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10.1016/B978-3-437-22107-1.50280-6
978-3-437-22107-1
Elsevier Inc.
TNM-Klassifikation der Schilddrüsenkarzinome (nach: Sobin u. Wittekind 2002 und Wittekind et al. 2003).
pT1a | Tumor < 1 cm, beschränkt auf die Schilddrüse |
pT1b | Tumor 1- < 2 cm, auf die Schilddrüse beschränkt |
pT2 | Tumor > 2 cm und < 4 cm, beschränkt auf die Schilddrüse |
pT3a | Tumor > 4 cm, beschränkt auf die Schilddrüse |
pT3b | alle differenzierten Tumoren mit organüberschreitendem Wachstum in den M. sternocleidomastoideus und/oder das perithyreoidale Weichgewebe |
pT4a | Tumorausbreitung über die Schilddrüsenkapsel mit Invasion der folgenden Strukturen: subkutanes Weichgewebe, Larynx, Trachea, Ösophagus, N. laryngeus recurrens |
pT4b | Tumorinvasion in die prävertebrale Faszie, mediastinale Gefäße oder Einschluss der A. carotis |
pT4a | (nur anaplastisches Karzinom) Tumor (jeder Größe), auf die Schilddrüse begrenzt |
pT4b | (nur anaplastisches Karzinom) Tumor (jeder Größe), der über die Schilddrüsenkapsel hinauswächst |
pN0 | keine regionalen Lymphknotenmetastasen |
pN1 | regionale Lymphknotenmetastasen |
N1a | im Level IV (prätracheal und paratracheal, inklusive prälaryngeale bzw. Delphi-Lymphknoten) |
N1b | in anderen unilateralen, bilateralen oder kontralateralen zervikalen oder oberen/superioren mediastinalen Lymphknoten |
pM0 | keine Fernmetastasen |
pM1 | Fernmetastasen |
(m) | multifokaler Tumor |
UICC-Stadieneinteilung (nach Sobin u. Wittekind 2002, WHO 2004).
PTC oder FTC (bei Patienten < 45 Jahre) | |||
Stadium I | jedes T | jedes N | M0 |
Stadium II | jedes T | jedes N | M1 |
PTC oder FTC (bei Patienten > 45 Jahre) | |||
Stadium I | T1 | N0 | M0 |
Stadium II | T2 | N0 | M0 |
Stadium III | T3 | N0 | M0 |
T1-3 | N1a | M0 | |
Stadium IV A | T4a | N0-1a | M0 |
T1-4a | N1b | M0 | |
Stadium IV B | T4b | jedes N | M0 |
Stadium IV C | jedes T | jedes N | M1 |
MTC | |||
Stadium I | T1 | N0 | M0 |
Stadium II | T2 | N0 | M0 |
Stadium III | T3 | N0 | M0 |
T1-3 | N1a | M0 | |
Stadium IV A | T4a | N0-1a/b | M0 |
T1-3 | N1b | M0 | |
Stadium IV B | T4b | jedes N | M0 |
Stadium IV C | jedes T | jedes N | M1 |
ATC (alle Tumoren werden als Stadium IV klassifiziert) | |||
Stadium IV A | T4a | jedes N | M0 |
Stadium IV B | T4b | jedes N | M0 |
Stadium IV C | T4a/b | jedes N | M1 |
PTC, papilläres Schilddrüsenkarzinom; FTC, follikuläres Schilddrüsenkarzinom; MTC, medulläres Schilddrüsenkarzinom; ATC, anaplastisches Schilddrüsenkarzinom
Stadieneinteilung und chirurgische Behandlung des Schilddrüsenkarzinoms.
