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978-3-437-22107-1
Elsevier Inc.
Medikamentöse Behandlungsoptionen der funktionellen Dyspepsie.
Basistherapeutika mit gesicherter Wirksamkeit |
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Wirksamkeit anzunehmen, aber noch nicht zweifelsfrei gesichert (z.B. nur wenige kontrollierte Studien) |
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Funktionelle Dyspepsie (funktionelle Magenbeschwerden)
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Vorbemerkungen E 14.1 – 1
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Diagnostische Voraussetzungen E 14.1 – 2
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Behandlung von Patienten mit funktioneller Dyspepsie E 14.1 – 3
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Medikamentöse Therapie E 14.1 – 4
Kernaussagen
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Die Abgrenzung einer vorübergehenden Befindlichkeitsstörung von einem relevanten Krankheitsbild ist deshalb für die Entscheidung über weitergehende diagnostische Maßnahmen und die weitere Behandlung von zentraler Bedeutung.
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Begibt sich ein Patient aufgrund der Symptome in ärztliche Behandlung, ist a priori von einem für den Patienten relevanten Krankheitsbild auszugehen.
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Die Endoskopie des oberen Gastrointestinaltrakts wird heute als diagnostisches Verfahren der Wahl mit der höchsten diagnostischen Aussagekraft bei Patienten mit Dyspepsie angesehen.
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In den meisten plazebokontrollierten Studien zeigt sich bereits unter Therapie mit einem pharmakologischen Plazebo eine Besserung der Symptome. Dieser Plazeboeffekt beruht wahrscheinlich im Wesentlichen auf Spontanfluktuationen der „Krankheitsaktivität” und belegt „psychologische” Mechanismen in der Entstehung der Symptomatik.
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Eine klinisch signifikante Besserung der Symptome ergab sich unter der Therapie mit Dopaminrezeptorantagonisten (Metoclopramid, Domperidon).
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Eine Vielzahl unterschiedlichster Substanzen wurde zur medikamentösen Therapie eingesetzt. Die Datenlage ist aber generell noch wenig überzeugend und teilweise widersprüchlich.
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In Bezug auf pflanzliche Arzneimittel konnte für einzelne Iberis-amara-Kombinationspräparate, einer Kombination von Pfefferminz- und Kümmelöl sowie einem Artischockenextrakt in plazebokontrollierten Studien die Wirksamkeit nachgewiesen werden.
E 14.1 – 1
Vorbemerkungen
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Im angelsächsischen Sprachraum wird der Begriff der „Functional Dyspepsia” verwendet, der als funktionelle Dyspepsie in den einschlägigen Leitlinien bei uns Eingang gefunden hat (Malfertheiner et al. 2001, Talley et al. 1998).
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Ob die vom Rome-Committee eingeführte Unterteilung in ein sogenanntes „epigastric pain syndrome” und ein „postprandiales Distress-Syndrom” für das klinische Management oder die pathophysiologische Stratifizierung hilfreich ist, muss offen bleiben (Tack et al. 1998).
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Schmerz,
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ein frühzeitiges Sättigungsgefühl oder Völlegefühl,
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Übelkeit oder
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andere unangenehme, auf die Oberbauchregion bezogene Empfindungen (Malfertheiner et al. 2001).
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Retrosternales Brennen – selbst wenn keine strukturelle Läsion nachweisbar ist – wird demgegenüber heute nicht mehr als Symptom einer funktionellen Dyspepsie gewertet.
Grundsätzlich gilt:
Begibt sich ein Patient aufgrund der Symptome in ärztliche Behandlung, ist a priori von einem für den Patienten relevanten Krankheitsbild auszugehen, sodass Abklärung und Behandlung gerechtfertigt sind.
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Als zentrale Mechanismen für die Entstehung der Symptome werden heute Störungen der viszeralen Nozizeption sowie der gastrointestinalen Motilität angesehen. Dabei dürften als modulierende Faktoren sowohl das Zentralnervensystem als auch das enterische Nervensystem eine Rolle spielen.
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In diesem Zusammenhang können exogene Faktoren wie z.B. psychische Belastungen oder Traumen die Manifestation des Krankheitsbildes beeinflussen.
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Zusätzlich sind Patienten mit diesem Krankheitsbild durch eine bemerkenswerte Komorbidität von Depression und Angststörungen gekennzeichnet.
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Dies rechtfertigt nicht den Schluss, dass psychische Faktoren allein oder entscheidend die Manifestation und den Verlauf bestimmen. Vielmehr sind gleiche Neurotransmittersysteme an der Regulation gastrointestinaler Funktionen und der Manifestation von Angst bzw. Depression beteiligt.
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Gleichzeitig legt die Häufung funktioneller Magen-Darm-Erkrankungen in bestimmten Familien bzw. die Konkordanz bei eineiigen Zwillingen eine genetische Komponente in der Pathogenese nahe.
E 14.1 – 2
Diagnostische Voraussetzungen
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Die Endoskopie des oberen Gastrointestinaltrakts wird heute als diagnostisches Verfahren der Wahl mit der höchsten diagnostischen Aussagekraft bei Patienten mit Dyspepsie angesehen.
