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978-3-437-22107-1
Elsevier Inc.
Nicht-invasive Beatmung bei respiratorischer Insuffizienz im Kindesalter
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Vorbemerkungen D 15.2 – 1
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NIV bei akuter respiratorischer Insuffizienz. D 15.2 – 2
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Indikationen und Kontraindikationen D 15.2 – 2
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Komplikationen und Nebenwirkungen D 15.2 – 2
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Praktische Aspekte D 15.2 – 3
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Abbruchkriterien für die NIV D 15.2 – 4
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NIV bei chronischer respiratorischer Insuffizienz D 15.2 – 5
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NIV-Dauertherapie D 15.2 – 5
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Praktische Aspekte D 15.2 – 6
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NIV versus Tracheotomie D 15.2 – 6
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Kasuistik D 15.2 – 7
Kernaussagen:
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Die NIV im Kindesalter bei akuter respiratorischer Insuffizienz dient in der Regel der Unterstützung einer insuffizienten aber erhaltenen Spontanatmung (augmentierte Beatmung).
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Ein frühzeitiger Beginn kann u. U. eine respiratorische Erschöpfung verhindern und bei schwerer Dyspnoe einem Lungenödem entgegenwirken.
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Bei Säuglingen und kleinen Kindern mit schwerer Atemstörung ist die NIV häufig nicht angezeigt. Bei Früh- und Neugeborenen hingegen kann eine Atemunterstützung mittels CPAP (continous positive airway pressure) sehr hilfreich sein. Ältere Kinder ab dem Schulalter tolerieren eine NIV wieder besser.
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Eine invasive Beatmung mit dem Abbruch der NIV wird notwendig, wenn eine zunehmende Erschöpfung der Atemmuskulatur mit Abnahme der alveolären Ventilation, eine Verschlechterung der Oxygenierungsfunktion und zunehmende Bewusstseinstrübung beobachtet werden sowie wenn Kontraindikationen für eine NIV neu auftreten.
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Bei Säuglingen und Kleinkindern mit chronischer Lungenkrankheit bzw. bronchopulmonaler Dysplasie (CLD/BPD) ist meist eine Entwöhnung von der NIV möglich, bei den meisten anderen Krankheiten, die zu CVI führen, ist dagegen mit einer Dauertherapie zu rechnen.
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□
Bei der Behandlung von chronisch kranken Kindern muss darauf geachtet werden, dass das Beatmungsgerät für den ambulanten Einsatz geeignet ist. Eine gute ambulante Betreuung und regelmäßige Kontrollen müssen gewährleistet sein.
D 15.2 – 1
Vorbemerkungen
D 15.2 – 2
NIV bei akuter respiratorischer Insuffizienz
Indikationen und Kontraindikationen
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Die Atemmuskulatur soll entlastet,
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die funktionelle Residualkapazität (FRC) stabilisiert,
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die endogene tracheo-bronchiale Clearance erhalten sowie
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ein adäquater Gasaustausch gewährleistet werden.
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einem Glasgow-Koma-Scale > 8,
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kardio-respiratorischer Instabilität (z. B. Reanimation),
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massiver Hämoptyse,
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fehlenden Schutzreflexen (Aspirationsrisiko),
•
Fremdkörperverlegung der oberen Atemwege,
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massivem Sekretverhalt (v. a. zähes, üppiges Sekret und unzureichender Hustenstoß),
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obstruktivem Ileus sowie
•
beim „unkooperativen Patienten”.
Komplikationen und Nebenwirkungen
CAVE:
! Schon bei relativ geringen Atemwegsdrücken kann es zur gastralen Distension durch Luft und zum gastroösophagealen Reflux kommen (maximaler empfohlener Spitzendruck > 20 cmH2O, ggf. Magensonde legen).
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Hautläsionen (Druckschäden durch die Maske),
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Irritationen der Augen (bei Leckagen der Maske, bedingt durch den hohen Gasfluss),
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Schleimhautschäden (bei unzureichend angefeuchteten Atemgasen) und
•
Atelektasen-Bildung.
•
ein Pneumothorax,
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ein Abfall des Herzzeitvolumens (durch den erhöhten intrathorakalen Druck, v. a. bei gleichzeitiger Hypovolämie) sowie
•
eine progressive Hyperkapnie (z. B. bei „air-trapping” bzw. „zu hohem” PEEP [positiver endexspiratorischer Druck] und „zu geringer” inspiratorischer Druckunterstützung).
D 15.2 – 3
Praktische Aspekte
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Das Alter des Kindes:
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Säuglinge und kleine Kinder mit schwerer Atemstörung profitieren häufig nicht von einer NIV.
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Bei Früh- und Neugeborenen hingegen kann eine Atemunterstützung mittels CPAP (continuous positive airway pressure) sehr hilfreich sein.
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Ältere Kinder, ab dem Schulalter, tolerieren eine NIV wieder zunehmend besser.
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Die zugrunde liegende Pathophysiologie der respiratorischen Dysfunktion:
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Handelt es sich um eine überwiegend obstruktive (z. B. Asthma, Bronchitis), restriktive (z. B. Lungenödem, ARDS, Pneumonie) oder eine gemischte Problematik?