Stadium | PTC | FTC | PDTC | MTC | UTC |
pT1a, cN0, cM0 |
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> pT1a |
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LK, Lymphknoten
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•
TT, Thyreoidektomie; HT, Hemithyreoidektomie; LA, systematische Lymphadenektomie; RI, Radioiodablation
-
•
PTC, papilläres Schilddrüsenkarzinom; FTC, follikuläres Schildrüsenkarzinom; PDTC, wenig differenziertes Schilddrüsenkarzinom; MTC, medulläres Schilddrüsenkarzinom; UTC, undifferenziertes Schilddrüsenkarzinom
Maligne Schilddrüsentumoren – Chirurgische Therapie
-
Vorbemerkungen und diagnostische Voraussetzungen M 15.2 – 1
-
Operation M 15.2 – 2
–
Papilläres Schilddrüsenkarzinom (PTC) M 15.2 – 3
–
Follikuläres Schilddrüsenkarzinom (FTC) M 15.2 – 4
–
Wenig differenziertes Schilddrüsenkarzinom M 15.2 – 5
–
Medulläres Schilddrüsenkarzinom (MTC) M 15.2 – 6
–
Medulläres Mikrokarzinom M 15.2 – 6
–
Sporadisches medulläres Schilddrüsenkarzinom M 15.2 – 6
–
Hereditäres medulläres Schilddrüsenkarzinom M 15.2 – 7
–
Hereditäres symptomatisches medulläres Schilddrüsenkarzinom M 15.2 – 7
–
Organkapselüberschreitendes medulläres Schilddrüsenkarzinom M 15.2 – 7
–
Anaplastisches Schilddrüsenkarzinom M 15.2 – 8
-
Rezidivoperationen M 15.2 – 9
Kernaussagen
-
□
Die fachgerechte Beurteilung der prä- und intraoperativen Befunde sowie die Durchführung der Operation und die Behandlung ggf. auftretender postoperativer Komplikationen setzen eine entsprechende organbezogene onkologische Erfahrung des Operateurs voraus.
-
□
Bei solitären papillären Mikrokarzinomen mit einem Durchmesser < 1 cm und ohne besondere Risikofaktoren sind aufgrund der sehr guten Prognose eine vollständige Thyreoidektomie und Radioiod-Therapie nicht erforderlich.
-
□
Standardtherapie bei Vorliegen eines auf die Schilddrüse begrenzten papillären Schilddrüsenkarzinoms ist die Thyreoidektomie, gegebenenfalls in Kombination mit einer Lymphadenektomie.
-
□
Bei organüberschreitenden papillären Schilddrüsenkarzinomen ist eine En-bloc-Resektion des zentralen Kompartimentes mit der Schilddrüse und den infiltrierten Strukturen anzustreben.
-
□
Standardtherapie bei Vorliegen eines auf die Schilddrüse begrenzten follikulären Schilddrüsenkarzinoms ist die Thyreoidektomie.
-
□
Bei wenig differenzierten Schilddrüsenkarzinomen ist aufgrund des aggressiven Wachstumsverhaltens und der meist schlechten Radioiod-Speicherung ein radikaler chirurgischer Ansatz zur erfolgreichen Therapie erforderlich.
-
□
Bei präoperativ bestehendem Verdacht und unklarer Tumorlokalisation sollte auch bei medullären Mikrokarzinomen (MTC) eine Thyreoidektomie erfolgen. Ebenso ist die Thyreoidektomie bei gesichertem sporadischem MTC als Standardverfahren indiziert.
-
□
Bei positivem Nachweis einer MTC-assoziierten Keimbahnmutation der RET Protoonkogenes ist die prophylaktische oder präventive Resektion der Schilddrüse indiziert, wobei Indikation und Zeitpunkt der Thyreoidektomie auf der Basis der Ergebnisse der Mutationsanalyse festgelegt werden.
M 15.2 – 1
Vorbemerkungen und diagnostische Voraussetzungen
Als Faustregel gilt:
Entscheidende Voraussetzung für die Prävention von Rezidiven des Karzinoms ist die radikale Primäroperation, welche eine prä- oder intraoperative Diagnose des malignen Wachstums erfordert.
Präoperative Diagnostik
-
•
Für die präoperative Diagnostik sollte daher in jedem Fall eine Sonographie des Halses mit Beurteilung der Schilddrüse und der Halslymphknoten durch einen Arzt mit entsprechender Expertise erfolgen.
Sonographische Kriterien zur Beurteilung der Dignität sollten befundet werden.
