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978-3-437-22453-9
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Suprakondyläre Extension bei Beckenringfraktur
[L106]

Formen der Osteosynthese
[L106]

Osteosynthesetechnik
[L190]

Pseudarthrosen
[L106]

Faszienspaltung bei Kompartment-Syndrom am Unterschenkel
[L190]

TrümmerbruchTorsionsfrakturMeißelfraktur (Radius/Tibia)MehrfragmentbruchKompressionsfrakturErmüdungsfrakturDislokation, Fraktur-DepressionsfrakturBiegungsfrakturAbscherfrakturAbrissfrakturFrakturklassifikationen
Einteilung nach Art der Gewalteinwirkung | Einteilung nach der Art der Dislokation |
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Einteilung nach Verlauf der Frakturlinie | Einteilung nach Anzahl der Fragmente |
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Fraktursonderformen | |
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Einteilung offener Offene FrakturOffene FrakturFraktur:offeneFraktur:offeneFrakturen [nach Bone, JBJS 1989]
Grad I | Hautwunde < 1 cm u. sauber. Durchspießung von innen nach außen. Minimale Muskelkontusion. Einfache transversale o. quere Fraktur |
Grad II | Hautlazeration > 1 cm mit erheblichem Weichteilschaden. Minimale bis mäßige Kontusion. Einfache transversale o. quere Fraktur mit geringer Zersplitterung |
Grad III | Extensiver Weichteilschaden mit Zerstörung von Haut, Muskulatur u. neurovaskulärer Strukturen. Meist Hochrasanttraumen mit massivem Kontusionstrauma |
A | Extensiver Weichteilschaden mit Lazeration, adäquater Knochenabdeckung. Segmentale Fraktur, Schussverletzungen |
B | Extensiver Weichteilschaden mit Ablederung des Periosts u. Knochenfreilegung. Typischerweise mit massiver Kontamination |
C | Gefäßverletzung, die eine Reparation erfordert |
FrakturbehandlungFrakturbehandlung
Indikation für konservative Frakturbehandlung | Indikation für operative Frakturbehandlung∗ |
|
|
∗
Die OP-Indikation ist individuell abhängig von Verletzung, Alter und Allgemeinzustand!
Sudeck-Dystrophie
Stadium | Klinik | Therapie |
I
2–8 Wo. nach Trauma |
Akutphase: Ruhe- u. Bewegungsschmerz; teigiges Ödem; Hyperhidrosis; Haut überwärmt u. gerötet | Ruhigstellung, Hochlagerung, Antiphlogistika (z. B. Voltaren 50® 3 × 1 Tbl./d), evtl. Sedierung. Keine Massagen, keine passiven Bewegungen, evtl. Kalzitonin (z. B. Karil® 100 IE s. c./d), Plexuskatheter |
II
1–3 Mon. nach Trauma |
Dystrophe Phase: Bewegungsschmerz; Ödemrückgang; Haut blass, glänzend; Muskelatrophie Rö: Fleckige Knochenatrophie |
Aktive Bewegungen bis zur Schmerzgrenze, Antiphlogistika (Stadium I), warme Bäder, evtl. Plexuskatheter |
III
3–6 Mon. nach Trauma |
Atrophe Phase: Haut blass, glänzend; Muskelatropie, Kontrakturen Rö: Diffuse Osteoporose |
Aktive Übungstherapie, Quengelschienen, Dehnungsbehandlung, warme Bäder |
Allgemeine Traumatologie
22.1
Frakturen und Luxationen
22.1.1
Frakturklassifikationen
Cave
22.1.2
Klinik und Diagnostik
Knochenbruchzeichen
-
•
„Unsichere“: KnochenbruchzeichenFrakturzeichenSchwellung, Schmerzhaftigkeit, Functio laesa.
