budenosid (9 mg/d für 3–5 d) wirksam sein. Akute Diarrhö unter Irinotecan im Sinne eines frühcholinergen Syndroms: 0,25 mg Atropin i.v. Bei schwerer Diarrhö unter 5 FU oder Capecitabine ist ein Dihydropyrimidin-Dehydrogenase-Mangel auszuschließen.
-
•
Eine gleichzeitige Neutropenie unter Irinotecan erfordert den frühzeitigen Einsatz von Antibiotika (z.B. Ciprobay® 2 × 500 mg ± Clont® 2 × 400 mg).
Anti-CTLA-4-Antikörper induzierte Enterokolitis
Medikamente mit molekularen Targets
-
•
Unter den Tyrosinkinaseinhibitoren des epidermalen Wachstumsfaktorrezeptors (EGFR) wie Erlotinib (Indikation: Pankreaskarzinom) oder Gefitinib (Indikation: nicht kleinzelliges Bronchialkarzinom) muss bei 60% aller Patienten mit Durchfällen gerechnet werden.
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–
Mit einer synergistischen Toxizität muss bei der Kombination mit Bestrahlung oder Chemotherapie gerechnet werden.
-
–
Therapie: Loperamid (2 mg), in schweren Fällen Therapiepause und Dosisreduktion
-
-
•
Sorafenib, ein Tyrosinkinasehemmer des vaskulären endothelialen Wachstumsfaktors, verursacht bei bis zu 45% der Patienten Diarrhöen sowie eine klinisch asymptomatische Hypophosphatämie in Kombination mit einem Vitamin-D-Mangel. Vermutet wird eine primäre Pankreasinsuffizienz die zur Vitamin-D-Malabsorption und sekundärem Hyperparathyreoidismus führt.
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–
Therapie: Vitamin-D-Substitution und Gabe von Pankreasenzymen
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•
Zielgerichtete Therapien gegen den Wachstumsfaktor VEGF und dessen Rezeptor (VEGFR) bzw. die induzierten Signalkaskaden, wie z.B. Bevacizumab, Sorafenib, Sunitinib, führen über die gestörte Gefäßbildung zu erhöhter Blutungsneigung und Perforationen im Bereich des Gastrointestinaltrakts.
Prophylaxe chemotherapieinduzierter Diarrhö (CID)
-
•
Aktivkohle kann präventiv zur Vermeidung einer Irinotecan-induzierten Diarrhö eingesetzt werden,
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•
während Laktobazillen zwar einen protektiven Effekt gegen die Entwicklung von Diarrhöen 3. und 4. Grades unter einer 5-FU-haltigen Chemotherapie zeigen, allerdings bei Trend zu einer erhöhten Anzahl neutropenischer Komplikationen.
Cave
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!
Laktobazillen sollten bei immunsupprimierten Patienten und Patienten mit Portsystemen/zentralvenösen Verweilkathetern wegen der Gefahr systemischer Infektionen nicht angewendet werden.
-
•
Octreotid kann in der Prävention von CID bei Cisplatingabe eingesetzt werden, hat aber bei anderen Zytostatika bislang keinen gesicherten Effekt.
45.2
Radiogene Enteropathie
Als Faustregel gilt
Der Dünndarm ist das strahlensensibelste gastrointestinale Organ.
Pathogenese
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Malabsorption von Fetten, Kohlenhydraten, Eiweiß, Gallensäuren und Vitamin B12,
-
•
Verlust von Flüssigkeit, Eiweiß und Elektrolyten in den Dünndarm und
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•
chologene Diarrhöen.
-
•
Es kann sich eine Laktosemalabsorption entwickeln, häufig begleitet von einer bakteriellen Fehlbesiedlung, mit Blähungen, Völlegefühl und Diarrhöen.
-
•
Entstehende Ulzerationen können zu Perforationen, Fistel- und Abszessbildung führen,
-
•
nach Abheilung zu einer intestinalen Fibrose, Wandverdickung und Strikturen.