-
•
Ebenso sollte bei verdächtigen Knoten eine Feinnadelpunktion erfolgen, um die Diagnose zu sichern.
-
•
Die präoperative Diagnostik umfasst die Beurteilung der Schilddrüsenfunktion (fT3, fT4, TSH) sowie der Nebenschilddrüsenfunktion (Parathormon, Kalzium, Phosphat).
-
•
Bei Verdacht auf Vorliegen einer Immunthyreopathie sollte auch eine Bestimmung der mikrosomalen Antikörper erfolgen.
-
•
Der Wert einer präoperativen Bestimmung des basalen Calcitonins ist zwischenzeitlich durch zahlreiche Studien hinlänglich untermauert worden.
–
Basale Calcitoninwerte > 100 pg/ml bzw. pentagastrinstimulierte Calcitoninwerte > 300 pg/ml können als nahezu beweisend für das Vorliegen eines medullären Schilddrüsenkarzinoms angesehen werden.
–
Der Verdacht auf ein medulläres Schilddrüsenkarzinom, welches präoperativ differenzialdiagnostisch unter Umständen nicht von einer C-Zell-Hyperplasie abzugrenzen ist, ergibt sich bei pentagastrinstimulierten Calcitoninwerten > 100 pg/ml, in den Fällen in denen anderweitige Ursachen für pathologische Calcitoninwerte (z.B. Dialysepflichtigkeit, Alkoholkonsum, Antazida-Medikation) ausgeschlossen wurden.
M 15.2 – 2
Operation
•
Neben dem Funktionserhalt des N. laryngeus recurrens sowie eines ggf. kaudal über die oberen Polgefäße kreuzenden Ramus externus des N. laryngeus superior umfasst die Qualitätssicherung im Rahmen der Thyreoidektomie bzw. Lymphadenektomie die Präservation bzw. ggf. Autotransplantation von mindestens 2 Nebenschilddrüsen zur Vermeidung eines postoperativen permanenten Hypoparathyreoidismus.
•
Nach einer vollständigen Thyreoidektomie sollte postoperativ im Rahmen einer Radioiod-Szintigraphie die lokale Aufnahme 6-10% nicht überschreiten.
•
Eine adäquate Lymphadenektomie des zentralen Halskompartimentes erfordert den postoperativen histologischen Nachweis von mindestens 6 Lymphknoten.
•
Revision des Tumor-Stagings (T) mit geänderter Definition aller Kategorien; nachträglich wurden zusätzliche Subkategorisierungen (in T1 und T3) durch die im Supplement erfolgten Modifikationen eingeführt.
–
Die Kategorie T1 umfasst auf die Schilddrüse begrenzte nicht-anaplastische Karzinome mit einer maximalen Größe von 2 cm.
–
Dementsprechend umfasst die Kategorie T2 auf die Schilddrüse begrenzte nicht anaplastische Karzinome mit einer Größe von > 2 cm bis 4 cm.
–
Organüberschreitende, nicht anaplastische Karzinome werden in Karzinome mit “minimaler” (T3b) und “ausgedehnter” Invasion unterteilt (T4a und T4b).
–
Anaplastische Karzinome werden immer als T4-Karzinome kategorisiert.
T4a entspricht intratyreoidal (chirurgisch resektablen), T4b extratyreoidal wachsenden (chirurgisch nicht resektablen) anaplastischen Karzinomen.
•
Revision des Lymphknoten-Stagings (N).
M 15.2 – 3
Papilläres Schilddrüsen-karzinom (PTC)
Papilläre Mikrokarzinome
•
Die häufig erst postoperativ gestellte Diagnose stellt in der Regel keine Indikation zur Durchführung einer Rest-Thyreoidektomie (= Komplettierungsoperation) dar.
✓
✓
Ausgenommen sind
–
seltene histologische Varianten des PTC (z.B. großzellige Variante [Syn.: “Tall-cell”-Variante], solide Variante, trabekuläre Variante; Carling et al. 2007),
–
das multifokale Auftreten des Tumors sowie
–
anamnestische Risikofaktoren wie eine Strahlenexposition oder eine familiäre Prädisposition, welche im Einzelfall eine Rest-Thyreoidektomie und Radioiod-Therapie begründen können.
