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10.1016/B978-3-437-22107-1.50124-2
978-3-437-22107-1
Elsevier Inc.
Diffuser Ösophagospasmus in der Ösophagusmanometrie: nicht fortgeleitete, sog. tertiäre Kontraktionen mit deutlicher Verlängerung.

Diffuser Ösophagospasmus mit verbreiterten, überhöhten und nicht fortgeleiteten Kontraktionen.

AV-Block III. Grades während der Dehnung des distalen Ösophagus, Einspringen des externen Schrittmachers.

Hyperkontraktile Motilitätsstörungen der Speiseröhre: evidenzbasierte Bewertung therapeutisch relevanter Aussagen.
Evidenzlevel* | Evidenzgrad* | |
• Angst, Furcht vor kardialen Erkrankungen, Depression und Phobien sind häufig bei Patienten mit hyperkontraktilen Motilitätsstörungen des Ösophagus | 2 | A |
• die Diagnosestellung erfolgt nur bei klinischen Symptomen und Nachweis der Motilitätsstörungen | 2 | D |
• bei Patienten mit Verdacht auf nicht-kardiale Thoraxschmerzen können refluxbedingte Beschwerden durch PPI-Test nachgewiesen oder ausgeschlossen werden | 1 | A |
• bei hyperkontraktilen Motilitätsstörungen können Nitrate effizient sein; sie haben jedoch häufig Nebenwirkungen | 2 | D |
• Nifedipin ist mäßig effizient, Diltiazem in einer kontrollierten Studie Plazebo nicht überlegen | 1 | D |
*Evidenzlevel und Evidenzgrade (aus Irvine u. Hunt 2001) | ||
• eine oder mehrere randomisierte klinische Studien | Evidenzlevel 1 | |
• eine oder mehrere Kohorten- oder Fallkontrollstudien | Evidenzlevel 2 | |
• Expertenmeinung aufgrund klinischer Erfahrung | Evidenzlevel 3 | |
• guter Evidenzgrad für die Maßnahme/Therapie | Evidenzgrad A | |
• mäßiger Evidenzgrad für die Maßnahme/Therapie | Evidenzgrad B | |
• geringer Evidenzgrad für oder gegen die Maßnahme/Therapie | Evidenzgrad C | |
• mäßiger Evidenzgrad gegen die Maßnahme/Therapie | Evidenzgrad D | |
• guter Evidenzgrad gegen die Maßnahme/Therapie | Evidenzgrad E |
Therapie hyperkontraktiler Motilitätsstörungen des Ösophagus.
Präparate | Dosierung | Verabreichung |
Nitrate | ||
Nitroglycerin (Glycerolnitrat) | 0,2–1,2 mg sublingual | 20–30 Min. vor den Mahlzeiten antizipatorisch vor Attacke |
Isosorbitdinitrat | 5–20 mg oral | 20–30 Min. vor den Mahlzeiten |
Kalziumantagonisten | ||
Nifedipin | 5–10 mg oral | 3- bis 4-mal tägl. 20–30 Min. vor den Mahlzeiten (Zerbeißkapsel) |
Diltiazem | 60–90 mg oral | 3- bis 4-mal täglich |
Sedativa/Antidepressiva | ||
Trazodon | 50 mg oral | 3-mal täglich |
Alprazolam | 0,25–0,5 mg oral | 3-mal täglich |
Imipramin | 50 mg oral | 3-mal täglich |
Hyperkontraktile Motilitätsstörungen und nicht-kardialer Thoraxschmerz
-
Hyperkontraktile Motilitätsstörungen des Ösophagus E 3 – 1
-
Ösophagealer Thoraxschmerz (nicht-kardialer Thoraxschmerz) E 3 – 4
-
Kasuistik E 3 – 5
Kernaussagen:
-
□
Bei den hyperkontraktilen Motilitätsstörungen des Ösophagus beobachtet man Schluckstörungen und/oder thorakale Schmerzen unterschiedlicher Intensität und Lokalisation.