-
•
„Sichere“: Fragmente in offenen Wunden, auffällige Achsenfehlstellungen, Krepitation und abnorme Beweglichkeit. Rö-Bild in 2 Ebenen, ggf. Spezialaufnahme.
-
•
Bei eindeutigem Frakturverdacht keine Knochenbruchzeichen provozieren.
-
•
Anamnese: Richtungsweisend für weitere Untersuchungen (isolierte Fingerquetschung vs. Kettenverletzung durch Sturz aus größerer Höhe).
-
•
Befund: Zusammen mit der Anamnese folgt die Festlegung der weiteren technischen Untersuchung.
-
•
Technische Untersuchung: Abwägung der geeigneten Untersuchung. Pneumothorax? Thorax im Liegen vs. Low-dose-CT des Thorax (höhere Sensitivität im Liegen).
22.1.3
Allgemeine Therapieprinzipien
•
Möglichst frühzeitige Frakturreposition in Bruchspalt-, Regional- oder Allgemeinanästhesie.
•
Frühzeitige Volumensubstitution (Blutverlust 5.2.2).
•
Tetanusprophylaxe bei offenen Begleitverletzungen (7.5.1).
•
OP. Frakturversorgung bis 6 h posttraumatisch oder nach 5–7 d (Abschwellung), sonst Gefahr von Wundheilungsstörungen.
•
Antibiotika-Prophylaxe bei offenen Frakturen II. und III. Grades (z. B. Gramaxin® 3 × 2 g für 5–10 d).
22.1.4
Konservative Frakturbehandlung
-
•
Primär funktionelle Behandlung bei stabilen, eingestauchten Frakturen.
-
•
Immobilisation in Schiene oder Gips bei Frakturen ohne Dislokationsneigung (Gipstechnik 2.9.3).
-
•
Extension bei Frakturen, die sich in Gips nicht retinieren lassen (instabile Frakturen), aber nicht primär op. versorgt werden sollen.
•
Extension an:
–
Femur (suprakondylär) Extensionbei Femurfrakturen, Beckenfrakturen (Abb. 22.1); Technik: Von medial nach lateral am Übergang Femurschaft/Kondylen (oberer Patellarand), ventrales Femurdrittel.
–
Tuberositas tibiae bei distalen Femurfrakturen; Technik: Von lateral nach medial am ventralen Drittel der prox. Tibia 2 cm distal des Fibulaköpfchens.
–
Kalkaneus bei Unterschenkelfrakturen; Technik: Fußlagerung in 20°-Außenrotation! Von medial nach lateral am distalen Drittel der Linie Innenknöchelspitze/Fersenrand.
•
Extensionszug exakt achsengerecht ausrichten.
•
Nagel oder Draht nicht in (auch nur oberflächlich) verletzte Haut einbringen (Infektionsgefahr).
•
Zug über Gelenke möglichst vermeiden.
•
Sorgfältige Lagerung der Extremität (cave: Rotationsfehler/Spitzfuß).
•
Ergibt sich röntgenologisch der V. a. Frakturdistraktion → Extensionsgewicht um 1–1,5 kg verringern.
!
Bei Kindern: Cave Epiphysenfuge!
•
Bei Kindern auch Pflaster- oder Schaumstoff-Extension möglich: Zuggewicht wird durch Pflaster oder angewickelte Schaumstoffplatten (Ventofoam®) übertragen.
22.1.5
Operative Frakturbehandlung (Osteosynthese)
Schraubenosteosynthese
Plattenosteosynthese
-
•
Neutralisationsplatten: Kompression durch Zugschrauben, Platte neutralisiert Torsions- und Biegekräfte.
-
•
Abstützplatten: Speziell geformte Platten (T-, L-Form) zur Sicherung der Fraktur im epi- und metaphysären Knochen, die durch Zugschrauben rekonstruiert wird.