Intrathyreoidales papilläres Schilddrüsenkarzinom
Lymphadenektomie
-
•
Bei sonographischem/makroskopischem oder bioptischem Verdacht auf Vorliegen einer lymphogenen Metastasierung ist zudem eine zentrale kompartimentorientierte Lymphadenektomie erforderlich.
•
Allerdings wird ein höheres Risiko auch für notwendige Komplettierungseingriffe bei Tumorpersistenz beobachtet (Brierley et al. 1997, Gimm u. Dralle 1997, van Heerden et al. 1990, Weber et al. 2001). Aufgrund der mit Lokalrezidiven assoziierten Morbidität stellt bei zentrumsbezogenen niedrigen bzw. nicht erhöhten Komplikationsraten die Durchführung einer prophylaktischen zentralen Lymphadenektomie die optimale Therapie dar (White et al. 2007, Cooper et al. 2006).
Organüberschreitendes papilläres Schilddrüsenkarzinom
Als Faustregel gilt
Zur Beurteilung der Ausdehnung des Tumors ist eine präoperative erweiterte Diagnostik notwendig, welche neben bildgebenden Verfahren (CT OHNE [!] Kontrastmittel, MRT) eine Ösophagoskopie und Tracheoskopie umfasst.
•
Während kurzstreckige Infiltrationen in der Regel resektabel sind, stehen bei längerstreckigen Infiltrationen palliative Konzepte im Vordergrund.
Familiäre papilläre Schilddrüsenkarzinome
•
Die Verdachtsdiagnose sollte gestellt werden, wenn 2 oder mehr erstgradig Verwandte einer Familie an einem papillären oder follikulären Schilddrüsenkarzinom erkrankt sind.
•
Genetische Ursachen der Häufung sind bisher nur unzureichend bekannt, sodass die klinische Diagnose selten molekulargenetisch untermauert werden kann und eine Identifikation von Genträgern nicht möglich ist.
•
Präventive Thyreoidektomien werden bei fehlendem Nachweis assoziierter Genveränderungen nicht empfohlen.
•
Allerdings sollte eine Thyreoidektomie bei Risikopatienten frühzeitig im Falle nachgewiesener Schilddrüsenknoten erfolgen.
M 15.2 – 4
Follikuläres Schilddrüsen-karzinom (FTC)
Sporadisches follikuläres Schilddrüsenkarzinom
•
Die Abgrenzung des follikulären Adenoms gegenüber dem follikulären Karzinom ist bei fehlenden Hinweisen auf eine Metastasierung in der Regel weder präoperativ noch intraoperativ möglich.
•
Kennzeichnend ist eine frühzeitige hämatogene Metastasierung.
•
Kleine follikuläre Schilddrüsenkarzinome (< 1 cm) kommen nur äußerst selten vor.
Als Faustregel gilt:
Standardtherapie bei Vorliegen eines auf die Schilddrüse begrenzten follikulären Schilddrüsenkarzinoms ist die Thyreoidektomie.
Lymphadenektomie
-
•
Eine ipsilaterale zentrale Lymphadenektomie kann bei Gewährleistung eines geringen Komplikationsrisikos sinnvoll sein, da nicht selten in diesen Fällen follikulär differenzierte papilläre Schilddrüsenkarzinome vorliegen.
-
•
Bei postoperativer Sicherung der Diagnose ist die Indikation zur kontralateralen Komplettierungsoperation in Abhängigkeit vom histologischen Typ, der Differenzierung und der Größe des Primärtumors zu stellen.
Aktuelle Literaturdaten zeigen, dass bei minimal-invasivem follikulären Schilddrüsenkarzinom keine Komplettierung erforderlich ist.
✓
Bei grob-invasivem Wachstum, dem Nachweis einer Angioinvasion oder schlecht differenzierten Anteilen ist eine Komplettierung zu empfehlen. Die Tumorgröße ist in diesen Fällen kein Kriterium zur Beurteilung einer ggf. notwendigen Komplettierung.
