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10.1016/B978-3-437-22107-1.50037-6
978-3-437-22107-1
Elsevier GmbH
Diagnosestellung.
• monoklonale Gammo-pathie unbestimmter Signifikanz (MGUS) alle Kriterien müssen erfüllt sein |
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• asymptomatisches multiples Myelom (“smoldering multiple myeloma”) nicht behandlungsbedürftig |
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• symptomatisches multiples Myelom behandlungsbedürftig; alle Kriterien müssen erfüllt sein |
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Definition des paraproteinassoziierten Gewebs-oder Organschadens.
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Remissionskriterien.
Komplette Remission (CR)1 |
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Sehr gute partielle Remission (VGPR)1 |
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Partielle Remission (PR)1 |
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1 jeweils alle Kriterien müssen erfüllt sein | |
Plateau | stabile Höhe des Paraproteins ± 25% |
Rezidiv (von der CR)2 |
|
Progression2 |
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2 mindestens ein Kriterium muss erfüllt sein |
Melphalan-/Prednison-Protokoll.
• Melphalan | 15 mg/m2 i.v. | Tag 1 |
• Prednison | 60 mg/m2 p.o. | Tage 1-t |
• Wiederholung an Tag 29 | ||
• Cave: bei Kreatinin-Clearance<20 ml/Min. 50% Dosisreduktion von Melphalan |
Ergebnisse bei Kombination von MP mit neuen Wirkstoffen: MPT = MP + Thalidomid, MPV = MP + Bortezomib (Velcade®), MPR = MP + Lenalidomid (Revlimid®).
Protokoll | CR-Rate [%] | Remissionsrate [%] | Autor |
MP | 2 | 47 | Alexanian et al. 1969, Palumbo 2006 |
MPT | 16 | 76 | Palumbo 2006 |
15 | 81 | Facon 2006 | |
MPV | 32 | 88 | Mateos 2006 |
MPR | 17 | 85 | Palumbo 2006 |
(V)AD-Therapie für rezidivierte oder therapierefraktäre Patienten (Barlogie et al. 1984).
• Adriamycin1,2 | • 9 mg/m2/Tag i.v. (Dauerinfusion über zentralvenöse Katheter) | Tage 1–4 |
• Dexamethason | • 40 mg p.o. | Tage 1–4, 9–12, 17–20 |
• Wiederholung an Tag 29 | ||
1 Adriamycin streng intravasal! | ||
2 Adriamycin wird vielfach statt als Dauerinfusion auch als Kurzinfusion appliziert. Die Gleichwertigkeit der Kurzinfusion als Rezidivtherapie ist jedoch nicht gezeigt. |
Rezidivtherapie mit Bortezomib.
• Bortezomib | 1,3 mg/m2/Tag i.v., Bolus | Tage 1, 4, 8, 11 |
• Dexamethason1 | 20 mg p.o. | Tage 1, 2, 4, 5, 8, 9, 11, 12 |
• Wiederholung am Tag 22 | ||
• Auch in der therapiefreien 3. Woche sollten die Zellzahlen, insbes. Thrombozytenzahlen, kontrolliert werden. | ||
1 Dexamethasongabe am Tag der Bortezomibapplikation und am Folgetag ist nicht zwingend, erhöht aber die Remissionsrate. |
Dosisanpassung von Lenalidomid (Revlimid®) in Abhängigkeit von der Nierenfunktion.
Kreatinin-Clearance [ml/Min.] | Empfohlene Dosierung |
≥ 50 | 25 mg einmal täglich |
30–50 | 10 mg einmal täglich |
< 30 | |
• Dialyse nicht erforderlich | 15 mg jeden zweiten Tag |
• Dialyse erforderlich | 15 mg, 3-mal pro Woche, nach jeder Dialyse |
Multiples Myelom und verwandte Plasmazellerkrankungen
-
Multiples Myelom L 11 – 1
-
Plasmazell-Leukämie L 11 – 7
-
Solitäres Plasmozytom L 11 – 8
-
Leichtkettenamyloidose L 11 – 9
Kernaussagen:
Multiples Myelom
-
▪
Das multiple Myelom ist eine maligne klonale Neoplasie der terminal differenzierten B-Zellen. Myelomzellen produzieren i. d. R. Immunglobuline oder freie Leichtketten. Weiterhin sind die Expansion im Knochenmark und die Aktivierung von Osteoklasten typische Charakteristika von Myelomzellen.