-
•
Kompressionsplatten: (z. B. Halbrohr-, Drittelrohr-, Viertelrohrplatte, dynamische Kompressionsplatte, LC-DCP); meist bei quer verlaufenden und kurzen Schrägfrakturen, ggf. zusätzlich zur Schraubenosteosynthese. Die Kompression erfolgt entweder durch das Ausnützen der Schraubenlochanordnung und daraus resultierender exzentrischer Schraubenlage oder durch den Einsatz eines Plattenspanners.
-
•
Winkelplatten: Anwendung am proximalen und distalen Femur. Es ist zu beachten, dass bereits beim Einführen der Klinge der Schaft der Winkelplatte parallel zum Femurschaft verläuft (130°-, 95°-Winkelplatte).
-
•
Winkelstabile Plattensysteme Plattensystemedienen der winkel- und rotationsstabilen Osteosynthese.
-
•
Less Invasive Stabilization System (LISS): Es LISS, Less Invasive Stabilization SystemLess Invasive Stabilization System (LISS)handelt sich um ein gering invasives Stabilisationssystem. Dabei agieren das plattenähnliche Implantat und die Verriegelungsschrauben als Fixateur interne. Spezielle Instrumente und Zielbügel ermöglichen, die Platte unter den Muskel zu schieben und möglichst nahe am Knochen zu platzieren. Die Schrauben werden durch kleine Stichinzisionen über ein spezielles Zielgerät eingesetzt.
Dynamische Hüftschraube (DHS)
Proximaler Femurnagel
Dynamische Kondylenschraube (DCS)
Marknagelosteosynthese
Aufgebohrte Marknagelosteosynthese
Unaufgebohrte Marknagelosteosynthese
-
•
Unaufgebohrter Humerusnagel (UHN): Zur Behandlung von stabilen oder instabilen Schaftfrakturen, pathologischen Frakturen und Pseudarthrosen oder bei verzögerter Heilung. Der UHN kann retrograd und antegrad eingesetzt werden und eignet sich sowohl für den linken wie auch für den rechten Humerus.
-
•
Unaufgebohrter Femurnagel (UFN): Zur Behandlung von Femurschaftfrakturen, subtrochantären Frakturen, drohenden pathologischen Frakturen und ipsilateralen Schenkelhals-/Schaftfrakturen.
-
•
Unaufgebohrter Tibianagel: Zur Behandlung von offenen Tibiaschaftfrakturen des Typs I, II, IIIA und IIIB (nach Gustilo) und bei geschlossenen Tibiaschaftfrakturen der Typen A–C mit und ohne Weichteilschaden (nach AO-Klassifikation).
Kirschner-Drahtfixation (häufig im Wachstumsalter)
Fixateur externe
Fixateur interne
22.1.6
Komplikationen der Frakturbehandlung
Schäden durch zu enge Verbände
•
Arterielle Durchblutungsstörungen: Blässe, fehlende Pulse, kühle Haut, Störung der Sensibilität, Beeinträchtigung der Motorik, Ischämie der Muskulatur.
•
Venöse Durchblutungsstörungen: Schwellung und Zyanose.
•
Drucknekrosen über prominenten Skelettanteilen (Polsterung).
•
Kompression N. ulnaris am Ellenbogen oder des N. peronaeus am Fibulaköpfchen. Prophylaktisch ausreichende Polsterung.
Der klagende Pat. im Gips hat immer recht! Selbst bei fehlenden klin. Zeichen sollte eine Eröffnung des Verbands bis auf die letzte Faser erfolgen!
Gelenkversteifung, Muskelatrophie
Achsenfehlstellung
-
•
Verkürzung eines Extremitätenabschnitts.
-
•
Äußerlich sichtbare Achsenabweichung.
-
•
Röntgenologisch erkennbare Winkel-, Längendifferenz.
-
•
Große Achsenfehlstellungen, insbes. Rotationsfehler, führen zu Fehlbelastungen → posttraumatische Arthrosen, eingeengte Funktionsräume der Gelenke.