-
•
Bei sonographischem/makroskopischem oder bioptischem Verdacht auf Vorliegen einer lymphogenen Metastasierung ist ebenfalls eine zentrale Lymphadenektomie erforderlich (Witte et al. 2002).
-
•
Bei fehlendem Verdacht/Nachweis einer lymphogenen Metastasierung wird aufgrund des ggf. höheren Komplikationsrisikos eine prophylaktische Lymphadenektomie nicht allgemein empfohlen. Insbesondere bei minimal-invasivem follikulären Schilddrüsenkarzinom ist sie nicht indiziert.
-
•
Bei grob-invasivem follikulären Schilddrüsenkarzinom stellt entsprechend dem Vorgehen beim papillären Schilddrüsenkarzinom die prophylaktische zentrale Lymphadenektomie bei Gewährleistung einer nicht erhöhten Morbiditätsrate die optimale Therapie dar.
Familiäre follikuläre Schilddrüsenkarzinome
•
Bei gesichertem follikulären Schilddrüsenkarzinom ist die Thyreoidektomie das empfohlene Vorgehen.
•
Häufig wird die Diagnose jedoch erst postoperativ nach einer Hemithyreoidektomie bei zytologisch gesicherter follikulärer Neoplasie gestellt.
Aus onkologischen Gesichtspunkten wäre eine Komplettierungsoperation im Sinne einer Restthyreoidektomie nur im Falle eines grob-invasiven Wachstums oder schlecht differenzierter Tumoranteile notwendig. Über die Inzidenz von multifokalen Karzinomen oder Rezidivkarzinomen im Schilddrüsenrest, welche eine Komplettierung begründen können, bestehen derzeit keine gesicherten Erkenntnisse. Dennoch wäre im Hinblick auf die anzunehmende Prädisposition eine Rest-Thyreoidektomie indiziert (Ito et al. 2008).
M 15.2 – 5
Wenig differenziertes Schilddrüsenkarzinom
•
Sie sind durch ein solides, trabekuläres oder insuläres Wachstumsmuster gekennzeichnet, bei fehlender typischer Kernmorphologie eines papillären Karzinoms und weisen eine hohe mitotische Aktivität und Nekrosen auf (Volante et al. 2007).
CAVE:
! Aufgrund des aggressiven Wachstumsverhaltens wenig differenzierter Schilddrüsenkarzinome und der in der Regel nur schlechten Radioiod-Speicherung ist ein radikaler chirurgischer Ansatz zur erfolgreichen Therapie erforderlich.
•
Bei erst postoperativem Nachweis des Karzinoms ist auch bei Tumoren < 1 cm eine Restthyreoidektomie und zentrale Lymphadenektomie indiziert.
•
Eine Indikation zur erweiterten Lymphadenektomie ist bei Verdacht bzw. Nachweis einer Metastasierung in den lateralen Halskompartimenten gegeben.
Daten zum Nutzen einer prophylaktischen erweiterten Lymphadenektomie liegen derzeit nicht in ausreichender Form vor. Entsprechend dem Vorgehen beim papillären Schilddrüsenkarzinom kann diese aber durch die Größe des Primärtumors (2-3 cm) begründet sein.
M 15.2 – 6
Medulläres Schilddrüsen-karzinom (MTC)
Grundsätzlich gilt:
Entscheidende Voraussetzung für eine vollständige Tumoreradikation ist die Früherkennung des medullären Schilddrüsenkarzinoms.
Medulläres Mikrokarzinom
•
Bei präoperativ bestehendem Verdacht und unklarer Tumorlokalisation sollte eine Thyreoidektomie erfolgen.
✓
Bei erst postoperativer Diagnosestellung (Primärtumor < 5 mm) nach inkompletter Schilddrüsenresektion und normwertigem pentagastrinstimulierten Calcitonin (< 100 pg/ml) kann eine Komplettierungsoperation aufgrund fehlender Evidenz nicht generell empfohlen werden (Peix et al. 2000).
