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Mehr InformationenB978-3-437-22107-1.50343-5
10.1016/B978-3-437-22107-1.50343-5
978-3-437-22107-1
Elsevier Inc.
Differenzialdiagnose erregerbedingter ZNS-Infektionen.
klinischer Verlauf | bakterielle ZNS-Infektionen | ZNS-Infektionen durch nichtbakterielle Erreger |
akut |
|
|
subakut* |
|
|
chronisch |
|
|
*
Die in dieser Gruppe aufgelisteten Krankheitsbilder sind überwiegend durch einen subakuten Krankheitsverlauf gekennzeichnet, können aber chronisch oder – sehr selten – akut verlaufen.
Erreger bei Enzephalitis und Meningoenzephalitis.
Viren
|
Bakterien
|
intrazelluläre Erreger
|
Pilze
|
Protozoen
|
Helminthen
|
Prion-Erkrankungen
|
Initiale empirische Antibiotikatherapie (Blindtherapie) der bakteriellen Meningitis bei Erwachsenen.
Altersgruppe | empfohlene Antibiotikakombination |
Neugeborene < 1 Monat | Cefotaxim plus Ampicillin1 |
Kleinkinder und Kinder von 1 Monat bis 18 Jahre | Cephalosporin der 3. Generation12: Ceftriaxon oder Cefotaxim |
Erwachsene | |
ambulant erworben (community-acquired) | Cephalosporin der 3. Generation (Ceftriaxon oder Cefotaxim) + Ampicillin3 |
Shunt-Infektion |
|
nosokomial, z.B. nach neurochirurgischer Operation |
|
Schädelbasisfraktur | Cephalosporin der 3. Generation3: Ceftriaxon oder Cefotaxim |
penetrierendes Trauma |
1
zusätzlich kann ein Aminoglykosid – insbesondere bei schwerstkranken Patienten – eingesetzt werden
2
laut Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie DGPI
3
in Regionen mit einem hohen Anteil Penicillin-resistenter Pneumokokken, z.B. in Frankreich, Spanien, Ungarn, Australien, Neuguinea, Südafrika und in einzelnen Gebieten der USA, muss in der Initialtherapie eine Kombinationsbehandlung, z.B. Ceftriaxon + Vancomycin durchgeführt werden
4
oder Vancomycin + Cefepim. Einheitliche Empfehlungen liegen in der Literatur nicht vor. Bei nachgewiesener Staphylokokken-Ventrikulitis ist die intraventrikuläre Vancomycingabe, z.B. 10 mg/Tag bei Erwachsenen, eine Therapieoption
Antibiotikatherapie der bakteriellen Meningitis bei bekanntem Erreger.
Erreger | üblicherweise wirksame Antibiotika1 |
N. meningitidis |
|
S. pneumoniae, penicillinempfindlich (MIC < 0,1 μg/mL) |
|
S. pneumoniae, penicillinresistent (MIC > 0,1 μg/mL) |
|
H. influenzae | Ceftriaxon oder Cefotaxim |
Gruppe-B-Streptokokken (= S. agalactiae) |
|
Gramnegative Enterobacteriaceae, z.B. Klebsiella, E. coli, Proteus |
|
Pseudomonas aeruginosa |
|
Methicillinempfindliche Staphylokokken |
|
Methicillinresistente Staphylokokken |
|
Listeria monocytogenes |
|
Bacteroides fragilis |
|
1
Die Wahl der Antibiotika richtet sich nach dem Ergebnis der Resistenzprüfung
2
Linezolid hat ein dem Vancomycin ähnliches Wirkungsspektrum und ist gut liquorgängig. Bisher gibt es nur einzelne Berichte über den Einsatz von Linezolid bei Staphylokokkeninfektionen des Zentralnervensystems
Chemoprophylaxe der Meningokokkenmeningitis1.
Antibiotikum und Altersgruppe | Dosierung |
Rifampicin2 | |
Kinder < 1 Monat | 5 mg/kg alle 12 Std. für 2 Tage p.o. |
Kinder → 1 Monat | 10 mg/kg alle 12 Std. für 2 Tage p.o. |
Erwachsene | 600 mg alle 12 Std. für 2 Tage p.o. |
Ciprofloxacin23 | |
Erwachsene | 500 mg als Einzeldosis p.o. |
Ceftriaxon | |
Kinder < 15 J. | 125 mg als Einzeldosis i.m. oder i.v. |
Erwachsene und Kinder > 15 J. | 250 mg als Einzeldosis i.m. oder i.v. |
1
siehe auch Empfehlungen des Robert Koch-Instituts, Internetadresse: www.rki.de
2
nicht bei Schwangeren
3
Ciprofloxacin soll Personen < 18 Jahren sowie Schwangeren und stillenden Frauen nicht gegeben werden.
