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978-3-437-22107-1
Elsevier Inc.
Typische Ursachen des chronischen Schluckaufs.
Ursachen | Beispiele |
Irritation im Bereich des Schluckauf-Reflexbogens (Hirnstamm, N. vagus, N. phrenicus)
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Metabolische und toxische Ursachen | • Urämie, Hypokapnie, Hypokaliämie, Hypokalzämie, Hyponatriämie, CO2-Mangel, Blutzuckerentgleisung, Alkohol, Fieber, Sepsis |
Medikamente | • Kortikosteroide, Allgemein-Anästhetika, Sulfonamide, Barbiturate, Benzodiazepine, Methyldopa, Morphine |
Operationen und Narkose | • Mechanische und/oder medikamentöse Irritation durch operativen Eingriff und/oder Narkose, Intubation, Ventilation |
Psychogen | • Trauerreaktion, Hysterie, Persönlichkeitsstörung, Anorexia nervosa |
Idiopathisch | • Keine auslösende Ursache identifizierbar |
Diagnostische Abklärung des chronischen Schluckaufs.
Anamnese |
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Allgemeine | • Körperliche Untersuchung |
Untersuchungen |
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Optionale weiterführende Diagnostik: Orientierung an Begleitsymptomen | |
bei Symptomen wie | Untersuchungen z.B. |
• Luftnot, Husten, Auswurf, Schmerzen beim Atmen | • BGA, Thorax-CT, Bronchoskopie |
• Kopfschmerzen, neurologische Ausfälle, Meningismus, Epilepsie, unerklärliches Erbrechen | • Schädel-CT oder MRT, Lumbalpunktion, EEG |
• Übelkeit, Erbrechen, Völlegefühl, Bauchschmerzen Refluxbeschwerden | • ÖGD, Sonographie, EUS, Abdomen-CT, MRT/MRCP Pankreasfunktions-, Ösophagusfunktionsdiagnostik |
• Schluckbeschwerden, Heiserkeit | • Laryngoskopie, Hals-CT/MRT, Ösophagus-pH-Metrie |
• Angina pectoris, Herzrhythmusstörungen | • EKG, Herzenzyme, Troponin-Test |
Beispiele nicht-medikamentöser Therapien des Schluckaufs.
Respiratorische Manöver |
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Nasale und pharyngeale Stimulation |
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Vagale Reizung |
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Entlastung einer Magendehnung |
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Reizung des Zwerchfells |
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Psychotherapie |
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Unterbrechung des N. phrenicus |
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Andere Mittel |
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Beispiele medikamentöser Therapien des Schluckaufs.
Medikament | Dosierung* |
Baclofen |
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Gabapentin |
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Chlorpromazin |
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Metoclopramid | 10–30 mg/Tag p.o., ggf. initial 10 mg i.v. |
Valproinsäure |
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Carbamazepin |
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Nifedipin | 10–60 mg/Tag p.o. |
Orphenadrin | 100 mg retard 2 × tgl., ggf. initial 60 mg i.v. (maximale Tagesdosis 400 mg) |
Weitere Medikamente, die zur Schluckauf-Therapie eingesetzt werden können.
zentral wirksam |
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peripher wirksam |
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*
entsprechend der Standarddosierungen für andere Indikationsgebiete; cave: Individuelle Begleiterkrankungen, Kontraindikationen und Bedarf für Dosisanpassungen überprüfen!
Schluckauf
Kernaussagen
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□
Akuter, vorübergehender Schluckauf ist lästig, aber in der Regel harmlos und selbstlimitierend.
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□
Persistierender oder chronischer Schluckauf ist meist Folge einer chronischen Reizung einer Komponente des Schluckauf-Reflexbogens (z.B. N. phrenicus, N. vagus, Hirnstamm) und meist mit erheblicher Morbidität der betroffenen Patienten verbunden.