Refrakturen
Pseudarthrosen
•
Verzögerte Bruchheilung: Ausbleiben der Heilung nach 4–6 Mon.
•
Pseudarthrose: Ausbleiben der Heilung nach mehr als 8 Mon.
–
Vitale Pseudarthrose: Biologisch reaktionsfähig (hypertroph) gute Vaskularisation.
–
Avitale Pseudarthrose: Biologisch reaktionslos (atroph) nekrotische Fragmente oder ossäre Defekte.
-
•
Vitale Pseudarthrose: Stabile Fixation durch Osteosynthese.
-
•
Avitale Pseudarthrose: Dekortikation, Anfrischen der Fragmentenden und Transplantation autologer Spongiosa (Gewinnung aus Beckenkamm oder Tibiakopf). Heilungsdauer 3–5 Mon.
Dystrophien
Kompartment-Syndrom
Cave
Besonderes Risiko beim polytraumatisierten Patienten
•
Kombination von Schädel-Hirn-Trauma, Alkohol-/Drogenintoxikation, Intubation und Muskelrelaxans verschleiert die Symptomatik!
•
Im Schock mit erniedrigten diastolischen Blutdruckwerten entwickelt sich das Kompartment-Syndrom schon bei wesentlich geringeren Grenzgewebedrücken!
-
•
Druckschmerzhafte, verhärtete Schwellung der Muskelloge.
-
•
Zunehmender Schmerz.
-
•
Periphere Durchblutung bleibt zunächst intakt.
-
•
Sensibler Nervenausfall (z. B. N. peroneus).
-
•
Auftreten innerhalb weniger Stunden bis Tage.
-
•
Dehnungsschmerz, später Ausfall der betreffenden Muskulatur.
-
•
Später ischämie- und druckbedingte Nervenläsionen.
Kompartment-Syndrom an Unterarm und Hand
-
•
Unterarm: Entlastung von 3 Muskelgruppen: Volares Kompartment mit Finger-, Daumen- und Handgelenkbeugern; dorsales Kompartment mit Finger-, Daumen- und Handgelenkstreckern; Kompartment mit M. brachioradialis und den beiden radialen Handgelenkstreckern.
-
•
Mittelhand: Hier liegen 10 untereinander nicht verbundene Muskellogen vor, die im Bedarfsfall alle gespalten werden müssen. Wichtigstes Kompartment: M. adductor pollicis.
-
•
Volkmann-Kontraktur: Vollbild eines Kompartment-Syndrom am Unterarm (selten, aber auch durch zu enge Verbände oder Gips möglich!).
-
•
Ischämische Kontraktur der Handbinnenmuskulatur: Durch verletzungsbedingte Ruhigstellung in zu engem Gips.
Kompartment-Syndrom am Unterschenkel
Stadieneinteilung des Kompartment-Syndroms am Unterschenkel
•
Stadium I: Mögliche, rel. scharf begrenzte, livide Verfärbung entlang der Tibiakante mit Parästhesien bei peripher erhaltenen Pulsen (dopplersonografische Kontrollen).
•
Stadium II: Ausfälle der Fußheber bei fehlenden peripheren Pulsen, Hyp- bis Anästhesie. Beginnende Nekrosen der ischämisch geschwollenen Muskulatur.
•
Stadium III: Fortgeschrittene Nekrosen der Muskulatur, vollständiger Verlust von Sensibilität und Motorik, beginnende bis manifeste Hautnekrosen.
•
Bilaterale Fasziotomie mit Spaltung des lateralen und ventralen Kompartments (prophylaktische Fasziotomie).
•
Unilaterale paraphibulare Fasziotomie mit Längsspaltung aller 4 Logen.
!
Die dorsale offene Fasziotomie in Wadenmitte führt nur zur Entlastung der Kompartimente III und IV.