Da Mikrometastasen jedoch nicht in jedem Fall durch das basale oder pentagastrinstimulierte Calcitonin angezeigt werden, ist zumindest eine engmaschige Verlaufsbeobachtung angezeigt (Franc et al. 2001, Modigliani et al. 1998).
•
Bei persistierend erhöhtem basalem bzw. stimuliertem Calcitonin nach primär nicht totaler Thyreoidektomie sollte eine Komplettierungsoperation innerhalb der ersten postoperativen Tage bzw. im Intervall nach Ablauf von 3 Monaten zur Minimierung des postoperativen Morbiditätsrisikos durchgeführt werden.
Lymphadenektomie
•
0-67% medullärer Schilddrüsenkarzinome weisen eine häufig okkulte Lymphknotenmetastasierung auf, welche Ursache persistierender oder rezidivierender pathologischer Calcitoninspiegel sein kann (Hamy et al. 2005, Henry et al. 1998a, Machens et al. 2002, Miyauchi et al. 2002, Peix et al. 2000, Scollo et al. 2003, Ukkat et al. 2004, Weber et al. 2001, Kloos et al. 2009).
•
Da präoperativ und intraoperativ ein ggf. vorliegender Befall der Lymphknoten nicht ausreichend beurteilt werden kann (Moley u. DeBenedetti 1999, Oskam et al. 2007) und anders als beim differenzierten Schilddrüsenkarzinom eine effektive adjuvante Therapie nicht zur Verfügung steht, ist eine zentrale Lymphadenektomie bei intraoperativem Nachweis eines MTC im Rahmen des Primäreingriffs indiziert.
•
Bei fehlender histologischer Sicherung ist nur in Fällen mit pentagastrinstimulierten Calcitoninwerten (> 200 pg/ml; Costante et al. 2007, Vierhapper et al. 2005) eine Lymphadenektomie allgemein zu empfehlen, da dies einem positivem MTC-Nachweis entspricht.
•
Bei Gewährleistung einer nicht erhöhten Morbiditätsrate kann auch bei indifferenten Calcitoninwerten ohne Nachweis eines MTC eine prophylaktische zentrale Lymphadenektomie begründet werden.
•
Bei postoperativer Diagnose des MTC und bestehender Indikation zur Komplettierungsoperation (erhöhtes Calcitonin) sollte eine zentrale Lymphadenektomie immer erfolgen.
•
Die Indikation zur ipsilateral-lateralen und kontralateral-lateralen Lymphadenektomie ist in Abhängigkeit von der Größe des Primärtumors (> 5 mm), dem Verdacht/Nachweis von Lymphknotenmetastasen und ggf. dem Calcitoninwert individuell zu stellen.
Sporadisches medulläres Schilddrüsenkarzinom
Lymphadenektomie
-
•
Die Indikation zur zentralen und ipsilateral-lateralen Lymphknotendissektion ist bei sicherem Nachweis eines medullären Schilddrüsenkarzinoms aufgrund der häufig auftretenden klinisch apparenten aber auch okkulten Lymphknotenmetastasen gegeben (Moley u. Fialkowski 2007).
✓
Weniger radikale Eingriffe führen zu einer Rezidivrate von 50-80% und beeinflussen die Prognose negativ (de Groot et al. 2007, Dralle et al. 1995, Ellenhorn et al. 1993, Oskam et al. 2007, Scollo et al. 2003, Weber et al. 2001).
-
•
Die Erweiterung des Eingriffs unter Einschluss des kontralateral-lateralen Kompartiments ist bei sonographischem, makroskopischem und/oder bioptischem Metastasenverdacht/-nachweis im kontralateral-lateralen Kompartiment selbst oder im zentralen und/oder ipsilateral-lateralen Kompartiment gegeben.
-
•
Bei fehlendem Metastasenverdacht oder -nachweis im zentralen und ipsilateral-lateralen Kompartiment besteht nach den derzeit vorliegenden Ergebnissen kein signifikanter Vorteil einer prophylaktischen kontralateral-lateralen Lymphknotendissektion (Miyauchi et al. 2002, Scollo et al. 2003).