Erregerbedingte entzündliche Erkrankungen des ZNS
-
-
–
Leitfragen und Erreger P 4 – 1
-
-
Bakterielle ZNS-Infektionen P 4 – 1
-
Virale ZNS Infektionen P 4 – 10
Kernaussagen
-
□
Kardinalsymptome einer Meningitis sind Kopfschmerzen, Nackensteife, Fieber und Vigilanzminderung. Das fehlen einzelner Symptome schlieβt die Erkrankung aber nicht aus.
-
□
Die Liquoruntersuchung ist die Basis der Diagnosesicherung einer bakteriellen Meningitis.
-
□
Ein schneller Beginn einer kalkulierten antibiotischen Therapie ist ein wichtiger Faktor für eine erfolgreiche Behandlung bei bakterieller Meningitis.
-
□
Bei der tuberkulösen Meningitis entwickeln sich die Symptome in Tagen bis wenigen Wochen. Es wird eine initiale Vierfach-Therapie für 2 Monate gefolgt von einer 10-monatigen Zweifach-Therapie empfohlen. Bei zerebraler Tuberkulose ist eine initiale adjuvante Therapie mit Kortison indiziert.
-
□
Mehr als 90% aller Neuroborreliose-Fälle im Erwachsenenalter in Europa äuβern sich als Meningoradikulitis (Bannwarth-Syndrom) mit intensiven, nächtlich betonten radikulären Schmerzen und Paresen. Standardantibiotikum ist Ceftriaxon i.v., alternativ kann mit Doxycyclin p.o. behandelt werden.
-
□
Die Therapie des Hirnabszesses setzt sich prinzipiell aus der operativen Entfernung von Eiter, einer systemischen antibiotischen Therapie und der Behandlung eines primären Fokus (wenn vorhanden) zusammen.
-
□
Die Trias der HSV-Enzephalitis setzt sich aus hohem Fieber, einem entzündlichen Liquorsyndrom mit lymphozytärer Pleozytose und einem temporalen Herdbefund zusammen, einzelne Symptome können aber fehlen. Die Therapie der Herpes-simplex-Enzephalitis besteht in Aciclovir i.v.
-
□
Bei der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) kommt es typischerweise zunächst zu grippeähnlichen Symptomen, gefolgt von einer Meningitis, Meningoenzephalitis oder Meningoenzephalomyelitis bei bis zu 1/3 der erkrankten Infizierten. Mit der aktiven Immunisierung steht ein wirksamer Schutz vor der FSME zur Verfügung.
-
□
Als Ursache einer viralen (Meningo-)Enzephalitis kommt eine Vielzahl von Viren in Betracht, für die keine wirksame spezifische Therapie zur Verfügung steht. Die Varicella-Zoster-Infektion kann mit Aciclovir, die Zytomegalie-Virus-Infektion mit Ganciclovir behandelt werden.
P 4 – 1
Leitfragen und Erreger
•
Liegt eine erregerbedingte entzündliche Erkrankung vor oder handelt es sich möglicherweise um eine nicht erregerbedingte Erkrankung, z.B. eine zerebrale Vaskulitis, Neurosarkoidose oder akute disseminierte Enzephalomyelitis (ADEM)?
•
Welcher Erreger aus dem groβen Spektrum potenziell ZNS-pathogener Erreger verursacht das klinische Bild (Tab. 1, Tab. 2)?
•
Betrifft die Krankheit isoliert das ZNS oder liegen auch extrazerebrale Manifestationen, z.B. eine septische Endokarditis, vor?
•
Liegen prädisponierende Faktoren, z.B. eine HIV-Infektion, vor?
✓
Zunächst sind die Differenzialdiagnosen zu bedenken und ggf. auszuschlieβen, bei denen ein akuter Verlauf eine sofortige Therapie erzwingt.
Bakterielle ZNS-Infektionen
P 4 – 2
Bakterielle Meningitis
Erregerspektrum
-
•
Pneumokokken und Meningokokken,
-
•
gefolgt von Listerien, Staphylokokken, gramnegativen Enterobakterien und Streptokokken.