-
▪
Bei der Diagnosestellung muss unterschieden werden zwischen einer monoklonalen Gammopathie unbestimmter Signifikanz (MGUS), einem “asymptomatischen” multiplen Myelom, das nicht behandlungsbedürftig ist, und einem behandlungsbedürftigen “symptomatischen” multiplen Myelom.
-
▪
Bei der aktuellen Klassifikation kommt dem paraproteinasso-ziierten Gewebs- oder Organschaden große Bedeutung zu.
-
▪
Asymptomatische Patienten mit einem multiplen Myelom ohne paraproteinassoziierte Organveränderungen sind nicht behandlungsbedürftig, müssen jedoch regelmäßig untersucht werden, um eine Progression der Krankheit rechtzeitig festzustellen.
-
▪
Das symptomatische multiple Myelom muss mit einer Chemotherapie behandelt werden. Patienten bis 65 Jahre erhalten nach Ausschluss von Kontraindikationen vorzugsweise eine Hochdosischemotherapie mit anschließender häma-topoetischer peripherer Stammzelltransplantation.
-
▪
Bei Patienten, die für eine Hochdosistherapie nicht in Frage kommen, wird eine Kombination von Melphalan und Prednison (MP-Protokoll) eingesetzt, eventuell zukünftig in Kombination mit neueren Wirkstoffen (Thalidomid, Borte-zomib, Lenalidomid).
-
▪
Eine neue Therapiestrategie ist der Einsatz von Proteasom-inhibitoren. Bortezomib ist die erste Substanz dieser neuen Medikamentenklasse und für die Therapie des vorbehandelten multiplen Myeloms zugelassen. In Studien war es Dexamethason in Bezug auf die Überlebenszeit überlegen.
-
▪
Weitere Therapieoptionen bei vorbehandeltem multiplem Myelom sind Thalidomid (in Deutschland dafür nicht zugelassen!) und Lenalidomid.
-
▪
Zur Behandlung der beim Myelom erhöhten Osteoklasten-aktivität werden bei Patienten mit Osteolysen oder diffuser Knochenbeteiligung Bisphosphonate eingesetzt.
-
▪
Behandlungsbedürftige Komplikationen bei multiplem Myelom umfassen Infektionen (bakterielle Infektionen bilden eine der Haupttodesursachen bei Patienten mit multiplem Myelom!), Nierenversagen, Hyperviskositätssyndrom und neurologische Komplikationen bis hin zur Querschnittslähmung durch Wirbelkörperfraktur oder paraverteb-rales Tumorwachstum.
Sonstige Plasmazellerkrankungen
-
▪
Die Plasmazell-Leukämie kann mit Bortezomib sowie Hochdosistherapie mit hämatopoetischer Stammzelltransplantation behandelt werden. Die Prognose ist ungünstig.
-
▪
Das solitäre Plasmozytom ist ein maligner Plasmazelltumor an lokalisierter Stelle, ohne Infiltration des Knochenmarks. Es wird mit Strahlentherapie in kurativer Intention behandelt. Verlaufskontrollen sind erforderlich, da es in ein multiples Myelom übergehen kann.
-
▪
Die Leichtketten-Amyloidose kann alle Organe befallen, die Therapie entspricht in Grundzügen den Behandlungsoptionen bei multiplem Myelom.
L 11 – 1
Multiples Myelom
Vorbemerkungen
CAVE:
! Die Durchführung der in diesem Beitrag skizzierten medikamentösen Therapien setzt eingehende Kenntnisse voraus und sollte in der Hand eines Hämatolo-gen/Onkologen liegen.