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Dabei muss bedacht werden, dass nicht alle im Rahmen der Endoskopie nachgewiesenen strukturellen Anomalien als Ursache oder Erklärung der Symptome angesehen werden können. Dies gilt z.B. für eine H.-pylori-Gastritis oder eine axiale Hiatusgleithernie.
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Ein Alter über 50–55 Jahre und die Einnahme von nicht-steroidalen Antirheumatika sollten Anlass für eine weitere Abklärung einschließlich ggf. Koloskopie geben (Talley et al. 1998).
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In letzter Zeit wird auch ein nicht-invasives H.-pylori-Screening als alternative diagnostische Strategie diskutiert. Dabei wird mittels 13C-Harnstoff-Atemtest, Stuhltest oder Serologie der H.-pylori-Status bestimmt und entweder unmittelbar anschließend eine H.-pylori-Eradikationstherapie eingeleitet oder nur bei H.-pylori-positivem Befund eine weitere endoskopische Diagnostik vorgenommen.
E 14.1 – 3
Behandlung von Patienten mit funktioneller Dyspepsie
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Linderung der Symptome,
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Ausschluss potenziell heilbarer oder lebensbedrohlicher struktureller Läsionen,
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Minimierung des Risikos diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen sowie
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effektive und ressourcenschonende Therapie.
CAVE:
! Ohne jeden Zweifel ist eine empirische Therapie nicht gerechtfertigt, wenn sogenannte Alarmsymptome (Gewichtsverlust, Bluterbrechen, Teerstuhl) bestehen, die Anhaltspunkte für eine strukturelle Läsion als Ursache der Beschwerden geben.
E 14.1 – 4
Medikamentöse Therapie
Plazebo
Antazida
Säurehemmung
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So fand sich in einer Metaanalyse ein Vorteil von annähernd 20% für H2-Antagonisten gegenüber Plazebo.
Zytoprotektion
Prokinetika
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Das chemisch verwandte substituierte Piperidylbenzamid Cisaprid, das wahrscheinlich zusätzlich 5-HT4-rezeptorantagonistische Effekte besitzt, ist aufgrund der Auslösung (sehr seltener aber) lebensbedrohlicher Herzrhythmusstörungen heute in vielen Länder nicht mehr oder nur mit Einschränkungen verfügbar.
Viszerale Analgetika
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Der periphere κ-Rezeptoragonist Fedotozin erwies sich in zwei plazebokontrollierten Studien hinsichtlich der Linderung von Oberbauchschmerzen, Übelkeit und der Besserung des Symptom-Gesamtscores als Plazebo signifikant überlegen. Die Unterschiede waren allerdings numerisch gering.
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Serotoninerge Substanzen wie 5-HT3-Antagonisten bzw. 5-HT4-Rezeptorantagonisten besitzen möglicherweise ebenfalls antinozizeptive Eigenschaften. Die vorliegenden Daten erlauben noch keine abschließende Beurteilung.
Spasmolytika
Antiemetika
Antidepressiva
Simethicon
Pflanzliche Arzneimittel
Verschiedenes
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Auch wenn formale Arzneimittelprüfungen bei Patienten mit funktioneller Dyspepsie bislang fehlen, kann gelegentlich der Einsatz von Nitraten oder NO-Donatoren (z.B. Molsidomin) erwogen werden.
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Nitrate und NO-Donatoren vermindern den Tonus der glatten Muskulatur des Verdauungstraktes und sind damit zumindest theoretisch geeignet, Symptome zu bessern, die mit Kontraktionen des Dünn- oder Dickdarms einhergehen.
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Darüber hinaus vermindern Nitrate den Tonus des proximalen Magens. Da eine gestörte postprandiale Fundusrelaxation bei einer Untergruppe von Patienten eine Rolle spielt, ist dieser Effekt möglicherweise ebenfalls therapeutisch nutzbar.
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In ähnlicher Weise könnte auch der Kalziumantagonist Mebeverin bei einem Teil der Patienten hilfreich sein.
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Beim Reizdarmsyndrom liegen positive Berichte für Somatostatin bzw. das synthetische Somatostatinanalogon Octreotid vor. Die Substanz dürfte über die Wirkungen auf die Motilität und über antinozizeptive Effekte wirken.
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Angesichts potenzieller relevanter Nebenwirkungen, wie z.B. die rasche Formation von Gallensteinen unter dieser Therapie, erscheint eine routinemäßige Anwendung nicht sinnvoll.
H.-pylori-Eradikationstherapie
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Angesichts der geringen Effizienz ist die Eradikation von H. pylori eine Behandlungsoption, die in erster Linie bei auf andere Therapien nicht ansprechenden Patienten erwogen werden sollte.
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Das mögliche Ausbleiben einer Besserung nach der Therapie und die potenziellen Behandlungsrisiken sind allerdings zu bedenken und dem Patienten zu erläutern.
Literatur
Colin-Jones, 1988
Dobrilla et al., 1989
Hotz, 1987
Hotz, 1990
Hotz, 1992
Laine et al., 2001
Malagelada and Stanghellini, 1985
Malfertheiner et al., 2001
Moayyedi et al., 2000
Rösch, 1990
Schüssler, 1999
Schüssler, 2001
Sonnenberg, 1996
Stadelmann, 1995
Tack et al., 2006
Talley and Philips, 1988
Talley et al., 1998
Van Zanten et al., 1996