-
•
Anaerobe Bakterien sind die Ursache von < 1% der bakteriellen Meningitis-Fälle.
-
•
Multiple Erreger werden bei etwa 1% der Fälle im Liquor nachgewiesen, insbesondere bei Patienten mit Abwehrschwäche, bekanntem Schädel-Hirn-Trauma oder vorausgegangener neurochirurgischer Operation.
Klinik
•
87% der Patienten mit bakterieller Meningitis leiden initial an Kopfschmerzen,
•
83% an Nackensteife und
•
74% an Fieber.
CAVE
-
!
Das Fehlen eines Kardinalsymptoms schlieβt die Diagnose einer bakteriellen Meningitis nicht aus.
Labordiagnostik
•
Typischerweise finden sich erhöhte Leukozytenzahlen > 1000 Zellen/μl.
•
Die Proteinkonzentration im Liquor ist erhöht: Liquor-Proteinkonzentration >120 mg/Tag.
•
Die Glukose ist erniedrigt: Liquor-Glukosekonzentration < 30 mg/Tagl, Liquor-Serum-Glukose-Index < 0,3.
•
In der Zelldifferenzierung zeigt sich meist eine granulozytäre Pleozytose.
In seltenen Fällen, z.B. bei Listerieninfektionen, findet sich eine gemischte Pleozytose.
•
Niedrige Liquor-Zellzahlen (< 1000 Zellen/μl) können sich bei der bakteriellen Meningitis
–
sehr früh im Krankheitsverlauf,
–
nach bereits begonnener antibiotischer Behandlung,
–
bei fulminanten Krankheitsverläufen (apurulente bakterielle Meningitis) sowie
–
bei abwehrgeschwächten Patienten und Patienten mit Leukopenie finden.
–
Häufig ist dann aber die Glukose stark erniedrigt.
•
Der Erregernachweis im Liquor kann mikroskopisch, durch Antigennachweis und bakteriologisch in der Kultur erfolgen. So lassen sich bei 70–90% der Patienten Bakterien nachweisen. Eine alternative Methode zum Erregernachweis sind PCR-Verfahren, die eine höhere Sensitivität und Spezifität aufweisen. Insgesamt nimmt die Wahrscheinlichkeit, einen Erreger aus Liquor oder Blut zu isolieren, mit der Zeitdauer nach Beginn einer antibiotischen Therapie ab.
Allgemeines Vorgehen bei Verdacht auf bakterielle Meningitis
Als Faustregel gilt:
Die wichtigste Behandlungsmaβnahme bei einer bakteriellen Meningitis ist die rasche Gabe von Antibiotika.
-
✓
Klinische retrospektive und prospektive Studien zeigten eine Korrelation zwischen dem Zeitpunkt des Therapiebeginns und der Prognose der Erkrankung.
•
Deshalb sollte in solchen Fällen vor der Liquorpunktion eine CT-Untersuchung des Schädels durchgeführt werden.
•
Wenn sich durch das Warten auf die CT-Untersuchung die Liquorpunktion signifikant verzögert, müssen bereits unmittelbar nach Blutentnahme für das Anlegen einer Blutkultur und noch vor der CT-Untersuchung Antibiotika appliziert werden, damit ein früher Therapiebeginn sichergestellt wird.
•
Bei fehlenden Kontraindikationen in der Bildgebung erfolgt schlieβlich die Liquorpunktion.
•
Kontraindikationen für die Liquorpunktion sind
–
klinische Zeichen der Einklemmung: z.B. einseitig erweiterte und nicht reagible Pupille, Streckkrämpfe,
–
eine zerebrale Raumforderung, z.B. ein Hirnabszess, im CT.
✓
Klinisches Ziel muss sein, innerhalb von 1 Stunde nach Aufnahme des Patienten mit der Antibiotikatherapie zu beginnen. Auf jeden Fall muss eine Therapieverzögerung von mehr als 3 Stunden nach Aufnahme des Patienten vermieden werden.
Als Faustregel gilt:
Bei jedem erwachsenen Patienten mit Verdacht auf eitrige Meningitis muss am Aufnahmetag eine zerebrale Bildgebung inklusive Schädel-CT mit Knochenfenster mit der Frage nach intrakraniellen Komplikationen und einem infektiösen Fokus durchgeführt werden.