-
•
Gastrointestinale Blutungen sind Folge sich entwickelnder Teleangiektasien.
Cave
-
!
Auch bei makroskopisch normal erscheinender Schleimhaut besteht ein erhöhtes Risiko für spontane Perforationen.
Risikofaktoren
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•
der Strahlendosis,
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•
der Art der Fraktionierung und
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•
dem bestrahlten Darmvolumen.
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•
Adhäsionen nach vorangegangenen Operationen,
-
•
chronisch-entzündliche Darmerkrankungen oder Endometriose aufgrund von Narbenbildung und verminderter Mobilität des Darms und
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•
eine begleitende Chemotherapie mit 5-FU, Oxaliplatin, Irinotecan und EGFR-Inhibitoren (EGFR = Epidermal Growth Factor Receptor).
-
•
Besonders gefährdet sind außerdem Frauen sowie dünne oder ältere Patienten, bei denen mehr Dünndarm im kleinen Becken zu liegen kommt.
Prävention
Bestrahlungstechnik
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Reduktion und Fraktionierung der Strahlendosis (< 50 Gy),
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•
Anwendung der Mehrfeldertechnik,
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•
Bauchlagerung und
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•
Behandlung mit voller Blase.
Medikation
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•
Die früher empfohlene, mit Beginn der Strahlentherapie einsetzende Behandlung mit Sucralfat (z.B. Ulcogant® 2 × 1 g) bewirkt nach neueren Studien keinen Schutz vor Strahlenschäden. Im Gegenteil, die Nebenwirkungen waren unter Sucralfat schwerer.
-
•
Das Gleiche gilt auch für die Anwendung von 5-ASA-Präparaten wie Mesalazin oder Olsalazin. Die Gabe von 2 × 500 mg Sulfasalazin p.o. minimiert dagegen die Inzidenz und Schwere der radiogenen Enteritis.
-
•
Der Effekt von Amifostin auf die Entwicklung und Ausprägung einer radiogenen Enteritis wird kontrovers diskutiert.
Elementardiät
-
•
Vermutet wird, dass die Elementardiät die pankreatikobiliäre Sekretion vermindert und zu einer „Entlastung“ der Schleimhaut unter Erhaltung der Absorptionsfähigkeit und gleichzeitiger positiver Stickstoffbilanz führt. Die Ergebnisse einer solchen Nahrungsmittelrestriktion sind umstritten.
Präventive chirurgische Eingriffe
Akute Strahlenenteritis
-
•
Analgetika, Spasmolytika und Anticholinergika sowie
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•
diätetisch mit fett- und ballaststoffarmer, eiweißreicher Diät, die in kleineren Portionen über den Tag verteilt zugeführt wird,
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•
90% der Patienten, die an akuter radiogener Diarrhö leiden, können mit Loperamid erfolgreich behandelt werden. Ergänzend ist eine Therapie mit Opiatderivaten wie Tinctura opii möglich.
-
•
Eine Octreotidtherapie ist kostenintensiv. Kohle, Colestyramin und Smektit sind ebenfalls wirksam.
-
•
Bei Obstipation sind Weichmacher wie Laktulose indiziert.
Radiogene Spätkomplikationen
-
•
Adhäsionen,
-
•
Strikturen,
-
•
intestinaler Fibrose,
-
•
Vaskulitis,
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•
Fisteln,
-
•
Ulzerationen,
-
•
chronischer, Morbus Crohn ähnlicher Entzündung oder auch
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•
Adenokarzinomen.
-
•
mechanische Behinderung,
-
•
eine verminderte Absorptionsfläche mit konsekutiver Malabsorption,
-
•
bakterielle Fehlbesiedlung (Kap. 43.2),
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•
chologene Diarrhöen oder Steatorrhö,
-
•
abdominale Schmerzen,
-
•
Mangelernährung und
-
•
Blutungskomplikationen (selten).
