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Übersicht über das Marburger SchmerzbewältigungsprogrammMarburger Schmerzbewältigungsprogramm.
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Die Buchstaben kennzeichnen Programmmodule, die in den folgenden Sitzungen wiederholt bzw. vertieft werden.
Zugelassene Analgetika bei Kindern und Jugendlichen.
Stufe I | ||||
Substanz | Alter/Gewicht | Einzeldosis | Gaben/d | Maximaldosis |
Paracetamol | ||||
p. o. | 0–18 J. | 15 mg/kg | 4 | 60 mg/kg/d bzw. 4.000 mg |
i. v. | < 10 kg > 10 kg |
7,5–10 mg/kg 15 mg/kg |
44 | 30 mg/kg/d 60 mg/kg/d bzw. 4.000 mg |
Bei der ersten i.v. Gabe kann unabhängig vom Alter einmalig eine Loading Dose von 20 mg/kg (max. 1.000 mg) verabreicht werden | ||||
Ibuprofen | ||||
p. o. | 6 Mon.–18 J. | 10 mg/kg | 4 | 40 mg/kg/d bzw. 2.400 mg |
Metamizol | ||||
p. o. | > 3 Mon.– 8 J. 1 Tr. = 25 mg 1 Tbl. = 500 mg |
(10)–15 mg/kg | 4 | 60 mg/kg/d bzw. 4.000 mg |
i. v. | > 1 J. | (10)–15 mg/kg | 4 | 60 mg/kg/d bzw. 4.000 mg |
Acetlysalicylsäure | ||||
p. o. | 12–18 J. | 15 mg/kg | 4 | 60 mg/kg/d bzw. 4.000 mg |
Naproxen | ||||
p. o. | > 1–18 J. | 10 mg/kg | 2–3 | 30 mg/kg/d bzw. 1.000 mg |
Stufe II | ||||
Tramadol | ||||
p. o. | > 1–18 J. | (1)–2 mg/kg | 4 | 8 mg/kg/d oder 4.000 mg |
i. v. | >1–18 J. | (1)–2 mg/kg | 4 | 8 mg/kg/d oder 4.000 mg |
Stufe III | ||||
Morphin | ||||
p. o. 0,5% Tr. 2,0 % Tr. |
0–18 J. 1 Tr. = 0,31 mg 1 Tr. = 1,25 mg |
0,25–0,50 mg/kg | 4 | |
i. v. | 0,05–0,2 mg/kg | 4 | ||
Piritramid | ||||
i. m., s. c. | 0–18 J. | 0,05 – 0,2 mg/kg | 4 | |
i. v. | 0–18 J. | 0,05 – 0,1 mg/kg | 4 |
Therapeutischer Stufenplan zur Behandlung von Migräneattacken bei Kindern.
Akutmedikation |
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Prophylaktische Therapie |
|
Nichtmedikamentöse Therapie |
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Adjuvante Therapie | Domperidon 10 mg∗ als Einzeldosis ≥ 12 J. oder einem Körpergewicht ≥ 35 kg |
∗
Die absoluten Dosisangaben verstehen sich ab Grundschulalter bzw. ≥ 12 J.
Schmerzbehandlung
-
1.1
Anamnese und Schmerzmessung C. Sommer3
-
1.2
Spezifische Therapieverfahren4
-
1.3
Beispielhafte ausgewählte Schmerzsyndrome7
-
1.4
Psychologische Aspekte9
-
1.5
Pädiatrische Aspekte10
Kernaussagen
SchmerzbehandlungDie Anamnese muss ergeben, ob es sich um akute oder chronische Schmerzen handelt und ob es sich um ein primäres Schmerzsyndrom oder um Schmerzen bei organpathologischer Ursache handelt.
Die medikamentöse Therapie basiert auf Nichtopioid-Analgetika, Opioid-Analgetika und Ko-Analgetika und wird insbesondere bei Tumorschmerz nach WHO-Schema angewendet.