Antibiotikatherapie
•
Bei Erwachsenen mit ambulant erworbener bakterieller Meningitis wird eine Therapie mit Ceftriaxon 2 × 2 g/Tag i.v. und Ampicillin 6 × 2 g/Tag i.v. begonnen.
•
Nach Identifikation soll die Antibiotikatherapie entsprechend dem Erreger und dem Wirkungsprofil der Antibiotika angepasst werden (Tab. 4).
•
Die Behandlungsdauer der bakteriellen Meningitis richtet sich nach dem Ansprechen auf die Therapie und nach der Erregerart.
–
In einer randomisierten Studie war die Therapiedauer von 7 Tagen mit Ceftriaxon bei Kindern mit einer in erster Linie durch Haemophilus influenzae verursachten Meningitis ausreichend.
–
Klinische Studien bei Patienten mit einer Meningokokken-Meningitis zeigten, dass eine Therapiedauer von 5–7 Tagen mit einem adäquaten Antibiotikum ausreichte.
Als Faustregel gilt:
Die empfohlene Dauer der Antibiotikatherapie bei unkompliziertem Verlauf liegt deshalb
•
für die Haemophilus-influenzae-Meningitis bei 7 Tagen,
•
für die Meningokokkenmeningitis bei 7 Tagen und
•
für die Pneumokokkenmeningitis bei 10–14 Tagen.
•
In der Behandlung der Listerienmeningitis und der durch gramnegative Enterobakterien verursachten Meningitis muss oft 3 Wochen mit Antibiotika therapiert werden.
Kortikosteroide
•
Dexamethason führte zu einer signifikanten Reduktion der Letalität und der Häufigkeit ungünstiger klinischer Verläufe.
•
Die Subgruppenanalysen der Studien zeigten jedoch, dass ein günstiger Effekt von Kortikosteroiden auf die Letalität nur bei Pneumokokkenmeningitis vorzuliegen scheint.
•
Dexamethason wird in einer Dosis von 10 mg i.v. unmittelbar vor Gabe des Antibiotikums verabreicht.
•
Daraufhin wird mit 10 mg Dexamethason alle 6 Stunden für insgesamt 4 Tage behandelt.
•
Sollte sich der Verdacht auf Pneumokokken als Erreger nicht erhärten, gibt es derzeit keine Datengrundlage für ein Fortsetzen einer Dexamethasontherapie.
•
Ebenso wird der Einsatz von Dexamethason bei immunsupprimierten Patienten und bei HIV-positiven Patienten nicht empfohlen.
Therapie intrakranieller Komplikationen
-
•
Zur Behandlung des Hirnödems ist eine Oberkörperhochlagerung von 30° sowie bei bewusstseinsgestörten, beatmeten Patienten eine tiefe Analgosedierung bei Normoventilation mit einem Zielwert von pCO2 32–35 mmHg und in schweren Fällen ggf. eine Therapie mit Mannit empfehlenswert.
-
•
Bei computertomographischem Nachweis eines Hydrozephalus wird eine externe intraventrikuläre Liquordrainage angelegt.
-
•
Bei Auftreten eines epileptischen Anfalls werden Antiepileptika, z.B. Phenytoin, gegeben.
-
•
Eine im Verlauf der Meningitis auftretende septische Sinus-Venenthrombose wird mit Heparin behandelt. Zielwert: Verdopplung des PTT-Ausgangswerts. Bei Patienten mit Meningitis-assoziierter Thrombose des Sinus transversus wurde eine erhöhte Blutungsgefahr berichtet, sodass eine PTT-wirksame Heparinisierung in solchen Fällen nicht empfohlen werden kann.
-
•
Bei Kaliberschwankungen in der Angiographie oder Flussbeschleunigung im transkraniellen Doppler als Hinweise auf einen Vasospasmus kann ein Therapieversuch mit Nimodipin erwogen werden.
–
Aufgrund des möglichen Blutdruckabfalls unter Nimodipin ist allerdings dabei eine engmaschige Blutdruckkontrolle obligat, bei intravenösem Nimodipin mittels intraarterieller Blutdruckmessung.
–
Die Wirksamkeit dieser Therapieformen ist aufgrund mangelnder Studien jedoch derzeit wissenschaftlich nicht belegt.