Als Faustregel gilt
Das Hauptaugenmerk sollte auf der Prävention liegen. Bei eingetretener Schädigung sollte die Therapie symptomatisch und so konservativ wie möglich sein.
Konservative Behandlung
Cave
-
!
Loperamid sollte aber bei Strikturen und/oder Stenosesymptomatik nicht gegeben werden.
-
•
Es wird eine sequenzielle Therapie durchgeführt von jeweils 10 d Dauer mit
-
–
Ciprofloxacin (z.B. Ciprobay®; 2 × 250 mg), gefolgt von Metronidazol (z.B. Clont®; 2–3 × 400 mg) und Doxycyclin (1 × 100 mg).
-
–
Anschließend folgen 14 d Therapiepause.
-
-
•
Parallel sollte eine Dauertherapie mit medizinischen Hefen erfolgen (z.B. Perenterol forte®).
-
•
Effektiver ist eine 14-tägige Therapie mit dem nicht resorbierbaren Antibiotikum Rifaximin (2–3 × 550 mg).
-
!
Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern ist Rifaximin in Deutschland nur zur Behandlung der hepatischen Enzephalopathie und der Reisediarrhö zugelassen.
-
Chirurgische Behandlung
-
•
bei schlechtem Ernährungszustand des Patienten,
-
•
mit der Anzahl der Voroperationen und
-
•
einer kurzen Zeitspanne zwischen Radiatio und Auftreten der Enteropathie.
-
•
das Auftreten von Anastomoseninsuffizienzen (30%),
-
•
Mortalität nach intestinalem Bypass (10%),
-
•
Fistelbildung,
-
•
bakterielle Fehlbesiedlung oder
-
•
die Entwicklung eines Adenokarzinoms in der ausgeschalteten Dünndarmschlinge sowie
-
•
die Ausbildung eines Kurzdarmsyndroms.
Sonstige Maßnahmen
-
•
Diätetische Behandlung mit einer hochkalorischen, fettarmen, vitaminreichen und ballaststoffarmen Ernährung. Vermieden werden sollten Fruchtsäfte, rohes Gemüse, Nüsse, Frischobst und fettreiche Speisen. Peranale Blutungen können zu einer Eisenmangelanämie führen, die durch eine orale oder intravenöse Eisensubstitution behandelt wird.
-
•
Die Inhibition der Prostaglandinsynthese mit Acetylsalicylsäure (Dosierung: 3 × 0,5 g/d) wirkt entzündungshemmend. Größere Studien, die den Nutzen einer Progressionshemmung einer radiogenen Enteritis beweisen, fehlen jedoch bislang.
-
•
Die Wirksamkeit von Steroiden, 5-Aminosalicylsäure oder Sulfasalazin ist ebenfalls bislang nicht ausreichend belegt.
-
•
Die Kombinationstherapie aus Pentoxifyllin (2 × 400 mg) und Tocopherol (2 × 500 mg) scheint einen Nutzen bei der strahleninduzierten Proktitis/Enteritis Grad I–II zu haben. Die optimale Behandlungsdauer ist nicht bekannt, sollte aber mind. 6–12 Mon. betragen.
-
•
Kosten und mangelnde Verfügbarkeit limitieren den Einsatz einer hyperbaren Sauerstofftherapie, deren theoretische Wirksamkeit auf der Beeinflussung einer bakteriellen Überwucherung, dem Schutz minder perfundierten Gewebes und der Hemmung einer Toxinbildung besteht.
-
•
Bei schwerer Strahlenenteritis kann eine totale parenterale Ernährung Komplikationen und das Gesamtüberleben signifikant positiv beeinflussen.
45.3
Der operierte Dünndarm
45.3.1
Folgen chirurgischer Eingriffe
-
•
Passagebehinderungen durch Anastomosenengen oder Briden führen zu chronischen abdominalen Schmerzen bis hin zum Ileus und erfordern meist ein erneutes chirurgisches Eingreifen oder, wenn möglich, eine endoskopische Intervention.