Einige Schmerzformen wie bestimmte Kopfschmerzentitäten und neuropathische Schmerzen erfordern den Einsatz spezifischer Pharmaka.
Für die Schmerzbehandlung bei Kindern gilt, dass gewichtsadaptiert und unter besonderer Berücksichtigung der Nebenwirkungen behandelt werden muss.
Bei chronischen Schmerzen ist eine psychologische Diagnostik und ggf. Mitbehandlung angezeigt.
1.1
Anamnese und Schmerzmessung
-
•
akute Schmerzen handelt, deren organpathologische Ursache zunächst identifiziert werden muss (z. B. akuter abdomineller Schmerz), ob es sich um ein
-
•
akutes, idiopathisches Schmerzsyndrom handelt (z. B. Migräneattacke) oder ob eine
-
•
chronische Schmerzkrankheit vorliegt. Zudem muss zwischen nozizeptiven, entzündlichen und neuropathischen Schmerzen unterschieden werden.
-
•
die Schmerzlokalisation und -ausstrahlung erfassen,
-
•
die Schmerzstärke und -qualität,
-
•
den zeitlichen Verlauf,
-
•
verstärkende und lindernde Faktoren,
-
•
Begleitsymptome,
-
•
bisherige Therapieversuche sowie
-
•
die Beeinträchtigung und Befürchtungen des Patienten.
Als Faustregel gilt
Fragebögen ersetzen nicht das ärztliche Gespräch, können aber als Basis dafür verwendet werden und sind hilfreich bei der standardisierten Dokumentation.
-
•
Ein einfaches klinisches Verfahren ist die Angabe der Schmerzstärke in Zahlenwerten von 0 bis 10 (numerische Ratingskala, NRS).
-
•
Es kann auch eine visuelle Analogskala (VAS) verwendet werden, von der anschließend die Zahlenwerte übertragen werden.
1.2
Spezifische Therapieverfahren
-
•
⇈ Aussage zur Wirksamkeit wird gestützt durch mehrere adäquate, valide klinische Studien (z. B. randomisierte klinische Studien) bzw. durch eine oder mehrere valide Metaanalysen oder systematische Reviews. Positive Aussage gut belegt.
-
•
↑ Aussage zur Wirksamkeit wird gestützt durch zumindest eine adäquate, valide klinische Studie (z. B. randomisierte klinische Studie). Positive Aussage belegt.
-
•
↓ Negative Aussage zur Wirksamkeit wird gestützt durch eine oder mehrere adäquate, valide klinische Studien (z. B. randomisierte klinische Studie), durch eine oder mehrere Metaanalysen bzw. systematische Reviews. Negative Aussage gut belegt.
-
•
↔ Es liegen keine sicheren Studienergebnisse vor, die eine günstige oder ungünstige Wirkung belegen. Dies kann bedingt sein durch das Fehlen adäquater Studien, aber auch durch das Vorliegen mehrerer, aber widersprüchlicher Studienergebnisse.
1.2.1
Pharmakotherapie
-
•
Nichtopioidanalgetika (Stufe I),
-
•
schwache Opioide (Stufe II) und
-
•
starke Opioide (Stufe III) eingeteilt.
Nichtopioid-Analgetika
-
•
SchmerzbehandlungNichtopioid-AnalgetikaBei akuten Nozizeptorschmerzen, die überwiegend durch die Freisetzung endogener, algogener oder inflammatorischer Mediatoren, z. B. Prostaglandine und Bradykinine, entstehen, wirken Pharmaka wie Paracetamol, Acetylsalicylsäure, Metamizol oder nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR).
-
•
Bei viszeralen, kolikartigen Schmerzen sind Spasmolytika und Metamizol Mittel der ersten Wahl (⇈).
-
•
Chronische entzündliche Schmerzen (z. B. bei rheumatoider Arthritis, Osteoarthrose) sprechen ebenfalls meist auf NSAR an (⇈).
