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978-3-437-22107-1
Elsevier Inc.
Algorithmus bei Verdacht auf infektiös-eitrige Arthritis.

Infektiös-eitrige Arthritiden
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Vorbemerkungen O 6 – 1
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Klinisches Bild septischer Arthritiden O 6 – 1
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Diagnostische Voraussetzungen O 6 – 2
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Medikamentöse Therapie O 6 – 3
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Chirurgische Therapie O 6 – 4
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Infizierter Gelenkersatz O 6 – 5
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Kasuistik O 6 x– 6
Kernaussagen:
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Die neuen aggressiveren biologischen Therapieprinzipien gegen entzündlich-rheumatische Erkrankungen haben nicht nur neue Möglichkeiten der Basistherapie geschaffen, sondern auch völlig neue septische Komplikationen entstehen lassen.
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Insbesondere bei Patienten mit aggressiver biologischer Therapie ist eine sorgfältige Abwägung zwischen Nutzen und potenziellen Risiken einer Gelenkpunktion angezeigt.
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Septische Arthritiden bei rheumatoider Arthritis können ohne die klassischen Entzündungszeichen auftreten und sind oftmals nicht von einem akuten Rheuma-Schub zu unterscheiden. Oftmals sind auch die üblichen serologischen Entzündungsmarker nur unwesentlich erhöht.
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Zum Nachweis einer septischen Arthritis ist die Gelenkpunktion mit Erregernachweis obligat.
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Bei Verdacht auf eine septische Arthritis ist bei der körperlichen Untersuchung stets ein Ganzkörperstatus zu erheben, um alle schmerzhaften oder geschwollenen Gelenke zu erfassen.
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Die Antibiotika-Therapie erfolgt zuerst kalkuliert, dann antibiogrammgerecht. Allerdings ist beim Nachweis septischer Arthritiden eine chirurgische Intervention unumgänglich.
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Alle biologischen antirheumatischen Therapien müssen bei septischen Komplikationen abgesetzt werden.
O 6 – 1
Vorbemerkungen
Grundsätzlich gilt:
Je aggressiver die medikamentöse Immunsuppression, desto wichtiger ist es, an die Möglichkeit septischer Komplikationen zu denken.
Prädisponierende Faktoren
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Eine mögliche Eintrittspforte stellen wiederkehrende Ulkus- oder Klavusbildungen im Bereich der Füße dar. Eine sorgfältige körperliche Untersuchung ist unerlässlich, um diese potenziellen Eintrittspforten für bakterielle Infekte zu erkennen.
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Bei chronischer Ulkusbildung oder Klavusbildung ist eine chirurgische Sanierung, z.B. durch operative Vorfußrekonstruktion empfehlenswert.
Als Faustregel gilt:
Jede offene Stelle der Haut stellt eine potenzielle Eintrittspforte dar. Wenn möglich, sollte eine chirurgische Sanierung angestrebt werden.
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Wir empfehlen insbesondere bei Patienten mit aggressiver biologischer Therapie eine sorgfältige Abwägung zwischen Nutzen und potenziellen Risiken einer Gelenkpunktion, um letztlich nutzlose und für den Patienten potenziell risikoreiche invasive Maßnahmen zu vermeiden.
CAVE:
! Ein weiteres Problem stellen chronische Infektionen der ableitenden Harnwege dar. Hierbei kann es auf dem hämatogenen Weg zu einer Infektion von Gelenken kommen.
Klinisches Bild septischer Arthritiden
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Das klinische Bild eines akuten Schubs ist von einer mono- oder oligoartikulären septischen Arthritis nicht immer zu unterscheiden.
Insbesondere bei immunsupprimierten Patienten (biologische Therapieprinzipien der rheumatoiden Arthritis) können die klassischen Entzündungszeichen oftmals sehr dezent ausgebildet sein oder gar fehlen.
O 6 – 2
Diagnostische Voraussetzungen
Labordiagnostik
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Bedingt durch die medikamentöse Begleittherapie können die klassischen serologischen Entzündungswerte (C-reaktives Protein, Leukozytenzahl, Blutsenkung) nur unwesentlich erhöht sein oder nicht hilfreich bei der Differenzierung zwischen einem akuten Schub der entzündlich-rheumatischen Erkrankung und dem septischen Geschehen.
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Die Bestimmung des Serum-Prokalzitonins als Sepsis-Marker kann hilfreich sein zur Eingrenzung der Diagnose, ist jedoch nicht zu 100% sensitiv oder spezifisch für septische Arthritiden.
Als Faustregel gilt:
Bei Verdacht auf septische Arthritis sollte eine Gelenkpunktion durchgeführt werden (s. Abb. 1).