22.1.7
Nachbehandlung
Verlaufsbeobachtung der Frakturheilung
Faustregel
•
Absolut stabile OS: Keine Resorptionen an den Implantaten und keine reaktive Kallusbildung („Reizkallus“); der Frakturspalt wird allmählich unscharf und verschwindet bald.
•
Nicht ganz stabile Osteosynthese: Reizkallus durch Mikrobewegungen an den Fragmentenden, der die Fraktur bald fixiert („Fixationskallus“).
•
Kons. Bruchbehandlung: Zunächst wolkiger Kallus, der sich im weiteren Verlauf immer mehr verdichtet.
Beginn der Lastaufnahme
•
Kons. Frakturbehandlung: Übungsstabilität nach Etablierung eines fragmentübergreifenden knöchernen Kallus.
•
Operativ behandelte Brüche sind i. d. R. übungsstabil, evtl. sofort belastungsstabil.
Metallentfernung
22.1.8
Arthrodesen
Bei schmerzhaft degenerativ veränderten Gelenken oder schwerwiegenden Gelenkkontrakturen, die trotz moderner Wiederherstellungschirurgie keine befriedigende Funktion mehr ermöglichen, ist die Endoprothese oder die Arthrodese indiziert.
Schultergelenk
Ellenbogengelenk
Handgelenk
-
•
HandgelenkarthrodeseTuberkulöse Destruktion.
-
•
Infektarthritis.
-
•
Rheumatoide Arthritis.
-
•
Schmerzhafte posttraumatische Arthrose.
-
•
Handgelenkinstabilität bei kompletten Lähmungen.
Daumengrundgelenk
Daumensattelgelenk
Karpometakarpalgelenk
Beckenring
Hüftgelenk
Kniegelenk
Oberes Sprunggelenk
Unteres Sprunggelenk
Fußwurzel
Zehengelenke
22.1.9
Luxationen
Luxationszeichen
•
„Unsichere“: LuxationSchmerz, LuxationszeichenFunktionsverlust, Schwellung, Bluterguss.
•
„Sichere“: Deformität, federnde Fixation, leere Gelenkpfanne, abnorme Lage des Gelenkkopfs.
-
•
Erstluxation bzw. traumatische Luxation.
-
•
Atraumatische bzw. chronische (z. B. rheumatische) Luxation.
-
•
Reluxation oder rezidivierende Luxation.
-
•
Habituelle Luxation, d. h. Luxation ohne adäquates Trauma, z. B. bei konstitutioneller Fehlanlage des betroffenen Gelenks.
-
•
Luxationsfrakturen. Kombinationsverletzungen.
Cave
22.2
Weichteilverletzungen
22.2.1
Muskelverletzungen
Muskelprellung
-
•
Konservativ: Wie bei Muskelzerrung (Muskelzerrung, Muskelfaserriss, Muskelriss).
-
•
Operativ: Bei großem Hämatom und ausgeprägtem Zelluntergang Ausräumung und Drainage.
Muskelzerrung, Muskelfaserriss, Muskelriss
-
•
Lokaler Druck-, Dehn- und Anspannungsschmerz, Schonhaltung (Zerrung); zusätzlich Hämatomverfärbung im akuten Stadium (Faserriss); tastbare Delle, schmerzhafte Funktionseinschränkung (Teilruptur der Muskulatur); kompletter Funktionsverlust (kompletter Muskelriss).
-
•
Sono (5-MHz-Scanner): Lokalisation und Ausdehnung eines Risses bzw. Hämatoms, ggf. MRT.
PECH-Schema (nach Böhmer)
-
•
Pause: Abbruch der sportlichen Tätigkeit, Untersuchung zur Schadensfeststellung.PECH-Schema bei Muskelverletzung
-
•
Eis: Sofortige Kälteanwendung. Eisbeutel (Eis : Wasser = 1 : 2) oder Kältepackungen für mind. 20 Min. Cave: Hautschädigung durch Kälte → Eis immer auf einer Unterlage, z. B. Verband, applizieren (kein direkter Haut-Eis-Kontakt!).