-
•
Passagestörung und/oder Blindsackbildung (nach Billroth-II-Operationen) führen zur bakteriellen Fehlbesiedlung (Kap. 45.2 und Kap. 43.2).
-
•
Duodenale Bypassoperationen (Billroth II, Y-Roux-Anastomose) können über eine postzibale Asynchronie, d.h. die nicht parallele Passage von Enzymen und Nahrung, zur Malassimilation führen.
45.3.2
Kurzdarmsyndrom
Definition
-
•
Das Ausmaß der Malabsorption ist individuell unterschiedlich und neben Lokalisation und Ausdehnung der Resektion abhängig vom Vorhandensein des Kolons und der Ileozökalklappe sowie der Möglichkeit der intestinalen Adaptation.
-
•
Es werden drei Typen der postoperativen Anatomie unterschieden:
-
–
Typ I: Endenterostomie,
-
–
Typ II: jejunokolonische Anastomose und
-
–
Typ III: jejunoileokolonische Anastomose.
-
-
•
Bei intaktem Duodenum, einer Jejunallänge > 200 cm und vorhandenem Kolon ist eine alleinige enterale Ernährung i.d.R. ausreichend. Selbst Patienten mit einer Gesamtlänge des Jejunums < 60 cm, die langfristig parenteral ernährt werden müssen, tolerieren aufgrund der enormen Adaptationsmöglichkeit des Ileums eine enterale Nahrungszufuhr.
-
•
Werden > 60 cm des Ileums entfernt, kann Vitamin B12 nicht mehr resorbiert werden,
-
•
bei einem Verlust > 100 cm des Ileums führt die komplette Unterbrechung des enterohepatischen Kreislaufs zum Gallensäureverlustsyndrom (sekretorische Diarrhö, Hyperoxalämie mit Gefahr der Nierensteinbildung) und zur Fettmalabsorption.
-
•
Normalerweise hemmen nicht resorbierte Fette, die das Ileum erreichen, die Magenentleerung und erleichtern damit die Resorption von Nährstoffen im Dünndarm, ein kompensatorischer Mechanismus, der nach Ileozökalklappenresektion fehlt und das Auftreten von Diarrhöen fördern kann.
-
•
Das Fehlen der Ileozökalklappe erleichtert auch die Entstehung einer bakteriellen Fehlbesiedlung, welche die klinische Symptomatik weiter verschlechtern kann.
Therapie
-
-
–
Typ I: selbstlimitiertes passageres Darmversagen nach resezierender OP
-
–
Typ II: septische und metabolische Komplikationen, Malabsorption/Mangelernährung
-
–
Typ III: chronisches Darmversagen, Notwendigkeit der nahezu kompletten parenteralen Flüssigkeitstherapie und Ernährung
-
Frühstadium
-
•
Stoma- und Stuhlverluste sollten gemessen und unabhängig von der Ernährung alle 2 h durch Flüssigkeit ersetzt werden und diese mindestens ausgleichen.
-
•
Die Natriumzufuhr und das Gesamtvolumen der parenteralen Ernährung sollte an einem ausgeglichenen Hydratationszustand und einer normalen Natriumausscheidung im Urin (> 20 mmol/l)ausgerichtet werden. Ein Verhältnis von Na/K im Urin > 1 sollte angestrebt werden.
-
•
Das Serumkalium (Bedarf 1–1,5 mmol/kg KG/d) und Magnesium (Bedarf 0,1–0,2 mmol/kg KG/d) sollte durch Substitution in einem normalen Bereich gehalten werden (niedrige Magnesiumspiegel vermindern die Parathormonfreisetzung; s.u.).
-
•
Die Kalziumzufuhr sollte an einen normalen Parathormonspiegel ausgerichtet sein (0,1–0,15 mmol/kg KG/d).
-
•
Bei notwendiger Volumenzufuhr ist zur Vermeidung einer Chloridinfusionsazidose auf ein ausgeglichenes Verhältnis von Chlorid zu Acetat in der parenteralen Ernährung zu achten.