-
□
Es gibt eine Vielzahl möglicher Ursachen für persistierenden Schluckauf, darunter neben psychogenen Gründen metabolische Entgleisungen (z.B. Urämie, Hypokapnie), Medikamente, chemische, inflammatorische oder physikalische Reizungen des ZNS (z.B. Tumor, Ischämie, Enzephalitis, etc.), des N. phrenicus (z.B. subphrenischer Abszess, Tumoren, Pneumonie, etc.) oder des N. vagus (z.B. HNO-Tumoren, Myokardinfarkt, Fremdkörper im Ohr, gastro-ösophagealer Reflux, etc.).
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□
Häufig kann ein Schluckauf intra- oder perioperativ bedingt sein, z.B. durch operativ oder Narkose-bedingte mechanische Nervenirritation.
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□
Die Behandlung der auslösenden Ursache ist anzustreben, aber nicht immer möglich.
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□
Zahlreiche symptomatische Therapieoptionen sind beschrieben, aber die Evidenzlage ist schwach.
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□
Nach dem empfohlenen Stufenschema folgen auf (1) einfache physikalische Manöver wie Eiswassertrinken o.Ä., (2) medikamentöse Therapien in Abhängigkeit von den Begleiterkrankungen, dann (3) suggestive Therapien wie Akupunktur, Hypnose oder Psychotherapie und schließlich (4) invasive Therapien wie vorübergehende oder permanente Phrenikusunterbrechung.
–
Wichtig ist die interdisziplinäre Betreuung der Patienten!
P 19 – 1
Pathophysiologie
Definition
Der Schluckauf (Singultus) wird ausgelöst durch einen Reflex, der meist mit beginnender Einatmung zu einer unwillkürlichen Kontraktion des Zwerchfells und der Atemhilfsmuskulatur führt. Durch den ebenfalls assoziierten, zeitlich minimal verzögerten Verschluss der Glottis entsteht das typische „Hicks”-Geräusch.
•
In den afferenten Schenkel des Reflexbogens sind N. phrenicus, N. vagus sowie der thorakale Sympathikus (T6–T12) involviert.
•
Die zentrale Umschaltung erfolgt in einem Netzwerk zwischen Hirnstamm und Hypothalamus und beteiligt u.a. das Atemzentrum und verschiedene Hirnnervenkerne.
•
Der efferente Schenkel umfasst den N. phrenicus (C3–C5) mit Innervation des Zwerchfells, motorische Nerven mit Innervation der vorderen Scalenus-Muskeln (C5–C7) und der Interkostalmuskeln (T1–T11) sowie den Recurrens-Ast des N. vagus mit Innervation der Glottis.
Akuter Schluckauf
•
starke Magendehnung (z.B. nach Einnahme üppiger Mahlzeiten oder kohlensäurehaltiger Getränke),
•
plötzliche Temperaturänderungen,
•
Alkohol,
•
starkes Rauchen oder
•
psychogene Alterationen (z.B. Schreck oder Stress).
Persistierender oder chronischer Schluckauf
CAVE:
! Der chronische Schluckauf kann zu einer erheblichen Morbidität der betroffenen Patienten führen.
P 19 – 2
Diagnostik
Als Faustregel gilt:
Die diagnostische Abklärung des chronischen Schluckaufs ist wichtig, da eine Behandlung des Auslösers in der Regel die effektivste und manchmal die einzig wirksame Therapie darstellt.
P 19 – 3
Therapie
CAVE:
! Die Beseitigung der auslösenden Ursache – z.B. die Entfernung eines Fremdkörpers im Ohr, die Drainage eines subphrenischen Abszesses, die Operation eines Hirnstammtumors – ist stets anzustreben.
1.
einfache, nicht-medikamentöse Maßnahmen,
2.
medikamentöse Therapie,
3.
nicht-medikamentöse, suggestive Therapien und
4.
invasive Maßnahmen.