Als Faustregel gilt
-
•
Bei den NSAR sind langwirksame Präparate nach festem Einnahmeschema vorzuziehen (z. B. retardiertes Diclofenac 2 ×/d),
-
•
die Kombination von NSAR mit Kortikosteroiden sowie die Kombination zweier NSAR sollte vermieden werden.
Opioid-Analgetika
-
•
Der Vorteil der Opioide ist, dass die Dosis bis zum Erreichen der Schmerzfreiheit gesteigert werden kann, ohne dass eine Toxizität auftritt.
-
•
Nachteile sind mögliche Nebenwirkungen (Sedierung, Orthostasebeschwerden, Übelkeit, Obstipation, Juckreiz), wovon die Obstipation keiner Toleranzentwicklung unterliegt und dauerhaft antagonisiert werden muss. Die oft zitierte Atemdepression spielt im klinischen Alltag mobiler Schmerzpatienten keine Rolle, ist jedoch zu beachten bei Patienten mit zentraler Atemdämpfung oder Vorerkrankungen der Atemwege.
-
•
Ein Problem der Langzeitanwendung von Opioiden kann die Toleranzentwicklung darstellen, wobei das Nachlassen des analgetischen Effekts Dosiserhöhungen erforderlich machen kann.
-
•
Agonisten (z. B. Morphin),
-
•
partielle Agonisten (z. B. Buprenorphin) sowie
-
•
reine Antagonisten (z. B. Naloxon).
Schwach wirksame Opioid-Analgetika
-
•
Codein,
-
•
Dihydrocodein,
-
•
Tramadol und
-
•
Tilidin.
Als Faustregel gilt
-
•
Mittlere Dosen liegen bei 2 × 100 mg,
-
•
die obere Grenzdosis ist für beide Präparate etwa 400 mg/d.
-
•
Weitere Dosissteigerungen sind nicht sinnvoll, da im höheren Dosisbereich die Nebenwirkungen überproportional zunehmen. Stattdessen ist eine Umstellung auf starke Opioide (Opiate) sinnvoll.
Stark wirksame Opioid-Analgetika
-
•
Man überprüft zunächst mit Gabe eines nicht retardierten Präparats, ob die Schmerzen opioidsensitiv sind,
-
•
stellt dann auf ein Retardpräparat ein und
-
•
adaptiert die Dosis bis zur ausreichenden Schmerzlinderung.
Cave
-
!
Bei transdermalen Systemen (Pflaster) handelt es sich um eine systemische Applikation eines Opioids mit entsprechenden Nebenwirkungen.
Antidepressiva
Trizyklische Antidepressiva
Cave
-
!
Die Patienten sollten sorgfältig über die Indikation, die analgetische Potenz des Medikaments und die möglichen Nebenwirkungen aufgeklärt werden.
Das Lesen der Packungsbeilage mit der Indikation „Depression“ und der Aufzählung der unerwünschten Wirkungen führt ohne vorherige Aufklärung häufig zum Abbruch der Therapie.
-
•
Die Therapie beginnt mit einer niedrigen Abenddosis, z. B. mit 10–25 mg Amitriptylin.
-
•
Diese Dosis kann bei guter Verträglichkeit auf ein retardiertes Präparat umgesetzt und wöchentlich in 25-mg-Schritten gesteigert werden, bis ein Effekt eintritt oder bis Nebenwirkungen eine weitere Steigerung verbieten, max. auf 75–100(–150) mg.
-
•
anticholinerge Effekte,
-
•
Orthostasebeschwerden,
-
•
sexuelle Dysfunktion und
-
•
Tagessedierung.
Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer
Antidepressiva mit kombinierter noradrenerger und serotonerger Wirkung
Antikonvulsiva
-
•
Gabapentin und Pregabalin in der Behandlung verschiedener Formen neuropathischer Schmerzen (⇈) und
-
•
Carbamazepin bei der Trigeminusneuralgie (⇈).
Weitere Substanzen
-
•
Antispastika,
-
•
Clonidin,
-
•
NMDA-Antagonisten,
-
•
Calcitonin,
-
•
Bisphosphonate,
-
•
Botulinumtoxin.
