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Mehr InformationenB978-3-437-22107-1.50322-8
10.1016/B978-3-437-22107-1.50322-8
978-3-437-22107-1
Elsevier Inc.
Extraartikuläre weichteilrheumatische Erkrankungen (Weichteilrheumatismus) –Erkrankungen der Sehnen, Sehnenansätze und Bursen
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Vorbemerkungen O 15.5 – 1
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Periarthropathia humeroscapularis (PHS) O 15.5 – 2
–
Periarthropathia humero-scapularis tendopathica
(Rotatorenmanschettenläsion) O 15.5 – 2
–
Periarthropathia humero-scapularis calcarea (Tendinitis calcarea) O 15.5 – 3
–
Periarthropathia humero-scapularis pseudoparetica (Rotatorenmanschettenruptur) O 15.5 – 4
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Periarthropathia humero-scapularis ankylosans (Retraktile Kapsulitis – frozen shoulder) O 15.5 – 5
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Epicondylopathia humeri O 15.5 – 6
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Periarthropathia coxae O 15.5 – 7
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Enthesiopathien, Tendovaginopathien und Bursopathien O 15.5 – 8
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Enthesiopathien O 15.5 – 8
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Tendovaginitis De Quervain O 15.5 – 8
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Peritendinitis der Achillessehne O 15.5 – 8
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Bursopathien O 15.5 – 8
Kernaussagen:
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Der lokalisierte Weichteilrheumatismus umfasst Erkrankungen der periartikulären Weichteile (Periarthropathien), Sehnenansätze (Enthesiopathien), der Sehnenscheiden (Tendovaginopathien) und der Schleimbeutel (Bursopathien).
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Zunächst sollten eine entzündlich-rheumatische oder eine systemische Erkrankung (Schilddrüsen-Dysfunktion, Tumor usw.) als Ursache ausgeschlossen werden.
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Belastende Faktoren wie ungünstige Sitzposition, repetitive oder neue ungewohnte Belastungen sollten gesucht und möglichst vermieden werden. Lindernd auf die Beschwerden wirken oft einfache Dehn- und Kräftigungsübungen.
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Vor allem in der Akutphase lässt sich mit einer guten analgetischen Behandlung (Kälte-Applikation, Analgetika sowie perorale oder lokale nicht-steroidale Antirheumatika) eine rasche Beschwerdereduktion erreichen.
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Wichtig ist ferner die Orientierung der Patienten über den oft nur kurzen Krankheitsverlauf, um allfälligen Ängsten entgegenzuwirken. Schmerz und Leidensdruck sind meist gravierender als deren morphologische Ursachen.
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Die Behandlung der Periarthropathia humeroscapularis erfolgt zunächst meist konservativ. Ein chirurgisches Vorgehen empfiehlt sich v.a. bei Rotatorenmanschettenrupturen zur Rekonstruktion und evtl. Schmerzreduktion, bei der therapieresistenten „frozen shoulder” mittels arthroskopischer Arthrolyse sowie der therapieresistenten Tendinitis calcarea mittels arthroskopischer Kalkentfernung und begleitender Defilee-Erweiterung.
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Bei der Epicondylopathia humeri sollte nur in therapieresistenten Fällen eine Operation erwogen werden.
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Auch die Periarthropathia coxae wird konservativ behandelt, wobei auf eine eventuell notwendige Beinlängenkorrektur geachtet werden sollte.
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Auch bei den Enthesiopathien, Tendovaginopathien und Bursopathien steht die konservative Therapie im Vordergrund.
O 15.5 – 1
Vorbemerkungen
Allgemeine Behandlungsprinzipien
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Zunächst sollten eine entzündlich-rheumatische oder eine systemische Erkrankung (Schilddrüsen-Dysfunktion, Tumor usw.) als Ursache ausgeschlossen werden.
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Belastende Faktoren wie eine ungünstige Sitzposition, repetitive oder neue ungewohnte Belastungen sollten gesucht und im Anschluss möglichst vermieden werden.
O 15.5 – 2
Periarthropathia humeroscapularis (PHS)
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Der Humeruskopf wird kranial, dorsal und ventral durch eine Muskel-Sehnen-Platte (Rotatorenmanschette) in der flachen Gelenkpfanne der Skapula zentriert. Diese Zentrierung ist eine Voraussetzung für eine normale schmerzfreie Schulterfunktion, da der wichtigste Schultermuskel und Hauptmotor, der Deltoideus, seine Ursprünge an der Scapula und an der Clavicula und seine Insertion am proximalen Humerus hat.