Isolierung und Chemoprophylaxe
Als Faustregel gilt:
Patienten z.B. mit petechialem Exanthem oder gramnegativen Kokken im Liquorgrampräparat sind verdächtig auf eine Meningokokkenmeningitis und müssen bis 24 Stunden nach Beginn einer adäquaten Antibiotikatherapie isoliert werden (s. Empfehlungen des Robert Koch-Instituts, www.rki.de).
P 4 – 3
Tuberkulöse Meningitis
Klinik und Diagnostik
-
•
Kopfschmerzen: 70–85% der Patienten
-
•
subfebrilen Temperaturen: > 90%
-
•
Meningismus: 60–70%
-
•
Verwirrtheit und Desorientiertheit: 30%
-
•
Bewusstseinsstörungen: 40–60%
-
•
epileptischen Anfällen: 5–10%
-
•
Hirnnervenparesen: 15–40%
-
•
fokalneurologischen Defiziten: bei 5% der Patienten als Folge von Infarkt bei Vaskulitis, Tuberkulom oder tuberkulösem Abszess.
Antibiotikatherapie
•
Isoniazid:
–
< 50 kg KG: 200 mg/Tag
–
> 50 kg KG: 300 mg/Tag
•
Rifampicin:
–
< 50 kg KG: 450 mg/Tag
–
> 50 kg KG: 600 mg/Tag
•
Pyrazinamid:
–
< 50 kg KG: 1,5 g/Tag
–
51–70 kg KG: 2,0 g/Tag
–
> 70 kg KG: 2,5 g/Tag
•
Ethambutol: 20 mg/kg KG/Tag.
Kortikosteroide
P 4 – 4
Septische Herdenzephalitis
•
ischämische oder sekundär hämorrhagische Infarkte, Blutungen
•
Hirnabszesse
•
entzündliche Veränderungen der Meningen und des Hirnparenchyms sowie
•
selten eine septische zerebrale Arteriitis mit Entwicklung mykotischer Aneurysmen.
•
Penicillin G 4–6 × 5 Mio. U/Tag i.v. für 4 Wochen + Gentamicin 3 mg/kg/Tag i.v. für 2 Wochen,
•
alternativ bei Penicillinunverträglichkeit: Vancomycin 4 × 7,5 mg/kg/Tag i.v. für 4 Wochen + Gentamicin 3 mg/kg/Tag i.v. für 2 Wochen.
✓
Bei Gentamicin und Vancomycin sind Spiegelkontrollen erforderlich.
P 4 – 5
Neuroborreliose
Klinik
•
Diese Erkrankung ist charakterisiert durch intensive, nächtlich betonte radikuläre Schmerzen und Auftreten von Paresen, oft Hirnnervenparesen, z.B. Fazialisparesen.
•
Im Liquor finden sich entzündliche Veränderungen.
•
chronisch progrediente Enzephalomyelitiden mit im Vordergrund stehenden spastisch-ataktischen Symptomen oder
•
zerebrale Vaskulitiden entwickeln.
Labordiagnostik
•
Zunächst wird ein Suchtest durchgeführt: Enzym-Immuno-Assay (EIA, ELISA).
•
Wenn der Suchtest einen positiven oder grenzwertigen Befund liefert, folgt ein Bestätigungstest: rekombinanter Western-Blot.
-
✓
Ein positiver Bluttest kann daher nicht mit einer aktiven Infektion gleichgesetzt werden, auch nicht ein positiver IgM-Test.
•
Ferner zeigt sich im Liquor bei der Neuroborreliose ein oft über 100 mg/dl erhöhter Eiwei?wert.
•
Oligoklonale IgG-Banden sind bei mehr als 90% der Patienten im Liquor nachweisbar.
•
Zum Nachweis einer intrathekalen borrelienspezifischen Antikörperproduktion dient vor allem die Bestimmung des spezifischen Liquor-Serum-Index.
•
Eine intrathekale B.-burgdorferi-spezifische Antikörper-Produktion kann viele Jahre oder Jahrzehnte persistieren. Ohne gleichzeitigen Nachweis einer entzündlichen Liquor-Pleozytose gilt sie daher nicht als Zeichen einer aktiven Infektion.
✓
Verlaufsuntersuchungen der Borrelien-Antikörper-Titer im Serum zur Beurteilung eines möglichen Therapieeffekts sind nicht empfehlenswert.