Gelenkpunktion
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Zur korrekten Einhaltung der Hygienemaßnahmen bei intraartikulären Punktionen oder Injektionen liegt eine gemeinsame Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC) sowie des Berufsverbandes der Ärzte für Orthopädie (BVO), zusammen mit dem Arbeitskreis Krankenhaus- und Praxishygiene der AWMF vor und ist im Internet einsehbar (http://www.uni-duesseldorf.de/awmf/II/029-006.htm).
Bildgebende Diagnostik
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Die Arthrosonographie kann dienlich sein zur Differenzierung zwischen intraartikulärer Ergussbildung/Synovitis oder extraartikulärem Prozess.
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Ein Röntgenbild des betroffenen Kniegelenkes erlaubt die Abschätzung des Gelenkstatus, jedoch keine Diagnose von septischen Prozessen.
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Falls ein MRT der betroffenen Körperregion erforderlich ist, sollte bei der Verdachtsdiagnose eines septischen Geschehens stets die Kontrastmittelgabe ergänzend erfolgen, weil hierdurch die Aussagekraft des MRT für diese Fragestellung deutlich erhöht wird.
Als Faustregel gilt:
Bei jeglichem Verdacht auf septische Arthritis ist bei der körperlichen Untersuchung stets ein Ganzkörperstatus zu erheben, um alle schmerzhaften oder geschwollenen Gelenke zu erfassen.
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Hierbei ist auf eine korrekte Beschriftung der Proben (Seitenangabe rechts/links, Angabe des Gelenkes, Angabe der vor Punktion gegebenen Anti-Infektiva mit Dosierung und Zeitintervall sowie der Verdachtsdiagnose) erforderlich.
Begleitmaßnahmen
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Idealerweise wird die Klinik vor der notfallmäßigen Patienteneinweisung telefonisch informiert, damit eine schnellstmögliche Versorgung der Patienten erfolgen kann.
O 6 – 3
Medikamentöse Therapie
Als Faustregel gilt:
Die Antibiotika-Therapie erfolgt zuerst kalkuliert, dann antibiogrammgerecht.
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Es erfolgt in der Regel eine parenterale Antibiotikatherapie, welche neben grampositiven Kokken auch wirksam gegen gramnegative Kokken oder Stäbchen sein sollte, insbesondere bei gleichzeitig vorhandenem Harnwegsinfekt.
Hierzu kommen Cephalosporine der 3. Generation plus Clindamycin infrage, in Kombination mit Fluorchinolon.
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Aufgrund der zunehmenden Resistenzentwicklung ist stets das Antibiogramm spätestens nach 48 Stunden abzufragen, um die Antibiose resistenzgerecht verabreichen zu können.
O 6 – 4
Chirurgische Therapie
Grundsätzlich gilt:
Beim Nachweis septischer Arthritiden ist eine chirurgische Intervention unumgänglich.
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Bis zum Abklingen der akuten Infektion wird das betroffene Gelenk mittels Schiene oder Weißgips ruhiggestellt.
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Die intraoperativ eingelegten Drainagen werden, in Abhängigkeit von der Förderleistung, frühestens nach 48 Stunden gezogen. Bei kleinen Gelenken erfolgt die Einlage einer Kunststofflasche, um das Gelenksekret auszuleiten.
O 6 – 5
Infizierter Gelenkersatz
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Ein einzeitiger Prothesenwechsel wird empfohlen bei kurzer Infektdauer (zwei bis vier Wochen), bekanntem Keim sowie vorhandenem Antibiogramm.
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Bei zweizeitigem Prothesenwechsel wird zunächst im Rahmen der ersten Operation das vorhandene Kunstgelenk entfernt, und das betroffene Gelenk mittels Weißgips oder Orthese ruhiggestellt. Kommt es unter Antibiose dann im Verlauf von 4–6 Wochen zu einem Rückgang der klinischen und serologischen Entzündungszeichen, wird die Antibiose abgesetzt, frühestens 7 Tage nach Wegfall der Antibiose erfolgt eine diagnostische Punktion des Gelenkes zum Ausschluss einer persistierenden Infektion.
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Falls mittels Kultur und PCR kein Keimnachweis mehr erfolgt, kann mit dem Patienten über die Möglichkeit einer Re-Implantation gesprochen werden. Hierbei ist stets auf das deutlich erhöhte perioperative Risiko hinzuweisen, insbesondere auf die Gefahr der Re-Aktivierung des Infekts.
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Erlaubt der Allgemeinzustand des Patienten keine erneute Operation, muss ein dauerhafter Ausbau des Gelenkes hingenommen werden, falls keine Arthrodese (Gelenkeinstreifung) sinnvoll oder möglich ist. Am Hüftgelenk ist die so genannte Girdlestone-Situation (dauerhaft entferntes Kunstgelenk) funktionell einer Hüftgelenkarthrodese überlegen, beim Kniegelenk erfolgt in der Regel der Versuch einer Arthrodese in etwa 10°-Kniegelenkflexion. Nach septischen Arthritiden des oberen Sprunggelenkes ist eine adäquate orthopädieschuhtechnische Versorgung mit überknöchelhohem Schuhwerk, Keilabsatz, fester Fersenfassung und mittlerer Abrollhilfe indiziert.