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Wahrscheinlich im Zusammenhang mit unserem aufrechten Gang ist der kraniale Anteil der Rotatorenmanschette, der Supraspinatus, am häufigsten betroffen.
Nicht selten bestehen eine Einengung des subakromialen Gleitraums durch degenerative Veränderungen oder eine Hyperostose des Akromions an der Insertion des korakoakromialen Bandes. Dadurch wird die Degeneration der Rotatorenmanschette begünstigt und es können Passagestörungen oder Einklemmungserscheinungen (Impingement) auftreten.
O 15.5 – 2
Periarthropathia humero-scapularis tendopathica (Rotatorenmanschettenläsion)
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Im Vordergrund stehen meist umschriebene Beschwerden, welche vom Muskelsehnenansatz ausgehen.
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Häufig betroffen sind die lange Bizepssehne (Druckdolenz über Sulcus intertubercularis) oder der M. supraspinatus (Druckdolenz über Tuberculum majus). Die häufiig begleitende Schmerzhaftigkeit am Korakoid hat sekundären Charakter und betrifft die Ansätze der korakobrachialen Muskulatur einschlieβlich dem Ansatz des M. bizeps brevis (Druckdolenz am Korakoid).
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Seltener sind Infraspinatus oder Subskapularis betroffen. Subskapularisläsionen haben meist eine traumatische Ursache.
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Typischerweise werden Impingementschmerzen in den proximalen Oberarm, d.h. den Ansatzbereich des Deltoideusmuskels lokalisiert/projiziert.
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Jobe-Test, Palm-up-Test: Abduktion des gestreckten Armes in Innen- bzw. Auβenrotation gegen Widerstand und
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„schmerzhafter Bogen”: Abduktion/Elevation zwischen 30 und 120°.
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Eine erfolgreiche subakromiale Testinfiltration mit einem Lokalanästhetikum sichert die Impingementdiagnose.
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Übersichtsröntgenbilder (einschlieβlich „Supraspinator-outlet-view”, axiale Aufnahme) lassen die Form des Akromions und Verknöcherungen des Ansatzes des korakoakromialen Ligaments sowie ein eventuell persistierendes Os acromiale und damit eine höhere Wahrscheinlichkeit für eine Impingementsituation erkennen. Eine erhaltene Zentrierung des Glenohumeralgelenkes deutet auf eine intakte Funktion der Rotatorenmanschette hin.
•
Sonographie, MR-Tomographie oder Arthro-MR-Tomographie sichern die Diagnose einer Rotatorenmanschettenpathologie.
CAVE:
! Eine Arthrose des Akromioklavikulargelenks kann zu einer Impingmentsituation beitragen und für sich selbst chronische Schulterschmerzen verursachen (Ausstrahlung nach kranial in die seitliche Halsregion im Gegensatz zu einem typischen Impingement).
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Kälteanwendung,
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Vermeidung von beschwerdeauslösenden Bewegungen (v.a. Überkopf-Aktivitäten),
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medikamentöse Therapie mit nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) oder Analgetika sowie
•
subakromiale Infiltration mit Lokalanästhetika und Steroiden.
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Krankengymnastik, v.a. so genannte Dekoaptation (Elevation/Abduktion mit Zentrierung des Humeruskopfes in der Gelenkpfanne),
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Wärmeapplikation und
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Ultraschall, evtl. in Kombination mit Sonophorese.
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Solange die Kontinuität der Rotatorenmanschette erhalten ist, kommt eine Akromioplastik zur Verbreiterung des akromiohumeralen Raumes in Betracht.
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Voraussetzung für den Erfolg einer so genannten Defilee-Erweiterung (Akromioplastik und Resektion des Ligamentum coracoacromiale, eventuell Resektion des Akromioklavikular-Gelenkes) ist die vorgängige Sicherung der Diagnose durch eine subakromiale Testinfiltration.
Die Defilee-Erweiterung ist vor allem dann erfolgversprechend, wenn die Sehnenplatte der Rotatorenmanschette intakt oder zumindest in Kontinuität ist.
O 15.5 – 3
Periarthropathia humero-scapularis calcarea (Tendinitis calcarea)
•
Die Ursache dafür ist ein Durchbrechen der Kalkherde (Hydroxyapatit) in die Bursa subacromialis oder das Schultergelenk mit sekundärer Kristallsynovitis. Diese Verkalkungen lösen sich in der Regel nach mehreren Wochen spontan auf.
CAVE:
! Bei akuten Dauerschmerzen in einem Gelenk muss man differenzialdiagnostisch an eine septische Arthritis denken und diese zuerst ausschlieβen.
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Kleine Herde können über Jahre stumm bleiben,
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gröβere Herde verursachen oft eine Impingement-Symptomatik.