Aufgrund der chirurgisch-bedingten Morbidität der zervikolateralen Lymphknotendissektion (Läsion des N. accessorius, Plexus brachialis oder Plexus cervicalis sowie Lymphfisteln), kann daher eine prophylaktische kontralateral-laterale Lymphknotendissektion in diesen Fällen nicht allgemein empfohlen werden.
-
•
Die Indikation zur transsternalen mediastinalen Lymphknotendissektion ist bei bildgebendem Metastasenverdacht oder intraoperativem Verdacht bzw. Nachweis einer mediastinalen Ausbreitung gegeben (de Groot et al. 2007, Dralle et al. 1992).
✓
Bei der Indikationsstellung ist aufgrund der Operationsbelastung und des Morbiditätsrisikos der Sternotomie der Allgemeinzustand des Patienten und die Gesamttumorlast zu berücksichtigen (Dralle et al. 1992).
-
•
Eine Indikation zur prophylaktischen mediastinalen Lymphknotendissektion besteht nicht.
M 15.2 – 7
Hereditäres medulläres Schilddrüsenkarzinom
•
Die Wahrscheinlichkeit des Auftretens begleitender Endokrinopathien bei MEN-2A-assoziierten MTC ist abhängig von der zugrunde liegenden Keimbahnmutation des RET Protoonkogenes.
Die Mutation des Codon 634 des RET Protoonkogenes stellt die überwiegende genetische Veränderung dar, welche gleichzeitig mit der höchsten Penetranz hinsichtlich des Auftretens begleitender Phäochromozytome und Nebenschilddrüsenadenome assoziiert ist (Kloos et al. 2009).
Prophylaktische (präventive) Thyreoidektomie
Als Faustregel gilt:
Die prophylaktische oder präventive Resektion der Schilddrüse ist bei positivem Nachweis einer MTC-assoziierten Keimbahnmutation der RET Protoonkogenes indiziert.
•
Mutationen mit höchstem Risiko (Codon 918),
•
Mutationen mit mittlerem Risiko (Codons 609, 611, 618, 620, 630 und 634) und
•
Mutationen mit niedrigem Risiko (Codons 768, 790, 791, 804 und 891) möglich (Machens u. Dralle 2007).
CAVE:
! Der Zeitpunkt der Thyreoidektomie sollte bei Trägern von Keimbahnmutationen mit höchstem Risiko vor dem 1. Lebensjahr liegen, bei Patienten mit hohem oder niedrigem Risiko vor dem 5. Lebensjahr.
Parathyreoidektomie
-
•
Insbesondere aufgrund der Möglichkeit der Ausbildung eines Hyperparathyreoidismus (HPT) bei MEN 2A assoziiertem MTC besteht eine Indikation zur simultanen Parathyreoidektomie und Autotransplantation von Nebenschilddrüsengewebe. Dies gilt insbesondere bei Vorliegen einer Mutation des Codons 634 des RET Protoonkogens.
-
•
Bei Mutationen mit geringerem Risiko zur Entwicklung eines HPT liegen keine ausreichenden Daten vor, ob eine Belassung und Markierung der Nebenschilddrüsen im Langzeitverlauf mit einer geringeren Morbidität assoziiert ist. Andererseits besteht eine signifikante Wahrscheinlichkeit zur Entwicklung eines HPT mit der Notwendigkeit zur Durchführung eines risikoreichen Zweiteingriffs.
Lymphadenektomie
-
•
Eine begleitende zentrale Lymphadenektomie ist für Träger von Keimbahnmutationen mit höchstem Risiko im Rahmen der prophylaktischen (präventiven) Thyreoidektomie indiziert.
-
•
Für Träger von Keimbahnmutationen mit hohem Risiko wird eine zusätzliche zentrale Lymphadenektomie nach der Vollendung des 5. Lebensjahres und
-
•
bei Trägern von Keimbahnmutationen mit niedrigem Risiko nach der Vollendung des 10. Lebensjahres empfohlen.
