4.1
Skelett
Das
SkelettSkelett (
GerippeGerippe,
KnochengerüstKnochengerüst) besteht aus ca. 210 Knochen (Atlas
Abb. 4-1), deren Gesamtmasse beim Erwachsenen ca. 10 kg beträgt. Die einzelnen Knochen sind ganz unterschiedlich groß: Der größte Knochen ist der Oberschenkelknochen, die kleinsten gehören zu den sogenannten Sesambeinen (s. u.).
4.1.1
Aufgaben des Skeletts
Das Skelett hat Stützfunktion für den Körper, damit befähigt es den Menschen zu seiner aufrechten Haltung. Gleichzeitig dient es den Muskeln als Ansatzpunkt und schafft so die Voraussetzung für Bewegungen. Daneben hat es eine wichtige Aufgabe beim Schutz lebenswichtiger Organe (Herz, Gehirn, Lungen, Rückenmark u. a.) und als Speicher für Mineralsalze. Des Weiteren ist das Knochenmark ein Ort der Bildung der Blutzellen.
4.1.2
Einteilung der Knochen
Knochen, EinteilungNach ihrer Form und Aufgabe werden die Knochen eingeteilt in
•
SesambeinSesambeine: meist kleine, rundliche Knöchelchen, die in besonders belasteten Sehnen in der Nachbarschaft von Gelenken vorkommen. Ihre Anzahl variiert von Mensch zu Mensch. Ein großes Sesambein, das alle Menschen besitzen, ist die Kniescheibe (Patella), die in die Sehne des vierköpfigen Oberschenkelmuskels eingebettet ist (Atlas Abb. 4-49 Nr. 9). Ein weiteres wichtiges Sesambein ist das Erbsenbein, das zu den Handwurzelknochen gehört (Atlas Abb. 4-39 Nr. 3).
•
Röhrenknochen bestehen aus einem röhrenförmigen Schaft (Diaphyse) und aus meist zwei verdickten Enden (Epiphysen auch Atlas Abb. 3-9).
•
Platte Knochen: Hierzu gehören das Brustbein, die Rippen, die Schulterblätter, die Darmbeinschaufeln und der Hirnschädel. Bei den platten Knochen gibt es zwei feste Außenschichten, zwischen denen sich eine schmale, spongiöse (schwammige) Innenschicht befindet, in der Blut gebildet wird.
•
Unregelmäßige Knochen sind z. B. die Wirbel und einige Knochen des Schädels.
•
Kurze Knochen haben oft Würfelform, hierzu gehören z. B. die Handwurzelknochen.
Das Skelett kann in ein Achsen- und ein Anhangsskelett (Atlas
Abb. 4-1) unterteilt werden:
•
AchsenskelettAchsenskelett mit den Schädelknochen (Cranium), dem Zungenbein (Os hyoideum Atlas Abb. 14-2), der Wirbelsäule (Columna vertebralis) und den Rippen (Costae).
•
AnhangskelettAnhangskelett mit dem Schultergürtel mit den Armen und dem Beckengürtel mit den Beinen.
4.1.3
Schädel
Beim
SchädelSchädel (
CraniumCranium) kann man
Schädelbasis und
Schädeldach unterscheiden:
•
Die Schädelbasis ist der Boden der Schädelhöhle, dem das Gehirn aufliegt.
•
Das Schädeldach (Kalotte, Calvaria) besteht aus dem Stirnbein, den beiden Scheitelbeinen, Teilen der beiden Schläfenbeine und dem obersten Anteil des Hinterhauptbeins (Atlas Abb. 4-5).
Des Weiteren kann man am Schädel Hirn- und Gesichtsschädel unterscheiden.
Hirnschädel
Der HirnschädelHirnschädel (NeurocraniumNeurocranium) wird von den folgenden Knochen gebildet (Abb. 4-1, 4–2 und Atlas Abb. 4-2 bis 4-5):
1 Stirnbein
2 Scheitelbeine
1 Hinterhauptbein
2 Schläfenbeine
1 Keilbein
1 SiebbeinSiebbein (ein unregelmäßig geformter Knochen, der den oberen Anteil der Nasenscheidewand, einen Teil des Nasendaches und die seitlichen Wände der Nasengänge bildet)
Die Knochen des Hirnschädels sind durch Nähte (Suturen) verbunden. Beim Neugeborenen werden die
FontanelleFontanellen (
KnochenlückeKnochenlücken) zwischen
Stirn- und
Scheitelbeinen durch Bindegewebe überbrückt. Diese
große Fontanelle schließt sich meist im zweiten Lebensjahr. Dagegen verknöchert die
kleine Fontanelle zwischen
Scheitelbeinen und
Hinterhauptbein während der ersten drei Lebensmonate (Atlas
Abb. 4-6).
Gesichtsschädel
Knochen des Gesichtsschädels.An der Bildung des GesichtsschädelGesichtsschädels (ViscerocraniumViscerocranium) sind teilweise Knochen des Hirnschädels (z. B. Stirnbein) mitbeteiligt. Zu den Knochen des Gesichtsschädels werden auch die drei Gehörknöchelchen des Mittelohrs und das Zungenbein gerechnet. Im Einzelnen bilden den Gesichtsschädel: Stirnbein, Teile des Schläfenbeins, Keilbein, Siebbein, Nasenbein, Tränenbein, untere Nasenmuschel, Pflugscharbein, Jochbein, Gaumenbein, Oberkiefer, Unterkiefer, Zungenbein, Gehörknöchelchen (Hammer, Amboss und Steigbügel).
An der Bildung der
AugenhöhleAugenhöhle sind sieben Knochen beteiligt: Keilbein, Stirnbein, Tränenbein, Siebbein, Oberkiefer, Jochbein und Gaumenbein (
Abb. 4-2, Atlas Abb. 4-2, 4-3).
Der größte und kräftigste Gesichtsknochen ist der Unterkiefer, gefolgt vom Oberkiefer.
Gesichtsspalten.GesichtsspalteIm Laufe der embryonalen Entwicklung wachsen die rechte und linke Seite des Oberkieferknochens und die sie umgebenden Weichteile von Lippen, Gaumen und Rachen aufeinander zu. Gelingt dieser Verschluss nur unzureichend, entstehen Gesichtsspalten, bei denen meist der Oberkieferbereich betroffen ist. Man unterscheidet:
•
LippenspalteLippenspalte (HasenscharteHasenscharte). Sie tritt am Rand des Philtrums (Rinne in der Mitte der Oberlippe) in verschiedenen Ausprägungsgraden auf, und zwar von einer leichten Einkerbung der Oberlippe bis hin zu einer bis in das Nasenloch hinaufreichenden Spalte. Die Lippenspalte wird im Allgemeinen im Alter von 4 bis 6 Monaten operativ verschlossen.
•
KieferspalteKieferspalte. Es besteht ein- oder beidseitig eine Spalte im Oberkiefer, und zwar zwischen Schneide- und Eckzahn. Bei der totalen Form ist die Kieferspalte meist mit einer Gaumenspalte kombiniert.
•
GaumenspalteGaumenspalte. Sie beruht auf einem fehlenden oder unvollständigen Verschluss der seitlichen Gaumenfortsätze, wodurch es zu einer offenen Verbindung von Nasen- und Mundhöhle kommt. Bei einer vollständigen Gaumenspalte sind der harte und weiche Gaumen offen, bei einer unvollständigen Spalte ist nur der weiche Gaumen betroffen. Meist erfolgt der operative Verschluss zwischen der 6. bis 12. embryonalen Woche. Je nach Ausprägungsart der Gaumenspalte wird schon im ersten Lebensmonat operiert, evtl. aber auch erst später zwischen 1,5 bis 3 Jahren, gelegentlich sogar noch später.
Gesichtsspalten können isoliert als Lippen-, Kiefer- oder Gaumenspalte auftreten, aber auch kombiniert als Lippen-Kiefer-Spalte, Kiefer-Gaumen-Spalte oder Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte (sog. Wolfsrachen). Es lässt sich eine familiäre Häufung beobachten, zudem kann eine Rötelnerkrankung der Mutter die Bildung von Gesichtsspalten begünstigen. Im Tierversuch wurden Gesichtsspalten durch Gabe von Kortison und Vitamin A sowie durch einen Mangel an Folsäure hervorgerufen.
Zungenbein
Das ZungenbeinZungenbein (Os Os hyoideumhyoideum) hat keine direkte knöcherne Verbindung zu anderen Knochen, sondern ist an Sehnen, Muskeln und Bändern befestigt. Es handelt sich um einen kleinen, hufeisenförmigen Knochen, der sich zwischen Unterkiefer und Kehlkopf befindet. Man kann einen in der Mitte gelegenen Körper erkennen, von dem seitlich je zwei Fortsätze abgehen: das kleine und das große Horn. Das Zungenbein bietet vielen Muskeln einen Ansatzpunkt (Abb. 17-2 und Atlas Abb. 14-2).
4.1.4
Wirbelsäule
Der WirbelsäuleWirbelsäule (Columna Columna vertebralisvertebralis) fallen wichtige Aufgaben zu. Zum einen muss sie dem Körper den notwendigen Halt geben, damit er sich aufrichten kann, zum anderen muss sie aber biegsam sein, um dem Organismus eine gewisse Beweglichkeit zu ermöglichen. Außerdem schützt die Wirbelsäule das Rückenmark, das im Wirbelkanal (Canalis vertebralis) verläuft.
Aufbau der Wirbelsäule
Die Wirbelsäule besteht aus 24 einzelnen Wirbeln, die nicht starr miteinander verwachsen sind, sondern die durch
faserknorpelige Zwischenwirbelscheiben verbunden sind. Außerdem gehören zur Wirbelsäule das Kreuzbein und das Steißbein (Atlas
Abb. 4-8).
Zwischenwirbelscheiben (Bandscheiben, Disci intervertebrales).Die Discus intervertebralesBandscheibeZwischenwirbelscheibenZwischenwirbelscheibe erlauben der Wirbelsäule ein hohes Maß an Beweglichkeit, gleichzeitig dienen sie als elastischer Puffer, was v. a. für den Kopf wichtig ist, um bei einem Sturz oder Sprung eine Erschütterung des empfindlichen Gehirns zu verhindern.
An der Zwischenwirbelscheibe kann man anatomisch einen
äußeren Ring (Anulus
Ring, äußererAnulus fibrosusfibrosus) aus
Faserknorpel und kollagenen Fasern und einen
inneren Gallertkern (Nucleus
Nucleus pulposusGallertkern, innererpulposus) unterscheiden (Abb. 4-3, 4-4 und Atlas
Abb. 4-9). Die Grenze zwischen diesen beiden Anteilen verläuft fließend.
Bandscheiben liegen zwischen den Wirbelkörpern der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule und zwischen dem 5. Lendenwirbel und dem Kreuzbein. Die Bandscheiben sind ebenso breit wie die Wirbelkörper, aber nur etwa 5 mm dick. Mit zunehmendem Alter kommt es zu einer Abnahme des inneren Quelldrucks und die Bandscheibe beginnt zu degenerieren. Dadurch kann es zwischen den benachbarten Wirbeln zu unphysiologischen Belastungen und Bewegungen kommen und es können sich Verschleißprozesse der Wirbel und der Zwischenwirbelgelenke einstellen.
Bau eines Wirbels.Vergleicht man die einzelnen WirbelWirbel miteinander, so stellt man fest, dass sie vom 3. Halswirbel bis zum 5. Lendenwirbel einen ähnlichen Aufbau haben.
Wir betrachten nun einen Lendenwirbel und können an ihm den
WirbelkörperWirbelkörper (Corpus
Corpus vertebraevertebrae), die
QuerfortsatzQuerfortsätze (Processus
Processus transversitransversi), die
WirbelbogenWirbelbögen (Arcus
Arcus vertebraevertebrae) und den
DornfortsatzDornfortsatz (Processus
Processus spinosusspinosus) unterscheiden. Zwei obere und zwei untere
Gelenkfortsätze stellen die Verbindung mit den benachbarten Wirbeln her (
Abb. 4-5 und Atlas
Abb. 4-10).
Der Wirbelkörper besteht aus einem Spongiosablock (Substantia spongiosa) und einer äußeren dünnen Rindenschicht (Substantia kortikalis). Die obere und untere Rindenschicht heißen Deck- bzw. Grundplatte. Ihre verdickten Ränder werden als Randleiste bezeichnet. In der Spongiosa des Wirbelkörpers findet – ebenso wie in der Spongiosa der Wirbelfortsätze – Blutbildung statt.
Das WirbellochWirbelloch (Foramen Foramen vertebralevertebrale) wird vom Wirbelkörper und den Wirbelbögen umgrenzt. Die Gesamtheit der Wirbellöcher bildet den WirbelkanalWirbelkanal (Canalis Canalis vertebralisvertebralis), in dem das Rückenmark verläuft. Das ZwischenwirbellochZwischenwirbelloch (Foramen Foramen intervertebraleintervertebrale) wird von dem oberen und unteren Wirbelbogen gebildet. Es dient den Rückenmarknerven als Durchtrittsstelle. Im Zwischenwirbelloch liegen die Spinalganglien (Abschn. 18.3). Der Dornfortsatz bietet der Rückenmuskulatur Ansatzpunkte.
Wirbelsäulenkrümmungen.Betrachten wir die WirbelsäulenkrümmungWirbelsäule von der Seite, können wir eine Doppel-S-Form feststellen. Aus diesem Blickwinkel gleicht die Wirbelsäule einer Schlangenlinie. Bei der Ansicht von dorsal (hinten) ergibt sich im Hals- und Lendenbereich eine LordoseLordose (eine Krümmung nach vorn) und im Brust- und Kreuzbeinbereich eine KyphoseKyphose (Krümmung nach hinten). Das Kreuzbein ist wegen der Übertragung der Belastung auf die Beine scharf abgeknickt (Promontorium). Eine seitliche Krümmung der Wirbelsäule (Skoliose) ist dagegen ab einem bestimmten Ausprägungsgrad immer abnorm.
Bänder der Wirbelsäule.Die WirbelsäulenbandWirbelsäule erhält ihren Halt und ihre Beweglichkeit erst durch das Zusammenwirken von Wirbeln, Zwischenwirbelscheiben, Bändern und Muskulatur. Der Bandapparat hat außerdem die wichtige Aufgabe, den Wirbelkanal vollständig zu verschließen und so das Rückenmark zu schützen.
Die Beweglichkeit ist in den einzelnen Abschnitten der Wirbelsäule unterschiedlich: Im Hals- und Lendenbereich ist sie ausgeprägt, im Brustbereich dagegen durch den anhängenden Brustkorb eingeschränkt.
Wirbelsäulenabschnitte
Wirbelsäulenabschnitt
Abschnitte der Wirbelsäule (Abb. 4-6 und Atlas Abb. 4-8)
-
•
Halswirbelsäule: besteht aus 7 Halswirbeln (Vertebrae cervicales) C1 bis C7
-
•
Brustwirbelsäule: besteht aus 12 Brustwirbel (Vertebrae thoracicae) Th1 bis Th12
-
•
Lendenwirbelsäule: besteht aus 5 Lendenwirbeln (Vertebrae lumbales) L1 bis L5
-
•
Kreuzbein (Os sacrum): aufgebaut aus 5 miteinander verschmolzenen Kreuzbeinwirbeln S1 bis S5
-
•
Steißbein (Os coccygis): besteht aus 3 bis 6 zurückgebildeten Steißbeinwirbeln Co1 bis Co3–6
Halswirbelsäule (Vertebrae cervicales).Vertebrae cervicalesDer erste
HalswirbelsäuleHalswirbel heißt
AtlasAtlas, der zweite
DreherDreher (
AxisAxis) (
Abb. 4-7). Diese beiden nehmen eine Sonderstellung unter den Wirbeln ein. Der Atlas ist wie ein Ring gebaut. Auf seinem oberen Anteil befinden sich zwei Gelenkflächen für das Hinterhauptbein. Der Dreher besitzt einen Zahn (Dens) als Ausziehung, der in den ringförmigen Atlas hineinreicht. Der Ring dreht sich um den Zahn des Drehers. Atlas, Dreher und Hinterhauptbein ermöglichen die
Nick- und
Seitwärtsbewegungen des Kopfes. Ein weiterer wichtiger Halswirbel ist der siebte Halswirbel, der sogenannte
ProminensProminens. Er hat seinen Namen wegen seines sicht- und tastbar
hervorragenden Dornfortsatzes.