Eigenschaften der Myelomzellen
•
Typisch ist die Expansion im Knochenmark, seltener außerhalb des Knochenmarks (extramedullär). Als Folge der Knochenmarkinfiltration können Zytopenien auftreten.
•
Myelomzellen produzieren intakte Immunglobu-line oder freie Leichtketten:
–
IgG-, IgA- und Leichtketten-Myelome (Bence-Jones-Myelome) sind häufig,
–
IgD- oder IgM-Myelome sind äußerst selten.
–
Ebenfalls selten sind sog. asekretorische Myelo-me, bei denen mit der Immunfixation kein mono-klonales Protein im Serum oder Urin nachgewiesen werden kann.
•
Myelomzellen aktivieren Osteoklasten. Die erhöhte Knochenresorption führt sehr häufig zur Bildung von Osteolysen, gelegentlich kommt es zu einer diffusen Osteopenie und Hyperkalzämie.
-
•
Bei Produktion von intakten Immunglobulinen kann als Folge der Erhöhung der Immunglobulin-konzentration im Plasma ein Hyperviskositätssyn-drom auftreten.
Insbesondere Bence-Jones-Myelome führen häufig zu einer Nierenfunktionsstörung.
-
•
Die Hemmung der Bildung der nicht-beteiligten Immunglobuline (z. B. die Verminderung der IgG- und IgM-Konzentrationen bei einem IgA-Myelom) kann zu einem Antikörpermangelsyndrom führen. Trotz der Erhöhung einer Immunglobulinfraktion besteht häufig ein funktionelles Defizit an Immunglobulinen. Infektionen bilden eine häufige Todesursache.
-
•
Die klinischen Symptome bestehen meist in Müdigkeit, Abgeschlagenheit und Knochenschmerzen.
-
•
Symptome durch Anämie und Niereninsuffizienz sowie Infektanfälligkeit können hinzukommen.
-
•
Hyperkalzämie führt zur Müdigkeit und Exsikkose, gelegentlich auch zur Somnolenz bis zum Koma.
L 11 – 2
Diagnostik
Untersuchungen
Labor
-
•
Blutbild mit Differenzialblutbild, im Serum oder Plasma:
–
Kreatinin, Kalzium, Protein,
–
Elektrophorese,
–
Immunfixation und quantitative Bestimmung der Immunglobulinfraktionen IgG, IgA, IgM, CRP, ß2-Mikroglobulin.
-
•
Im 24-Stunden-Sammelurin:
–
Immunfixation,
–
Proteinausscheidung pro Tag,
–
bei Proteinurie auch Albuminausscheidung sowie Leichtketten-Ausscheidung pro Tag.
Knochenmarkuntersuchung
•
Knochenmarkzytologie und -histologie,
•
Immunphänotypisierung des Knochenmarkaspirats,
•
Zytogenetik und
•
Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH).
Röntgen Skelettstatus
•
Schädel,
•
HWS, BWS, LWS,
•
Beckenübersicht,
•
knöcherner Hemithorax beidseits,
•
Humerus sowie Femur beidseits.
CAVE:
! Die Skelettszintigraphie ist beim multiplen Myelom obsolet, da sie die Osteoblastenaktivität widerspiegelt, diese aber beim multiplen Myelom – im Gegensatz zu Knochenmetastasen bei soliden Tumoren – nicht (regelhaft) erhöht ist.
Diagnosekriterien
•
monoklonale Gammopathie unbestimmter Signifikanz (MGUS),
•
“asymptomatisches” multiples Myelom (nicht behandlungsbedürftig) und
•
“symptomatisches” multiples Myelom (behandlungsbedürftig).
•
Beim multiplen Myelom beträgt der Anteil der phä-notypisch aberranten Plasmazellen im Knochenmark > 90%, bei MGUS ist dieser Anteil deutlich geringer.