1.2.2
Nichtmedikamentöse Verfahren
Nichtinvasive Verfahren
TENS
-
•
In der Regel beginnt man mit hochfrequenter Stimulation (50–120 Hz) im Zentrum des Schmerzareals.
-
•
Es wird eine Behandlungsdauer von 30–45 Min. mehrfach täglich empfohlen.
-
•
Bei fehlendem Effekt können die niederfrequente TENS (1–4 Hz) oder die Akupunktur-TENS (hochfrequente Salven, die mit niedriger Frequenz von 2 Hz verabreicht werden) versucht werden.
Akupunktur
Interventionelle Verfahren
Lokal- und Regionalanästhesie
-
•
Regionalanästhetische Blockaden von Nervenstämmen, -wurzeln oder eines Nervenplexus dienen der Diagnostik und können eine Aussage über die lokale Schmerzentstehung machen.
-
•
Eine durch die Blockade entstehende akute Schmerzfreiheit kann im Rahmen einer kombinierten Therapie für passive und aktive Mobilisation genutzt werden.
Rückenmarknahe Verfahren
-
•
Die häufigste Indikation für SCS ist das Postdiskotomiesyndrom (Failed-Back-Surgery-Syndrom), wobei die Therapieergebnisse bei adäquater Patientenselektion überwiegend gut sind (↑). Weitere Indikationsgebiete sind Phantom- und Stumpfschmerzen, das CRPS (⇈) und Postherniotomieschmerzen.
-
•
Langzeitergebnisse sind weitgehend positiv.
-
•
Limitierende Faktoren sind Nebenwirkungen, Toleranzentwicklung, technische Defekte (Katheterbruch, -dislokation, -verschluss, Pumpenversagen etc.) und medizinische Komplikationen (Infektionen, Liquorfistel).
Tiefenhirnstimulation
Neurodestruktive Verfahren
Als Faustregel gilt
Destruktive Verfahren haben durch die verbesserten Möglichkeiten der Pharmakotherapie und der spinalen Opioidtherapie weitgehend an Bedeutung verloren. Die früher geübten Rhizotomien, Neurotomien oder Hypophysektomien mit der gefürchteten Folge eines zentralen Schmerzphänomens, der Anaesthesia dolorosa, werden kaum noch angewendet.
Trigeminuswurzel-Dekompression nach Janetta
1.2.3
Allgemeine diagnostische und therapeutische Prinzipien bei chronischen Schmerzen
Als Faustregel gilt
Die komplexen pathophysiologischen und psychopathologischen Bedingungen, die bei Patienten mit chronischen Schmerzen vorliegen können, erfordern im Gegensatz zum Akutschmerz eine fachübergreifende Diagnostik und Therapie.
1.3
Beispielhafte ausgewählte Schmerzsyndrome
1.3.1
Kopf- und Gesichtsschmerz
Spannungskopfschmerzen
-
•
SpannungskopfschmerzAkuter Kopfschmerz vom Spannungstyp kann mit Paracetamol oder NSAR behandelt werden (⇈), allerdings sollten 10 Einzeldosen/Mon. wegen der Gefahr des medikamenteninduzierten Kopfschmerzes nicht überschritten werden.
-
•
Bei chronischem Kopfschmerz vom Spannungstyp kommen neben psychologisch basierten Verfahren, z. B. Entspannungsverfahren, trizyklische Antidepressiva oder Mirtazapin zum Einsatz.
Migräne
Cluster-Kopfschmerz
Gesichtsneuralgien
-
•
die neurovaskuläre Dekompression nach Janetta oder
-
•
die perkutane Hochfrequenz-Thermoläsion im Ganglion Gasseri.
-
!
Bei diesem heute noch schwer behandelbaren Schmerzsyndrom ist der wichtigste Grundsatz, Patienten nicht mit invasiven Maßnahmen zu schaden.
1.3.2
Tumorschmerz
Als Faustregeln gilt
-
•
Grundsätzlich sollte die Therapie oral (oder auch rektal oder transdermal) verabreicht werden, um den Patienten eine gewisse Unabhängigkeit zu erhalten.