Der Wirbelkanal der Halswirbelsäule ist besonders geräumig, die Wirbelkörper dagegen sind verhältnismäßig klein, ihr Volumen nimmt von unten nach oben immer mehr ab. Die Querfortsätze umfassen von sechsten (evtl. vom siebten) Halswirbel ab ein Loch (Foramen transversarium), durch das die Wirbelschlagader (Arteria vertebralis) zum Schädel aufsteigt.
Brustwirbelsäule (Vertebrae thoracicae).Vertebrae thoracicaeDie
BrustwirbelsäuleBrustwirbelsäule wird von
12 Wirbeln gebildet. Sie ist nach hinten vorgewölbt (Kyphose). Die Durchmesser der Wirbelkörper nehmen von oben nach unten zu. Die Brustwirbel Th
1 bis Th
10 besitzen an ihrem Körper und am Querfortsatz Gelenkflächen für die Verbindung mit den Rippen (Atlas
Abb. 4-14). Der elfte und zwölfte Brustwirbel besitzen nur Gelenkflächen am Wirbelkörper.
Lendenwirbelsäule (Vertebrae lumbales).Vertebrae lumbalesLendenwirbelsäuleDie Wirbelsäule zeigt im Lendenbereich eine Lordose, ist also nach vorne gekrümmt. Es gibt fünf Lendenwirbel. Sie besitzen einen massigen Körper und ein vergleichsweise kleines Wirbelloch.
Kreuzbein (Os sacrum).Das
Os sacrumKreuzbeinKreuzbein ist eine
Verschmelzung von
fünf Kreuzbeinwirbeln (
Abb. 4-8). Betrachtet man das Kreuzbein von vorne, so kann man diese ursprüngliche Gliederung noch gut erkennen. Wir sehen sogenannte Verschmelzungslinien der Kreuzbeinwirbelkörper an den Stellen, wo sonst die Zwischenwirbelscheiben sitzen. Während der Wachstumsphase bestehen diese Verschmelzungslinien aus Knorpel, später verknöchern sie.
Der Grundbauplan des Wirbels ist auch beim Kreuzbein erhalten. Betrachtet man es von oben, so kann man den Kreuzbeinkanal sehen, der eine Fortsetzung des Wirbelkanals darstellt. Vom Kreuzbeinkanal führen auf jeder Seite vier Kanäle nach außen. Sie entsprechen den Zwischenwirbellöchern der Wirbelsäule, durch die die Rückenmarknerven durchtreten.
Das Kreuzbein ist durch die fünfte Lendenbandscheibe mit der Lendenwirbelsäule verbunden. Da die Wirbelsäule an dieser Stelle stark abgeknickt ist (Promontorium), kommt es hier bevorzugt zu Abnützungserscheinungen. Grundsätzlich treten Bandscheibe:SchadenBandscheibenschäden bevorzugt in dem Bereich der dritten bis fünften Lendenzwischenwirbelscheiben auf. Kommt es durch einen Bandscheibenschaden zum Druck auf die aus dem Rückenmark austretenden Nerven, so kann es zu Nervenreizungen (z. B. des N. ischiadicus) kommen (Abschn. 18.9.3).
Das Kreuzbein ist mit den beiden Hüftbeinen (
Abschn. 4.1.12) jeweils durch das Kreuzbein-Darmbein-Gelenk (Iliosacralgelenk) verbunden. Da dieses Gelenk von starken Bändern umgeben ist, ist es weitgehend unbeweglich.
Steißbein (Os coccygis).Beim SteißbeinOs coccygisSteißbein handelt es sich um den stark verkümmerten Rest des Schwanzskeletts der Säuger. Es setzt sich meist aus vier (gelegentlich auch drei bis sechs) Wirbelrudimenten zusammen, die knorpelig oder knöchern miteinander verbunden sind.
Tastuntersuchung der Wirbelsäule
Wirbelsäule:TastuntersuchungTastuntersuchung:WirbelsäuleDie Dornfortsätze wölben zwar die Haut vor, trotzdem ist ihr Auffinden nicht ganz leicht. Am besten sucht man die folgenden Dornfortsätze auf, von denen aus man weiter nach oben und nach unten zählt. Am einfachsten aufzufinden sind der siebte Halswirbel, der dritte Brustwirbel und der vierte Lendenwirbel (Atlas
Abb. 4-11).
•
zweiter Halswirbel (C2). Um den zweiten Halswirbel aufzufinden, neigt der Patient den Kopf leicht nach vorne. Nun tastet man vom Hinterhaupt ausgehend in der mittleren Rinne zwischen den Wülsten der Nackenmuskulatur leicht nach unten und erfühlt so den zweiten Halswirbel (Axis), denn der erste Halswirbel (Atlas) hat keinen Dornfortsatz, sondern nur einen Höcker (Tuberculum).
•
siebter Halswirbel (Prominens, C7). Der Patient lässt den Kopf nach vorne fallen, dabei tritt der Prominens meist stark sicht- und tastbar hervor. Bei manchen ragt allerdings der 6. Halswirbel oder der 1. Brustwirbel am stärksten hervor. Um den betroffenen Wirbel zu bestimmen, bitten Sie den Patienten den Kopf nach hinten zu neigen. Dabei verschwindet der 6. Halswirbel nach vorne, der 7. bleibt in seiner Lage.
•
dritter Brustwirbel (Th3). Der Dornfortsatz des dritten Brustwirbels liegt ungefähr auf der Verbindungslinie der beiden Schulterblattgräten. Es ist beim Auffinden darauf zu achten, dass der Patient die Arme locker herabhängen lässt.
•
siebter Brustwirbel (Th7). Der siebte Brustwirbel befindet sich auf der Verbindungslinie der unteren Schulterblattspitzen.
•
zwölfter Brustwirbel (Th12). Der zwölfte Brustwirbel liegt auf der Höhe des Ansatzes der letzten Rippe.
•
vierter Lendenwirbel (L4). Der vierte Lendenwirbel liegt auf der Verbindungslinie der höchsten Punkte der Darmbeinkämme.
4.1.5
Brustbein
Das
BrustbeinBrustbein (
SternumSternum) ist ein flacher Knochen, der den vorderen mittleren Anteil des knöchernen Brustkorbes bildet. Anatomisch unterscheidet man drei Anteile:
Handgriff (
ManubriumManubrium),
Körper (
Körper, BrustbeinCorpus, BrustbeinCorpus),
Schwertfortsatz (Processus
Processus xiphoideusxiphoideus) (
Abb. 4-9, Atlas
Abb. 4-13).
Der SchwertfortsatzSchwertfortsatz ist im Kindesalter knorpelig vorgebildet und verknöchert im Erwachsenenalter. Er kann unterschiedlich geformt sein, entweder spitz wie ein Schwert oder gespalten. Manchmal fehlt er völlig. Der HandgriffHandgriff ist rechts und links mit den Schlüsselbeinen gelenkig verbunden. Handgriff und Körper stehen mit den Rippen in z. T. gelenkiger Verbindung (Artt. sternocostales). Diese Rippen-Brustbein-Gelenke gestatten die Atembewegung der Brustwand.
Da das Brustbein direkt unter der Haut liegt, eignet es sich gut zur Punktion. Bei einer Sternalpunktion wird aus dem Brustbein rotes Knochenmark zu Untersuchungszwecken entnommen. Dies ist für die Beurteilung und Prognose vieler Blutkrankheiten und zum Nachweis von Tumorzellen wichtig. Selbstverständlich kann Knochenmark auch an anderen Stellen entnommen werden, z. B. aus einem Lendenwirbeldornfortsatz oder aus dem Beckenkamm.
4.1.6
Rippen
An der Bildung des Brustkorbs (
Abb. 4-9, Atlas
Abb. 4-13) sind 12 Rippenpaare beteiligt. An jeder
RippeRippe (
CostaCosta) kann man einen knöchernen und einen knorpeligen Abschnitt unterscheiden. Letzterer bildet den vorderen Rippenanteil, er wird allerdings schon früh durch Kalkeinlagerungen in seiner Elastizität eingeschränkt. Der Raum zwischen zwei einzelnen Rippen wird als
ZwischenrippenraumZwischenrippenraum (
Inter
costal
raum,
ICR (Intercostalraum)ICR) bezeichnet.
Echte und unechte Rippen.Wir unterscheiden 7 echte, 3 unechte (falsche) und 2 frei endende Rippenpaare.
•
echte Rippen. Die echten Rippen sind direkt mit dem Brustbein verbunden. Hierzu zählen die 1. bis 7. Rippe, die echte Gelenke bilden. Eine Sonderstellung nimmt allerdings die 1. (gelegentlich auch die 6. und 7.) Rippe ein, die durch Knorpelhaft am Brustbein festgewachsen ist. Die Gelenke zwischen dem Brustbein und den Rippen werden vom Brustbein und dem knorpeligen Anteil der Rippen gebildet.
•
unechte (falsche) Rippen. Die 8. bis 10. Rippe werden als unechte oder falsche Rippen bezeichnet. Sie haben keine direkte, gelenkige Verbindung zum Brustbein sondern bilden zusammen den RippenbogenRippenbogen, der sich an die 7. Rippe anschließt.
•
freie Rippen. Die 11. und 12. Rippe erreichen den Rippenbogen nicht und endigen frei.
Rippen
7 echte Rippen
3 unechte (falsche) Rippen
2 freie Rippen
Tastuntersuchung der ICR.Zwischenrippenraum:TastuntersuchungTastuntersuchung:ZwischenrippenraumWill man die Rippen oder die Zwischenrippenräume (Intercostalräume, ICR) abzählen, so beginnt man am Brustbeinwinkel mit der 2. Rippe, da die 1. Rippe weitgehend vom Schlüsselbein überlagert wird. Das Abtasten von hier bis zur 6. oder 7. Rippe bereitet dann keine Schwierigkeiten mehr. Die unteren Rippen werden am besten von der 12. Rippe ausgehend abgezählt, deren freies Ende normalerweise in der hinteren Achsellinie am Unterrand des Brustkorbes getastet werden kann. Bei manchen Patienten ist die 12. Rippe manchmal nur als kurzer Stummel zu fühlen; bei anderen ist sie dagegen fast ebenso lang wie die 11. Zu beachten ist fernerhin, dass bei manchen Patienten auch die 10. Rippe frei endet.
Halsrippen.Bei 1 % der Menschen findet man HalsrippeHalsrippen, das heißt, dass sie rippentragende Halswirbelkörper haben. Meist ist der siebte Halswirbel betroffen, wobei nur dorsal stummelähnliche Rippen mit einer knorpeligen oder bindegewebigen Verbindung zum Brustbein ausgebildet sind. Gelegentlich verursachen Halsrippen Beschwerden, wenn sie die Arm-Nerven-Geflechte oder die Schlüsselbeingefäße komprimieren. Deshalb muss man bei Schmerzen oder bei Muskelschwäche im Arm immer auch Halsrippen in die differenzialdiagnostische Überlegung mit einbeziehen.
4.1.7
Schultergürtel
Der
SchultergürtelSchultergürtel besteht aus dem
SchlüsselbeinSchlüsselbein (
KlaviculaClaviculaClavicula) und dem
Schulterblatt (Scapula) (
Abb. 4-10, Atlas
Abb. 4-16). Der Schultergürtel hat pro Körperseite nur
eine knöcherne Gelenkverbindung mit dem Rumpf, und zwar das
Brustbein-Schlüsselbein-Brustbein-Schlüsselbein-GelenkGelenk (Sterno-Clavicular-
Sterno-Clavicular-GelenkGelenk, Articulatio
Articulatio sternoclavicularissternoclavicularis). Es liegt zwischen dem Handgriff des Brustbeins und dem Schlüsselbein.
Schlüsselbein (Clavicula).Das Schlüsselbein (Atlas
Abb. 4-13) ist ein S-förmiger Knochen, der an beiden Enden Gelenkflächen besitzt. Sein mediales Ende ist an der Bildung des Brustbein-Schlüsselbein-Gelenks (s. o.) mitbeteiligt, sein laterales Ende geht eine gelenkige Verbindung mit der
SchulterhöheSchulterhöhe (
AcromionAcromion) ein und bildet das
Schulterhöhen-Schlüsselbein-Schulterhöhen-Schlüsselbein-GelenkGelenk (Articulatio
Articulatio acromioclavicularisacromioclavicularis). Die Beweglichkeit des Schlüsselbeins wird durch starke Bänder eingeschränkt, die teils zum Rabenschnabelfortsatz des Schulterblattes (s. u.) und teils zur ersten Rippe ziehen. Das Schlüsselbein gehört mit der Speiche des Unterarmes zu den Knochen des Körpers, die am häufigsten brechen (Atlas
Abb. 4-15).
Schulterblatt (Scapula).SchulterblattScapulaDas Schulterblatt ist ein großer,
platter Knochen, der eine
dreieckige Form hat (Atlas
Abb. 4-16). Es hat rückwärts kein Gelenk mit dem Rumpf, sondern ist nur an Muskeln aufgehängt. Zusammen mit dem Oberarmknochen bildet es das Schultergelenk.
An der Rückseite des Schulterblattes befindet sich die Schulterblattgräte (Spina scapulae), die seitlich in die Schulterhöhe (Acromion) ausläuft. Diese Schulterhöhe stellt die gelenkige Verbindung mit dem Schlüsselbein her.
Am oberen Rand des Schulterblattes befindet sich der nach vorne gerichtete Rabenschnabelfortsatz (Processus coracoideus). Er ist mit der Schulterhöhe durch kräftige Bänder verbunden.
Aufgabe des Schlüsselbeines ist es, das Schulterblatt nach außen abzustützen.
4.1.8
Oberarmknochen
OberarmknochenBeim
Oberarmknochen (
HumerusHumerus, Atlas
Abb. 4-17) handelt es sich um einen Röhrenknochen. An seinem oberen Teil befindet sich der Kopf (Caput humeri) mit dem großen und kleinen Höcker. Am unteren Ende sitzen das Köpfchen (Capitulum humeri), die Rolle (Trochlea humeri) und der innere und äußere Gelenkknorren (Epicondylus humeri medialis et lateralis). Die Rolle wird vom Ellenbogen (
Abschn. 4.1.9) umfasst.
4.1.9
Unterarmknochen
UnterarmknochenDie beiden Knochen des Unterarms heißen
ElleElle (
UlnaUlna) und
SpeicheSpeiche (
RadiusRadius) (Atlas
Abb. 4-18). Die
Elle befindet sich auf der
Kleinfingerseite, die
Speiche auf der
Daumenseite. Die Elle ist der längere Unterarmknochen. An ihrem körpernahen (proximalen) Ende steht sie mit der Speiche und dem Oberarmknochen in Verbindung, um das Ellenbogengelenk zu bilden. Dazu trägt ihr oberes Ende die Gelenkpfanne für die Rolle des Oberarmknochens. An ihrem körperfernen (distalen) Ende steht sie mit den Handwurzelknochen und dem Kopf der Speiche in gelenkiger Verbindung.
Ist die Hohlhand nach oben (vorne) gedreht, so liegen Elle und Speiche nebeneinander. Wird der Handrücken nach oben (vorne) gedreht, so bewegt sich die Speiche über die Elle. Die Einwärtsdrehung des Unterarms wird als Pronation bezeichnet, die Auswärtsdrehung heißt Supination.
