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10.1016/B978-3-437-22107-1.50252-1
978-3-437-22107-1
Elsevier Inc.
Behandlung des Hyperkalzämiesyndroms.
Basistherapie | |
1 |
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2 | nach Rehydrierung, bei wiedereinsetzender oder erhaltener Nierenfunktion: Furosemid in Einzeldosen von 20–40 mg |
spezifische Therapie | |
3 | intravenös Bisphosphonate:
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4 | bei Nierenversagen, Volumenüberlastung: Hämodialyse |
zusätzliche Therapie | |
5 | bei hämatologischen Neoplasien: Prednisolon 1 mg/kg/Tag oder äquivalente Kortikosteroide |
6 | bei Nierenversagen, lebensbedrohlicher Hyperkalzämie, starken Knochenschmerzen zusätzlich Lachs-Calcitonin bis 100 IE alle 6 h, evtl. auch als langsame intravenöse Tropfinfusion (5–10 IE/kg KG Tagesdosis). Alternativ Human-Calcitonin |
7 | entscheidend für den weiteren Verlauf: frühestmögliche spezifische onkologische Therapie |
Hämatologische und onkologische Notfallsituationen
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–
Möglichkeiten und Grenzen L 4 – 1
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Tumorassoziierte Komplikationen L 4 – 1
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Therapieassoziierte Notfallsituationen L 4 – 9
Kernaussagen
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□
Die Einleitung intensivmedizinischer Maßnahmen sollte unter interdisziplinärer Abwägung der onkologischen und intensivmedizinischen Prognose erfolgen.
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Die Hyperkalzämie ist eine häufige onkologische Notfallsituation. Neben einer ausreichenden Rehydrierung ist die frühzeitige Gabe von Bisphosphonaten die Therapie der Wahl.
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Das seltene Syndrom der inappropriaten ADH-Sekretion (SIADH) zeigt eine Hyponatriämie bis<115 mmol/l. Die Therapie reicht von Flüssigkeitsrestriktion bis zur vorsichtigen Natriumzufuhr.
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□
Häufige neurologische Notfallsituationen und ihre Therapie sind:
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Hirndruck durch zerebrale Metastasen oder Tumoren: Hirndrucktherapie, Dexamethason, Einleitung einer Notfallbestrahlung und ggf. eine neurochirurgische Intervention bei primären Hirntumoren oder bei singulären Metastasen.
□
Akute Querschnittssymptomatik durch Tumorkompression: Dexamethasontherapie, bei strahlensensiblen Tumoren eine Notfallradiatio, evtl. eine Laminektomie.
□
Meningeose: frühzeitige intrathekale Therapie mit Methotrexat, bei hämatologischen Neoplasien in Kombination mit Zytosin-Arabinosid und Dexamethason.
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Typische pulmonale Notfallsituationen sind massive Hämoptysen, tumorbedingte Atelektasen sowie ausgedehnte Pleuraergüsse. Daneben gibt es spezifische pulmonale Toxizi-täten wie die Bleomycin induzierte Pneumonitis, toxische Alveolitiden oder das Capillary-Leak-Syndrom.
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Kardiovaskuläre Notfallsituationen sind Perikardtamponade und eine obere Einflussstauung.
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Eine Hyperleukozytose ist ein hämatologischer Notfall, der die umgehende Einleitung einer systemischen Therapie erforderlich macht.
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Bei Fieber in einer Myelosuppression muss sofort eine empirische intravenöse antibiotische Kombinationstherapie eingeleitet und bei Nichtansprechen innerhalb von 48 Stunden oder bei Pilzverdacht durch eine antimykotische Therapie ergänzt werden.
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Das Tumorlysesyndrom tritt vor allem bei der Behandlung chemotherapiesensitiver Neoplasien mit hoher Tumorlast auf. Die Prophylaxe und Behandlung besteht in massiver intravenöser Hydrierung, Gabe von Allopurinol und Elektrolytkorrektur sowie Gabe von rekombinanter Rasburicase.
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Eng mit dem Tumorlyse-Syndrom verwandt sind Tumorzerfallreaktionen und Zytokinfreisetzungsreaktionen nach Erstgabe monoklonaler Antikörper. Wichtig ist die entsprechende Prophylaxe durch einschleichende Dosierung, hochdosierte Steroide und Antihistaminika.
Notfallsituationen, die eine akute Intervention erfordern, können bei hämato-onkologischen Erkrankungen als Folge der Erkrankung selbst (tumorbedingte Komplikationen) oder aber im Rahmen ihrer Behandlung mit systemischer Therapie (therapieassoziierte Komplikationen) auftreten. Neben der großen Gruppe der durch die therapiebedingte Myelo- und Immunsuppression verursachten infektiösen Komplikationen sind direkte Therapietoxizitäten häufige Ursachen.
Gerade bei älteren Patienten liegen neben der onkologischen Erkrankung häufig internistische Begleiterkrankungen vor, die akut exazerbieren und zu Notfallsituationen führen können und in die Differenzialdiagnose einbezogen werden müssen.