-
•
Die Medikamente sollten stufenweise aufgebaut werden, nicht wirksame Medikamente sollten im Verlauf wieder abgesetzt werden.
-
•
Die Einnahme der Medikamente sollte nach einem festen Zeitplan erfolgen, der ihre Wirkdauer berücksichtigt.
-
•
Für Schmerzspitzen und Durchbruchsschmerz sollte eine Bedarfsmedikation bereitstehen.
-
•
Die Medikamente sollen der individuellen Schmerzstärke entsprechend nach dem WHO-Stufenplan gegeben werden. Dabei erfolgt der Wechsel auf die nächsthöhere Therapiestufe, wenn trotz Erreichen der maximalen Dosis der Analgetika einer Stufe weiterhin Schmerzen bestehen oder Nebenwirkungen eine weitere Dosissteigerung auf der gleichen Therapiestufe verhindern.
-
•
Auf jeder Therapiestufe soll dem WHO-Stufenplan zufolge überprüft werden, ob die Gabe von sog. Ko-Analgetika aus der Gruppe der Antidepressiva oder Antikonvulsiva nützlich sein kann (vor allem bei neuropathischer Komponente der Schmerzen).
-
•
Begleitmedikamente zur Therapie von Nebenwirkungen der Schmerzmedikation dürfen nicht vergessen werden (Magenschutz bei NSAR, Laxanzien bei Opiaten/Opioiden).
-
•
die regionale analgetische Therapie,
-
•
Nervenblockaden sowie
-
•
Elektrostimulationsverfahren.
1.3.3
Rückenschmerzen
-
•
degenerative Erkrankungen der Wirbelsäule (z. B. Bandscheibenvorfälle mit Lumboischialgie),
-
•
metabolische Knochenerkrankungen (z. B. Osteoporose) und
-
•
muskulär-ligamentäre Funktionsstörungen („Blockierungen“).
Akute Rückenschmerzen
Cave
-
!
Bei bis zu 10% der Patienten, die wegen akuter Rückenschmerzen einen Arzt aufsuchen, liegt eine spezifische Ursache vor, die nicht übersehen werden darf. Auf solche zugrunde liegenden Erkrankungen (Kompressionsfrakturen der Wirbelsäule, Tumoren, Bandscheibenvorfälle, Spondylitiden etc.) weisen sogenannte Red Flags hin, also Auffälligkeiten bei der körperlichen Untersuchung oder im Routinelabor. In solchen Fällen ist eine Bildgebung, i. d. R. ein spinales MRT, angezeigt.
Bandscheibenvorfälle
Chronische Rückenschmerzen
-
•
unangemessene Ängste und Passivität der Patienten,
-
•
Vermeidungsverhalten,
-
•
Probleme am Arbeitsplatz oder ein laufendes Rentenverfahren sowie
-
•
emotionale Störungen.
-
•
körperlichem Training in Kombination mit
-
•
psychologischen, sozialen oder ergotherapeutischen, auf die Arbeitsplatzbedingungen ausgerichteten Maßnahmen bestehen.
1.3.4
Neuropathischer Schmerz
-
•
Häufig entstehen neuropathische Schmerzen aufgrund von Erkrankungen des peripheren Nervensystems, z. B. bei diabetischer Polyneuropathie.
-
•
Ein weiteres typisches Syndrom ist die postherpetische Neuralgie.
-
•
Typisch ist die Kombination von sensiblen Ausfalls- und Reizerscheinungen.
Als Faustregel gilt
Neuropathische Schmerzen sprechen nur in sehr geringem Maße auf Standardanalgetika an.
-
•
Unter den Antidepressiva werden in erster Linie die Trizyklika verwendet. Die am besten untersuchten Medikamente sind Amitriptylin und Imipramin, beides kombinierte Serotonin-(5-HT-) und Noradrenalin-(NA-)Wiederaufnahmehemmer (⇈).