4.1.10
Handwurzelknochen
Unter dem Begriff
HandwurzelknochenHandwurzelknochen (Ossa
Ossa carpicarpi,
CarpaliaCarpalia) fasst man die
acht kleinen, unregelmäßig geformten Knochen zusammen, die die Handwurzel bilden. Sie sind in zwei Reihen angeordnet (
Abb. 4-10, Atlas
Abb. 4-19). Die einzelnen Knochen tragen die folgenden Bezeichnungen:
•
Kahnbein (Os scaphoideum)
•
Mondbein (Os lunatum)
•
Dreieckbein (Os triquetrum)
•
Erbsenbein (Os pisiforme)
•
großes Vieleckbein (Os trapezium)
•
kleines Vieleckbein (Os trapezoideum)
•
Kopfbein (Os capitatum)
•
Hakenbein (Os hamatum)
Der folgende Merksatz wird gerne von Schülern benutzt, um sich die Bezeichnung der einzelnen Handwurzelknochen einzuprägen:
Das Kahnbein fährt im Mondenschein,
im Dreieck um das Erbsenbein,
Vieleck groß und Vieleck klein,
der Kopf, der muss am Haken sein.
Skelettalter und Lebensalter
SkelettalterIm Rahmen der chondralen Verknöcherung:chondraneOssifikation:chondraleKnochenbildung:chondraneOssifikation entsteht im Inneren des knorpelig vorgebildeten Handwurzelknochens ein Knochenkern. Dieser vergrößert sich allmählich, indem nach und nach bis zum Abschluss der Wachstumsphase der gesamte Knorpel in Knochen umgebaut wird. Diese chondrale Ossifikation verläuft nach einem ganz bestimmten Schema. Über den Bestand und das Ausmaß an Knochenkernen geben Normtabellen für jede Altersstufe Auskunft. Anhand der Knochenkerne kann über Röntgenaufnahme der Hände und Füße das Skelettalter, d. h. der körperliche Entwicklungsstand eines Kindes, festgestellt werden.
Diese Verknöcherungspunkte kann man jedoch auch dazu nutzen, um Voraussagen über die zu erwartende Körpergröße eines Kindes zu treffen. Dies ist von Bedeutung, wenn ein Kind im Vergleich zu den Altersgenossen auffallend groß oder klein ist und eine Hormontherapie in Erwägung gezogen wird.
Karpaltunnel
KarpaltunnelDie Handwurzelknochen sind nicht auf einer geraden Linie angeordnet, sondern sie sind U-förmig gekrümmt, wodurch auf der Hohlhandseite eine kleine Höhlung entsteht. Auf der Kleinfingerseite springen das Erbsenbein und der Haken des Hakenbeins etwas nach vorne, auf der Daumenseite das Kahn- und Trapezbein. Diese radial und ulnar gelegenen Vorsprünge werden durch ein kräftiges Halteband (Retinaculum flexorum) (Atlas Abb. 4-37 Nr. 15) miteinander verbunden. Die dahinterliegende Höhlung wird Karpaltunnel (Canalis
Canalis carpicarpi) oder
HandwurzelkanalHandwurzelkanal genannt. In diesem Tunnel verlaufen die Beugesehnen der Fingerbeugemuskeln, Blutgefäße und der Mittelarmnerv (N. medianus), der den Daumen, den Zeigefinger, den Mittelfinger und den radialen Teil des Ringfingers innerviert. Kommt es zu einer entzündlichen Anschwellung im Karpaltunnel, so entwickelt sich ein Karpaltunnelsyndrom (
Abschn. 4.4.12).
4.1.11
Mittelhand- und Fingerknochen
MittelhandknochenHandknochenFingerknochenAn jeder Hand können wir
fünf Mittelhandknochen (Ossa
Ossa metacarpimetacarpi,
MetacarpaliaMetacarpalia) und
14 Fingerhandknochen (
Phalange, HandPhalangen, Ossa digitorum
Ossa digitorum manusmanus) unterscheiden (
Abb. 4-11, Atlas
Abb. 4-19).
Die Mittelhandknochen haben ihren Ursprung an der Handwurzel. An ihrem distalen Ende stehen sie mit den Fingerknochen in gelenkiger Verbindung. Jeder Finger besitzt drei Knochen, mit Ausnahme des Daumens, der nur aus zwei Phalangen besteht.
Der Daumen stellt das beweglichste Glied der Hand dar. Dadurch, dass er den übrigen vier Fingern gegenüber gestellt werden kann, können Greifbewegungen ausgeführt werden. Die Greifbewegung wird durch ein Sattelgelenk ermöglicht, das vom ersten Mittelhandknochen und dem großen Vieleckbein gebildet wird.
4.1.12
Beckengürtel und Becken
BeckenAls
BeckengürtelBeckengürtel fasst man die
beiden Hüftbeine und das
Kreuzbein zusammen (
Abb. 4-12, Atlas
Abb. 4-20). Das Kreuzbein bildet die Rückwand des knöchernen Beckens (
PelvisPelvis). Es ist mit den beiden Hüftbeinen durch die
Kreuzbein-Darmbein-Kreuzbein-Darmbein-GelenkGelenke (
IliosakralgelenkIliosakralgelenke, Artt.
Articulatio sacroiliacasacroiliacae) verbunden. Diese Gelenke sind von starken Bändern umgeben, um ein Abkippen des Beckens zu verhindern. Obwohl wegen dieser kräftigen Bänder im Kreuzbein-Darmbein-Gelenk kaum Bewegungen möglich sind, spielt es für die Elastizität des Beckens eine wichtige Rolle.
Eine weitere Verbindung des Kreuzbeines ist das Lenden-Kreuzbein-
Lenden-Kreuzbein-GelenkGelenk (
LumbosakralgelenkLumbosakralgelenk, Articulatio
Articulatio lumbosacralislumbosacralis). Es handelt sich um eine Verbindung (Hafte,
Abschn. 4.2.1) zwischen dem 5. Lendenwirbel und dem Kreuzbein.
Hüftbeine (Ossa coxae).Ossa coxaeJedes
HüftbeinHüftbein ist aus drei Knochen zusammengesetzt:
DarmbeinDarmbein (Os
Os iliumilium),
SitzbeinSitzbein (Os
Os ischiiischii) und
SchambeinSchambein (Os
Os pubispubis). Beim jungen Menschen sind diese Knochen durch Knorpelfugen miteinander verbunden. Beim Erwachsenen sind sie fest verknöchert, sodass man keine Begrenzungslinien mehr erkennen kann. Man unterscheidet ein großes (Pelvis major) und ein kleines Becken (Pelvis minor). Die Grenzlinie zwischen diesen beiden heißt Linea terminalis (Abb. 4-12, 4–13 und Atlas
Abb. 4-21).
Das
Acetabulum, die tiefe
HüftgelenkpfanneGelenkpfanneGelenkpfanne des Hüftbeines, nimmt den Oberschenkelkopf auf. Das Acetabulum wird gemeinsam von Darm-, Sitz- und Schambein gebildet, ebenso wie das Hüftloch (verstopftes Loch, Foramen obturatum). Diese Aussparung dient der Gewichtsverminderung des Beckens und bietet Gefäßen und Nerven eine Durchtrittsmöglichkeit.
•
Darmbein (Os ilium). Die Darmbeine bilden die Beckenschaufeln. Ihr oberer Rand heißt Darmbeinkamm (Crista iliaca), er endet vorne im vorderen oberen Darmbeinstachel (Spina iliaca anterior superior). Darunter befindet sich der vordere untere Darmbeinstachel (Spina iliaca anterior inferior). Die beiden inneren Darmbeingruben bilden das große Becken.
•
Schambein (Os pubis). Die Schambeine sind durch die Schambeinfuge (Symphyse) miteinander verbunden. Die Knochenverbindung wird durch Faserknorpel hergestellt. Auf die Schambeinfuge wirken beim Gehen und Stehen abwechselnd Zug- und Schubkräfte ein. Diese unterschiedliche Beanspruchung wird durch den Faserknorpel kompensiert. Damit dient die Schambeinfuge in erster Linie der Federung.
•
Sitzbein (Os ischii). Am Sitzbein unterscheidet man den Sitzbeinhöcker (Tuber ischiadicum), auf dem wir sitzen, und den Sitzbeinstachel (Spina ischiadica), der sich am hinteren Rand des Sitzbeines befindet und nach innen gerichtet ist.
Männliches und weibliches Becken.Das männliche und weibliche Becken unterscheidet sich erheblich. Die Durchtrittsstelle in das kleine Becken ist beim Mann eher birnenförmig und bei der Frau rundlicher. Da das Kind während der Geburt diese Durchtrittsstelle passieren muss, ist dieser Durchgang bei der Frau größer als beim Mann. Insgesamt ist das kleine Becken bei der Frau tiefer und breiter als beim Mann, auch hat die Frau breiter ausladende Darmbeinschaufeln. Am einfachsten gelingt die Geschlechtsbestimmung eines Skeletts jedoch an der Weite des Schambeinwinkels. Beim Mann liegt hier ein spitzer, bei der Frau ein stumpfer Schambeinwinkel vor.
4.1.13
Oberschenkelknochen
Der
OberschenkelknochenOberschenkelknochen (
FemurFemur) ist der
längste Knochen des Körpers (Abb. 4-12, 4–13 und Atlas
Abb. 4-23). An seinem oberen Anteil befindet sich der
OberschenkelkopfOberschenkelkopf (Caput
Caput femorisfemoris), der im Acetabulum (s. o.) liegt und an der Bildung des Hüftgelenks beteiligt ist. Der Oberschenkelkopf ist durch den schräg abzweigenden
Schenkelhals mit dem Knochenschaft verbunden. Am Übergang vom Schenkelhals zum Knochenschaft befinden sich zwei Knochenvorwölbungen, und zwar der
große und
kleine RollhügelRollhügel (
TrochanterTrochanter major et minor), die wichtige Ansatzpunkte für die Gesäßmuskulatur bilden. Der große Rollhügel kann gut getastet werden und spielt deshalb bei der intramuskulären Injektion eine wichtige Rolle beim Auffinden des richtigen Punktionsortes nach der Methode nach von Hochstetter.
An dem distalen Ende des Oberschenkelknochens befinden sich medial und lateral je ein Gelenkknorren (Condylus medialis et lateralis). Das Femur (beachte:
das Femur, nicht der Femur) bildet zusammen mit der Kniescheibe und dem Schienbein das Kniegelenk (
Abschn. 4.2.5)
4.1.14
Unterschenkelknochen
UnterschenkelknochenSchienbeinSchienbein (
TibiaTibia) und
WadenbeinWadenbein (
FibulaFibula) sind die beiden Knochen des Unterschenkels, wobei ersterer der größere der beiden ist. Nur das Schienbein ist bei der Bildung des Kniegelenks beteiligt (
Abb. 4-13, Atlas
Abb. 4-24). Das Wadenbein reicht nicht bis zum Kniegelenk, sondern ist nur mit dem Schienbein über dessen verbreiterten Kopf gelenkig verbunden. Zwischen Schienbein und Wadenbein spannt sich eine bindegewebige Membran aus.
An seinem distalen Teil endet das Wadenbein in einem Höcker (Malleolus lateralis) an der Außenseite des Fußgelenks. Das Schienbein ist an seinem distalen Ende sowohl mit dem Wadenbein als auch mit dem Sprungbein, also einem der Fußwurzelknochen (s. u.), gelenkig verbunden (
Abb. 4-13, Atlas
Abb. 4-24, 4–25).
4.1.15
Fußskelett
FußskelettAufgrund seines Skeletts kann man beim Fuß die drei Anteile
Fußwurzel, Mittelfuß und
Zehen unterscheiden (
Abb. 4-14, Atlas Abb. 4-26, 4–28). Der gesunde Fuß weist einerseits innen ein Längsgewölbe und im Bereich der Mittelfußknochen ein Quergewölbe auf. Diese Gewölbe entstehen durch die Knochenform und durch den Halt von Bändern und Muskeln. Das Körpergewicht ruht im hinteren Anteil v. a. auf dem Fersenhöcker und im vorderen auf dem ersten Mittelfußknochen, aber auch auf dem fünften Mittelfußknochen. Dies ist der Grund, warum ein gesunder Fußabdruck einen bogenförmigen Verlauf zeigt.
Fußwurzelknochen (Ossa tarsi, Tarsalia).TarsaliaOssa tarsiFußwurzelknochenAuf die Gesamtlänge des Fußes bezogen, nehmen die sieben Fußwurzelknochen etwa die hintere Hälfte ein (
Abb. 4-14, Atlas Abb. 4-26). Die Fußwurzelknochen heißen:
•
Fersenbein (Calcaneus)
•
Sprungbein (Talus)
•
Kahnbein (Os naviculare)
•
Würfelbein (Os cuboideum)
•
inneres Keilbein (Os cuneiforme mediale)
•
mittleres Keilbein (Os cuneiforme intermedium)
•
äußeres Keilbein (Os cuneiforme laterale)
Das Fersenbein, der größte Fußwurzelknochen, liegt am weitesten dorsal. An ihm ist die Achillessehne befestigt.
Mittelfußknochen (Ossa metatarsalia, Metatarsalia).Ossa metatarsaliaMittelfußknochenMetatarsaliaJeder Fuß hat fünf Mittelfußknochen, die jeweils aus Basis, Schaft und Kopf bestehen. An ihren körpernahen Enden sind sie mit den Fußwurzelknochen, an ihren körperfernen mit den Grundgliedern der Zehen gelenkig verbunden.
Zehen (Ossa digitorum pedis, Phalanges).ZehePhalange, ZehOssa digitorum pedisDie einzelnen Zehen weisen je drei Glieder auf, mit Ausnahme der Großzehe, die nur zwei Glieder hat. Da die Zehen beim Menschen ihre Funktion als Greiforgane eingebüßt haben, sind sie, verglichen mit den Fingern, nur kurz.
4.2
Knochenverbindungen
4.2.1
Arten von Knochenverbindungen
Bei den KnochenverbindungKnochenverbindungen (JunkturJunkturen) werden Haften und Gelenke unterschieden.
Haften
HaftHaften (
SynarthroseSynarthrosen) sind
unbewegliche, kontinuierliche Knochenverbindungen, bei denen zwei Knochen durch ein dazwischenliegendes Gewebe fest miteinander verbunden sind. Die Art des Gewebes, das die Fuge zwischen den beiden Knochen ausfüllt, bestimmt den Namen der Haften.
•
BandhaftBandhaft (SyndesmoseSyndesmose). Die Knochen werden durch straffes kollagenes Bindegewebe miteinander verbunden, wie z. B. die Fontanellen am Schädel des Neugeborenen. Wenn das Bindegewebe in den Schädelnähten später verknöchert, spricht man von Knochenhaft (s. u.).
•
KnorpelhaftKnorpelhaft (SynchondroseSynchondrose). Hier besteht das verbindende Gewebe zwischen zwei Knochen aus Knorpel. Knorpelhaften kommen zwischen den Bandscheiben und den Wirbelkörpern vor, an den Epiphysenfugen (Wachstumsfugen) der jugendlichen Röhrenknochen, der Schambeinfuge (Symphyse) und der Verbindung der 1. (evtl. auch der 6. und 7.) Rippe mit dem Brustbein.
•
KnochenhaftKnochenhaft (SynostoseSynostose). Es handelt sich um eine knöcherne Verwachsung benachbarter Knochen. Knochenhaft kommt beim Erwachsenen an den Verbindungsstellen der Diaphysen zu den Epiphysen vor, am Schädel, an den Verschmelzungsstellen von Darm-, Sitz- und Schambein zum Hüftbein sowie am Kreuzbein, das aus fünf Einzelwirbeln zusammengesetzt ist.
Gelenke
GelenkBei Gelenken (Articulationes
Articulatio synovialissynoviales,
DiarthroseDiarthrosen) handelt es sich um
bewegliche, diskontinuierliche Knochenverbindungen. Charakteristisch für das Gelenk ist der
Gelenkspalt (
GelenkspaltGelenkhöhleGelenkhöhle), der die Verbindung zwischen zwei Knochen unterbricht. Dadurch wird ermöglicht, dass sich die beiden Knochen gegeneinander bewegen können (
Abb. 4-15).