Stadieneinteilung und Prognosefaktoren
•
der Labeling-Index, der immunzytochemisch bestimmt wird, oder
•
der S-Phasenanteil der Myelomzellen, der durchfluss-zytometrisch im Knochenmarkaspirat untersucht wird.
•
Kürzlich wurde eine weitere prognostische Einteilung publiziert, die sich nach dem β2-Mikroglobulin und Serumalbumin richtet (ISS, international staging system, Greipp et al. 2005).
•
Die Monosomie oder Deletion des Chromosoms 13 geht mit einer ungünstigen Prognose einher.
•
Kürzlich wurde die prognostische Bedeutung weiterer chromosomaler Veränderungen, z. B. der 4;14-Trans-lokation erkannt (Avet-Loiseau et al. 2007).
Diese neueren Daten zeigen auch, dass die Bedeutung der Chromosom-13-Veränderungen in der Vergangenheit überschätzt wurde.
Remissionskriterien
Therapie bei asymptomatischen Patienten
L 11 – 3
Therapie bei symptomatischem multiplem Myelom
•
Für Patienten bis 65 Jahren stellt die Hochdosischemotherapie mit anschließender hämatopoetischer peripherer Stammzelltransplantation die Standardtherapie dar.
Erstlinientherapie
MP-Protokoll
•
Etwa 50% der mit MP behandelten Patienten erreichen eine Remission.
•
Die Therapie verlängert die Überlebenszeit um etwa 2–3 Jahre. Komplette Remissionen sind allerdings selten.
CAVE:
! MP weist eine Toxizität für die hämatopoetischen Stammzellen auf und darf nicht eingesetzt werden bei Patienten, die für eine Hochdosistherapie mit autologer hämatopoetischer Stammzelltransplantation in Frage kommen.
Als Faustregel gilt:
MP wird bei Patienten eingesetzt, die für eine Hochdosistherapie nicht in Frage kommen – aber auch nur bei diesen Patienten!
•
Daten von Phase-III-Studien zeigen eine Überlegenheit des MPT-Protokolls im Vergleich zu MP. Die Nebenwirkungen von MPT umfassen
–
thromboembolische Ereignisse, die eine prophylaktische Antikoagulation mit niedermolekularen Heparinen erforderlich machen sowie
–
eine Zunahme der Infektionsrate, die durch eine prophylaktische Gabe von Ciprofloxacin beherrscht wurde.
•
MPV und MPR werden derzeit in Phase-III-Studien gegen MP geprüft. Die Ergebnisse dieser Studien bleiben abzuwarten.
VAD-Protokoll
-
•
Die Kombination VAD (Barlogie et al. 1984), bestehend aus einer Dauerinfusion von Vincristin und Adriamycin über 96 Stunden sowie einer hochdosierten Dexamethasongabe kann im Gegensatz zu MP bei Patienten, die eine deutliche Niereninsuffizienz aufweisen, in unverminderter Dosierung verabreicht werden.
-
•
Ein weiterer Vorteil der Therapie mit VAD ist ein schnelleres Ansprechen im Vergleich zu MP.
-
•
Nachteilig sind die höhere Infektionsrate und die umständlichere Applikationsform.
Hochdosischemotherapie
-
•
In großen randomisierten Studien konnte gezeigt werden, dass Patienten bis 65 Jahren im Stadium II und III nach Durie u. Salmon einen erheblichen Überlebensvorteil von einer initialen Polychemotherapie, gefolgt von einer Hochdosischemotherapie mit autologer hämatopoetischer Stammzelltransplantation haben (Attal et al. 1996, Child et al. 2003).
–
In der 1996 veröffentlichten Studie IMF-90 der französischen Myelomgruppe zeigte sich ein erheblicher Überlebensvorteil für die Hochdosisgruppe im Vergleich zu der konventionell behandelten Gruppe (Attal et al. 1996). Die 7-Jahres-Überlebens-rate betrug 43 versus 25%.