-
–
In der Praxis beginnt man mit einer niedrigen Abenddosis, z. B. mit 10–25 mg Amitriptylin, um die Nebenwirkungen gering zu halten.
-
–
Bei guter Verträglichkeit kann auf ein retardiertes Präparat umgesetzt und wöchentlich in 25-mg-Schritten gesteigert werden, bis ein Effekt eintritt oder bis Nebenwirkungen eine weitere Steigerung verbieten, maximal bis 75–100(–150) mg.
-
-
•
Bei schmerzhafter diabetischer Neuropathie kann Duloxetin (30–60 mg morgens) eingesetzt werden.
-
•
Unter den Antikonvulsiva sind Gabapentin und Pregabalin die Mittel der Wahl. Für beide Substanzen wurde in großen Studien eine Wirksamkeit bei neuropathischen Schmerzen bei guter Verträglichkeit nachgewiesen (⇈).
-
–
Gabapentin wird mit 3 × 300 oder 3 × 400 mg/d begonnen und wochenweise um 300–400 mg gesteigert, bis ein ausreichender Effekt eintritt oder bis Nebenwirkungen die weitere Dosissteigerung verhindern.
-
–
Pregabalin wird mit 2 × 75 mg begonnen und kann nach 3 d auf die Zieldosis von 2 × 150 mg gesteigert werden.
-
-
•
Carbamazepin ist das Mittel der ersten Wahl bei der Trigeminusneuralgie (⇈), alternativ Oxcarbazepin.
-
•
Bei therapierefraktären neuropathischen Schmerzen ist ein Therapieversuch mit Tramadol oder starken Opioiden (Oxycodon, Fentanylpflaster) angezeigt.
-
•
Als lokale Maßnahmen können bei umschriebenen neuropathischen Schmerzen (z. B. bei postherpetischer Neuralgie) Lidocainpflaster oder Capsaicinpflaster verwendet werden (↑).
1.4
Psychologische Aspekte
Indikation
Als Faustregeln gilt
-
•
Die Beteiligung somatischer Faktoren am Schmerzsyndrom stellt keine Kontraindikation dar.
-
•
In den meisten Fällen ist ein multimodaler Therapieansatz sinnvoll, indem psychologische Schmerztherapie, schmerzmedizinische sowie u. a. sporttherapeutische Interventionen kombiniert werden.
Psychologische Diagnostik
-
•
ein problemanalytisches Interview, das die Bereiche des MASK-P abdeckt, als auch
-
•
psychometrische Testverfahren.
-
•
Selbst- und auch Fremdbeobachtungsverfahren (z.B. durch den Partner) kommen infrage.
Therapeutische Verfahren
Als Faustregel gilt
Wesentliches Ziel psychologischer Therapieprogramme ist die Minderung der subjektiven Beeinträchtigung des Patienten in seinen diversen sozialen Rollen und die Verbesserung des Wohlbefindens. Die Minderung des sensorischen und affektiven Schmerzerlebens fördert die Zielerreichung, ist aber nicht unbedingte Voraussetzung.
-
•
systematische Selbstbeobachtung,
-
•
Entspannungstraining,
-
•
Aktivitätenaufbau und -regulation,
-
•
kognitive Umstrukturierung,
-
•
Schmerzbewältigungstraining,
-
•
Regulation des Inanspruchnahmeverhaltens sowie
-
•
Stress- und Problembewältigung.
-
•
Psychologische Schmerztherapie lässt sich in Gruppen- wie im Einzelsetting durchführen.
-
!
Dies gilt insbesondere für den chronischen Rückenschmerz, aber auch für andere Schmerzsyndrome (Frettlöh u. Hermann 2016). Ein Review von Palermo et al. (2010) weist psychologische Therapie (kognitiv-behaviorale Therapie/Entspannung/Biofeedback) als effektiv bei kindlichem oder jugendlichem Kopfschmerz auf (⇈; Kröner-Herwig u. Zernikow 2016).