-
□
Die Ätiologie des diffusen Ösophagusspasmus, des hyperkontraktilen Ösophagus und des hypertensiven unteren Ösophagussphinkters ist unklar, die Prognose ist meist gut.
-
□
Die Diagnose erfolgt anhand der Beschwerden am besten manometrisch durch den Nachweis der beschriebenen Motilitätsstörungen.
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□
Intermittierende Thoraxschmerzen werden primär kardiologisch untersucht. Wenn eine koronare Ursache ausgeschlossen wurde, so können ösophageale Thoraxschmerzen vorliegen.
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□
Typisch für nicht-kardiale Thoraxschmerzen sind intermittierende retrosternale Schmerzen mit Ausstrahlung in Nacken, Arme, Kiefer oder Rücken. Die Beschwerden können durch Schlucken, Stress oder körperliche Belastung ausgelöst werden.
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□
Basis der Therapie ist in allen Fällen die Erklärung der Beschwerden gegenüber den Patienten. Oft erscheinen danach die Symptome akzeptabel, wenn ernsthaftere, prognoseeinschränkende Erkrankungen sicher ausgeschlossen worden sind.
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□
Beruhen nicht-kardiale Thoraxschmerzen auf einer Refluxerkrankung, so können in der Regel Protonenpumpenhemmer sowohl diagnostisch als auch erfolgreich therapeutisch eingesetzt werden.
-
□
Hyperkontraktile Motilitätsstörungen des Ösophagus können meist medikamentös mit muskelrelaxierenden Medikamenten behandelt werden. Beruhen die Beschwerden allerdings auf einem gastroösophagealen Reflux, können sie durch eine Relaxierung des unteren Ösophagussphinkters verschlimmert werden.
E 3 – 1
Hyperkontraktile Motilitätsstörungen des Ösophagus
Krankheitsbilder
Diffuser Ösophagospasmus
Definition und klinisches Bild
-
•
≥ 20% simultane Kontraktionen beim Schlucken von Flüssigkeit,
-
•
intermittierende peristaltische Aktivität,
-
•
repetitive Kontraktionen mit mehr als drei Gipfeln,
-
•
Kontraktionen von verlängerter Dauer < 6 Sek. und teilweise mit retrograden Kontraktionen;
-
•
möglich sind isolierte inkomplette Relaxationen des unteren Ösophagussphinkters.
-
•
Die Beschwerden sind in der Regel stabil-gleichbleibend oder rückläufig,
-
•
sie können ausgelöst werden durch Nahrungsaufnahme, hastiges Essen, Stress, chronischen Alkoholkonsum sowie kalte oder heiße und stark gewürzte Speisen.
-
•
Selten sind Schlucksynkopen und Bolusobstruktion beschrieben.
Hyperkontraktiler Ösophagus („nutcracker esophagus”), hypertensiver unterer Ösophagussphinkter
Definition und klinisches Bild
-
•
Druckamplituden im distalen Ösophagus < 180 mmHg und
-
•
eine Dauer von < 6 Sek.
-
•
Im Gegensatz zum Ösophagospasmus sind die Kontraktionen fortgeleitet, entsprechend normalen peristaltischen Wellen.
E 3 – 2
Diagnostik
E 3 – 3
Konservative Behandlungsverfahren
Allgemeinmaßnahmen
-
•
Falls bestimmte Nahrungsmittel wie heiße oder kalte, stark gewürzte oder gesalzene Speisen als Auslöser beobachtet wurden, sollten diese gemieden werden.
-
•
Andererseits wurde beschrieben, dass heißes Wasser die Höhe der Amplituden und deren Dauer im Ösophagus bei Patienten mit Motilitätsstörungen vermindert und bei etwas mehr als der Hälfte der Patienten zu einer Verbesserung der Symptome führt.
-
•
Da erhöhter Alkoholkonsum die Beschwerden des diffusen Ösophagusspasmus auslösen kann, sollte konzentrierter Alkohol gemieden werden.