Konservative Therapie
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Kälteapplikation,
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medikamentös mittels NSAR oder Analgetika,
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Infiltration von Lokalanästhetika und Steroiden in die Bursa subacromialis,
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„Needling” mit Versuch der Abpunktion eines halbflüssigen Kalkherdes und
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nach Abklingen des akuten Schmerzes Krankengymnastik zum Erhalt der Gelenkmobilität.
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die lokale Anwendung von Ultraschall und Wärme in Kombination mit Bewegungsübungen,
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die gezielte Infiltration mit Anstechen des Kalkherdes,
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eine extrakorporale Stoβwellentherapie (Wirksamkeit nicht schlüssig belegt!) sowie
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die operative (arthroskopische) Kalkentfernung bei Therapieresistenz (meist in Kombination mit einer Akromioplastik).
Chirurgische Therapie
O 15.5 – 4
Periarthropathia humero-scapularis pseudoparetica (Rotatorenmanschettenruptur)
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Die Ruptur entsteht bei einer abrupten Bewegung, einem Verhebetrauma oder traumatisch.
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Während bei Rupturen der Supra- und Infraspinatussehne häufig eine degenerative Ätiologie zumindest teilweise zugrunde liegt, so sind Rupturen der Subskapularissehne in der Regel traumatisch bedingt.
Diagnostik
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Kleinere, biomechanisch wenig relevante Rotatorenmanschettenrupturen äuβern sich klinisch im Sinne eines subakromialen Impingement-Syndroms mit meist lediglich schmerzbedingter Schwäche der Abduktion.
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In gleicher Weise können sich auch nicht-transmurale Partialrupturen der Supraspinatussehne manifestieren.
Konservative Therapie
Chirurgische Therapie
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Eine Rekonstruktion ist vor allem bei jüngeren aktiven Patienten, akuter und nicht zu groβer Ruptur mit guter Qualität des Muskelsehnengewebes erfolgversprechend.
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Die Rekonstruktion der Rotatorenmanschette ist heute auch meist auf arthroskopischem Wege möglich.
✓
Begrenzend für eine erfolgreiche Rotatorenmanschettenrekonstruktion ist neben der Gröβe der Ruptur (Retraktion der Sehnenenden) auch der Zustand der Muskulatur selbst bzw. deren Grad der Verfettung, welche ausschlieβlich computertomographisch oder heute vorzugsweise MR-tomographisch dargestellt werden kann.
Als Faustregel gilt:
Ein einmal dezentriertes Schultergelenk kann durch einen reinen Weichteileingriff (Rotatorenmanschettenrekonstruktion) nicht mehr rezentriert werden.
O 15.5 – 5
Periarthropathia humero-scapularis ankylosans (Retraktile Kapsulitis –frozen shoulder)
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Die PHS ankylosans bildet sich meist innerhalb von ca. 2 Jahren spontan zurück.
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Der Prozess der Einsteifung (retraktile Kapsulitis) ist sehr schmerzhaft. Wenn das Glenohumeralgelenk steif ist („frozen shoulder”), klingen auch die Schmerzen ab.
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Wichtig zu wissen ist auch, dass bei eingesteifter Schulter bzw. etablierter „frozen shoulder” die ursprüngliche Ursache oft nicht mehr zu erkennen ist (PHS tendopathica –Impingement-Syndrom)!
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chronische PHS tendopathica oder calcarea,
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Diabetes mellitus,
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Bagatelltraumen oder posttraumatische Ruhigstellung,
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schulternahe Lungenerkrankung (Pancoast-Tumor) oder
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idiopathisch.
Konservative Therapie
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NSAR und Analgetika oder
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intraartikulären Steroid-Injektionen sowie
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krankengymnastischen Maβnahmen.
Chirurgische Therapie
Als Faustregel gilt:
Eine Mobilisation in Narkose sollte nur in Ausnahmesituationen erwogen werden. Sie führt zu erheblicher Traumatisierung der Weichteile und birgt die Gefahr einer Plexusläsion.
✓
Nach einer arthroskopischen Kapsulotomie ist eine längere Rehabilitation unter physiotherapeutischer Anleitung erforderlich, um den intraoperativ gewonnen Bewegungsumfang auch langfristig zu erhalten.
O 15.5 – 6
Epicondylopathia humeri
•
Bei entsprechender Belastung treten Schmerzen am lateralen Ellbogen mit Ausstrahlung nach distal und proximal auf.