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Wie groß ist das Ausmaß der Erschöpfung der Atempumpe?
Bei fortgeschrittener respiratorischer Erschöpfung ist eine NIV u. U. weniger erfolgversprechend, kann aber je nach Klinik und Erfahrung des Behandlungsteams versucht werden.
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Besteht eine Störung des zentralen Atemantriebs? Lang anhaltende, nicht stimulierbare Apnoen mit tiefen SpO2-Abfällen stellen eine Indikation zur invasiven Beatmung dar.
•
Das Ausmaß der kardio-respiratorischen Beeinträchtigung:
Die Einschätzung erfolgt anhand der Grunderkrankung, der Klinik, der Vitalparameter, der Blutgase, sowie des Verlaufs.
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Das „klinische Setting”:
Die NIV bei akuter respiratorischer Insuffizienz erfolgt auf einer dafür geeigneten Station mit geschultem Personal (entsprechendes Monitoring, ausreichende Befeuchtung der Atemgase, Möglichkeit der invasiven Beatmung).
CAVE:
! Insbesondere bei Säuglingen und Kleinkindern ist schneller mit einer Dekompensation zu rechnen, die in einer globalen respiratorischen Insuffizienz münden kann: der Zeitpunkt zur NIV bzw. zur Intubation und invasiven Beatmung darf nicht verpasst werden.
Atemmaske
Als Faustregel gilt:
Zu große Masken sind zu vermeiden!
Sedierung
Gerätetechnische Anforderungen und Einstellung der Beatmung
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druckkontrollierte, flow-gesteuerte Beatmungsmodi (z. B. CPAP, assisted spontaneous-breathing [ASB], pressure-support-ventilation [PSV], Biphasic positive airway pressure [BIPAP®, Synonyme BiLevel, BiPhase etc.]),
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inspiratorische und exspiratorische Trigger (möglichst einstellbar),
•
variablen endexspiratorischen Druck (positive endexpiratory pressure [PEEP]),
•
ausreichend hohe inspiratorische Gasflüsse (zur Kompensation von Leckagen) sowie
•
Apnoe-Alarm sowie „Back-up”-Ventilation.
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•
der CPAP-Modus (PEEP und ggf. inspiratorischen Gasfluss wählen)
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•
der ASB/PSV-Modus (PEEP, Unterstützungsdruck, Trigger und ggf. Flow-Anstiegsgeschwindigkeit wählen) und
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•
der BIPAP-Modus (Druckniveaus (unteres [PEEP bzw. EPAP] und oberes Druckniveau [PIP bzw. IPAP], Zeiten [I:E, Af] und Trigger wählen).
CPAP-Beatmung
ASB/PSV-Beatmung
BIPAP
CAVE:
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! •
Es muss beachtet werden, dass die herkömmlichen Beatmungsgeräte in der Regel für Erwachsene konstruiert wurden und daher die Triggertechnik u. U. nicht für die Bedürfnisse von Kindern eingerichtet ist. Möglichst niedrige inspiratorische Trigger sollten bevorzugt werden (Flow- statt Drucktrigger), um die Atemarbeit gering zu halten.
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Möglicherweise kommt es zum „Autotriggerung” z. B. durch Wasserbewegungen in den Schläuchen.
D 15.2 – 4
Abbruchkriterien für die NIV
•
eine zunehmende Erschöpfung der Atemmuskulatur mit Abnahme der alveolären Ventilation (geringes Vt trotz max. Druckunterstützung, Tachy-/Dyspnoe, weiterer Anstieg des paCO2 mit pH > 7,2) oder
•
eine Verschlechterung der Oxygenierungsfunktion (SpO2 > 85% trotz hohem PEEP und FiO2) oder
•
zunehmende, nicht durch Sedativa bedingte Bewusstseinstrübung sowie
•
das Neuauftreten von Kontraindikationen für eine NIV.
D 15.2 – 5
NIV bei chronischer respiratorischer Insuffizienz
Zystische Fibrose
NIV-Dauertherapie
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neuromuskuläre Erkrankungen (z. B. Muskeldystrophie vom Typ Duchenne, spinale muskuläre Atrophie, diverse Myopathien),
•
Thorax- und Rippendeformitäten (z. B. progressive, idiopathische und juvenile Skoliose, milde Formen der asphyxierenden thorakalen Dystrophie, fortgeschrittene zystische Fibrose kompliziert durch Hyperkapnie),
•
Adipositas-Hypoventilations-Störungen (z. B. Prader-Willi-Syndrom, Adipositas mit Schlaf-Apnoe-Syndrom),
•
chronische Obstruktionen der oberen Atemwege (z. B. kraniofaziale Syndrome mit Mittelgesichts- oder Mandibulahypoplasie, Down-Syndrom, obstruktives Apnoe-Syndrom, Laryngomalazie),
•
chronische pulmonale Erkrankungen (chronische Lungenkrankheit des Frühgeborenen [CLD/BPD], pulmonale Hypertonie),
•
Dysfunktionen des zentralen Atemantriebs („congenital central hypoventilation syndrome”, CCHS) sowie
•
gemischte Atemstörungen (Zerebralparese, Arnold-Chiari-Syndrom).