Medikamentöse Behandlung
Als Faustregel gilt:
Da die Beschwerden oftmals in großen Intervallen auftreten, ist eine Dauertherapie nicht angezeigt; in diesen Fällen empfiehlt sich besser die Einnahme von Medikamenten bei Beschwerden oder die antizipatorische Einnahme, wenn der Patient das Einsetzen der Beschwerden aufgrund seiner bisherigen Erfahrung befürchten muss.
Muskelrelaxierende Substanzen
Nitrate
-
•
In Fallberichten fanden sich eine prompte Besserung akuter Beschwerden und eine Reduktion der pathologischen Motilität für eine Dauer von etwa 30 Minuten.
-
•
Kontrollierte Therapiestudien sind bislang nicht durchgeführt.
-
•
Klinische Besserungen werden bei bis zu 4 Jahren Therapiedauer angegeben.
Isosorbitdinitrat
-
•
Therapeutischer Wert: Gute Kupierung der Akutsymptome, wenig geeignet zur Dauertherapie.
-
•
Zur Prophylaxe drei- bis viermalige Gabe oral vor den Mahlzeiten sinnvoll.
-
•
Wie bei Nitraten üblich, Nitratkopfschmerz möglich.
-
•
Da der untere Ösophagussphinkter relaxiert, kann es zu einem erhöhten gastroösophagealen Reflux kommen.
Kalziumantagonisten
-
•
In einer plazebokontrollierten Studie an 20 Patienten wurden die Ösophagusperistaltik, die Kontraktionsdauer und der Druck des unteren Ösophagussphinkters reduziert, die Symptome wurden jedoch nicht positiv beeinflusst.
Sedativa/Tranquilizer
•
Es ließ sich eine signifikante Besserung der Symptome, nicht jedoch der Ösophagusmotilitätsstörungen zeigen.
Bougierung
Botulinumtoxin
Dilatation
Chirurgische Therapie
E 3 – 4
Ösophagealer Thoraxschmerz (nicht-kardialer Thoraxschmerz)
Vorbemerkungen
•
In zeitlichem Zusammenhang mit Thoraxschmerzen wurden gastroösophageale Refluxepisoden und hypermotile Motilitätsstörungen der Speiseröhre nachgewiesen.
•
Eine erhöhte viszerale Schmerzperzeption, wie sie mit Ballon-Dehnung der Speiseröhre bei Patienten mit ösophagealen Thoraxschmerzen ebenfalls gezeigt werden konnte, bildet einen weiteren möglichen Mechanismus.
Symptome
-
•
Intermittierende retrosternale Schmerzen mit Ausstrahlung in Nacken, Arme, Kiefer oder Rücken sind typisch und können durch Schlucken, Stress oder körperliche Belastung ausgelöst werden.
-
•
Dysphagie, Schluckstörungen und Sodbrennen treten fakultativ hinzu.
Diagnostik
Als Faustregel gilt:
Der Ausschluss einer kardialen Ursache steht beim akut auftretenden Thoraxschmerz an erster Stelle.
-
•
Die gastroenterologische Diagnostik schließt endoskopisch sichtbare organische Veränderungen wie eine Tumor- oder gastroösophageale Refluxerkrankung aus.
-
•
Protonenpumpenhemmer lassen sich diagnostisch einsetzen: In normaler oder doppelter Dosierung über einen Zeitraum von 4 Wochen gegeben, finden sich eine hohe Spezifität und Sensitivität für die Diagnose einer säureinduzierten Ursache der Thoraxschmerzen (Evidenzstärke 1a). Bei positivem Ansprechen wird die Therapie mit Protonenpumpenhemmern fortgesetzt.
-
•
Selten sind Funktionsuntersuchungen wie stationäre Manometrie, 24-Stunden-pH-Metrie oder die kombinierte 24-Stunden-Manometrie/pH-Metrie erforderlich.