Hereditäres symptomatisches medulläres Schilddrüsenkarzinom
Lymphadenektomie
Organkapselüberschreitendes medulläres Schilddrüsenkarzinom
•
Entsprechend dem Vorgehen bei den differenzierten Schilddrüsenkarzinomen sollte die Primärtumorresektion von Beginn der Präparation an als radikale Kompartimentresektion mit En-bloc-Resektion von Schilddrüse, umgebendem Fettbindegewebe, zentralen Lymphknoten sowie – bei Infiltration – auch der kurzen geraden Halsmuskulatur erfolgen.
•
Die Indikation zur radikalen Resektion bei extrazervikoviszeraler Invasion ist bei allgemeiner Operabilität auch bei synchroner Fernmetastasierung in der Regel gegeben, um Lokalkomplikationen zu vermeiden und die Voraussetzung für ggf. mögliche additiv/adjuvante Therapien zu verbessern (Brauckhoff et al. 2006, Gaissert et al. 2007, Machens et al. 2001, Musholt et al. 1999, Tsai et al. 2005).
•
Entsprechend dem Vorgehen beim differenzierten Schilddrüsenkarzinom kann auch beim medullären Schilddrüsenkarzinom eine Resektion angrenzender Strukturen in Abhängigkeit von dem eingriffsspezifischen Risiko und dem Allgemeinzustand des Patienten indiziert sein.
M 15.2 – 8
Anaplastisches Schilddrüsenkarzinom
Grundsätzlich gilt:
Anaplastische Schilddrüsenkarzinome gehören zu den aggressivsten Karzinomen und sind mit einer schlechten Prognose assoziiert (Lang u. Lo 2007).
•
Indikationen, Zeitpunkt und Ausmaß chirurgischer Maßnahmen werden kontrovers diskutiert.
•
Chirurgische Therapieoptionen reichen von der alleinigen Tracheotomie zur Sicherung der Atemwege bei drohender Asphyxie bis zur multiviszeralen En-bloc-Resektion des Tumors, welche im Rahmen eines neoadjuvanten Therapiekonzeptes oder mit adjuvanter Radio- und/oder Chemotherapie erfolgen kann.
✓
Ausgedehnte chirurgische Resektionen sind allerdings häufig mit einer erheblichen Morbidität assoziiert.
Dennoch kann eine vollständige Resektion des Tumors in Einzelfällen die Prognose der Patienten verbessern (Kebebew et al. 2005, Pierie et a. 2002).
–
Bei primär nicht vollständig resektablem Befund kann eine Resektion von mehr als 90% der Tumormasse im Sinne eines Debulkings die Voraussetzung für eine postoperative Radio- und/oder Chemotherapie und somit die Prognose verbessern (Voutilainen et al. 1999).
M 15.2 – 9
Rezidivoperationen
•
Bei gesichertem lokoregionärem Rezidiv und gegebener Resektabilität sollten die Rezidive primär chirurgisch behandelt werden. Das Ausmaß der Resektion erfolgt in Abhängigkeit vom Befund, wobei möglichst eine vollständige Resektion angestrebt werden sollte. Dies umfasst unter Umständen auch eine multiviszerale Resektion (Trachea, Ösophagus).
•
Fernmetastasen sollten nur in Ausnahmefällen und in erster Linie bei solitärem Vorliegen reseziert werden, wenn Erfolg versprechende alternative Verfahren nicht zur Verfügung stehen.
✓
Insbesondere bei Knochen- und Gehirnmetastasen wird ein chirurgisches Vorgehen empfohlen, da gezeigt werden konnte, dass hierdurch das Überleben verbessert werden kann.
–
Die Behandlung von Fernmetastasen sollte im Rahmen eines interdisziplinären multimodalen Therapiekonzeptes entschieden werden.
Literatur
Brauckhoff et al., 2006
Brierley et al., 1997
Carling et al., 2007
Cooper et al., 2006
Costante et al., 2007
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Machens et al., 2001
Machens et al., 2002
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Miyauchi et al., 2002
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Moley and DeBenedetti, 1999
Moley and Fialkowski, 2007
Musholt et al., 1999
Musholt et al., 2000
Oskam et al., 2007
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