Aufbau eines Gelenks.Das gewölbte Gelenkende wird als Kopf, das ausgehöhlte als Pfanne bezeichnet. Die Gelenkflächen sind mit hyalinem Knorpel überzogen. Die durch den Gelenkspalt getrennten Knochen werden durch die Gelenkkapsel verbunden, die die Gelenkhöhle nach außen hin abschließt. An der Gelenkkapsel können wir zwei Anteile unterscheiden: eine äußere Faserschicht und eine innere Synovialhaut, die die Synovia (Gelenkschmiere) absondert. Aufgabe der Gelenkschmiere ist es, die Gelenkflächen gleitfähig zu erhalten und den gefäßfreien Knorpel zu ernähren. Der Gelenkkapsel sind Gelenkbänder aufgelagert, die bestimmte Bewegungen und somit eine Überstreckung des Gelenks verhindern. In manchen Gelenken befinden sich noch Zwischenscheiben (Disci, Menisci); das sind verschiebbare Gelenkflächen, die als Puffer wirken und Unebenheiten der Gelenkflächen ausgleichen.
Gelenkarten.Man unterscheidet einfache und zusammengesetzte Gelenke. In einfachen Gelenken stehen zwei Knochen miteinander in Verbindung. Hierzu gehören z. B. die Finger-, Schulter- und Hüftgelenke. Bei den zusammengesetzten Gelenken stehen mehr als zwei Knochen miteinander in Verbindung, hierzu zählen das Knie- und das Ellenbogengelenk.
Gelenke, die durch straffe Bänder und durch die Form ihrer Gelenkflächen in ihrer Beweglichkeit stark eingeschränkt sind, werden als straffe Gelenke (Amphiarthrosen) bezeichnet, z. B. das Kreuzbein-Darmbein-Gelenk.
Nach der Anzahl der möglichen Bewegungsrichtungen, die das Gelenk erlaubt, unterscheidet man ein-, zwei- und dreiachsige Gelenke. Bei einachsigen Gelenken ist nur eine Bewegungsrichtung möglich, vergleichbar mit dem Öffnen und Schließen einer Tür. Einachsige Gelenke sind z. B. die Finger- und Zehengelenke und das Oberarmknochen-Ellen-Gelenk, (
Abschn. 4.2.4). Bei zweiachsigen Gelenken können Bewegungen in zwei Hauptachsen durchgeführt werden. Hierzu gehören das Ei- und das Sattelgelenk. Die dreiachsigen Gelenke sind die Kugelgelenke. Sie können Bewegungen in alle drei Hauptachsen ausführen.
Ausgehend von der
Form der Gelenkflächen unterscheidet man Scharnier-, Kugel-, Ei-, Sattel- und Radgelenke (
Abb. 4-16). Wegen ihrer Wichtigkeit werden sie ausführlicher besprochen.
•
ScharniergelenkScharniergelenke sind uns von Türen und Fenstern bekannt. Hier erfolgt das Öffnen und Schließen um eine einzige Achse. Scharniergelenke im Körper sind die Oberarmknochen-Ellen-Gelenke, sowie die Knie-, Sprung-, Finger-, und Zehengelenke.
•
KugelgelenkKugelgelenke erlauben eine größtmögliche Anzahl von Bewegungen. Dazu umfasst eine schalenförmige Gelenkpfanne einen kugelförmigen Kopf. Wichtige Kugelgelenke sind die Schulter- und die Hüftgelenke. Bei den Schultergelenken wird der Oberarmkopf nicht vollständig von der Pfanne umschlossen. Deshalb handelt es sich um ein sehr bewegliches Gelenk, das allerdings anfällig für Verrenkungen ist. Dagegen ist in den Hüftgelenken der Oberschenkelkopf zu einem viel größeren Teil von der Gelenkpfanne umgeben, sodass es hier seltener zu Verrenkungen kommt, was allerdings zu Lasten der Beweglichkeit geht (auch „Nussgelenk“, Abschn. 4.2.3 Hüftgelenk).
•
EigelenkEigelenk. Ein eiförmiger Gelenkkopf liegt in einer entsprechend geformten Pfanne. An möglichen Bewegungen können Beugungen, Streckungen und Seitwärtsbewegungen ausgeführt werden. Eigelenke kommen in den proximalen Handgelenken und zwischen Atlas und Hinterhauptbein vor.
•
SattelgelenkSattelgelenk. Sattelgelenke kommen im Körper nur in den Daumenwurzelgelenken vor. Hier gleiten zwei ineinandergepasste Sättel aufeinander. Durch diese besondere Form ist es möglich, dass die Daumen den übrigen Fingern gegenübergestellt werden können, wodurch die Hände zu Greifwerkzeugen werden.
•
RadgelenkRadgelenk. Beim Radgelenk ist der Gelenkkopf scheibenförmig. Sein mit Knorpel überzogener Anteil dreht sich in einer entsprechend ausgehöhlten Pfanne. Ein Radgelenk ist das Ellen-Speichen-Gelenk als Teil des Ellenbogengelenks.
•
GleitgelenkGleitgelenk. Kennzeichen der Gleitgelenke sind, dass die flachen Gelenkflächen nur ein geringes Maß an Gleitbewegung ermöglichen, Beuge- oder Drehbewegungen können nicht vollzogen werden. Gleitgelenke findet man zwischen den einzelnen Hand- und Fußwurzelknochen.
Wichtige Gelenkformen
•
Scharniergelenk
•
Kugelgelenk
•
Eigelenk
•
Sattelgelenk
•
Radgelenk
•
Gleitgelenk
4.2.2
Schultergelenk
Das SchultergelenkSchultergelenk (Articulatio Articulatio humerihumeri) ist ein wenig stabiles Kugelgelenk, das sich durch große Beweglichkeit auszeichnet. Es besteht aus dem Kopf des Oberarmknochens und der Pfanne des Schulterblattes (Atlas Abb. 4-29).
4.2.3
Hüftgelenk
Beim HüftgelenkHüftgelenk (Articulatio Articulatio coxaecoxae) handelt es sich ebenfalls um ein Kugelgelenk (Atlas Abb. 4-30). Die Pfanne, HüftgelenkPfanne (AcetabulumAcetabulum) wird vom Hüftbein, und zwar von Darm-, Scham- und Sitzbein gebildet. Während der Kindheit und Jugend sind diese drei Teile durch knorpelige Wachstumsfugen miteinander verbunden. Beim Erwachsenen ist die Hüftgelenkpfanne zu einem einzigen Knochen verschmolzen.
Die Gelenkpfanne umgreift den Gelenkkopf so weit, dass das Gelenk auch als NussgelenkNussgelenk bezeichnet wird, da die Pfanne um den Kopf wie eine Nussschale um die Nuss liegt. Trotzdem kann es bei sehr starken von außen einwirkenden Kräften auch zu einer Verrenkung des Hüftgelenks kommen.
Liegt eine angeborene Hüftluxation (Hüftverrenkung, angeboreneHüftverrenkung) vor, so ist das Pfannendach ungenügend ausgebildet. Dies ist bei 0,5 % der Neugeborenen der Fall. Bei Belastungen gleitet der Gelenkkopf kranial aus der Pfanne, da er nur ein unzureichendes Widerlager findet. Bei einseitigen, unbehandelten Luxationen kommt es bei den Betroffenen zu Beckenschiefstand, Skoliose und Hinken. Eine beidseitige Luxation führt zum Watschelgang. Die Folge einer Luxation sind verfrühte Verschleißerscheinungen (Coxarthrose).
Eine angeborene Luxation muss schon im Säuglingsalter erkannt werden, damit durch das Anlegen eines Spreizverbandes die Pfannenbildung gefördert wird. Hinweis auf angeborene Luxation sind Asymmetrien der Hautfalten am Oberschenkel und Beinlängenunterschiede. In diesen Verdachtsfällen können Ultraschall- und Röntgenuntersuchungen weiteren Aufschluss bieten.
4.2.4
Ellenbogengelenk
Beim EllenbogengelenkEllenbogengelenk (Articulatio Articulatio cubiticubiti) handelt es sich um ein aus drei Knochen bestehendes, zusammengesetztes Gelenk, an dem man drei Teilgelenke unterscheiden kann, das Oberarmknochen-Speichen-Gelenk, das Oberarmknochen-Ellen-Gelenk und das Ellen-Speichen-Gelenk (Atlas Abb. 4-31, 4–32).
Zur Bildung des Oberarm-Ellen-Oberarm-Ellen-GelenkGelenks (Articulatio Articulatio humeroulnarishumeroulnaris) umgreift die Elle mit dem Ellenbogen (Olecranon) die Rolle des Oberarmknochens und führt um diese Rolle eine Scharnierbewegung aus, die zur Beugung bzw. Streckung des Unterarmes führt. Die Speiche dreht sich radartig um die Elle (Ellen-Speichen-Gelenk, Art. radioulnaris proximalis), wodurch die Handflächen nach oben und unten gedreht werden können.
Das Gelenk zwischen Oberarmknochen und Speiche (Oberarm-Speichen-Oberarm-Speichen-GelenkGelenk, Articulatio Articulatio humeroradialishumeroradialis) ist einem Kugelgelenk vergleichbar. Das Ellenbogengelenk ist von einer verhältnismäßig großen Kapsel umgeben.
Beim Kleinkind kann es leicht zu einer Verrenkung des Speichenkopfes kommen, denn hier ist der Speichenkopf noch aus Knorpel vorgebildet, wodurch er etwas verformbar ist. Wird nun beim Kind kräftig an der Hand gezogen, z. B. weil es droht hinzufallen oder bei dem Spiel „Engelchen, Engelchen flieg“, so kann der Speichenkopf aus dem Ringband gleiten, das ihn normalerweise hält.
4.2.5
Kniegelenk
Das
KniegelenkKniegelenk (Articulatio
Articulatio genusgenus) wird vom
Oberschenkelknochen (Femur), der
Kniescheibe (Patella), den
Menisken und dem
Schienbein (Tibia) gebildet (
Abb. 4-17, Atlas Abb. 4-34 bis 4–36). Das Wadenbein (Fibula) ist an der Bildung dieses Gelenks nicht beteiligt, da es zwar mit dem Schienbein gelenkig verbunden ist, jedoch nicht mit dem Oberschenkelknochen.
Man kann am Kniegelenk zwei Teilgelenke unterscheiden: das Oberschenkelknochen-Schienbein-Gelenk und das Oberschenkelknochen-Kniescheiben-Gelenk. Die beiden Teilgelenke sind jedoch von einer gemeinsamen Gelenkkapsel umschlossen. Der Oberschenkelknochen besitzt an seinem unteren Ende zwei große Gelenkknorren, die die Gelenkköpfe bilden. Damit hat der Oberschenkelknochen drei Gelenkflächen: zwei für das Schienbein auf den beiden Gelenkknorren und eine für die Kniescheibe.
Meniskus.Der verhältnismäßig ebenen Fläche des Schienbeins liegt jeweils ein innerer und ein äußerer MeniskusMeniskus auf (Atlas Abb. 4-35). Es handelt sich um hufeisenförmige Faserknorpelscheiben, die in der Mitte durch die Kreuzbänder verankert werden; an der Seite sind sie mit der Gelenkkapsel verwachsen. Die hohen Kanten der Menisken liegen außen, die niedrigeren innen. Wird das Kniegelenk bewegt, so schieben die Gelenkknorren die Menisken vor sich her. Bei der entsprechenden Gegenbewegung gleiten die Menisken wieder in ihre ursprüngliche Lage zurück. Hat der Meniskus nicht mehr genug Zeit zurückzugleiten, z. B. bei einem „Drehsturz“, kann es zum Meniskusriss kommen. Von einem solchen Meniskusriss ist meistens der innere Meniskus betroffen, der schlechter beweglich ist als der äußere.
Kniescheibe.Die KniescheibeKniescheibe (PatellaPatella), das größte Sesambein, liegt an der Knievorderseite, eingebettet in die Sehne des vierköpfigen Schenkelstreckers (M. quadriceps femoris). Diese Sehne wird in ihrem Abschnitt zwischen Kniescheibe und Schienbein auch als Kniescheibenband bezeichnet.
Am distalen Ende des Oberschenkelknochens, zwischen den Condylen, befindet sich eine Führungsrinne für die Patella. Auf ihrer Rückseite ist die Kniescheibe mit hyalinem Knorpel überzogen, um Reibung zu vermindern. Die Patella hat außerdem die Aufgabe, die Sehne zu führen und damit deren seitliches Abrutschen zu verhindern. Ist das Knie gestreckt, wird die Patella nach vorne gebracht, ist deutlich sichtbar und kann etwas hin und her bewegt werden. Bei gebeugtem Knie sinkt sie in die Gelenkhöhle ein und ist nur schwer erkennbar.
Bei größeren Kniegelenkergüssen wird die Kniescheibe aus ihrer Führungsrinne gehoben, sodass sie bei der Untersuchung leicht zur Seite bewegt werden kann („tanzende Patella“). Übrigens sind bei einem Erguss im Kniegelenk die Schleimbeutel von der Entzündung fast immer mit betroffen.
Seiten- und Kreuzbänder.An der rechten und linken Knieseite befinden sich die SeitenbandSeitenbänder (Atlas Abb. 4-35). In Streckstellung sind sie gestrafft und verhindern eine Drehbewegung des Kniegelenks. Bei gebeugtem Knie erschlaffen sie und ermöglichen nun eine Drehbewegung.
Die KreuzbandKreuzbänder fixieren die Menisken und verhindern eine Überstreckung des Kniegelenks.
Schubladenphänomen.Zum SchubladenphänomenSchubladenphänomen kommt es infolge eines Kreuzbandrisses. Reißt das vordere Kreuzband, lässt sich das Schienbein gegenüber dem Oberschenkelknochen abnorm weit nach vorne ziehen. Reißt dagegen das hintere Kreuzband, lässt sich das Schienbein auffallend weit nach hinten schieben.
4.2.6
Besondere Hilfsvorrichtungen
Schleimbeutel (Bursa).SchleimbeutelBursaSchleimbeutel erleichtern das Gleiten von Sehnen oder Muskeln über Knochen und Bänder. Es handelt sich um kleine, flache, geschlossene Säckchen, die innen mit
Synovialflüssigkeit gefüllt sind (Atlas Abb. 4-36 Nr. 4 und 8). Sie wirken als Druckverteiler. Durch Dauerreize wie Druck, Überbeanspruchung oder durch wiederholte Verletzungen kann es zur
Schleimbeutelentzündung (
Abschn. 4.4.10) kommen.
Sehne (Tendo).Eine TendoSehneSehne ist das weißliche, glänzende Endstück eines Muskels. Es besteht aus unelastischem kollagenem Bindegewebe. Die Sehne dient dem Muskel als Ursprung und Ansatz am Knochen und überträgt die Zugwirkung des Muskels auf die Knochen (Atlas Abb. 4-37).
Sehnenscheide (Vagina tendinis).In Gelenknähe und anderen funktionell erforderlichen Stellen verlaufen lange Sehnen in einem Führungskanal (Vagina tendinisSehnenscheideSehnenscheide). Die äußere Schicht dieses Führungskanals besteht aus einer derben, bindegewebigen Hülle, innen ist der Führungskanal mit einer Synovialhaut, die auch die Sehne überzieht, ausgestattet (Atlas Abb. 4-38, 4–39). Solche Sehnenscheiden kommen an Unterarmen und Unterschenkeln vor.
Aponeurose.AponeuroseAponeurosen sind flächenhafte Sehnen, z. B. die Hohlhandsehne (Aponeurosis palmaris.
Band (Ligamentum).Ein LigamentumBandBand besteht aus kollagenem Bindegewebe und dient der Verbindung und Befestigung von gegeneinander beweglichen Knochen. So sichern die Verstärkungsbänder der Gelenkkapseln den Zusammenhalt der beteiligten Knochen (Haftbänder). Führungsbänder sorgen dafür, dass das Gelenk die ihm zukommende Bewegung ausführen kann und Hemmbänder verhindern eine Überstreckung des Gelenks. Bänder befinden sich nicht nur außerhalb von Gelenken, sondern auch innerhalb (Binnenbänder), z. B. die Kreuzbänder des Kniegelenks.