-
•
Individualisierte Proteinzufuhr 0,8–2,0 g/kg KG/d
-
•
Verhältnis Glukose zu Lipid als Energieträger 60 : 40 bis 40 : 60 in Kilokalorien, dabei sollen nicht mehr als 300–400 mg Glukose/d infundiert werden. Begrenzung der Lipidzufuhr auf 1 g/kg KG.
-
•
Vollständige parenterale Substitution von Vitaminen. Bei hohem Stoma-Output geht Zink weit über den normalen Bedarf hinaus verloren und muss dementsprechend ersetzt werden.
Adaptationsphase
-
•
Die Kalorienzufuhr sollte zunächst auf 600 kcal/d begrenzt werden.
-
•
Die Nahrung sollte reich sein an komplexen Kohlenhydraten, Fett (40%) und Eiweiß (20%).
-
•
Restriktion der Flüssigkeitszufuhr (isoosmolare Getränke) auf 600 ml/d ist angezeigt.
-
•
Innerhalb von 2–6 Wo. erfolgt eine Steigerung der Kalorienzufuhr auf 1.000 kcal/d und der Flüssigkeitszufuhr auf 1 l/d, wenn erforderlich ergänzt durch die Einnahme motilitätsbeeinflussender Medikamente vor den Mahlzeiten (Loperamid, Kodeinsulfat).
-
•
Um den Adaptationsprozess des Dünndarms zu unterstützen und eine weitestgehend enterale Ernährung zu ermöglichen, können in Einzelfällen die Gabe von Wachstumsfaktoren (Neurotensin, Insulin-like Growth Factor [Dopingdroge], Epidermal Growth Factor), Glutamin und Glucagon-like-Peptid 2 sowie balancierte Diäten sinnvoll sein.
Erhaltungsphase
Diätetische Therapie des Kurzdarmsyndroms allgemein
-
•
Essen und Trinken voneinander trennen
-
•
Reduktion von Mono- und Disacchariden. Insgesamt sollten kohlenhydratreiche Mahlzeiten vermieden werden, da sie häufig zu osmotischen Flüssigkeitsverlusten führen und Dehydratation, außerdem fördern sie das Bakterienwachstum.
-
•
Verdünnung hyperosmolarer Fruchtsäfte und Softdrinks um den Faktor 2–3 mit Wasser (isotone Getränke)
-
•
Meiden von langfaserigem und blähendem Gemüse und Obst
-
•
Meiden von schwer aufzuschlüsselnden Nahrungsmitteln, z.B. Hartweizen, Hülsenfrüchte, Rohkost
-
•
Reduktion oxalathaltiger Nahrungsmittel
-
•
Bei in Kontinuität stehendem Kolon gegebenenfalls Reduktion des Fettanteils und Supplementation mit mittelkettigen Triglyzeriden (MCT). Ansonsten ist ein Fettersatz durch MCT- Fette eher nachteilig, da diese eine geringere Kaloriendichte aufweisen und eine höhere osmotische Last für den Dünndarm darstellen. Darüber hinaus ist die Pankreas- und Gallenfunktion der Patienten i.d.R. normal, sodass MCT von limitiertem Wert sind.
Medikamentöse Therapie beim chronischen Darmversagen
-
•
Einsatz von Teduglutide (Analogon des Glucagon-like-Peptid 2) bei infusionspflichtigem, stabilen Darmversagen
-
–
Bessere enterale Resorption von Wasser und Elektrolyten, Gewinn infusionsfreier Tage
-
–
Dosis: Bei intakter Nierenfunktion 0,05 mg/kg KG; GFR < 50 ml Dosisreduktion um 50%. Bei individuell unterschiedlichem Ansprechen ist die Dosiswahl auch abhängig vom Effekt und den Nebenwirkungen und kann gegebenenfalls reduziert werden.
-
!
Wichtig: Kritischer Einsatz und Überprüfung der Wirksamkeit spätestens nach 6 Mon.