•
Lymphozyten-Transformationstest (LTT)
•
Visual contrast sensitivity test (VCS-Test oder Graustufentest)
•
Nachweis einer erniedrigten CD57-positiven und CD3-negativen Lymphozytensubpopulation.
Therapie
Post-Lyme-Disease-Syndrom
P 4 – 6
Neurosyphilis
P 4 – 7
Hirnabszess
•
in 40–50% der Fälle fortgeleitete parameningeale entzündliche Herde wie eine chronische Otitis media, eine paranasale Sinusitis oder – seltener – eine odontogene Infektion oder septische Thrombophlebitis
•
in ca. 30% eine hämatogene metastatische Absiedlung einer entfernt liegenden oder systemischen bakteriellen Infektion wie beispielsweise einer Pneumonie, Endokarditis oder Sepsis
•
in ca. 10% vorangegangene neurochirurgische Eingriffe.
Erregerspektrum
•
Streptokokken, in ca. 50% der Fälle Streptococcus milleri
•
in 20–40% Bacteroides-Spezies
•
in 20–30% gramnegative Enterobakterien und Pseudomonas-Subspezies und
•
in 10–15% Staphylococcus aureus.
✓
Mischinfektionen aus aeroben und anaeroben Keimen sind häufig.
Diagnostik
Therapie
Als Faustregel gilt:
Die Therapie des Hirnabszesses beruht auf 3 Säulen:
•
der operativen Entfernung von Eiter
•
einer systemischen antibiotischen Therapie und
•
der Behandlung des primären Fokus, falls nachweisbar.
•
Fremdkörper entfernt werden müssen
•
eine Kammerung des Abszesses vorliegt oder
•
keine dauerhafte Besserung nach wiederholten stereotaktischen Aspirationen zu erreichen ist.
•
Mögliche intravenöse Kombinationen sind Ceftriaxon 2 × 2 g/Tag + Metronidazol 3 × 2 g/Tag +
–
Vancomycin nach Serumspiegel oder
–
Rifampicin 10 mg/kg Körpergewicht/Tag oder
–
Flucloxacillin 4 × 3 g/Tag.
•
Bei nosokomialen Abszessen wird eine Kombination
–
aus Vancomycin + Meropenem 3 × 2 g/Tag oder alternativ
–
aus Vancomycin + Ceftazidim + Metronidazol empfohlen.
•
multiple, tief gelegene und/oder kleine Abszesse < 1,5 cm Durchmesser vorliegen,
•
die Abszesse neurochirurgisch nicht erreichbar sind oder
•
sich noch keine Ringstruktur nach Kontrastmittelgabe demarkiert.
P 4 – 8
Intrakranielles subdurales Empyem
P 4 – 9
Intrakranieller epiduraler Abszess
P 4 – 10
Spinaler Abszess
-
•
Fosfomycin 3 × 5 g/Tag oder Rifampicin 10 mg/kg KG/Tag bis 600 mg Tagesdosis oder Flucloxacillin 4 × 3 g/Tag.
-
•
+ Cephalosporin der 3. Generation, z.B. Ceftriaxon 2 × 2 g/Tag.
-
•
Bei einer nosokomialen Infektion mit methicillinresistenten Staphylokokken als möglichen Erreger wird als staphylokokkenwirksames Präparat Vancomycin nach Spiegel in Kombination mit beispielsweise Meropenem 3 × 2 g/Tag eingesetzt.
Therapieempfehlungen wichtiger Infektionskrankheiten des ZNS.