4.3
Skelettmuskulatur
Die SkelettmuskulaturSkelettmuskulatur besteht aus 277 paarigen und drei unpaaren Muskeln. Die MuskulaturMuskulatur ermöglicht nicht nur die aufrechte Körperhaltung, Bewegungen und Fortbewegungen des Körpers, sonder spielt auch eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung der Körpertemperatur. Von der Energie, die zur Muskelarbeit eingesetzt wird, können nur 45 % für die Kontraktion verwendet werden, die restlichen 55 % helfen mit, die Körpertemperatur aufrechtzuerhalten. Die Muskelarbeit kann jedoch auch ausschließlich zur Wärmeerhaltung eingesetzt werden, denken Sie an das Muskelzittern bei Kälte!
Da das Hormon Testosteron stark muskelaufbauend (anabol) wirkt, haben Männer durchschnittlich 30 kg Muskelgewebe und Frauen nur ca. 24 kg.
Bezeichnungen am Muskel.Beim Muskel bezeichnet man die Befestigung, die der Körpermitte am nächsten liegt, als Ursprung des Muskels. Die entgegengesetzte Stelle, also die Stelle, die von der Körpermitte weiter entfernt liegt, als Ansatz. Weiterhin unterscheidet man den Muskelbauch, der den Hauptanteil des Muskels darstellt, von seinen Endstücken, den Sehnen (s. o.). Es gibt auch Muskeln mit mehreren Muskelbäuchen, das heißt, dass der Muskel durch eine oder mehrere Sehnen unterteilt wird.
Einteilung nach dem Bau des Muskels.Je nach Anzahl der Ursprungsstellen gibt es ein-, zwei-, drei- und vierköpfige Muskeln. Ein bekannter zweiköpfiger Muskel ist der Beuger des Oberarms (Bizeps, M. biceps brachii), ein bekannter dreiköpfiger der Strecker des Oberarms (Trizeps, M. triceps brachii).
Einteilung nach der Aufgabe
-
•
AgonistAgonisten (SpielerSpieler) sind Muskeln, die eine Primärbewegung verursachen, z. B. eine Beugung im Ellenbogengelenk oder im Kniegelenk. Ein Muskel kann je nach beabsichtigter Bewegungsrichtung zum Agonisten oder Antagonisten werden.
-
•
AntagonistAntagonisten (GegenspielerGegenspieler) sind Gegenspieler des Agonisten. Führt der Antagonist eine Bewegung aus, muss der Agonist entspannen.
-
•
SynergistSynergisten (MitspielerMitspieler) unterstützen den Agonisten oder Antagonisten in seiner Arbeit.
-
•
Neutralisierende Muskeln wirken unerwünschten Nebenwirkungen des Agonisten entgegen.
Es werden nun wichtige Skelettmuskeln vorgestellt.
4.3.1
Muskeln des Kopfes
Am Kopf können wir die Kaumuskulatur und die mimische Muskulatur unterscheiden.
Kaumuskulatur.Vier
KaumuskulaturKaumuskeln bewegen das Kiefergelenk. Der
Schläfenmuskel (M. temporalis) entspringt am Unterkiefer und setzt in der Schläfengrube an. Der eigentliche
Kaumuskel (M. masseter) zieht vom Unterkiefer zum Jochbein (
Abb. 4-18, Atlas Abb. 4-40). Der
innere und
äußere Flügelmuskel (M. pterygoideus medialis et lateralis) liegen hinter und unterhalb des Jochbeins. Sie entspringen beide an der Flügelgrube des Keilbeins. Der äußere Flügelmuskel dient der Mahlbewegung, der innere dem Kaudruck (Atlas Abb. 4-41).
Mimische Ringmuskulatur.Die mimische
Ringmuskulatur, mimischeRingmuskulatur unterscheidet sich in einigen wichtigen Punkten von den übrigen Skelettmuskeln: Sie entspringt nicht am Knochen und dient nicht der Bewegung von Gelenken, sondern sie liegt im
Unterhautfettgewebe und
bewegt die
Haut. Sie ist
ringförmig (zirkulär) um die
Körperöffnungen im Gesichtsbereich (Augen, Nase, Mund) angeordnet (
Abb. 4-19, Atlas Abb. 4-41 Nr. 5). Sie dient dazu, unseren Stimmungen Ausdruck zu verleihen. Da die mimische Ringmuskulatur in der Gesichtshaut liegt, kommt es bei nachlassender Muskelelastizität und Bindegewebsschwäche leicht zur Faltenbildung.
Mimische Ringmuskulatur
•
liegt ringförmig um Augen, Mund und Nasenlöcher
•
ist nicht am Knochen festgewachsen, sondern liegt im Unterhautfettgewebe
•
bewegt die Haut (nicht die Knochen)
Zur mimischen Muskulatur gehört aber nicht nur die vorstehend geschilderte Ringmuskulatur, sondern weitere Muskeln, z. B. der Wangenmuskel (M. buccinator), der die Aufgabe hat, die Bissen zwischen die Zähne zu schieben, der Augenbrauenrunzler, der Augenbrauenherabzieher, der Mundwinkelheber, der Lachmuskel, der Kinnmuskel u. a. m.
4.3.2
Muskeln des Halses
Am Hals befindet sich eine Vielzahl von Muskeln. Die vorderen HalsmuskelHalsmuskeln stehen fast alle mit dem Zungenbein in Verbindung. Kennen sollten Sie den PlatysmaPlatysma, den Kopfwender und den Trapezmuskel.
Platysma.Es handelt sich um einen platten Hautmuskel des Halses. Er hat die Aufgabe, die Haut zu spannen und wird deshalb noch der mimischen Muskulatur zugerechnet. Er verbindet die Haut des Gesichtes vom Bereich des Kinns bis Mundwinkel mit der oberen Brusthaut in der Region des Schlüsselbeins (
Abb. 4-21 Nr. 12, Atlas Abb. 4-43 Nr. 11).
Kopfwender (M. sternocleidomastoideus).Musculus sternocleidomastoideusDer
KopfwenderKopfwender verbindet den Schädel mit dem Schlüssel- und Brustbein. Dazu entspringt er an Brust- und Schlüsselbein und setzt am
Warzenfortsatz des Schläfenbeins (Processus mastoideus) und der queren Knochenleiste des Hinterhauptbeines (Linea nuchae) an (
Abb. 4-21 Nr. 2, Atlas Abb. 4-43 Nr. 1).
Ist nur ein Kopfwender tätig, so findet eine Drehung des Kopfes nach der entgegengesetzten Seite, bzw. eine Neigung zur gleichen Seite statt. Sind beide Kopfwender aktiv, wird das Hinterhaupt unter leichtem Drehen des Kinns nach vorne gezogen.
Muskulärer Schiefhals (Torticollis).TorticollisBeim SchiefhalsSchiefhals handelt es sich um eine fixierte Fehlstellung des Kopfes in Seitenneigung zur kranken Seite hin mit einer leichten Drehung zur Gegenseite. Die Ursache kann eine angeborene einseitige Verkürzung des Kopfwenders sein. Ein Schiefhals kann auch anfallartig durch Krämpfe der Halsmuskulatur auftreten (Torticollis spasmodicus bzw. spasticus). In diesem Fall bestehen die Beschwerden meist nur einige Tage und sprechen gut auf eine Wärmebehandlung an.
Trapezius (M. trapezius).Der
TrapeziusTrapezius heißt auch Kapuzenmuskel. Er entspringt mittels einer dünnen Sehne am Hinterhauptbein und an den Dornfortsätzen der Hals- und Brustwirbel. Mit absteigenden, queren und aufsteigenden Bündeln läuft er zum Schultergürtel. Er setzt an Schlüsselbein, Schulterhöhe und der Schulterblattgräte an. Damit verläuft er im Nacken und in der oberen Hälfte des Rückens. Er bewegt in Zusammenarbeit mit anderen Muskeln das Schulterblatt und das Schlüsselbein (
Abb. 4-20 Nr. 2).
Treppenmuskeln (Mm. scaleni).Man unterscheidet den vorderen, mittleren und hinteren TreppenmuskelMusculus scaleniTreppenmuskel (M. scalenus anterior, medius et posterior, Atlas Abb. 8-7, 17–9). Diese drei Treppenmuskeln verlaufen im hinteren, tieferen und seitlichen Bereich des Halses. Da sie die beiden oberen Rippen anheben, sind sie nach dem Zwerchfell die wichtigsten Einatemmuskeln bei der Ruheatmung. Außerdem haben sie die Aufgabe bei der Beugung und Seitwärtsneigung der Halswirbelsäule mitzuarbeiten.
Skalenuslücke.SkalenuslückeZwischen den Ursprüngen des vorderen und mittleren Treppenmuskels befindet sich eine Lücke, durch die die Schlüsselbeinarterie (A. subclavia) und das Armnervengeflecht (Plexus brachialis) durchtreten. Aus dem Plexus brachialis entspringen der Speichennerv (N. radialis), der Ellennerv (N. ulnaris) und der Mittelnerv (N. medianus). Die Schlüsselbeinvene (V. subclavia) begleitet nicht die gleichnamige Arterie, sondern verläuft zwischen dem vorderen Treppenmuskel und dem Schlüsselbein, also der sogenannten „vorderen Skalenuslücke“ – im Unterschied zur hinteren Skalenuslücke, durch die die A. subclavia und der Plexus brachialis durchtreten.
Bei Verspannungen der Halsmuskulatur oder Verschiebungen der Halswirbel werden durch Verengung dieser Durchtrittsstelle für Nerven und Gefäße Schmerzen, Parästhesien, Muskelatrophie und sekundäre Morbus-Raynaud-Anfälle (Abschn. 6.5.1) hervorgerufen.
4.3.3
Muskeln des Rumpfes
RumpfmuskulaturDie Muskulatur des Rumpfes besteht aus einer tiefen und einer oberflächlichen Schicht mit folgenden Muskeln.
Breiter Rückenmuskel (M. latissimus dorsi).Der breite
RückenmuskelRückenmuskel ist ein dünner, oberflächlich liegender Muskel, der den
unteren Teil des Rückens bedeckt. Er entspringt an den unteren Brustwirbeln, den Lendenwirbeln, den Kreuzbeinwirbeln und am Darmbeinkamm (
Abb. 4-20 Nr. 5, Atlas Abb. 4-42 Nr. 5). Sein Ansatz liegt auf einem kleinen Muskelhöcker des Oberarmknochens. Er ist wichtig für die Bewegung des Armes im Schultergelenk.
Vorderer Sägemuskel (M. serratus anterior).Der vordere
Sägemuskel, vordererSägemuskel, ein kräftiger Muskel, entspringt an den oberen neun Rippen und setzt an der Wirbelseite des Schulterblattes an (
Abb. 4-21 Nr. 10, Atlas Abb. 4-43 Nr. 7, 4-44 Nr. 2). Er kann das Schulterblatt nach vorne und nach oben ziehen. Er gehört zur Atemhilfsmuskulatur (
Abschn. 17.2.3).
Großer Brustmuskel (M. pectoralis major).Der große
BrustmuskelBrustmuskel entspringt an Brustbein, Schlüsselbein und der 2. bis 6. Rippe. Er bedeckt den größten Teil der
Vorderfläche des Brustkorbes (
Abb. 4-21 Nr. 8, Atlas Abb. 4-43 Nr. 5). Er ist zuständig für das Anziehen und Einwärtsrollen des Armes. Auch er gehört zur Atemhilfsmuskulatur.
Kleiner Brustmuskel (M. pectoralis minor).Der kleine Brustmuskel liegt unterhalb des großen Brustmuskels. Er entspringt an der 3. bis 5. Rippe und setzt am Rabenschnabelfortsatz des Schulterblattes an, welches er nach vorne und unten bewegt (Atlas Abb. 4-45).
Zwischenrippenmuskeln (Mm. intercostales).Bei den ZwischenrippenmuskelZwischenrippenmuskeln unterscheidet man äußere und innere Zwischenrippenmuskeln (Mm. intercostales externi et interni). Sie dienen der Abdichtung und der Atembewegung des Brustkorbes (Atlas Abb. 4-44 und 4-45).
4.3.4
Zwerchfell
Das ZwerchfellZwerchfell (DiaphragmaDiaphragma) trennt die Brust- von den Bauchorganen. Das Wort Diaphragma stammt aus dem Griechischen und bedeutet Scheidewand.
Das Diaphragma hat kuppelförmige Gestalt und ist der wichtigste Atemmuskel (Atlas Abb. 17-22, 9-26). Es entspringt an der unteren Brustkorböffnung und seine Muskelfasern ziehen bogenförmig aufwärts, um in eine zentrale Sehnenplatte einzustrahlen. Öffnungen in dieser Sehnenplatte lassen die untere Hohlvene, die Aorta und die Speiseröhre durchtreten (Atlas Abb. 9-15). Bei der Einatmung wird die Sehnenplatte nach unten gezogen, bei der Ausatmung kommt es zur Muskelerschlaffung, wodurch die Sehnenplatte von den Baucheingeweiden nach oben geschoben wird. Jede Atembewegung hat damit ein Verschieben der Bauchorgane zur Folge. So wird z. B. die Leber bei der Einatmung nach unten bewegt und tritt bei der Ausatmung wieder nach oben. Bei maximaler Einatmung bewegt sich das Sehnenzentrum ca. 3 bis 6 cm bis hin zu 10 cm nach unten.
4.3.5
Muskeln von Schulter, Arm und Hand
Deltamuskel (M. deltoideus).Der
DeltamuskelDeltamuskel (
Abb. 4-21, Atlas Abb. 4-46 Nr. 1) hat die Form einer kurzen, dreieckigen Kappe, die die
Schulter bedeckt. Er entspringt am Schlüsselbein, an der Schulterhöhe und an der Schulterblattgräte. Sein Ansatzpunkt ist der Oberarmknochen. Der Deltamuskel hebt den Oberarm und kann ihn nach vorne und hinten ziehen. Teile des Muskels sind auch an der Innen- und Außenrotation des Armes beteiligt.
Rotatorenmanschette.Die innere Muskelschicht der Schulter, die sogenannte
RotatorenmanschetteRotatorenmanschette bildet die muskuläre Umhüllung des Schultergelenks. Sie setzt sich aus vier Muskeln und deren Sehnen zusammen:
•
Obergrätenmuskel (M. supraspinatus)
•
Untergrätenmuskel (M. infraspinatus)
•
Unterschulterblattmuskel (M. subscapularis)
•
kleiner Rundmuskel (M. teres minor)
Von einer Rotatorenmanschette spricht man deshalb, weil diese Muskeln wie eine Manschette den Schulterkopf umgreifen. Diese Manschette hat die Aufgabe, die Gelenkkapsel zu verstärken, außerdem ist sie für die Innen- und Außenrotation, sowie für das seitliche Abspreizen des Armes verantwortlich (Atlas Abb. 4-42). Mit zunehmendem Alter werden Störungen in diesen Muskeln, z. B. durch Muskelrisse häufiger. Dies führt zu Schmerzen und Bewegungsbehinderungen.
Zweiköpfiger Oberarmmuskel (M. biceps brachii).Der zweiköpfige
OberarmmuskelOberarmmuskel (
Abb. 4-22, Atlas Abb. 4-46 Nr. 10) wird auch kurz
„BizepsBizeps“ genannt. Er entspringt mit seinem langen Kopf (Caput longum) oberhalb der Schulterblattpfanne. Die Sehne verläuft ein Stück in der Gelenkhöhle des Schultergelenks. Der kurze Kopf (Caput breve) entspringt am Rabenschnabelfortsatz des Schulterblattes. Die Hauptsehne setzt an der Speiche an. Eine Nebensehne ist über eine flächige Sehne (Aponeurose) mit der Unterarmfaszie verwachsen.