–
In der britischen Studie der Medical Research Council (MRC Myeloma VII Trial) wurden 407 unvorbehandelte Patienten, die jünger als 65 Jahre waren, in eine Gruppe mit Hochdosistherapie und autologer Stammzelltransplantation versus einer Gruppe mit Standard-Kombinationschemotherapie randomisiert (Child et al. 2003). Die komplette Remissionsrate war in der Hochdosisgruppe 44% und in der Niedrigdosisgruppe 8%. Sowohl das progressionsfreie Überleben, als auch das Gesamtüberleben war in der Hochdosisgruppe signifikant besser.
Zusammenfassend gilt:
Nach diesen und anderen Daten wird die Hochdosistherapie mit autologer hämatopoetischer Stammzelltransplantation bei Patienten bis 65 Jahren als die Standardtherapie angesehen.
Therapieoptimierung
•
Derzeit gehen die Bestrebungen in klinischen Studien dahin, durch eine wirksamere Induktionstherapie als VAD die Tumorlast vor der Hochdosischemotherapie effektiver zu senken, um sowohl die komplette Remissionsrate, als auch die langfristigen Therapieergebnisse nach der Hochdosistherapie zu bessern.
–
Die noch nicht publizierten Daten der französischen Studiengruppe zeigen eine deutliche Erhöhung der kompletten Remissionsrate mit Bortezo-mib + Dexamethason in der Induktionstherapie im Vergleich zu VAD. Dieser Vorteil bleibt auch nach der Hochdosistherapie bestehen.
–
Derzeit evaluiert die Deutsche Studiengruppe Multiples Myelom (DSMM) die Kombination Bortezo-mib + Cyclophosphamid + Dexamethason in der Induktionstherapie.
•
Ein weiterer Weg, die langfristigen Ergebnisse zu bessern, ist die Verwendung von Erhaltungs- oder Konsolidierungstherapien.
–
In einer Phase-III-Studie wurde gezeigt, dass Thali-domid als Erhaltungstherapie nach der Hochdosischemotherapie das Überleben günstig beeinflusst (Attal et al. 2006).
–
DSMM untersucht derzeit in Studien den Stellenwert einer Konsolidierungstherapie mit Bortezomib.
Ältere Patienten
•
In einer randomisierten Studie der italienischen Myelomgruppe (Palumbo et al. 2004) wurde bei Patienten, die zwischen 55 und 70 Jahre alt waren, eine Hochdosistherapie mit Melphalan 100 mg/m2 mit MP verglichen. Die Überlebenszeit war sowohl bei den Patienten unter 65 Jahren, als auch bei Patienten zwischen 65 und 70 Jahren in der Hochdosisgruppe signifikant besser.
Allogene Stammzelltransplantation
•
Die Daten der französischen Myelomgruppe (99/03 und 99/04 Studien) zeigen, dass die Rezidivraten nach allogener Transplantation nicht geringer sind als nach autologer Transplantation, jedoch die therapieassoziierte Mortalität höher ist, sodass die Tandem-Hochdosistherapie mit autologer Stammzelltransplantation in dieser Studie zu besseren Gesamtergebnissen führte (Garban et al. 2006).
•
Die Daten der italienischen Myelomgruppe favorisieren jedoch die allogene Transplantation (Bruno et al. 2007).
L 11 – 4
Rezidivtherapie
CAVE:
! Hochdosiertes Dexamethason führt häufig zu Infektionen.
Bortezomib
Wirkprinzip
•
Die Hemmung der Proteasomaktivität führt zu einem Anstieg der Konzentration des Inhibitors des Transkriptionsfaktors Nuclear factor kappaB (NF-kB), der beim multiplen Myelom konstitutiv aktiviert ist. NF-kB führt zu einer Erhöhung der Bildung von Wachstumsfaktoren (z. B. IL-6), Zelladhäsionsmolekülen und Anti-Apoptosefaktoren und trägt somit zum Zellwachstum der malignen Zellen und zu einem Schutz vor Apoptose bei.