Krankheit | Therapie | Dosierung für Erwachsene |
Blindtherapie bei ambulant erworbener bakterieller Meningitis | Ceftriaxon | 1 × 4 g/Tag oder 2 × 2 g/Tag i.v. für 14 Tage |
+ Ampicillin | 6 × 2 g/Tag i.v. für 14 Tage | |
Blindtherapie bei nosokomialer Meningitis | Meropenem | 3 × 2 g/Tag i.v. für 14 Tage |
+ Vancomycin1 | z.B. 1 g i.v. – dann nach Spiegel – für 10–14 Tage | |
alternativ Ceftazidim | 3 × 2 g/Tag i.v. für 14 Tage | |
+ Vancomycin1 | z.B. 1 g i.v. – dann nach Spiegel – für 10–14 Tage | |
gesicherte Meningokokken-Meningitis | Penicillin G | 6 × 5 Mega lE/Tag i.v. für 14 Tage |
gesicherte ZNS-Listeriose | Ampicillin | 6 × 2 g/Tag i.v. für (14–)216 Tage |
+ Gentamicin1 | z.B. am 1. Tag 2 × 120 mg, ab 2. Tag 1 × 180–240 mg/Tag i.v. für 7(-14)6 Tage | |
initiale Blindtherapie2 bei ambulant erworbenem Hirnabszess | Ceftriaxon | 1 × 4 g/Tag oder 2 × 2 g/Tag i.v. für 4–6 Wo. |
+ Metronidazol | 3 × 500 mg/Tag i.v. für 4–6 Wo.2 | |
+ gegen Staphylokokken wirksames Antibiotikum3 | ||
initiale Blindtherapie bei postoperativem oder posttraumatischem Hirnabszess | Meropenem | 3 × 2 g/Tag i.v. für 4–6 Wo.2 |
+ Vancomycin1 | z.B. 1 g i.v., dann nach Spiegel | |
oder Ceftazidim | 3 × 2 g/Tag i.v. für 4–6 Wo. | |
+ Metronidazol | 3 × 500 mg/Tag i.v. für 4–6 Wo. | |
+ Vancomycin1 | z.B. 1 g i.v., dann nach Spiegel | |
initiale Blindtherapie beim ambulant erworbenen spinalen Abszess | Ceftriaxon | 1 × 4 g/Tag oder 2 × 2 g/Tag i.v. für 4–6 Wo. |
+ gegen Staphylokokken wirksames Antibiotikum3 | ||
initiale Blindtherapie beim noso-komialen spinalen Abszess | Meropenem | 3 × 2 g/Tag i.v. für 4–6 Wo. |
+ Vancomycin1 | z.B. 1 g i.v., dann nach Spiegel | |
Herpes-Enzephalitis | Aciclovir | 3 × 10 mg/kg KG/Tag i.v. für 14 Tage |
tuberkulöse Meningitis | Isoniazid | 5 mg/kg KG/Tag p.o. für 12 Monate Max. Tagesdosis 300 mg |
+ Rifampicin | 10 mg/kg KG/Tag p.o. für 12 Monate
|
|
+ Pyrazinamid | 25–35 mg/kg KG/Tag p.o. für 2 Monate
|
|
+ Ethambutol | 15–25 mg/kg/Tag p.o. Max. Tagesdosis 2 g für 2 Monate | |
+ Vitamin B6 | 50 mg/Tag p.o. | |
Lyme-Neuroborreliose | Ceftriaxon |
|
alternativ Doxycyclin |
|
|
Neurolues | Penicillin G | 4 × 5 Mega IE/Tag i.v. für 14 Tage |
akut für 6 Wochen bei ZNS-Toxoplasmose bei AIDS | Pyrimethamin | 1. Tag 100 mg p.o., danach 50–100 mg/Tag p.o. |
+ Sulfadiazin | 2–8 g/Tag p.o. | |
+ Folinsäure | 15 mg/Tag p.o. | |
Alternative für Sulfadiazin: Clindamycin | 4 × 600 mg/Tag i.v. oder p.o. | |
Erhaltungstherapie bei ZNS-Toxoplasmose bei AIDS4 | Pyrimethamin | 25 mg/Tag p.o. |
+ Sulfadiazin | 2 × 1 g/Tag p.o. | |
+ Folinsäure | 7,5 mg/Tag p.o. | |
Alternative für Sulfadiazin: Clindamycin | 4 × 300 mg/Tag p.o. | |
Akuttherapie bei Kryptokokken-Meningitis bei AIDS | Amphotericin B | 0,7–1,0 mg/kg KG/Tag i.v. |
+ Flucytosin | 100 mg/kg KG/Tag i.v. | |
+ evtl. Fluconazol | 2 × 200–400 mg/Tag | |
Erhaltungstherapie bei Kryptokokken-Meningitis bei AIDS | Fluconazol | 400 mg/Tag p.o.5 |
1
Spiegelbestimmungen erforderlich
2
in Abhängigkeit von der klinischen Symptomatik und Bildgebung evtl. auch bis zu 3 Monaten Therapiedauer erforderlich. Bei deutlicher Raumforderung Hinzugabe von Dexamethason 3 × 8 mg/Tag i.v. für ca. 1–2 Wochen in absteigender Dosierung
3
z.B. Vancomycin i.v. nach Spiegel, Flucloxacillin i.v. 4 × 3 g tgl., Fosfomycin i.v. 3 × 5 g/Tag oder Rifampicin i.v. 1 × 10 mg/kg KG/Tag (max. 600 mg)
4
Absetzen möglich wenn CD4+Zellzahl > 200/ul über mind. 6 Monate unter klinischer Überwachung
5
Absetzen möglich, wenn CD4+-Zellzahl > 150/ul über mind. 6 Monate und klinisch asymptomatisch für die Kryptokokkenmeningitis, klinische Kontrolle
6
abhängig vom klinischen Ansprechen auf die antibiotische Therapie bzw. dem klinischen Verlauf
Virale ZNS Infektionen
P 4 – 11
Herpes-simplex-Virus-Enzephalitis
Allgemeines
-
•
eine akute fieberhafte Erkrankung,
-
•
ein entzündliches Liquorsyndrom mit lymphozytärer Pleozytose und
-
•
einen temporalen Herdbefund.