Der Bizeps beugt den Unterarm im Ellenbogengelenk und führt eine Auswärtsdrehung (Supination) der Hand, bzw. des Unterarmes durch. Ermöglicht wird diese Supinationsbewegung dadurch, dass die Bizepssehne den Speichenkopf teilweise umschlingt. Des Weiteren wirken der kurze und der lange Kopf bei der Bewegung des Schultergelenks nach vorne mit.
Dreiköpfiger Oberarmmuskel (M. triceps brachii).Der dreiköpfige Armstrecker (
Abb. 4-22, Atlas Abb. 4-46 Nr. 9)
(„TrizepsTrizeps“) ist der Antagonist des Bizeps. Er entspringt in drei Köpfen an Schulterblatt und Oberarmknochen, verläuft an der Hinterseite des Humerus und setzt an der Elle an. Seine Aufgabe liegt in der Streckung des Unterarmes im Ellenbogengelenk und er ist beteiligt an der Adduktion (Heranziehen) des Armes.
Unterarmmuskeln.UnterarmmuskelIm Unterarm finden wir zahlreiche verschiedene Muskeln, von denen die meisten das Handgelenk und die Finger bewegen. Sie sind in oberflächlichen und tiefen Schichten angelegt. Je nach der im Handgelenk durchgeführten Bewegung unterscheidet man Strecker (Extensoren) und Beuger (Flexoren). Strecker führen eine Dorsalflexion (Beugung der Hand nach dem Handrücken zu), Beuger eine Palmarflexion (Beugung der Finger zur Handfläche hin) durch. Die Strecker liegen dorsal und radial, die Beuger ulnar und palmar (
Abb. 4-22, Atlas Abb. 4-37, 4-46). Die Strecker werden von N. radialis, die Beuger von N. medianus und N. ulnaris innerviert.
Wie wir gerade gesehen haben, werden die Bewegungen der Hand zumeist von Muskeln bewirkt, die vom Unterarm kommen. Dies hat den Vorteil, dass die Hand dadurch schlank bleibt.
Handmuskeln.Die
HandmuskelHandmuskeln bilden die Fortsetzung der Beugergruppe des Unterarms. Bei den Handmuskeln kann man die Muskeln der Hohlhand, des Daumenballens und des Kleinfingerballens unterscheiden, die alle vom N. medianus oder N. ulnaris innerviert werden (
Abb. 4-22, Atlas Abb. 4-37).
4.3.6
Muskeln des Bauchbereichs
Die BauchmuskulaturBauchmuskulatur arbeitet bei der Rumpfbeugung und der Rumpfdrehung mit, außerdem wirkt sie als Bauchpresse, um die Darm- oder Harnblasenentleerung zu unterstützen.
Gerader Bauchmuskel (M. rectus abdominis).Der gerade Bauchmuskel (
Abb. 4-21 Nr. 7, Atlas Abb. 4-43 Nr. 3, 4-44), kurz „Rektus“ genannt, ist ein langer Muskel, der vom Fortsatz des Brustbeins und der 5. bis 8. Rippe zum Schambein zieht. Er ist durch Zwischensehnen gegliedert. Der gerade Bauchmuskel ist paarig angelegt und verläuft in einem bindegewebigen Köcher, der „Rektusscheide“.
Äußerer schräger Bauchmuskel (M. obliquus externus abdominis)(
Abb. 4-21 Nr. 5, Atlas Abb. 4-43 Nr. 2). Der äußere schräge Bauchmuskel entspringt an der Außenfläche der 5. bis 12. Rippe. Seine Sehnenplatte geht in die Rektusscheide über.
Innerer schräger Bauchmuskel (M. obliquus internus abdominis).Er entspringt fächerförmig an Darmbeinkamm und Darmbeinstachel. Seine Sehnenzüge gehen ebenfalls in die Rektusscheide über (Atlas Abb. 4-44 Nr. 10).
Querer Bauchmuskel (M. transversus abdominis).Er entspringt an der Innenseite der 7. bis 12. Rippe und am Darmbeinkamm. Er verläuft gürtelförmig und strahlt in die Sehnenplatte der Rektusscheide ein. Er ist der am tiefsten verlaufende Bauchmuskel.
Weiße Linie (Linea alba).Die Linea
Linie, weißeLinea albaalba entsteht durch eine
Verflechtung der
Aponeurosen der seitlichen Bauchmuskulatur in der Medianlinie der Bauchwand. Sie erstreckt sich vom S
chwertfortsatz des Brustbeines bis etwa drei Finger breit unterhalb des Nabels. Am Unterbauch fehlt die Linea alba, weil hier alle Sehnenzüge der Bauchmuskeln in den vorderen Anteil der Rektusscheide einstrahlen. Bei sehr schlanken Menschen mit gut ausgebildeter Bauchmuskulatur kann man die Linea alba als Rinne sehen.
4.3.7
Muskeln des Gesäßes
Das
GesäßmuskulaturGesäß wird aus drei übereinanderliegenden Muskeln gebildet: Dem
großen (M. gluteus maximus), dem
mittleren (M. gluteus medius) und dem
kleinen (M. gluteus minimus)
Gesäßmuskel (
Abb. 4-23, Atlas Abb. 4-47, 4-48).
Die Gesäßmuskulatur richtet den Rumpf aus der Beugestellung auf und zieht den Oberschenkel nach hinten.
4.3.8
Muskeln des Oberschenkels
Der wichtigste Muskel des
OberschenkelmuskulaturOberschenkels ist der
vierköpfige SchenkelstreckerSchenkelstrecker (M. quadriceps femoris). Er entspringt vom Oberschenkelknochen und der Innenseite des Darmbeins mit vier Köpfen, deren Muskelbäuche (gerader, äußerer, mittlerer und innerer Oberschenkelmuskel) sich dann vereinigen und zu einer einzigen Sehne zusammenlaufen. In diese Sehne ist die Kniescheibe als Sesambein eingebettet. Die Sehne wird unterhalb der Kniescheibe, bis zu ihrem Ansatz am Schienbein, als Kniescheibenband (Lig. patellae) bezeichnet (
Abb. 4-23, Atlas Abb. 4-49).
An der Innenseite des Oberschenkels liegt der Oberschenkelanzieher (M. adductor magnus), an der Rückseite befinden sich der zweiköpfige, der halbsehnige und der halbmembranöse Oberschenkelmuskel (M. biceps femoris, M. semitendinosus, M. semimembranosus). Diese entspringen am Sitzbeinhöcker und sind am Unterschenkelknochen festgewachsen. Sie bewirken im Hüftgelenk eine Streckung und im Kniegelenk eine Beugung.
4.3.9
Muskeln von Unterschenkel und Fuß
Am
UnterschenkelmuskulaturUnterschenkel findet man zahlreiche verschiedene Muskeln. Wichtig ist der
dreiköpfige Wadenmuskel, dreiköpfigerWadenmuskel (M. triceps surae) an der Unterschenkelrückseite. Dieser dreiköpfige Wadenmuskel setzt sich aus dem Zwillingswadenmuskel (M. gastrocnemius) und dem Schollenmuskel (M. soleus) zusammen. Der Zwillingswadenmuskel hat am Oberschenkelknochen einen seitlichen und einen mittleren Ursprung. Diese beiden Köpfe vereinigen sich in der Mitte des Unterschenkels mit dem Schollenmuskel und gehen in die Achillessehne über, die am Fersenbein festgewachsen ist (
Abb. 4-23, Atlas Abb. 4-49).
Vorne, zwischen Schien- und Wadenbein, finden wir am Unterschenkel noch die Strecker von Fuß und Zehen. Seitlich über dem Wadenbein liegen der lange und der kurze Wadenbeinmuskel (M. peroneus longus et brevis).
Es gibt viele Fußmuskeln, die für die Beweglichkeit der Zehen sorgen und die Fußknochen zu einer kräftigen, elastischen Tragfläche für das Körpergewicht verbinden (Atlas Abb. 4-50).
4.4
Erkrankungen der Muskeln, Knochen und Sehnen
Manche Erkrankungen des Bewegungsapparates stehen im Zusammenhang mit Stoffwechselerkrankungen oder mit Störungen des Hormonhaushalts. So finden Sie den Riesen- und Minderwuchs im Kapitel 14 (Endokrinologie,Abschn. 14.9.2 und 14.9.3Abschn. 14.9.2Abschn. 14.9.3), Gicht, Osteoporose, Osteomalazie im Kapitel 10 (Stoffwechsel,Abschn. 10.10.3, 10.11.1 und 10.11.2Abschn. 10.10.3Abschn. 10.11.1Abschn. 10.11.2). Das Ischiassyndrom wird im Kapitel 18 (Nervensystem, Abschn. 18.9.3) abgehandelt.
Verletzungen von Knochen, Gelenken, Sehnen, Bändern und Muskeln sind v. a. im Sport häufig. Eine wichtige Ursache ist oft das ungenügende Warmlaufen („Aufwärmen“), denn ein schlecht durchblutetes Gewebe ist anfälliger für Verletzungen.
4.4.1
Muskelzerrung
Zur MuskelzerrungMuskelzerrung kommt es durch eine Überdehnung des Muskels, bei der meist auch einige Muskel- und Sehnenfasern reißen. Zeichen einer Muskelzerrung sind ein plötzlich eintretender, starker Schmerz, bei dem die Funktionsfähigkeit des Muskels eingeschränkt ist. Tritt eine Schwellung auf, so besteht ein Bluterguss (Hämatom).
Die Ausheilung erfolgt durch Ruhigstellung, Kühlung und Hochlagerung mittels Bandage. Es gibt pflanzliche und homöopathische Fertigpräparate, die den Heilungsverlauf beschleunigen.
4.4.2
Muskelriss
Zum MuskelrissMuskelriss kommt es durch eine plötzliche, extreme Muskelanspannung. Es treten schlagartige, heftige, stechende Schmerzen auf und der Muskel kann nicht mehr bewegt werden. Eventuell sieht man äußerlich eine Anschwellung durch ein Hämatom. Ein wichtiger Hinweis auf ein Muskelriss ist eine Vorwölbung der Haut durch Auswölbung von Teilen des Muskels, darunter kommt es oft zur Einsenkung (sog. „Berg und Tal“).
Eventuell muss der Muskel chirurgisch genäht und anschließend ein Gipsverband angelegt werden.
4.4.3
Sehnenriss
Zum SehnenrissSehnenriss kann es durch ein Trauma (z. B. Schnittverletzung) kommen oder durch plötzliche, übermäßige Belastung. Einem Sehnenriss geht meist eine degenerative Vorschädigung der Sehnen voraus. Hiervon sind in erster Linie die Achillessehne, die lange Bizepssehne und die Quadrizepssehne betroffen.
Die Symptome entsprechen denen des Muskelrisses. Beim Riss der Achillessehne lässt sich oberhalb der Ferse eine deutliche Delle feststellen, im Wadenbereich sieht man den zusammengerollten Muskel als Vorwölbung. Oft wird angegeben, dass ein „Zwing“ oder „Tschwing“ vernommen wurde, da das Reißen der Sehne ein lautes Geräusch verursachen kann.
Die Behandlung erfolgt chirurgisch durch Sehnennaht oder Sehnentransplantation, für die von einem weniger wichtigen Muskel eine Sehne entnommen wird, um die geschädigte Sehne zu ersetzen.
4.4.4
Zerrung (Distorsion)
ZerrungDistorsionKommt es zu einer Gewalteinwirkung auf die Gelenkkapsel, so führt dies an der Stelle, an der die Gewalt einwirkt, zu einer Stauchung des Gelenks und auf der gegenüberliegenden Gelenkseite zur Zerrung. Deshalb bezeichnet Verstauchung und Zerrung den gleichen Sachverhalt an einem Gelenk.
Bei einer Zerrung werden die Bänder so stark gedehnt, dass es zum Ein- bzw. Abriss der Haltebänder des Gelenks kommt. Es treten starke Schmerzen auf und die betroffene Region schwillt an und verfärbt sich. Eine typische Ursache für eine Zerrung ist das Umknicken des Fußes, das mit einer Distorsion des oberen Sprunggelenks einhergeht. Meist ist der Außenknöchel betroffen.
Haben Sie den Verdacht auf Distorsion, so wird der Patient zum Röntgen an den Arzt verwiesen, um einen Bänderriss oder eine Fraktur auszuschließen. Die Erstversorgung erfordert eine Hochlagerung der betroffenen Extremität, lokale, kalte Umschläge und Anlegen eines Kompressionsverbandes. Bei einer schweren Zerrung muss immer eine sorgfältige ärztliche Abklärung erfolgen.
4.4.5
Verrenkung (Luxation)
VerrenkungLuxationBei einer Verrenkung ist der Gelenkkopf aus der Pfanne gesprungen, wobei die Bänder der Gelenkkapsel völlig oder teilweise zerrissen sind. Auch benachbarte Gefäße, Nerven, Sehnen und Muskeln können beschädigt oder gerissen sein. Eine Verrenkung kann man durch Deformierung im Bereich des verletzten Gelenks, durch heftigste Schmerzen und durch Schwellung erkennen. Die Einrenkung darf nur von einem Arzt bzw. von hierzu besonders ausgebildeten Personen vorgenommen werden, damit es durch ein unsachgemäßes Vorgehen nicht noch zu weiteren Schädigungen von Nerven und Gefäßen kommen kann. Als Erste-Hilfe-Maßnahme wird die Extremität möglichst bequem gelagert. Um Schäden am Gelenk zu vermeiden, muss die Einrenkung baldmöglichst vorgenommen werden.
4.4.6
Fraktur
KnochenbruchFrakturBruchBei einer geschlossenen Fraktur ist der Knochen gebrochen, ohne dass eine Verbindung von dieser Bruchstelle durch die Haut nach außen besteht. Bei offenen Brüchen dagegen ist es zu einer Hautwunde gekommen, die entweder durch das spitze Knochenende, das von innen durch die Haut stößt, verursacht worden ist oder durch einen Gegenstand, der von außen nach innen geschossartig einwirkte. Beim offenen Bruch besteht grundsätzlich die Gefahr einer Infektion der Bruchstelle.
Sichere Frakturzeichen sind: sichtbare Knochenteile, Fehlstellung, abnorme Beweglichkeit und ein knisterndes oder knarrendes Reibegeräusch, das durch das Aneinanderreiben der Knochenbruchenden verursacht wird (Crepitatio, Crepitus), außerdem die Mitteilung des Betroffenen, dass er es „Knacken“ gehört habe. Unsichere Frakturzeichen sind Schwellung, Hämatom, Schmerzen, beeinträchtigte oder aufgehobene Funktion. Die sichere Diagnosestellung erfolgt über das Röntgenbild.
Als Erste-Hilfe-Maßnahme wird der Bruch vor dem Transport geschient. Dadurch werden beim offenen Bruch noch größere Weichteilschädigungen verhindert und ein geschlossener Bruch kann nicht in einen offenen übergehen, der grundsätzlich schwieriger abheilt als ein geschlossener. Ist man sich nicht sicher, ob ein Bruch vorliegt oder eine andere Verletzung, so verhält man sich bei der Erstversorgung so, als ob ein Bruch vorläge.
4.4.7
Knochentumoren
KnochentumorPrimäre Knochentumoren sind selten. Sie können gut- oder bösartig sein, wobei der Tumor von folgenden anatomischen Strukturen ausgehen kann:
•
Knochen (z. B. Osteom, Osteosarkom)
•
Knorpel (z. B. Chondrom, Chondrosarkom)
•
Knochenmark (z. B. Plasmozytom)
Häufiger sind KnochenmetastaseKnochenmetastasen, wovon in erster Linie die Wirbelsäule betroffen ist. Grundsätzlich kann jeder bösartige Tumor in das Skelett metastasieren, besonders häufig kommt dies jedoch bei Brustdrüsen-, Prostata-, Bronchial-, Nieren- und Schilddrüsenkrebs vor.