Studien
•
92% der Patienten waren bereits mit Therapieprotokollen vorbehandelt, die mindestens 3 der bei multiplem Myelom wirksamen Substanzklassen enthielten. 64% der Patienten waren mit Stammzelltransplantation und 83% mit Thalidomid vorbehandelt. 91% der Patienten waren auf die letzte Behandlung refraktär gewesen.
•
Bortezomib wurde in einer Dosis von 1,3 mg/m2 zwei Wochen lang zweimal wöchentlich appliziert, dann folgte eine Woche Therapiepause.
•
Bei suboptimalem Ansprechen erhielten die Patienten zusätzlich orales Dexamethason (20 mg p.o.), das an den Tagen der Verabreichung von Bortezomib sowie am darauffolgenden Tag gegeben wurde.
•
Maximal wurden 8 Zyklen appliziert.
•
Thrombopenie (bei 28% der Patienten),
•
periphere Neuropathie (12%),
•
Müdigkeit (12%) und
•
Neutropenie (11%).
Kombinationstherapien
Zusammenfassend gilt:
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass mit Proteasominhibitoren eine neue Therapiestrategie in die Krebsbehandlung Eingang gefunden hat. Borte-zomib ist die erste Substanz dieser neuen Medikamentenklasse.
•
Auch Hochrisikopatienten (Patienten mit Niereninsuffizienz oder ungünstigen zytogenetischen Subtypen wie Deletion des Chromosoms 13, Translokation 4;14) können auf Bortezomib gut ansprechen.
•
Die wichtigsten Nebenwirkungen bestehen aus
–
Thrombozytopenie,
–
peripherer Neuropathie,
–
Müdigkeit und
–
Neutropenie.
Thalidomid
Wirkprinzip
•
Einige angiogene Zytokine sind bei Patienten mit multiplem Myelom erhöht (Sezer et al. 2001b).
•
Die Angiogenese nimmt beim multiplen Myelom im Verlauf der Krankheitsprogression weiter zu.
Studien
•
Müdigkeit bzw. Schläfrigkeit (die Einnahme sollte abends erfolgen), Somnolenz,
•
Neuropathie,
•
Obstipation,
•
thromboembolische und
•
allergische Komplikationen.
•
Hämatologische Nebenwirkungen sind gering ausgeprägt.
Praktische Anwendung
CAVE:
!
-
•
Thalidomid ist derzeit in Deutschland für die Therapie des multiplen Myeloms nicht zugelassen, kann jedoch unter Berücksichtigung der Regularien für die Therapie des multiplen Myeloms bei denjenigen Patienten eingesetzt werden, für die es keine sonstige Therapieoption gibt und die nicht schwanger werden können.
-
•
Thalidomid ist bekanntlich teratogen.
-
•
Die Behandlung mit Thalidomid sollte nur von Ärzten durchgeführt werden, die die Teilgebietsbezeichnung Hämatologie führen und/oder über besondere Expertise mit Umgang mit Thalidomid verfügen.
-
•
Sehr hilfreich sind die Informationen, die auf der Internetseite der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO) zur Verfügung stehen, u. a. auch Checklisten sowie Formulare für die Patientenaufklärung (www.dgho.de/Die DGHO/Grundlegende Dokumente/Thalidomid bei multiplem Myelom).
Kombinationstherapien
-
•
Die Kombination von Thalidomid mit Dexamethason erhöht die Remissionsrate auf 50–60%, sodass bei fehlender individueller Kontraindikation diese Kombination attraktiv erscheint.
–
Die Kombination von Thalidomid mit Dexame-thason oder mit Zytostatika erhöht die Rate von thromboembolischen Komplikationen, sodass viele Experten den Einsatz von niedermolekularen Heparinen favorisieren.
-
•
Die zusätzliche Gabe einer Chemotherapie, z. B. Cyclophosphamid, erhöht die Remissionsrate weiter (Garcia-Sanz et al. 2002).