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Klinisch finden sich lokalisierte Druckdolenzen im Bereich des lateralen Epikondylus und in den proximalen Anteilen der Extensorenmuskulatur. Die Dorsalextension im Handgelenk gegen Widerstand verstärkt die Schmerzen.
•
Klinisch finden sich Schmerzen im Bereich des medialen Epikondylus mit lokalisierter Druckdolenz und Schmerzzunahme bei Volarflexion im Handgelenk.
Therapie
•
Vermeiden von belastenden Bewegungen,
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Kälteanwendung,
•
Einnahme von NSAR und Anwendung von topischen NSAR,
•
Infiltration des Extensorenansatzes mit Lokalanästhetika und Steroiden, was v.a. eine kurzfristige Beschwerdereduktion ergibt sowie
•
die nächtliche Entlastung der Extensoren durch Tragen einer Handgelenkschiene oder -manschette in Dorsalextensionsstellung.
•
Dehnungs- und Kräftigungsübungen der Muskulatur und
•
Ellbogenbandagen oder -spangen.
Operative Therapie
Als Faustregel gilt:
Nur bei Therapieresistenz sollte ein operatives Vorgehen diskutiert werden.
O 15.5 – 7
Periarthropathia coxae
•
Initial bestehen Belastungsschmerzen (insbesondere bei Abduktion und Beckenstabilisation), später auch Ruheschmerzen mit Schmerzausstrahlung gegen den lateralen Oberschenkel und den Beckenkamm.
•
Oft werden beim Liegen auf der betroffenen Seite starke Schmerzen ausgelöst.
Therapie
•
nicht-steroidale Antirheumatika,
•
Kälteapplikation,
•
physikalische Maβnahmen, besonders Ultraschall und
•
die Infiltration mit Lokalanästhetika und Steroiden.
•
Dehnungs- und Kräftigungsübungen der betroffenen Muskulatur und
•
Wärmeanwendung.
O 15.5 – 8
Enthesiopathien, Tendovaginopathien und Bursopathien
Enthesiopathien
•
Diese können Folge von mechanischer Überlastung oder von strukturellen Sehnenveränderungen (degenerativ) sein.
•
Sie kommen auch bei Sehnenentzündungen (Enthesitis) aufgrund von Kristallablagerungen oder anderen entzündlichen Erkrankungen (z.B. Spondarthropathien) vor.
Therapie
Tendovaginitis De Quervain
•
Ursache ist meist eine mechanische Überlastung, gelegentlich in Begleitung einer Rhizarthrose.
•
Der Finkelsteintest ist üblicherweise positiv: hierbei treten Schmerzen bei Dehnung der betroffenen Sehnen durch passive Ulnarabduktion des Handgelenkes mit eingeschlagenem Daumen auf.
CAVE:
! Die Tendovaginitis De Quervain ist eine sehr häufig übersehene Diagnose, welche bei Verdacht mit Sicherheit klinisch diagnostiziert werden kann.
Konservative Therapie
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Ruhigstellung (Handgelenk-Daumen-Schiene),
•
Kälte und
•
lokale und systemische NSAR.
✓
Wegen der möglichen Nebenwirkungen (z.B. subkutane Fettgewebsatrophie) ist v.a. bei wiederholten Infiltrationen Vorsicht geboten.
Chirurgische Therapie
Peritendinitis der Achillessehne
•
Ursache ist oft eine Fehl- bzw. Überlastung (Sport, einseitige Belastung) oder Reizung durch ungeeignete Schuhe.
✓
Vor allem bei starker Schwellung und beidseitiger Peritendinitis ist an eine entzündliche Ursache (z.B. eine Spondarthropathie) zu denken.
Therapie
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Entlastung,
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Kälteapplikation,
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perorale NSAR und lokale Antiphlogistika und
•
Dehnübungen sowie bei Bedarf eine leichte Absatzerhöhung der Schuhe.
CAVE:
! Steroidinfiltrationen sollten wegen des Risikos einer Sehnenruptur vermieden werden.
Bursopathien
•
Eine chronische Traumatisierung durch Aufstützen auf den Ellbogen oder durch langes Knien führt hier oft zu einer Bursitis.
Konservative Therapie
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Relative Ruhigstellung,
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NSAR,
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•
Punktion der Flüssigkeit (auch aus diagnostischen Gründen) und
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•
eventuell Infiltration mit Lokalanästhetika und Steroiden.
Chirurgische Therapie
Literatur
Buchbinder, 2008
Buchbinder, 2003
Cowan, 2007
Dahmen and Dahmen, 2000
Green, 2003
Gschwend and Löhr, 2000
McLauchlan and Handoll, 2001
Michener, 2004
Smidt, 2002
Wagenhäuser, 2000