-
•
Compression: Druckverband mit mäßiger Spannung (am besten Eisbeutel mit Druckverband fixieren).
-
•
Hochlagerung des verletzten Körperabschnitts.
-
•
Sofortmaßnahmen nach dem PECH-Schema (nach Böhmer).
-
•
1.–3. d: Eistherapie (mehrmals täglich), Elektrotherapie (Galvanisation, Iontophorese); funktionelle Verbände (Tape, elastische Binde); abschwellende Salbenverbände (z. B. Exhirud®-Salbe, Lasonil®-Salbe), orale Antiphlogistika (z. B. Voltaren® 1–2 × 100 mg, Wobenzym® 3 × 2 Drg. über 2–3 Wo.).
-
•
Ab 4. d: Interferenzstrom, Ultraschall. Sofortige Belastung, sofern diese schmerzfrei möglich ist, z. B. in Form von Muskeltonisierung, Isometrie.
Cave
-
•
Indikation: Muskelrisse von mehr als ⅓ des Querschnitts, erhebliche Diskontinuität, ausgedehntes Hämatom.
-
•
OP-Technik: Ausräumung des Hämatoms, Adaptation der rupturierten Enden mit durchgreifenden resorbierbaren Nähten (Material 2.8.1).
-
•
Nachbehandlung: Ruhigstellung für ca. 4 Wo., Teil- bis Körpergewichtsbelastung bis zur 12. Wo., muskeltonisierende KG unmittelbar postop. Bei Schmerzfreiheit Belastungssteigerung. Sportliche Belastung der betroffenen Gliedmaße bei Zerrung nach 4–6 Wo., bei Faserriss nach 6–8 Wo., bei Muskelriss nach 12 Wo.
-
•
KO: Zystenbildung, narbige Ausheilung mit Funktionsverlust; Myositis ossificans (metaplastische Weichteilverkalkung), Reruptur.
22.2.2
Sehnenverletzungen und -erkrankungen
Verletzungen
•
Offene Sehnenverletzungen (Stich, Schnitt) meist an Hand und Unterarm. Therapie: Bei sauberen Wundverhältnissen primäre Sehnennaht (2.8.2), sonst Sekundärnaht.
•
Geschlossene Sehnenverletzungen meist in Form von subkutanen Rupturen. Ursächlich ist meist der degenerative Vorschaden, nicht das Trauma. Eine gesunde Sehne kann durch Muskelkontraktion nicht zerreißen, es kommt zu Abrissfrakturen.
Paratendinosen und Insertionstendopathien
Ganglien
22.2.3
Nervenverletzungen
Einteilung der Nervenverletzungen
-
•
Neurapraxie: NeurapraxieNervenverletzungenLeitungsunterbrechung ohne anatomische Veränderung (Kontusion). Erholt sich innerhalb von 6–12 Wo. vollständig.
-
•
Axonotmesis: AxonotmesisUnterbrechung der Axone (Quetschung, Überdehnung) bei intaktem Stützgewebe. Periphere Degeneration. Regeneration von der Verletzung aus nach distal. Höchstmögliche Geschwindigkeit 1 mm/d.
-
•
Neurotmesis: NeurotmesisNervendurchtrennung scharf, stumpf oder durch Distraktion. Nach Nervennaht ist die periphere Regeneration oft unvollständig.
Offene Nervenverletzungen
-
•
Primäre Nervennaht nur indiziert bei günstigen Bedingungen, versiertem Operateur, sauberen Wundverhältnissen, sowie bedeutsamem neurologischem Defizit. Im Zweifelsfall Nervenenden markieren mit atraumatischem Faden, Wundverschluss und Weiterleitung in ein mikrochirurgisches Zentrum.
–
Bei ungünstigen Verhältnissen Frühsekundärnaht der Nerven innerhalb der ersten 3 Wo.