-
•
Die Kombinationen von Thalidomid mit Adriamycin gehen mit einer stark erhöhten Rate thromboembolischer Komplikationen einher (Zangari et al. 2002), sodass im Allgemeinen davon abgeraten werden muss.
Lenalidomid
•
Die empfohlene Initialdosis von Lenalidomid beträgt 25 mg oral einmal täglich an den Tagen 1–21 der sich wiederholenden 28-Tage-Zyklen.
•
Die empfohlene Dosis von Dexamethason beträgt 40 mg oral einmal täglich an den Tagen 1–4, 9–12 und 17–20 eines jeden 28-Tage-Zyklus für die ersten 4 Zyklen der Therapie, und anschließend 40 mg einmal täglich an den Tagen 1–4 des 28-Tage-Zyklus.
Studien
•
Die Remissionsrate betrug mit Lenalidomid + Dexamethason 61 vs. 21% mit Dexamethason alleine (Weber et al. 2006).
•
Sowohl die Zeit bis zur Progression (median 11,1 versus 4,7 Monate), als auch die Überlebenszeit waren mit der Kombinationstherapie länger (median 29,6 versus 20,5 Monate).
•
Die häufigsten unerwünschten Wirkungen von Grad 3 und Grad 4 waren
–
Neutropenie 35%,
–
Thrombopenie 13%,
–
Anämie 11%.
–
Tiefe Beinvenenthrombosen oder Lungenembolien traten bei 12% der Patienten auf, daher ist eine prophylaktische Behandlung mit niedermolekularen Heparinen oder mit Acetylsalicylsäure erforderlich.
–
Im Gegensatz zu Thalidomid weist Lenalidomid eine deutliche Hämatotoxizität auf.
–
Im Vergleich zu Thalidomid sind Sedierung, Neuropathie und Obstipation durch Lenalidomid wesentlich geringer ausgeprägt.
Weitere neue Therapieansätze
L 11 – 5
Knochen und Bisphosphonattherapie bei multiplem Myelom
Als Faustregel gilt:
Die Induktion von osteolytischen Läsionen stellt eines der wichtigsten Charakteristika von malignen Plasmazellen dar.
Bisphosphonate
•
In der Studie von Berenson (Berenson et al. 1996) erhielten Patienten mit multiplem Myelom im Stadium III und mindestens einer Osteolyse in Begleitung zu einer Chemotherapie randomisiert entweder 90 mg Pamidronat i.v. monatlich oder Plazebo. Den primären Endpunkt dieser Studie stellten die sog. Skelettereignisse dar: pathologische Frakturen, eine spinale Kompression oder die Notwendigkeit einer Operation oder Strahlentherapie im Skelettsystem. Nach 9 Monaten war der Anteil der Patienten, die Skelettereignisse aufwiesen, in der Pamidronat-Gruppe signifikant geringer (24%) als in der Plazebo- Gruppe (41%).
CAVE:
! Unter der Bisphosphonattherapie ist die Überprüfung der Nierenfunktion erforderlich.
Komplikationen
•
Krebserkrankung,
•
Bisphosphonate,
•
zusätzliche Chemotherapie,
•
Kortikosteroide,
•
invasive zahnärztliche Eingriffe,
•
lokale Infektionen.
Als Faustregel gilt:
-
•
Unter der Bisphosphonattherapie sollten Tumorpatienten auf eine sehr gute Mundhygiene achten.
-
•
Aktive orale Infektionen müssen behandelt werden.
-
•
Während der Bisphosphonatbehandlung sollten bei Myelompatienten invasive dentale Eingriffe zugunsten von zahnerhaltenden, nicht invasiven Verfahren möglichst vermieden werden.
Es ist zu erwarten, dass unter diesen Maßnahmen die Rate der Osteonekrose im Kieferbereich zurückgehen wird.