Es treten
ziehende Schmerzen im betroffenen Knochen auf, die häufig als „rheumatische Schmerzen“ fehlgedeutet werden! Im weiteren Erkrankungsverlauf kann es zu Frakturen und Spontanfrakturen kommen, die im Bereich der Wirbelsäule mit Kompressionen des Rückenmarks mit neurologischen Ausfällen bis hin zur Querschnittslähmung einhergehen. Außerdem können „knochenbildende“ Metastasen
Druck auf
austretende Nerven ausüben, was ebenfalls Ausfälle zur Folge haben kann.
Bei Schmerzen im Bewegungsapparat auch immer an mögliche Tumorerkrankungen denken!
4.4.8
Sehnenscheidenentzündung
Zur SehnenscheidenentzündungSehnenscheidenentzündung (TendovaginitisTendovaginitis) kann es infolge einer Überanstrengung kommen: z. B. durch Wandern, Ballett tanzen, Tischlern, bei manchen Computerspielen mit der „Maus“, Klavierspielen, Stricken. Je nach Aktivität sind die Sehnenscheiden des Unterarms oder Unterschenkels betroffen. Vor allem beim Ausführen der verursachenden Bewegung kommt es zu heftigen Schmerzen. Im fortgeschrittenen Stadium stellt sich ein Dauerschmerz ein. Bei Bewegung der Sehne wird manchmal ein „Knirschen“ gefühlt (Tendovaginitis crepitans).
Die Therapie besteht in Ruhigstellung und einer antientzündlichen Behandlung.
4.4.9
Ganglion
ÜberbeinÜberbeine (GanglionGanglien) bilden sich bevorzugt an der Streckseite des Handgelenks, in der Kniekehle und am Fußrücken. Sie können von Gelenkkapseln oder Sehnenscheiden ausgehen. Dabei bilden sich KapselgeschwulstKapselgeschwülste (DegenerationszysteDegenerationszysten) von Erbsen- bis Kartoffelgröße, die mit einer gelblichen Flüssigkeit gefüllt und zunächst von weicher, später von harter Konsistenz sind. Typisch sind das plötzliche Hervortreten des Ganglions bei einer bestimmten Gelenkstellung und sein anschließendes langsames Wachstum.
Bei einem Ganglion kann Beschwerdefreiheit bestehen, es können aber auch heftige, belastungsabhängige Schmerzen auftreten und – falls durch das Ganglion Nerven komprimiert werden – Sensibilitätsstörungen.
Ein Ganglion kann spontan verschwinden. Wenn dies nicht der Fall ist und die Zyste schmerzt oder entstellt, kann die Flüssigkeit mit Nadel und Spritze abgesaugt werden. Häufig erfolgt jedoch bei dieser Therapie eine Neubildung. Bei alten Überbeinen kann eine operative Entfernung in Betracht gezogen werden, wobei es auch hier häufig zu Rezidiven kommt. Ein altes, hartes Überbein muss differenzialdiagnostisch von einem bösartigen Knochentumor abgegrenzt werden.
4.4.10
Bursitis
BursitisDurch Dauerreize und Überbeanspruchung einer bestimmten Körperstelle kann es zur SchleimbeutelentzündungSchleimbeutelentzündung (Bursitis) kommen. Beim „Fliesenleger-Fliesenleger-KnieKnie“ ist der Schleimbeutel vor der Kniescheibe (Bursa praepatellaris, Atlas Abb. 4-36) entzündet, beim „Studenten-Studenten-EllenbogenEllenbogen“ der Schleimbeutel zwischen Spitze des Ellenbogens und der Haut (Bursa olecrani). Ein weiterer Schleimbeutel, der sich oft entzündet, sitzt zwischen Deltamuskel und der Schultergelenkkapsel (Bursa subacromialis).
Bei akuter Bursitis findet man über dem entzündeten Schleimbeutel die typischen Entzündungszeichen Rötung, Schwellung und Überwärmung. Es bestehen starke Schmerzen. Manchmal kann man eine prallelastische, evtl. schwappende (fluktuierende) Schwellung tasten. Bei chronischer Bursitis findet man dagegen lediglich Druckschmerzhaftigkeit.
Die Behandlung erfolgt wie bei der Sehnenscheidenentzündung beschrieben.
4.4.11
Tennis- bzw. Golferellenbogen (Epicondylitis)
TennisarmGolferellenbogenEin CondylusCondylus ist ein GelenkknorrenGelenkknorren, ein Epicondylus ein Knochenvorsprung auf einem Gelenkknorren. Bei einer EpicondylititsEpicondylitits kommt es durch eine übermäßige Beanspruchung infolge des ständigen Zuges der Sehne an ihrer Ansatzstelle zur Entzündung.
Vom Tennisellenbogen oder Tennisarm spricht man, wenn die Entzündung des Knochenvorsprunges an der Außenseite des Ellenbogens lokalisiert ist. In diesem Fall liegt die Ursache in der Überanstrengung der Streckmuskulatur von Fingern und Handgelenk. Die Schmerzen treten mehr an der Daumenseite (radial) auf. Ist jedoch die Innenseite des Ellenbogens durch eine Überbeanspruchung der Beugemuskulatur betroffen, spricht man vom Golfspielerellenbogen. In diesem Fall treten die Schmerzen mehr an der Kleinfingerseite (ulnar) auf.
In beiden Fällen entwickeln sich Druck- und Spontanschmerzen, die v. a. in Richtung Unterarm und Hand ausstrahlen, evtl. auch in den gesamten Arm. Die Behandlung erfolgt wie bei der Sehnenscheidenentzündung beschrieben. Zusätzlich müssen falsche Bewegungsmuster korrigiert werden.
4.4.12
Karpaltunnelsyndrom
Das
KarpaltunnelsyndromKarpaltunnelsyndrom (
MedianuskompressionssyndromMedianuskompressionssyndrom) tritt bevorzugt bei
Frauen zwischen dem
40. und
50. Lebensjahr auf, kommt jedoch auch bei älteren Menschen vor, ebenso während der Schwangerschaft (durch Änderungen in der Wasserbilanz), nach Speichenbrüchen mit Deformitätsheilung und durch Vermehrung des Tunnelinhalts (z. B. durch Sehnenscheidenentzündung), durch Ödeme oder Stoffwechselablagerungen. Durch die entzündlichen Veränderungen im Karpaltunnel (
Abschn. 4.1.10) werden die Blutgefäße und der Mittelarmnerv (N. medianus) gequetscht.
Symptome.Da der N. medianus den ersten bis dritten, und die radiale Seite des vierten Fingers versorgt, beginnt die Erkrankung typischerweise mit „Einschlafen“, Kribbeln, Kältegefühl, vermehrtem Schwitzen, Schmerzen (v. a. bei Dorsalflexion) und Taubheitsgefühl in dieser Region. Die Beschwerden treten zuerst nachts und gegen morgen beim Aufwachen auf, aber auch beim Halten, z. B. von Büchern oder Schreibstiften. Zunächst verschwinden diese Beschwerden noch, wenn die Hand geschüttelt, bewegt oder unter Wasser gehalten wird. Die Schmerzen nehmen dann allmählich zu und können bis in den Ellenbogen und die Schulter ausstrahlen. Letztendlich kann es zum Muskelschwund des Daumenballenmuskels und zu Empfindungsstörungen der vom N. medianus versorgten Finger kommen.
Diagnose.Es wird eine Elektromyografie (Registrierung der Aktionsströme im Muskelgewebe) und eine Elektroneurografie (Abschn. 18.8) durchgeführt.
Therapie.Es soll möglichst die Ursache erkannt und behandelt werden. Zu Beginn der Krankheit genügt es oft, wenn die Hand mittels einer Schiene nachts ruhiggestellt wird. Bewährt haben sich naturheilkundliche Behandlungen mit Neuraltherapie, Homöopathie, Akupunktur, u. a. m.
In der Schulmedizin wird bei fortgeschrittenen Fällen der Karpaltunnel operativ freigeräumt. Die Erfolgsquote liegt bei fast 100 %. Allerdings können Rückfälle auftreten. Mögliche Operationskomplikationen: Nachblutungen und das Sudeck-Syndrom (s. u.), das immerhin in 2 bis 3 % der Fälle auftritt.
4.4.13
Sudeck-Syndrom
Beim Sudeck-Sudeck-SyndromSyndrom (Morbus Morbus SudeckSudeck, komplexes regionales Schmerzsyndrom, komplexes regionalesSchmerzsyndrom, CRPS, Complex regional pain CRPS (Complex regional pain syndrome)Complex regional pain syndromesyndrome, Sympathische Reflexdystrophie, sympathischeReflexdystrophie) handelt es sich um in drei Stadien auftretende Weichteil- und Knochenveränderungen, die in erster Linie bei Frauen nach Speichenbrüchen v. a. der Hand und des Unterarmes auftreten. Es können jedoch auch der Fuß oder der Unterschenkel betroffen sein.
Ursachen.Dem Krankheitsgeschehen liegen neurovegetative Regulationsstörungen zugrunde, die zu Durchblutungs- und Stoffwechselstörungen führen.
Die auslösenden Ursachen können in einer mehrfachen Wiedereinrichtung (Reposition) nach einem Knochenbruch liegen, in einer unzureichenden Ruhigstellung oder traumatisierenden Operationstechnik.
Stadien.Anhand des Verlaufs werden drei Stadien des Sudeck-Syndroms unterschieden:
•
Entzündungsstadium. Es kommt zur Weichteilschwellung mit örtlicher Temperaturerhöhung, vermehrter Schweißbildung, Gelenkschwellung und Schmerz, der v. a. nachts und bei passiven Bewegungen auftritt. Röntgenologische Veränderungen sind in diesem Stadium nicht nachweisbar.
•
Dystrophiestadium. Die Schmerzen nehmen zwar ab, aber es kommt nur noch zu einer mangelhaften Versorgung der Weichteile und der Knochen. Es bestehen ein derbes Weichteil- und Gelenkkapselödem, Bewegungseinschränkungen, Glanzhaut, Zyanose und Nagelwuchsstörungen. Im Röntgenbild ist eine feinfleckige Entkalkung nachweisbar.
•
Atrophiestadium. Das Ödem bildet sich zurück, die Haut und die betroffenen Muskeln atrophieren schmerzlos und das Gelenk versteift. Das Röntgenbild zeigt eine gleichmäßige diffuse Entkalkung.
Therapie.In Stadium I und II wird ein vorsichtiges Bewegungstraining durchgeführt, da eine völlige Ruhigstellung eine Gelenkversteifung eher begünstigt. Es können antientzündliche Mittel (z. B. Enzymtherapie) eingesetzt werden. Im Stadium III ist eine krankengymnastische Behandlung unabdingbar. Eine Wärmebehandlung (evtl. auch Eisbehandlung) zeigt oft gute Erfolge.
4.4.14
Dupuytren-Kontraktur
Dupuytren-KontrakturDie Erkrankung wurde nach dem französischen Chirurgen Baron Guillaume Dupuytren (1777–1835) benannt, der sie erstmals beschrieb. Es handelt sich um eine Beugestellung (Kontraktur) der Finger, von dem v. a. der Ring- und der kleine Finger betroffen sind. Meist spielt sich die Erkrankung an beiden Händen ab. Es kommt zur Verdickung und Schrumpfung der Palmaraponeurose (dreieckige Bindegewebsplatte) unter der Haut der Hohlhand (Atlas Abb. 4-37). Zwischen den Beugesehnen wuchern Faszien und es entstehen feste, derbe Knoten und Stränge. Die Finger versteifen in Beugestellung der Grund- und Mittelgelenke. Die Erkrankung kann sich über Monate bis Jahre hinziehen.
Ursache.Die eigentliche Ursache der Erkrankung ist ungeklärt. Man nimmt an, dass eine erbliche Disposition vorhanden sein muss, äußere Faktoren sollen allerdings auch eine Rolle spielen. Die Erkrankung tritt gehäuft bei Berufsgruppen auf, die mit Greifwerkzeugen arbeiten, besonders bei vibrierenden. Außerdem kann sie als Begleiterscheinung einer Leberzirrhose, eines Diabetes mellitus und bei Epilepsie auftreten.
Therapie.Ist die Hand stark beeinträchtigt, so kann operiert werden. Je nach Operationstechnik besteht eine unterschiedlich hohe Rezidivneigung.
4.4.15
Arthrosen
ArthroseArthrosen stellen die häufigste Form der Gelenkerkrankungen dar. Sie können asymptomatisch bereits bei 20- bis 30-Jährigen auftreten; um das 40. Lebensjahr herum findet man fast bei jedem Menschen kleinere degenerative Veränderungen an den gewichtstragenden Gelenken, allerdings auch noch asymptomatisch; um das 70. Lebensjahr herum sind arthrotische Veränderungen generell bei jedem Menschen nachweisbar. Übrigens treten Arthrosen auch bei allen Wirbeltieren auf.
Pathogenese.Bei einer Arthrose wird der Gelenkknorpel dünner bis hin zum völligen Abrieb. Im darunterliegenden Knochengewebe kommt es zur Verhärtung (Sklerosierung) und zur Zystenbildung. An den Gelenkrändern treten kompensatorisch Knochenwucherungen auf, außerdem sind oft degenerative Kapselveränderungen nachweisbar.
Ursache.Die eigentliche Ursache ist unbekannt. Begünstigende Faktoren sind Gelenkfehlbelastungen, Gelenkentzündungen, Verletzungen (Traumata), Übergewicht, angeborene Fehlbildungen, Stoffwechsel- und Hormonstörungen.
Symptome.Anfangs besteht in dem betroffenen Gelenk ein Steifheits- und Spannungsgefühl. Typisch ist der morgendliche Anlaufschmerz. Nach einer Einlaufzeit verschwinden die Beschwerden und das Gelenk kann normal bewegt werden. Im weiteren Krankheitsverlauf kommt es dann zum Belastungsschmerz, das heißt, dass schon bei einfachen Bewegungen Schmerzen auftreten, die sich später zum Dauerschmerz steigern können. Der Schmerz kann ausstrahlen und reflektorische Muskelverspannungen auslösen.
Ein weiteres wichtiges Kennzeichen bei Arthrose ist die Bewegungseinschränkung. Anfangs besteht sie schmerzbedingt, später wird die Bewegungsfähigkeit auch durch Umbauvorgänge am Gelenk eingeengt. Letztendlich kann es zur völligen Gelenkversteifung (Ankylose) kommen.
Die Beschwerden am arthrotischen Gelenk werden durch Kälte, Nässe, Wetterwechsel und Überbeanspruchung verschlimmert.
Therapie.Obwohl die Wiederherstellung eines einmal zerstörten Gelenks nicht gelingt, gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten, den Patienten Linderung zu verschaffen.
Bestehendes Übergewicht sollte abgebaut werden. Daneben können durchblutungsfördernde Salben, Enzym-, Kieselsäure- und Gelatinepräparate und physikalische Therapien angewandt werden (Bewegungsbäder, Fango, Moorpackungen, Massagen). Um den Stoffwechsel am geschädigten Gelenk zu verbessern, sollte das Gelenk bewegt werden, ohne es zu belasten. Dabei haben sich v. a. Schwimmen, Radfahren und Gehen in der Ebene bewährt. Treppensteigen und Bergaufgehen sollten vermieden werden. Gute Erfolge kann man auch durch spezielle naturheilkundliche Therapieverfahren, wie z. B. Baunscheidtieren, Schröpfen, Akupunktur, Homöopathie und Neuraltherapie, erzielen. Von den pflanzlichen Mitteln kommen v. a. Heublumen und Arnika in Betracht.
Hüftarthrose
Die HüftarthroseHüftarthrose (CoxarthroseCoxarthrose) tritt meist nach dem 50. Lebensjahr auf, als Folge einer angeborenen Fehlbildung, einer Entwicklungsstörung des Hüftgelenks oder einer Beschädigung des Gelenks. Verschlimmernd wirken sich Übergewicht, Stoffwechselstörungen, Klimakterium (hormonelle Umstellungsphase) und Durchblutungsstörungen arterieller und venöser Art aus.