-
-
•
In der Hypersekretionphase und bei persistierend hohem Stoma-Output kann der i.v. Einsatz von Protonenpumpeninhibitoren erwogen werden.
-
–
Reduziert das Stuhlvolumen, i.v. wirksamer als p.o.
-
-
•
2 × 50 µg Somatostatin s.c. können den Stoma Output senken. Nebenwirkung: fördert die Entstehung von Gallensteinen, bremst die Pankreassekretion und wirkt sich negativ auf die intestinale Adaptation nach Darmresektion aus
-
•
Einsatz von Colestyramin oder Colesevelam bei chologener Komponente und erhaltenem Kolon.
-
!
Cave: Verzögerung oder verminderte Resorption anderer Medikamente, auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr achten!
-
-
•
Tinctura opii und Loperamid als motilitätsbremsende Antidiarrhoika, wirkungsabhängige Dosierung
-
•
Clonidin (0,1–0,2 mg 2 ×/d) kann gegen eine sekretorische Komponente der Diarrhö eingesetzt werden.
-
!
Cave: Blutdrucksenkung!
-
-
•
Auch der Einsatz von Pankreasenzymen kann hilfreich sein.
Als Faustregel gilt
Das Risiko einer Mangelernährung ist am größten in der Umstellungsphase auf eine rein enterale Ernährung, da sowohl das Ausmaß der intestinalen Adaptation als auch der Nährstoffresorption unvorhersehbar sind.
-
•
Kontrolle metabolischer Parameter sowie Serumspiegel von Kalzium, Magnesium, Zink, Selen und der fettlöslichen Vitamine A, D, E und K sollten alle 3 Mon. erfolgen. Auf Mineralien- und Vitaminersatz ist zu achten.
-
•
Eine Kontrolle der Knochendichte ist im Abstand von 12 Mon. zu empfehlen.
-
•
Regelmäßige Kontrollen des Körpergewichts.
-
•
Hauptproblem der parenteralen Langzeiternährung ist neben Leberschädigungen, Kathetersepsis, bakterieller Fehlbesiedlung und Entwicklung von Gallensteinen, die stete Gefahr eines Spurenelementemangels. Dies erfordert ein regelmäßiges Monitoring und eine konsequente Substitution von Spurenelementen.
Rekonstruktive Chirurgie
-
•
Passageverzögerung durch
-
–
Interposition retroperistaltischer Kolonsegmente oder
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–
Schaffung von Klappen.
-
-
•
Die Wiederherstellung der Kontinuität distaler ausgeschalteter Darmteile, der Verschluss von Fisteln, die Aufhebung blinder Schlingen und die Infektsanierung im Abdomen können die Resorptionskapazität nachhaltig verbessern.
-
!
Diese Operationen sollten aber nur in ausgewiesenen Zentren durchgeführt werden.
-
Darmtransplantation
-
•
Erkrankung mit schlechter Prognose (Trauma, umfangreiche Resektion, multiple Fisteln, Frozen Abdomen, infiltrative Desmoide)
-
•
Versagen der parenteralen Ernährungstherapie (Gewichtsverlust; Hypalbuminämie < 3 g/dl)
-
•
Schwere und rezidivierende Katheterinfektionen sowie drohender Verlust des konventionellen venösen Zugangs
-
•
Schwere und rezidivierende Störungen des Flüssigkeits-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts
-
•
Cholestatische Lebererkrankung
-
–
Bilirubin > 3 mg/dl
-
–
Portale Hypertension
-
-
•
Irreversibles chronisches Darmversagen
Zusammenfassung Kurzdarmsyndrom
Infolge starker Unterschiede in Länge und Funktion verbleibender Darmabschnitte muss die Betreuung von Kurzdarmpatienten hoch individualisiert erfolgen. Ziel ist nicht nur die Maximierung von Flüssigkeits-, Elektrolyt- und Nährstoffabsorption, sondern auch die Verbesserung der Lebensqualität.
Weiterführende Literatur
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Benson et al., 2004
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