Klinik
•
bei 97% der Fälle zu Persönlichkeits- und Bewusstseinsveränderungen,
•
bei 93% zu Fieber und
•
bei 80% zu Kopfschmerzen.
Diagnostik
✓
Zu Beginn der Erkrankung kann die Untersuchung des Liquors in < 5% der Fälle auch einen Normalbefund zeigen.
Therapie
✓
Aktuell kann Kortison nicht als adjuvante Therapie bei Herpes-simplex-Enzephalitis empfohlen werden.
P 4 – 12
Frühsommer-Meningoenzephalitis
Aktuelle Karten zu den FSME-Risikogebieten in Deutschland:
Periodisch vom Robert Koch-Institut aktualisiert unter www.rki.de.
-
•
einer Meningitis in etwa 50% der Fälle,
-
•
einer Meningoenzephalitis in etwa 40% oder
-
•
einer Meningoenzephalomyelitis in etwa 10%.
Diagnostik
•
eines entzündlichen Liquor-Syndroms
–
initial überwiegend granulozytäre, im weiteren Verlauf lymphozytäre Pleozytose
–
geringgradige Blut-Liquor-Schrankenfunktionsstörung
•
positiver FSME-spezifischer IgM- und IgG-Antikörper im Serum und
•
den Nachweis einer intrathekalen FSME-spezifischen IgM-Antikörper-Produktion gesichert.
Therapie
-
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Die primäre Prävention ist von entscheidender Bedeutung.
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Die FSME-Impfung wird für alle Personen empfohlen, die in definierten FSME-Risikogebieten zeckenexponiert sind, sowohl für Bewohner als auch Besucher der Risikogebiete, ferner für Personen, die beruflich gefährdet sind, z.B. exponiertes Laborpersonal.
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Ein zeitlich begrenzter Impfschutz, z.B. für Urlauber, erfordert mindestens 2 Gaben des Impfstoffs, ein länger bestehender Impfschutz erfordert 3 Gaben.
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Auffrischimpfungen werden alle 3–5 Jahre empfohlen.
Andere virale Enzephalitiden
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Die Varicella-Zoster-Enzephalitis, die insbesondere bei immunsupprimierten Patienten beobachtet werden kann, wird mit Aciclovir 3 × 10 mg/kg KG/Tag i.v. über 2 Wochen behandelt.
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Für die Akuttherapie der Zytomegalie-Virus-Enzephalitis wird Ganciclovir 2 × 5 mg/kg/Tag i.v. + Foscarnet 2 × 90 mg/kg/Tag i.v. empfohlen.
CAVE
! Unter HAART kann es zu einem Immunrekonstitutionssyndrom (IRIS) mit klinischer Verschlechterung und radiologischem Nachweis kontrastmittelaufnehmender Läsionen kommen.
Literatur
Chaudhuri et al., 2008
Halperin et al., 2007
Kastenbauer and Pfister, 2003
Klein et al., 2009
Klein and Pfister, 2011
Klein M, Pfister HW. Intrakranielle und spinale Abszesse. In: Brandt/Dichgans/Diener, Therapie und Verlauf neurologischer Erkrankungen. 6. Auflage. 2011, In press.Koedel et al., 2009
Meyding-Lamade et al., 2008
Nau et al., 2008
Pfister et al., 2008
Rauer et al., 2008
Thwaites et al., 2009
Wormser and Halperin, 2008