–
Durchtrennte Finger- und Kollateralnerven (primär), partiell durchtrennte Nervenstämme (primär), Nervendefekte werden i. d. R. durch sekundäre Nerventransplantationen (z. B. N. suralis) überbrückt.
-
•
OP-Technik (2.8.2): Epineurale Naht bei Nervenästen; Epiperineurale oder faszikuläre Naht bei Nervenstämmen; Autologe Nerventransplantation bei Nervendefekten; Dekompression bei Quetschung, Einklemmung.
-
•
Neurotisation nur bei spannungsfreier Anastomose und vitaler Umgebung. Naht durchtrennter Kollateralarterien empfohlen.
Geschlossene Nervenverletzungen
-
•
Konservativ: KG, Elektrostimulation (Faradisation); Verlaufskontrollen klin., mit EMG und NLG.
-
•
OP: (Entlastung) Bei chron. oder akuter Kompression.
22.2.4
Schleimbeutelerkrankungen
Schleimbeutel liegen über Knochenvorsprüngen und dienen dem Schutz von Weichteilgewebe (Sehnen, Muskeln, Haut).
Akute posttraumatische Bursitis
-
•
Bei Einblutung (Fluktuation) Punktion und Kompressionsverband.
-
•
Bei offener Verletzung immer Bursektomie (Infektions- und Fistelgefahr).
Chronische Bursitis
22.2.5
Traumatische Amputation
Cave
Verletzungstypen
Komplette Abtrennung
-
•
Scharfe, guillotineartige Amputation. Glatte Schnittfläche, amputierter Teil völlig unversehrt, gute Replantationschancen.
-
•
Abquetschamputation mit lokalem Gewebeschaden. Lokal begrenzte Gewebezerquetschung, nach Resektion der Quetschzone gute Replantationschancen.
-
•
Abquetschamputation mit ausgedehnter diffuser Gewebeschädigung. Ausgeprägte, häufig das ganze Amputat betreffende Gewebeschädigung. Wenn überhaupt, dann nur geringe Replantationschancen bei hoher Infektwahrscheinlichkeit.
-
•
Avulsionsamputation. Ausriss einer Extremität mit verschiedenen Ausrisshöhen der einzelnen Strukturen (Nerven, Sehnen, Gefäße, Knochen usw.). Schlechteste Prognose hinsichtlich Einheilung und Endergebnissen.
Inkomplette Abtrennung
Notfallmaßnahmen bei traumatischer Amputation
•
Keine Zeit vertrödeln!
•
Volumensubstitution mit kristalloider Vollelektrolytlösung (z. B. Jonosteril® 1.000 ml).
•
Stumpfversorgung: Keine Klemmen auf Gefäßstümpfe (Schädigung verletzter Gefäßenden). Besser sterilen Kompressionsverband anlegen und den Stumpf hoch lagern, evtl. das verletzte Gefäß manuell komprimieren.
!
Bei persistierender Blutung Anlage eines Tourniquets (venöse Stauung muss sicher vermieden werden!).
•
Subtotal amputierte Gliedmaßen ruhig stellen, um das Abknicken noch bestehender Weichteilbrücken zu vermeiden (z. B. pneumatische oder Vakuumschiene).
•
Amputationsversorgung: Amputat trocken und kühl lagern: Eingewickelt in sterile, trockene Kompressen wird das Amputat in einen wasserundurchlässigen Kunststoffbeutel gelegt und dieser in einen weiteren Beutel, der Wasser und Eiswürfel enthält (kein direkter Haut-Eis-Kontakt!).
Therapiereihenfolge bei Replantation
-
•
Äußere Reinigung.
-
•
Desinfektion.
-
•
Débridement.
-
•
Skelettstabilisierung nach Verkürzungsosteotomie (Weichteilspannung!).
-
•
Rekonstruktion und Kontinuitätswiederherstellung von der Tiefe zur Oberfläche.
-
•
Frühmobilisation.