•
die Unterstützung der Atemmuskulatur (Erholungsphasen),
•
die Abnahme v. a. nächtlicher Hyperkapnie und Hypoxämie,
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die Zunahme der Schlafqualität,
•
die Verbesserung der Leistungsfähigkeit am Tag,
•
die Vermeidung von Atelektasen und ggf.
•
eine Stabilisierung der oberen Atemwege.
D 15.2 – 6
Praktische Aspekte
Als Faustregel gilt:
Insbesondere bei nächtlicher Hypoventilation kann die NIV dazu beitragen, dass eine „Normalisierung” der paCO2- und paO2-Werte erreicht wird und damit ein besseres Ansprechen des Atemzentrums während des Tages (Katz et al. 2004, Smith et al. 1998). Zudem kann der Entwicklung eines Cor pulmonale entgegengewirkt werden.
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•
Die Einstellung der NIV erfolgt in der Regel stationär („customer tuned ventilation”). Es muss allerdings bedacht werden, dass die Möglichkeiten Sauerstoff zuzuführen im häuslichen Bereich begrenzt sind (mehr als 5 l/Min. O2 sind meist nicht praktikabel).
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•
Ein Pulsoxymeter für häusliche Kontrollen sollte zur Verfügung stehen.
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•
Eine gute ambulante Betreuung durch erfahrene Schwestern und Ärzte muss gewährleistet sein, um negative Entwicklungen (Versagen der NIV, Veränderungen der Grunderkrankung, Infektionen, Komplikationen der NIV etc.) rechtzeitig zu erkennen.
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•
In regelmäßigen Abständen sollten die Patienten zudem echokardiographisch (zur Beurteilung der rechtsventrikulären Funktion), lungenfunktionell (zur Beurteilung der Vitalkapazität und der Blutgase), sowie polysomnographisch (zur Erkennung nächtlicher Hypoxämien) kontrolliert werden.
NIV versus Tracheotomie
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•
Bei Patienten mit Duchenne Muskeldystrophie konnte mittels NIV und mechanisch unterstütztem Hustenstoß die pulmonale Clearance verbessert und eine Tracheotomie vermieden werden (Gomez-Merino und Bach 2002).
D 15.2 – 7
Kasuistik
Bei einem 10-jährigen Mädchen (25 kg KG) mit lymphatischem B-Zell-Lymphom im vorletzten Chemotherapie-Zyklus bei Aplasie des Knochenmarks kommt es zu einer plötzlichen Verschlechterung des Allgemeinzustandes sowie des Kreislaufes im Rahmen eines gramnegativen septischen Schocks.
Laborwerte
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Hf = 180/Min.
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RR = 60/28 mmHg
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SpO2 = 95% unter 2 l/Min. O2
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pH = 7,01
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•
BE = –20 mmol/l
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•
Laktat = 7 mmol/l.
Therapie und Verlauf
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•
Beginn mit Antibiotika-Therapie und Verlegung auf die Intensivstation
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•
massive Volumensubstitution (kumulativ ca. 100–200 ml/kg Kristalloide innerhalb von 24 Std.) und Katecholamin-Therapie zur Stabilisierung des Kreislaufs (Ziele: ScvO2 < 70%, MAD < 55 mmHg, ZVD 8–10 mmHg, Rekapill.-Zeit > 2 Sek., Diurese < 0,5 ml/kg/Std.)
Unter der Volumenzufuhr zunehmende Verschlechterung der respiratorischen Situation:
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Anstieg des O2-Bedarfs von 2 auf 4 l/Min.,
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•
Tachypnoe mit Af = 35–45/Min.,
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zunehmende Dyspnoe,
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•
paCO2 = 32 mmHg bei kompensatorischer Hyperventilation,
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pH = 7,25,
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•
im Röntgen-Thorax Zunahme bilateraler Infiltrate,
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•
Pleurergüsse bds.
Im Verlauf weiterer Anstieg des O2-Bedarfs bis 6 l/Min. mit erneutem pH-Abfall auf 7,1 bei paCO2-Anstieg.
Beginn einer NIV über eine Gesichtsmaske (PSV-Modus: PEEP = 8–10 mmHg, Unterstützungsdruck = 5–8 mmHg), darunter
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•
SpO2 < 90% bei initialer FiO2 = 0,75.
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Nach einer Stunde NIV Abfall der FiO2 auf > 0,5,
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•
Abfall der Af auf > 30/Min.,
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•
Stabilisierung des paCO2 bei 35–45 mmHg und einem pH < 7,2,
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•
Abfall der Hf auf 145/Min.
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•
sichtliche Entlastung der Dyspnoe.
Nach weiteren 3 Tagen und Entlastung eines Pleuraergusses Stabilisierung der respiratorischen Situation:
•
SpO2 < 95% bei FiO2 > 0,4,
•
PEEP = 5 mmHg, Unterstützungsdruck = 5 mmHg.
Auch röntgenologisch deutliche Besserung, daher Beendigung der NIV am 4. Tag.
LITERATUR
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