1.5
Pädiatrische Aspekte
1.5.1
Schmerzerfassung
Cave
!
SchmerzAspekte, pädiatrischeSchon bei Früh- und Neugeborenen ist die Nozizeption sehr gut ausgebildet und auch Neugeborene und Säuglinge empfinden Schmerzen in individueller Qualität und Quantität. Bei unzureichender Schmerztherapie besteht auch bei Kindern die Gefahr der frühen Chronifizierung von Schmerzen.
•
Aufgrund der fehlenden sprachlichen Ausdrucksfähigkeit der Früh- und Neugeborenen und der Säuglinge werden die Schmerzen bei dieser Patientenpopulation häufig unterschätzt.
•
Akute Schmerzen treten häufig bei Infektionskrankheiten, bei schmerzhaften diagnostischen Eingriffen und nach Operationen auf.
•
Die Prävalenz für Kopfschmerzen bei Schülern (11–18 J.) liegt für primäre Kopfschmerzen bei etwa 30% und für sekundäre Kopfschmerzen < 5%. Bei Kindern und Jugendlichen sind Migräne oder Spannungskopfschmerz häufig. Eine eindeutige Unterscheidung von Migräne oder Spannungskopfschmerz bei Kindern ist zunächst nicht möglich, aber im Verlauf.
•
Auch muskuloskelettale Schmerzen sind bei Kindern häufig und erfordern eine sorgfältige Abklärung.
1.5.2
Medikamentöse Therapie
-
•
periphere Analgetika (Stufe I)
-
•
schwache Opioide (Stufe II)
-
•
starke Opioide (Stufe III)
Cave
-
!
Die Zeitintervalle sind unbedingt einzuhalten. Es hat sich als besser erwiesen, das Kind zur Medikamenteneinnahme aufzuwecken, als es einige Zeit später wegen der Schmerzen aufwachen zu lassen.
Paracetamol
-
•
Die Einzeldosis beträgt 15 mg/kg KG und kann 4 ×/d p. o., rektal oder i. v. verabreicht werden.
-
•
Zur Schmerztherapie sind gelegentlich höhere Dosen notwendig (z. B. 30 mg/kg KG als Einzeldosis). Dann kann das Medikament aber nur 2 ×/d verabreicht werden.
-
•
Wegen seiner befriedigenden rektalen Wirksamkeit wird Paracetamol gerne als Mittel der Wahl zur Behandlung von leichten Schmerzen im Kindesalter angesehen. Dies gilt sicher für die antipyretische Wirkung der Substanz, zur Schmerztherapie gibt es aber bessere Alternativen.
Cave
-
!
Zur Vermeidung einer Lebertoxizität, die auch zum Leberversagen führen kann, beträgt die max. Tagesdosis 60 mg/kg KG bzw. max. 3 g.
Ibuprofen
Metamizol
-
•
Die Einzeldosis beträgt 15 mg/kg KG und wird oft als Kurzinfusion über 15–30 Min. i. v. verabreicht. Es kann 4 ×/d eingesetzt werden.
-
•
Eine rasche i. v. Injektion kann einen starken Blutdruckabfall bis hin zum Schock bewirken.
Cave
-
!
Als Nebenwirkung treten selten Agranulozytosen auf. Wegen eines Schocks mit Todesfolge ist die rasche i. v. Injektion untersagt.
-
!
Die Anwendung sollte auf kurzzeitige akute Schmerzen beschränkt werden, wenn eine i. v. Schmerztherapie, z. B. postoperativ, angezeigt ist.
Acetylsalicylsäure
Cave
-
!
Acetylsalicylsäure hemmt die Cyclooxygenase in den Thrombozyten irreversibel und behindert die Plättchenaggregation. Dadurch kommt es leichter zu Blutungen und die Substanz muss eine Woche vor chirurgischen Eingriffen abgesetzt werden. Weiterhin kann Acetylsalicylsäure in seltenen Fällen ein Reye-Syndrom auslösen und sollte bei Kindern < 12 J. während grippaler Infekte nicht verabreicht werden.