Spezielle Therapie
L 4 – 1
Möglichkeiten und Grenzen
•
wenn die Komplikation als Erstmanifestation der onkologischen Erkrankung eintritt, z.B. Beatmung bei respiratorischer Insuffizienz bei einem noch nicht klassifizierten Mediastinaltumor, oder
•
wenn der Patient eine Komplikation im Verlauf einer Erkrankung entwickelt, für die zu diesem Zeitpunkt weiterhin ein kuratives Therapieziel besteht.
•
Erfordert die Notfallsituation keine mechanische Beatmung, so können nach Erfahrungen der Literatur und eigener Analyse etwa 70% der onkologischen Patienten erfolgreich intensivmedizinisch behandelt werden.
•
Bei nicht mechanisch bedingter schwerer respira-torischer Insuffizienz liegen die Erfolgsaussichten bei etwa 30%. Auch in diesem Fall erweist es sich häufig als hilfreich, zunächst die gesamte Notfalldiagnostik sowie Beatmungstherapie einzuleiten und eine definitive Entscheidung über die weitere Therapieintensivierung erst anhand des Verlaufs nach mehrtägiger intensivmedizinischer Therapie zu fällen.
Tumorassoziierte Komplikationen
Metabolische Komplikationen
L 4 – 2
Hyperkalzämiesyndrom
•
im Rahmen solider Tumoren ohne Knochenmetas-tasierung, v.a. bei Bronchialkarzinomen,
•
im Rahmen hämatologischer Systemerkankun-gen, v.a. beim Plasmozytom, und
•
am häufigsten im Zusammenhang mit osteolyti-schen Metastasen, v.a. beim Mammakarzinom, manifestieren.
✓
Die Hyperkalzämie ist eine wichtige Differenzial-diagnose unklarer Bewusstseinsveränderungen bei Patienten.
•
Daneben sind die direkte Osteoklasten-Aktivie-rung durch Zytokine des Tumors und eine paraneo-plastische Vitamin-D-Produktion Ursachen der Hyperkalzämie.
•
Bei bettlägerigen Patienten, die parenteral ernährt werden, ist an eine durch Vitamin-D-Gaben induzierte Hyperkalzämie zu denken.
Therapie
Als Faustregel gilt:
Kalziumspiegel > 12 mg/dl (3 mmol/l) erfordern eine umgehende Notfalltherapie und Überwachung.
-
•
Um das intravasale Volumen aufzufüllen und die Kalziumausscheidung zu fördern, sollte isotonische Kochsalzlösung eingesetzt werden.
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•
Nach ausreichender Rehydrierung – der Flüssigkeitsbedarf beträgt oft mehrere Liter – sollte Furosemid zur Verhinderung der tubulären Kalziumreabsorption und Förderung der Diurese gegeben werden.
-
•
Neben dieser Basistherapie ist heute auch bei bereits eingeschränkter Nierenfunktion die frühzeitige intravenöse Gabe von Bisphosphonaten zur Hemmung der Osteoklastenfunktion die Therapie der Wahl.
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•
Beim multiplen Myelom wirkt die gleichzeitige Gabe von Kortikosteroiden zusätzlich auch auf die Grunderkrankung. Bei anderen Erkrankungen ist die Gabe von Kortikosteroiden ebenso wie die Applikation von Calcitonin heute von untergeordneter Bedeutung (Tab. 1).
L 4 – 3
Syndrom der inappropriaten ADH-Sekretion
•
am häufigsten in Zusammenhang mit dem kleinzel-ligen Bronchialkarzinom,
•
seltener auch bei Tumoren aus dem HNO-Bereich und anderen Lungenkarzinomen auf und
•
wird gelegentlich auch als Nebenwirkung spezifischer Zytostatika, z.B. Cyclophosphamid, beobachtet.
Therapie
✓
Bei schwerer Hyponatriämie<125 mmol/l muss unbedingt darauf geachtet werden, dass die Natriumkorrektur ausreichend langsam mit maximal 12 mmol/Tag erfolgt, da es sonst zur Komplikation der eventuell irreversiblen pontinen Myelinolyse kommt.
•
Bei hypervolämischen Patienten sollte zusätzlich Furosemid gegeben werden.
•
Der Stellenwert der neuen oralen Vasopressin-Rezeptor-Antagonisten, z.B. Tolvaptan, beim schweren tumorassoziierten SIADH ist derzeit noch nicht abschließend zu beurteilen.
•
Auch beim SIADH-Syndrom ist nach der Stabilisierung die spezifische onkologische Therapie vorrangig.
Neurologische Notfallsituationen
L 4 – 4
Hirndruck durch zerebrale Metastasen oder Tumoren
L 4 – 5
Akute Querschnittssymptomatik durch Tumorkompression
•
Als Notfallmaßnahme wird eine Dexamethason-therapie in einer Dosierung von mindestens 3 × 8 mg/Tag, nach neueren Untersuchungen auch bis zu Gesamtdosen von 96 mg/Tag empfohlen.
•
In Abhängigkeit von der onkologischen Diagnose wird bei strahlensensiblen Tumoren eine Notfallra-diatio mit hohen Einzeldosen eingeleitet.