Einfache Maßnahmen
Medikamentöse Therapien
Als Faustregel gilt:
Aufgrund der allgemein geringen Evidenzlage können die verschiedenen Medikamente nicht in einer Abstufung ihrer Wirksamkeit empfohlen werden. Es ist daher anzuraten, die Wahl des Medikamentes unter Berücksichtigung der individuellen Begleiterkrankungen der Patienten und der jeweiligen Kontraindikationen der Wirkstoffe zu treffen. Bei Therapieversagen können nacheinander verschiedene Substanzen oder auch Kombinationen versucht werden.
•
So scheinen im ZNS z.B. die Antagonisierung des stimulierenden Neurotransmitters Dopamin (z.B. durch Chlorpromazin oder Metoclopramid) oder
•
die Verstärkung des inhibierenden Neurotransmitters GABA (Gamma-Aminobuttersäure; z.B durch Baclofen, Valproinsäure oder Gabapentin) einen Singultus unterdrücken zu können.
•
Als andere wirksame Mechanismen werden u.a. Membranstabilisierung (z.B. durch Nifedipin [Ca2+] oder Carbamazepin [Na+]) oder
•
Skelettmuskelrelaxation (z.B. durch Orphenadrin) diskutiert.
Nicht-medikamentöse Therapien
Invasive Therapien
CAVE:
! Wenn der Schluckauf nicht mit den oben genannten Maßnahmen beherrscht werden kann, stehen als ultima ratio auch invasive Therapieverfahren zur Verfügung.
CAVE:
! Einer permanenten Phrenikusdurchtrennung sollte eine reversible Unterbrechung mittels Leitungsblockade vorausgehen, um den Therapieerfolg des Schluckaufs und die Nebenwirkungen auf die Atemkapazität zu testen.
P 19 – 4
Kasuistik
Fallbeispiel persistierender Schluckauf
Pathomechanismus mechanische (und chemische?) Phrenikus-Irritation
•
Folgende Laborparameter waren pathologisch erhöht: CRP (3 mg/dl), Lipase (760 U/l), AP (413 U/l), γ-GT (223), Bilirubin gesamt (3,3 mg/dl) und Leukozyten (14.000 / μl).
•
Die Abdomensonographie zeigte eine Cholecystolithiasis und einen geringgradig erweiterten Ductus choledochus.
•
Das Pankreas war ödematös verändert und unscharf abgegrenzt; es bestanden peripankreatische Flüssigkeitsansammlungen.
•
Eine zu dem Zeitpunkt durchgeführte Abdomensonographie zeigte eine Zunahme der peripankreatischen Flüssigkeitsansammlungen.
-
•
Nach 24 Stunden persistierendem Schluckauf wurde eine Therapie mit Baclofen 3 × 5 mg/Tag p.o. eingeleitet. Ca. 12 Stunden später sistierte der Schluckauf. Die Baclofen-Therapie wurde 3 Tage lang fortgesetzt und dann ausgeschlichen. Der weitere Krankheitsverlauf war komplikationslos.
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•
Ca. 2 Wochen nach der stationären Entlassung stellte sich der Patient erneut vor mit seit 36 Stunden persistierendem Schluckauf, ohne klar erkennbaren Auslöser und ohne begleitende Beschwerdesymptomatik. Die Abdomensonographie zeigte nun eine große Pankreaspseudozyste (Durchmesser 8 cm) subphrenisch, welche endoskopisch transpapillär drainiert wurde. Bereits wenige Stunden nach dem Eingriff sistierte der Schluckauf.
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•
Sonographische Verlaufskontrollen belegten die erfolgreiche Drainage der Pseudozyste, sodass der Drainage-Katheter entfernt werden konnte. Der Schluckauf kehrte nicht zurück.
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•
Nach kurzem Intervall wurde der Patient einer komplikationslosen laparoskopischen Cholezystektomie> zugeführt.
Weiterführende Literatur
Federspil et al., 1999
Friedgood et al., 1955
Friedman 1996
Kranke et al., 2003
Launois et al., 1993
Liu et al., 2005
Moretti et al., 2004
Nathan et al., 1980
Payne et al., 2005
Ramirez et al., 1992
Souadjian et al., 1968
Straus et al., 2003