Basistherapie und septische Arthritiden
Als Faustregel gilt:
Alle biologischen Therapien müssen bei septischen Komplikationen abgesetzt werden.
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Nach unserer Erfahrung ist es aber vorteilhaft, jegliche Basistherapie bei septischen Komplikationen zu unterbrechen.
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Bei Behandlung mit Leflunomid kann im Notfall ein Auswaschen mittels Colestyramin erfolgen.
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Hierbei gilt der Grundsatz, dass die Gefahr einer Infekt-Reaktivierung mit der immunsuppressiven Potenz des Basistherapeutikums ansteigt.
Postoperative Behandlung
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Bei nicht vorhandenem oder entferntem Fremdkörper erfolgt die Ruhigstellung des betroffenen Gelenkes bis zur Entfernung der Drainagen, welche frühestens 48 Stunden postoperativ erfolgt.
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Anschließend beginnt die vorsichtige Remobilisierung des Gelenkes unter engmaschigen Kontrollen der klinischen bzw. laborchemischen Entzündungszeichen.
CAVE:
! Bei Rheumatikern ist der Rückgang des CRP-Wertes auf Normalwerte nicht zu erwarten. Wichtig ist die Einholung von CRP-Werten vor Infektbeginn als Vergleichswerte.
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Bei initial intravenöser Antibiotikagabe kann bei regelrechtem Heilungsverlauf die Umstellung auf die orale Gabe etwa 14 Tage postoperativ erfolgen.
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Wichtig ist es, die Patienten nach Absetzen des Antibiotikums engmaschig zu überwachen, um eine Reaktivierung des Infekts nicht zu übersehen.
In diesem Fall ist dann die erneute Punktion des Gelenkes mit mikrobiologischer Diagnostik (Kultur, PCR) sinnvoll.
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Bei positivem Keimnachweis ist dann in der Regel der Erhalt eines Gelenkersatzes oder einer Osteosynthese nicht möglich, sodass eine vollständige Explantation erfolgen muss (s.o.).
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Das anschließende weitere Vorgehen (Alternativen: zweitzeitiger Wechsel, Arthrodese, dauerhafte Explantation) wird dann im Einzelfall mit dem Betroffenen erörtert.
O 6 – 6
Kasuistik
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Die aktuelle Basistherapie besteht aus Enbrel 2 × 25 mg wöchentlich s.c., zusätzlich Methotrexat 15 mg wöchentlich oral, keine Steroide.
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Enbrel und Methotrexat werden abgesetzt.
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Am Folgetag offene Revision des linken Kniegelenkes mit kompletter Synovektomie und Wechsel des Polyethylen-Inlays, da aufgrund des reduzierten Allgemeinzustands der Patientin eine Explantation oder ein einzeitiger Knieprothesenwechsel vermieden werden sollte. Antibiotika-Therapie: Clindamycin 3 × 600 mg/Tag i.v.; Einholung des Antibiogramms nach 48 Std., Antibiose resistenzgerecht.
In der Folge persistierende Ergussbildung, 10 Tage postoperativ erneute Punktion des linken Kniegelenkes unter sterilen Bedingungen. Weiterhin Nachweis von mäßig S. epidermidis.
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Entscheidung zur Explantation der Knieendoprothese und Implantation eines Knochenzement-Platzhalters. Ruhigstellung des Beines in Oberschenkelgipstutor. 14 Tage nach der Explantation Umstellung der Antibiotika-Therapie auf orale Gabe.
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Daraufhin komplikationsloser Heilungsverlauf und Beendigung der oralen Antibiose. Zweimalige Punktion des linken Kniegelenkes 8 Wochen nach Explantation ohne Keimnachweis.
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Ausführliches Aufklärungsgespräch mit der Patientin. Auf deren ausdrücklichen Wunsch 10 Wochen nach Explantation Re-Implantation einer zementierten teilgekoppelten Knieendoprothese links.
Erneute Antibiose mit Clindamycin 3 × 600 mg/Tag i.v. für 14 Tage postoperativ, anschließend oral bis zum Ende der 6. Woche.
Bislang gab es keinen Hinweis auf eine Reaktivierung des Infekts, die Patientin hat ihre Gehfähigkeit wiedererlangt. Die Basistherapie und Methotrexat wurden wieder begonnen, Etanercept wurde abgesetzt. Stattdessen erhält die Patientin Prednisolon 5 mg. Unter dieser Medikation ausreichende Kontrolle der rheumatoiden Arthritis.
Literatur
Literatur beim Verfasser
Literatur beim Verfasser (hans-dieter.carl@ortho-rheuma.med. uni-erlangen.de).