•
Bei singulären Prozessen, unbekannter histologi-scher Diagnose und fehlenden Hinweisen auf ein Lymphom oder zu erwartender geringer Strahlensensibilität muss die neurochirurgische Intervention, eine Laminektomie, diskutiert werden.
✓
Bei Lymphomverdacht sollte die Diagnose möglichst bioptisch gestellt werden und ohne operative Intervention rasch eine systemische Therapie eingeleitet werden.
L 4 – 6
Meningeose
•
Primär werden hierzu die Substanzen Methotrexat in einer Dosierung von 15 mg, bei hämatologischen Neoplasien in Kombination mit Zytosin-Arabinosid 40 mg, und Dexamethason 4 mg i.th. eingesetzt.
•
Die Therapie kann bis zur Normalisierung der Liquorzellzahl in Abständen von 3 Tagen mehrfach wiederholt werden.
•
Alternativ kann eine systemische ZNS-wirksame Therapie, z.B. mit hochdosiertem Methotrexat, oder palliativ eine Radiatio indiziert sein.
L 4 – 7
Pulmonale Notfallsituationen
L 4 – 8
Kardiovaskuläre Notfallsituationen
•
Lagerung des Patienten mit erhöhtem Oberkörper sowie Sauerstofftherapie,
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bei sicherem Nachweis einer Thrombosierung oder Cavakompression auch die Gabe von Heparin.
•
Diuretika sollten zurückhaltend eingesetzt werden.
•
Bei Lymphomverdacht ist die frühe hochdosierte Gabe von Kortikosteroiden – mindestens 100 mg Prednisolonäquivalent – indiziert.
•
Bei gesichertem Lymphom, kleinzelligem Bronchialkarzinom oder Keimzelltumoren sollte möglichst rasch eine adäquate Polychemotherapie eingeleitet werden.
•
Bei weniger chemotherapiesensiblen Tumoren ist die Notfallbestrahlung indiziert.
✓
Als Notfallmaßnahme hat sich die interventionelle Einlage von Gefäßstents als sehr effektiv erwiesen.
L 4 – 9
Hämatologische Notfallsituationen
•
Hydrierung,
•
Gabe von Allopurinol in hohen Dosen bis zu 3 × 300 mg/Tag und
•
niedrigdosierte Heparinisierung bei Zeichen der Verbrauchskoagulopathie.
Therapieassoziierte Notfallsituationen
L 4 – 10
Myelosuppression
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neutropenische Enterokolitis und Sepsis
•
bakterielle Pneumonien durch nosokomiale Erreger
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Pilz- und atypische Pneumonien.
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Serologische Verfahren können falsch negativ sein.
MERKE
! Bei Fieber in Neutropenie muss die intravenöse antibiotische Kombinationstherapie empirisch ohne Verzögerung eingeleitet und bei Nichtansprechen innerhalb von 48–72 Stunden oder bei Pilzverdacht und Lungeninfiltraten sofort durch eine anti-mykotische Therapie ergänzt werden.
L 4 – 11
Pulmonale Toxizität
•
Das unter Interleukin-2-Therapie, gelegentlich auch nach Wachstumsfaktorgabe auftretende Capillary-leak-Syndrome wird mit Flüssigkeitsrestriktion, Gabe von Dopamin, Diuretika und in schweren Fällen hochdosierter Kortikosteroidgabe behandelt.
•
Bei Gabe von Taxanen kann es zu Hypersensitivi-tätsreaktionen bis hin zum Capillary-leak-Syndrom kommen, weshalb immer eine Prämedikation mit Steroiden und Antihistaminika erforderlich ist.
•
Bei der nach Gabe von Bleomycin und selten auch nach Gabe anderer Zytostatika auftretenden akuten Pneumonitis ist die ausreichend hohe und lange Kortikosteroidgabe von > 1 mg/kg KG Prednisolon-äquivalent eine wirksame Therapie.
•
Eine toxische Alevolitis ist unter eine Reihe anderer Zytostatika, z.B. Hydroxy-Urea, möglich.
L 4 – 12
Tumorlysesyndrom
•
in massiver intravenöser Hydrierung mit 3 l/m2 KO/Tag unter Überwachung von Bilanz und zentralem Venendruck,
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Gabe von Allopurinol in hohen Dosen von 300–600 mg/Tag und
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Elektrolytkorrektur.
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Mit der 5–7-tägigen Gabe von rekombinanter Rasburicase (Fasturtec®) in einer Dosierung von 0,2 mg/kg und Tag steht heute eine spezifische Möglichkeit zur Prohpylaxe und Therapie der tumor- und therapieassoziierten Hyperurikämie zur Verfügung.
L 4 – 13
Erstdosis-Reaktionen bei Antikörpergabe
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Wichtig ist die entsprechende Prophylaxe durch einschleichende Dosierung und langsame Steigerung der Infusionsgeschwindigkeit.
L 4 – 14
Hepatotoxizität
L 4 – 15
Neurotoxizität
Literatur
Abeloff et al., 1995
Berger et al., 2006
Carlson and Geheb, 1993
Halfdanarson et al., 2006
Sculier, 1995