Sonstige Therapieoptionen
-
•
Neben der Behandlung mit Bisphosphonaten ist die Strahlentherapie eine wichtige Behandlungsoption für die lokale Tumorkontrolle und Schmerzreduktion. Häufig werden 30 Gy in 10–15 Fraktionen ap-pliziert.
-
•
Eine chirurgische Intervention kann bei drohenden oder stattgehabten Frakturen erforderlich sein. Für Wirbelkörpersinterungen ist mit der Kyphoplastie eine im Vergleich zu der Vertebroplastie risikoarme Methode eingeführt worden, die häufig zur funktionellen Stabilität und zu Schmerzlinderung führt.
-
•
Die Bedeutung einer optimalen medikamentösen analgetischen Behandlung muss unterstrichen werden.
L 11 – 6
Supportivtherapie und Behandlung von Komplikationen
Infektionen
CAVE:
! Bakterielle Infektionen bilden eine der Haupttodesursachen bei Patienten mit multiplem Myelom.
•
Die Rate an schweren bakteriellen Infektionen kann durch die volldosierte Gabe von Trimethoprim-Sulfamethoxazol während der ersten Monate der Therapie gesenkt werden (Oken et al. 1996). Bei Verdacht auf eine bakterielle Infektion sollte mit der antibiotischen Therapie unverzüglich begonnen werden.
•
Antikörpermangel ist eine wesentliche Ursache für Infektionen. Bei schweren Infektionen müssen Immunglobuline substituiert werden. Bei rezidivierenden Infektionen bei Antikörpermangel (Antikör-permangelsyndrom) kann die prophylaktische Gabe von Immunglobulinen indiziert sein.
•
Eine Impfung gegen Pneumokokken ist empfehlenswert.
Nierenversagen
•
Ausschluss von anderen Ursachen,
•
Infusionstherapie,
•
Absetzen aller nephrotoxischer Medikamente und
•
eine rasche Einleitung einer schnell wirksamen Chemotherapie sind notwendig (Adriamycin/Dexame-thason oder Bortezomib/Dexamethason).
Hyperviskositätssyndrom
•
Sehstörungen,
•
Kopfschmerzen,
•
Benommenheit,
•
Blutungen.
Hämatopoetische Insuffizienz
Neurologische Komplikationen
•
Bei akuter Querschnittslähmung ist eine sofortige, notfallmäßige Operation (Laminektomie) indiziert.
•
Bei diskreter Symptomatik durch ein paravertebrales Myelomwachstum (MRT) kann die Strahlentherapie ausreichend sein.
•
Polyneuropathie,
•
Organomegalie,
•
Endokrinopathie,
•
monoklonalem Protein und
•
Hautveränderungen (skin) manifestiert.
L 11 – 7
Plasmazell-Leukämie
L 11 – 8
Solitäres Plasmozytom
•
Solitäre Plasmozytome können sich an diversen Regionen des Körpers, also auch außerhalb des Knochens und Knochenmarks bilden (extramedulläres Plasmozytom).
•
Eine Prädilektionsstelle ist der Waldeyersche Ring.
Therapie
•
Patienten, bei denen die Immunfixation nach der Bestrahlung negativ wird, weisen eine bessere Prognose als die anderen Patienten auf.
CAVE:
! Grundsätzlich kann ein Plasmozytom im weiteren Verlauf in ein multiples Myelom übergehen, sodass Verlaufskontrollen erforderlich sind.
L 11 – 9
Leichtkettenamyloidose
Therapie
•
Hochdosischemotherapie mit autologer Stammzelltransplantation,
•
Melphalan-Dexamethason (Palladini et al. 2004),
•
Melphalan-Prednison,
•
Adriamycin-Dexamethason.
CAVE:
! Da die Patienten mit Amyloidose eine Reihe von Besonder- heiten und eine hohe therapieassoziierte Morbidität und Mortalität aufweisen, ist dringend zu raten, dass die Behandlung von einem (oder zumindest in Zusammenarbeit mit einem) Amyloi-doseexperten durchgeführt wird.
Literatur
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