Tramadol
Morphin
-
•
Die Einzeldosis beträgt 0,05–0,1 mg/kg KG und kann 4 ×/d wiederholt werden. Bei nicht ausreichender Wirksamkeit kann die Dosis auf 0,2 mg/kg KG gesteigert werden. Bei chronischer Anwendung (Tumorschmerzen) sind höhere Dosen möglich.
-
•
Die Dosis bei kontinuierlicher Infusion beginnt bei 0,01–0,03 mg/kg KG; max. 1 mg/kg KG/d.
-
•
Die Opioidnebenwirkungen, v. a. die Obstipation sollte frühzeitig behandelt werden.
Piritramid
-
•
Die Einzeldosis beträgt 0,05–0,1 mg/kg KG bei i. v. Gabe und 0,05–0,2 mg/kg KG bei s. c. Applikation und kann 3–4 ×/d gegeben werden.
-
•
Die max. Einzeldosis darf 1 mg/kg KG nicht überschreiten (Atemdepression).
Ko-Analgetika
-
•
Die Dosierung von Amitriptylin erfolgt einschleichend mit initial 0,1 mg/kg abends.
1.5.3
Chronische Kopfschmerzen
-
•
KopfschmerzchronischerChronische und rezidivierende Kopfschmerzen im Kindesalter sind häufig, können mit erhöhter Ängstlichkeit und Depressivität einhergehen und neigen zu schmerzverstärkenden Reaktionen. Deswegen müssen chronische und rezidivierende Kopfschmerzen früh adäquat behandelt werden, damit sich nicht ein chronisches Schmerzverarbeitungssyndrom entwickelt.
-
•
Die zeitgemäße Kopfschmerztherapie beginnt mit einem aufklärenden Gespräch, in welchem dem Patienten der Hintergrund des Therapiekonzepts erläutert wird. Ziel muss es dabei sein, den Patienten zum kompetenten Partner in der Behandlung seiner eigenen Erkrankung zu machen.
-
•
Häufig führen die strukturierte Wahrnehmung und Dokumentation mittels eines Kopfschmerzkalenders selbst bei länger bestehenden und häufig wiederkehrenden Kopfschmerzanfällen bereits zur Schmerzreduktion bis hin zur Schmerzfreiheit.
-
•
Bei rezidivierenden Kopfschmerzen oder bei einem Migräneanfall empfiehlt es sich auf der Basis eines detaillierten Therapieplans zu behandeln (Tab. 1.3).
-
•
Bei Kinder und Jugendlichen mit chronischen Schmerzen ist nur ein multimodales Therapieprogramm mit Edukation, Bewegungstherapie, Erlernen von Entspannungsverfahren und Methoden der Stressbewältigung erfolgreich.
Literatur
AWMF-Leitlinie, 2017
AWMF-Leitlinie 062/004, 2008
AWMF-Leitlinie 025/032 – S2k-Leitlinie, 2017
Basler and Kröner-Herwig, 1998
Basler et al., 2001
Basler et al., 2003
Berger, 1991
Beubler, 2016
Boerlage et al., 2015
de Jong et al., 2010
Diener and Maier, 2016
Dorfman et al., 2014
Egle and Hoffmann, 1993
Ellert et al., 2007
Frettlöh and Hermann, 2017
Klinger et al., 2016
Klinger et al., 2000
Kröner-Herwig, 2004b
Kröner-Herwig, 2004a
Kröner-Herwig, 2017
Kröner-Herwig and Lautenbacher, 2017
Tulder et al., 2003
Valkenburg et al., 2011
Zernikow and Hechler, 2008
Zernikow, 2015
Lautenbacher, 2004
Lücking and Martin, 2017
McCrory et al., 2001
Mertens, 2011
Morley et al., 1999
Ostelo et al., 2005
Palermo et al., 2010
Sommer, 2012
Straube et al., 2013
Tulder et al., 2003
Valkenburg et al., 2011
Zernikow and Hechler, 2008
Zernikow, 2015