Konservative Behandlungsverfahren und praktisches Vorgehen
Als Faustregel gilt:
Viele Patienten können mit den Beschwerden umgehen und mit ihnen leben, wenn sie wissen, dass keine Tumorerkrankung und kein Herzinfarkt drohen.
-
•
Bei Hinweisen in der Gastroskopie auf eine gastroösophageale Refluxkrankheit sollte
–
zunächst eine konsequente und ausreichend hoch dosierte säuresekretionshemmende Therapie mit Protonenpumpenhemmern in normaler Dosierung erfolgen.
–
Bei fehlendem Ansprechen ist die Langzeit-pH-Metrie sinnvoll,
–
bei Nachweis einer Refluxkrankheit ohne endoskopische Veränderungen auch die probatorische Therapie mit Protonenpumpenhemmern, dann in doppelter Dosierung.
-
•
Findet sich kein Hinweis auf einen erhöhten gastroösophagealen Reflux, bietet sich die probatorische Therapie mit Nitraten oder Kalziumantagonisten an (s. Abschnitt E 3 – 3).
CAVE:
! Zu beachten bleibt, dass bei Patienten mit intermittierenden Thoraxschmerzen die antianginöse Therapie mit Kalziumantagonisten oder Nitraten zur Verstärkung eines gastroösophagealen Refluxes führen kann.
-
•
Lässt weder die antisekretorische Therapie noch die Therapie mit Nitraten/Kalziumantagonisten eine Besserung der Beschwerden erkennen, bleibt die auch beim Ösophagospasmus aufgeführte Therapie mit Sedativa und Tranquilizern wie Amitriptylin, Trazodon oder Imipramin (s. Abschnitt E 3 – 3).
E 3 – 5
Kasuistik
Anamnese
-
•
Der Patient hatte jahrelang kardiale Probleme wegen koronarer Herzkrankheit:
–
Z.n. 3-facher Stentimplantation.
-
•
Eine Dauermedikation mit hochdosierten Nitraten war ohne Einfluss auf die Dysphagie-Symptomatik geblieben.
Diagnostik
Therapie
-
•
Instillation von Botulinumtoxin: 1000 IE in 10 Portionen im Bereich des distalen Ösophagusdrittels.
Anamnese
Diagnostik und Verlauf
-
•
Die stationäre kardiologische Diagnostik mit Routinelabor, EKG einschl. Belastung (100 W), Echokardiographie und Koronarangiographie ist unauffällig.
Entlassungsdiagnosen: V.a. art. Hypertonie, KHK und Involutionsdepression wurden ausgeschlossen.
Refluxkrankheit der Speiseröhre 1. Grades.

-
•
Eine erneute stationäre Diagnostik ergibt:
–
RR 180/100 mmHg,
–
EKG mit Frequenz von 65/Min.,
–
eine ST-Streckensenkung linkspräkordial,
–
ein AV-Block L sowie
–
unauffällige Befunde in Langzeit-RR und -EKG, Karotisdruckversuch und Belastungs-EKG.
–
Entlassungsdiagnosen: Rezidivierende Synkopen unklarer Genese, arterielle Hypertonie.
-
•
Neurologische Diagnostik: Schädel-CT, EEG, transkranielle Doppler- und Doppleruntersuchung der Karotiden sind regelrecht. Entlassungsdiagnose: Vasovagale Synkopen.
-
•
Im Weiteren wird eine gastroenterologische Diagnostik durchgeführt, mit Erheben der Krankheitsanamnese und Darstellung eines Zusammenhanges der Synkopen mit der Nahrungsaufnahme. Es erfolgen
–
eine Ösophagusmanometrie mit Nachweis eines diffusen Ösophagospasmus (Abb. 3) und
–
eine Gastroskopie unter Schutz eines externen Schrittmachers. Während der Gastroskopie kommt es zu einem Frequenzabfall auf 37/Min. (Ausgangswert 76/Min.).
–
Dies führt zur Diagnose einer Refluxösophagitis 1. Grades.
Literatur
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Cannon, 1994
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Clouse, 1987
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Konturek et al., 1995
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