Symptome.Schmerz und Steifigkeit des Gelenks entwickeln sich langsam. Der Schmerz strahlt in die Leiste aus, gelegentlich ins Knie. Manchmal beginnt der Patient schon früh, ein Bein nachzuziehen, was dann zu einem starken Hinken werden kann. Es kann zur Gelenkversteifung kommen.
Therapie.Für die Behandlung ist die Krankengymnastik von großer Bedeutung. Sie hat die Dehnung der verspannten Muskulatur, die Kräftigung bestimmter Muskeln und die Erweiterung des möglichen Bewegungsumfangs zum Ziel. Das Gelenk kann durch Verwendung eines Gehstockes geschont werden. Empfehlenswert sind Radfahren und Schwimmen, des Weiteren kommen Elektrotherapie, Massagen und Bewegungsbäder in Betracht. Für ein arthrotisch verändertes Gelenk gilt: Bewegen ohne zu belasten.
Kniearthrose
Frauen sind von KniearthroseKniearthrosen (GonarthroseGonarthrose) wesentlich häufiger betroffen als Männer. Zu der Erkrankung kann es durch Überlastung, Anomalien, Verletzungen oder Infektionen kommen. Nicht vergessen werden darf die Gonorrhö, bei der es als mögliche Komplikation zur Entzündung des Kniegelenks kommen kann (Monarthritis gonorrhoica).
Symptome.Die Schmerzen treten v. a. als Anlauf- und Belastungsschmerz auf.
Therapie.Es sollen möglichst Schnürschuhe mit niedrigem Absatz getragen werden. Zu vermeiden sind harte Absätze, Sandalen und Schuhe ohne festen Halt. Das arthrotische Gelenk soll nicht belastet werden, weshalb v. a. Radfahren und Schwimmen zu empfehlen ist. Zu vermeiden sind: Bergauf und Bergab gehen, Treppen steigen und das Tragen von schweren Gegenständen.
Wirbelsäulenarthrose
WirbelsäulenarthroseBei Überlastung kommt es v. a. im Lendenteil zu arthrotischen Veränderungen, bei älteren Frauen allerdings auch in der Halswirbelsäule.
Symptome.Es entwickeln sich dumpfe Schmerzen im Hinterkopf und im Hals, da es zur reflektorischen Muskelverspannung kommt. Der Schmerz kann bis weit in den Arm ausstrahlen (Brachialgie).
Therapie.Krankengymnastik spielt eine außerordentlich wichtige Rolle. Des Weiteren kommen Elektrotherapie, Massagen und Schwimmen in Betracht. Es ist auf eine gute Sitzhaltung zu achten, bei der die Wirbelgelenke entlastet werden.
Fingerpolyarthrosen
Von der FingerpolyarthroseFingerpolyarthrose sind vorwiegend Frauen im Klimakterium befallen. Spielt sie sich an den Fingerendgelenken ab, so kommt es durch Knorpelknochenwucherungen zu den typischen Heberden-Knötchen. Sind die Fingermittelgelenke betroffen, spricht man von Bouchard-Knoten, ist das Daumenwurzelgelenk befallen, so handelt es sich um eine Rhizarthrose. Gelegentlich sind zwei oder alle drei Gelenkgruppen betroffen.
Symptome.Auch hier ist der Beginn schleichend mit Kraftlosigkeit, Steifigkeitsgefühl und Anlaufschmerz. Durch den Gelenkumbau kommt es zu einer seitlichen Abknickung der Endglieder in Beugestellung.
Therapie.Die Hände sollen möglichst wenig belastet werden, weshalb keine schweren Gewichte getragen werden sollen. Die Hände dürfen weder großer Kälte noch Hitze ausgesetzt werden, z. B. bei Arbeiten im Haushalt.
4.4.16
Fibromyalgie
Bei der
FibromyalgieFibromyalgie handelt es sich um eine generalisierte, chronische, nicht-entzündliche Schmerzsymptomatik, von der v. a. der Übergang vom Muskel zur Sehne betroffen ist. Frei übersetzt könnte man Fibromyalgie als „Muskelfaserschmerzzustand“ bezeichnen. Knochen und Gelenke sind nicht in den Krankheitsprozess einbezogen. Typisch sind die Schmerzdruckpunkte an bestimmten Muskel- und Sehnenübergängen (
Abb. 4-24), die besonders schmerzhaft sind. Diese Sehnenschmerzen an den auch als Triggerpunkte oder Triggerpoints (engl. to trigger = auslösen, point = Punkt) oder Tenderpoints (= sensible Druckpunkte) bezeichneten Stellen werden von psychosomatischen und vegetativen Störungen begleitet. Betroffen sind insbesondere Frauen zwischen dem 30. und 60. Lebensjahr.
Verlauf.Die Beschwerden können in unterschiedlicher Intensität über viele Jahre bestehen. Gelegentlich ist ab dem 60. Lebensjahr eine Tendenz zur Besserung zu beobachten. Allerdings gibt es auch chronische Krankheitsverläufe bis hin zur Invalidisierung.
Ursachen.Die eigentliche Ursache ist unbekannt. Da die Fibromyalgie oft mit ausgeprägten Stimmungsschwankungen einhergeht, vermutet man, dass es sich evtl. um eine larvierte (somatisierte) Depression handeln könnte.
Symptome.Die Erkrankung beginnt meist schleichend mit unspezifischen Beschwerden wie Abgeschlagenheit, Schlafstörungen oder Magen-Darm-Symptomen. Später kommen Schmerzen im Bereich der Lenden- oder seltener der Halswirbelsäule hinzu. Die typischen Schmerzen in Armen und Beinen entwickeln sich im weiteren Krankheitsverlauf, wie auch evtl. weitere Begleitsymptome (vegetative Symptome). Dabei lösen Zeiten heftiger Schmerzattacken schmerzfreie Intervalle ab. Kälte, Nässe, Infektionskrankheiten, äußere psychische Belastungen, aber auch ein zu niedriges Aktivitätsniveau können zur weiteren Verschlimmerung führen.
Vegetative Beschwerden, die mit der Krankheit einhergehen können sind: Neigung zu vermehrter Schweißbildung, Atembeschwerden mit unklaren Schmerzen und Atemnot, Kloßgefühl im Hals (Globus hystericus), Schluckbeschwerden, Reizblase, Herzrhythmusstörungen, Taubheitsgefühl in den Extremitäten, Periodenschmerzen, Nachlassen des sexuellen Interesses, Störungen des Hörvermögens und Ohrgeräusche, Reizbarkeit und Stimmungsschwankungen.
Diagnose.Da es bei der Fibromyalgie keine typischen Laborbefunde gibt, wird die Diagnose vor allem über Tenderpoints gestellt. Mittlerweile wurden in der Fachliteratur zahlreiche Schmerzpunkte beschrieben, allerdings sind nicht alle gleich wichtig. Die wichtigsten zeigt die
Abbildung 4-24.
Meist wird die Diagnose Fibromyalgie gestellt, wenn mindestens 11 von 18 Druckpunkten schmerzhaft sind, wenn der Daumen mit einer Kraft von etwa 40 N (Newton) auf den Punkt drückt.
Therapie.Eine Schonung der Muskulatur wird nicht empfohlen, da bei den bevorzugt Erkrankten (Frauen im mittleren Lebensalter) keine Überbelastung der Muskulatur vorliegt. Empfohlen wird eine ausreichende, aber mäßige Bewegung, Entspannungstraining, Haltungsschulung, Wärmetherapie, Muskel- und Kreislauftraining. Die Behandlung kann unterstützt werden durch eine gesunde Ernährung, Bachblütentherapie, Homöopathie und Psychotherapie.
4.5
Erkrankungen der Wirbelsäule
4.5.1
Osteochondrosis intervertebralis
Bei einer Osteochondrosis Osteochondrosis intervertebralisintervertebralis (gr. osteo = Knochen, chondro = Knorpel, inter = zwischen, vertebra = Wirbel) liegt eine Degeneration der Zwischenwirbelscheiben vor. Im Anfangsstadium der Erkrankung sind die Zwischenwirbelscheiben aufgequollen, später kommt es durch eine Zerstörung der Fasern zur Verschmälerung. Die angrenzenden Wirbel können in den Krankheitsprozess mit einbezogen werden, sodass es zur Spondylose (s. u.) kommen kann.
4.5.2
Spondylose (Spondylosis deformans)
Bei einer SpondyloseSpondylose (gr. spondylus = Wirbel) ist es zur degenerativen Erkrankung der Wirbelkörper und Zwischenwirbelscheiben gekommen. Im Röntgenbild erkennt man am Wirbelkörper Randwülste, Erhebungen und Zacken. Es kommt zu Bewegungseinschränkungen und zu Schmerzen, die ausstrahlen können.
4.5.3
Spondylolyse
Bei der SpondylolyseSpondylolyse (gr. spondylus = Wirbel, lyse = Auflösung, Lösung) ist es meist in Folge einer angeborenen Spaltbildung im Bereich der Wirbelbögen (evtl. aber auch degenerativ, entzündlich, tumorös oder traumatisch bedingt) zur Auflösung gekommen. Die Folge ist die Lockerung und Lösung des Zusammenhalts zweier Wirbel und ein Wirbelgleiten (Spondylolisthesis).
4.5.4
Wirbelgleiten
WirbelgleitenBei einer SpondylolisthesisSpondylolisthesis (gr. spondylus = Wirbel, olisthesis = Ausgleiten) liegt ein bewegungsunabhängiges Abgleiten des Wirbelkörpers (meistens eines Lendenwirbels) nach vorne vor. Diesem Vorgang ging eine Spondylolyse (s. o.) voraus.
Bei einer Spondylolyse besteht meist Beschwerdefreiheit, da durch die Spaltbildung kein Druck auf die austretenden Nerven ausgeübt wird. Voraussetzung ist allerdings, dass der Bandapparat und die Muskulatur so kräftig ausgebildet sind, dass sie die Wirbel in ihrer Lage halten können. Manchmal wird beim Wirbelgleiten ein Druck auf austretende Nervenfasern ausgeübt, sodass es zu Schmerzen in der Wirbelsäule kommt, außerdem treten gelegentlich Schmerzen durch eine Überlastung der benachbarten kleinen Wirbelgelenke auf.
Die Betroffenen sollen nicht schwer heben und ungünstige Bewegungen vermeiden. Die Rückenmuskulatur muss durch krankengymnastische Übungen gestärkt werden, operiert wird nur selten.
4.5.5
Bandscheibenprotrusion
Bandscheibe:ProtrusionBei einer Protrusion der BandscheibeProtrusion (lat. protrusio = Hervortreten, Verlagerung nach außen, z. B. eines Organs aus seiner normalen Lage) wölbt sich eine degenerierte Bandscheibe, die in ihrer äußeren Faserschicht aber noch intakt ist, über den Wirbelkörperrand hinaus. Es handelt sich um einen unvollständigen Bandscheibenvorfall (s. u.). Die Folgen sind Schmerzen im Lendenbereich.
4.5.6
Bandscheibenvorfall
Bei einem Bandscheibe:VorfallBandscheibenvorfall (Bandscheibe:ProlapsBandscheibenprolaps, DiscusprolapsDiscusprolaps, DiscushernieDiscushernie) kommt es zum Heraustreten des Gallertkerns durch den beschädigten, degenerierten Faserknorpelrand der Zwischenwirbelscheibe über die Wirbelkörperränder hinaus (Atlas Abb. 4-51). Ausgelöst wird ein Bandscheibenvorfall oft durch eine bestimmte Drehbewegung oder durch schweres Heben bei gebeugtem Rumpf. Der Vorfall kann in die Zwischenwirbellöcher, gelegentlich sogar in den Rückenmarkkanal gelangen.
Symptome.Durch die Komprimierung der Nervenwurzel kann es zu (heftigsten) Schmerzen, zu Sensibilitätsstörungen in dem betroffenen Dermatom, zur Abschwächung der Reflexe, zu Bewegungseinschränkungen der Wirbelsäule, zu schmerzbedingter Schonhaltung, evtl. auch zu Lähmungen kommen.
Betroffen sind bevorzugt L4/L5 und L5/S1 (Ischiassyndrom,Abschn. 18.9.3), aber es können auch Wirbelsäulenanteile der Halswirbelsäule, v. a. bei C6/C7, aber auch andere Wirbelsäulenabschnitte betroffen sein. Je nach Ort der Beschädigung treten unterschiedliche Beschwerden auf. So führt z. B. eine Schädigung der Nervenwurzeln von S3 bis S5 zur Blasenlähmung.
Therapie.Bei leichteren Fällen mit keinen oder nur geringfügigen neurologischen Ausfällen, kann der Heilpraktiker behandeln. Bewährte naturheilkundliche Verfahren sind Schröpfen, Baunscheidtieren, Dorntherapie, Neuraltherapie, Akupunktur, Homöopathie und Wärmeanwendungen, z. B. mittels Kartoffelsäckchen.
Handelt es sich um einen dorsalen (häufig) Vorfall, also um einen Vorfall nach hinten, so wird eine Stufenbettlagerung vorgenommen. Dabei werden die Unterschenkel im 90°-Winkel zu den Oberschenkeln hochgelagert. Am einfachsten wird dazu der Patient auf dem Boden gelagert und die Unterschenkel auf einen Stuhl gelegt. Dadurch kommt es zu einer Entlastung der Lendenwirbelsäule. Gibt der Betroffene an, dass ihm die Stufenbettlagerung unangenehm ist, oder dass diese sogar seine Beschwerden noch verstärkt, so ist davon auszugehen, dass es sich um einen ventralen Vorfall handelt. In diesem Fall wird eine Bauchlagerung vorgenommen.
Besteht ein Verdacht auf Bandscheibenvorfall, so muss der Patient an den Arzt verwiesen werden, der vermutlich ein CT (Computertomogramm) anfertigen wird.
4.5.7
Lumbago
Beim LumbagoLumbago („HexenschussHexenschuss“) kommt es im Lendenbereich und den angrenzenden Körperteilen zu plötzlichen, akuten Schmerzen, allerdings zu keiner Irritation des Ischiasnervs. Ausgelöst wird die Lumbago typischerweise durch schweres Heben oder durch eine Drehung des Rumpfes.
Symptome.Symptome sind plötzliche schmerzbedingte Bewegungseinschränkung, muskulärer Hartspann der Rückenmuskulatur, Druckschmerzhaftigkeit der Dornfortsätze, Sensibilitätsstörungen und Parästhesien. Der Patient nimmt eine Schonhaltung ein, bei der der Rumpf leicht nach vorne gebeugt wird, aber nicht zur Seite. Beim Bandscheibenvorfall hingegen stellt sich der Betroffene auf das gesunde Bein, um die erkrankte Seite zu entlasten.
Diagnose.Man prüft das Lasègue-Zeichen im Stehen. Dazu beugt sich der Patient mit durchgestreckten Knien nach vorne und versucht mit den Fingerspitzen den Boden zu erreichen. Bei Lumbago ergibt sich ein Finger-Boden-Abstand von meist mehr als 40 cm. Bei der Vorwärtsbeugung sieht man, dass die Lendenwirbelsäule fixiert ist, denn die Vorwärtsbeugung erfolgt aus dem Hüftgelenk heraus. Die Ursache liegt meist in einer Protrusion (s. o.) der Bandscheibe, evtl. auch in einer momentanen Subluxation (unvollständige Verrenkung) eines Zwischenwirbelgelenks mit einer Überlastung der Bänder oder in einer Einklemmung von Teilen der Gelenkinnenhaut, die die Gelenkkapseln der kleinen Zwischenwirbelgelenke auskleiden.
Therapie.An therapeutischen Maßnahmen kommen Ruhigstellung und v. a. Wärmeanwendungen, aber auch Neuraltherapie, Akupunktur und Homöopathie in Betracht.
4.5.8
Morbus Scheuermann
Morbus ScheuermannDie Scheuermann-Scheuermann-KrankheitKrankheit (Osteochondrosis deformans Osteochondrosis deformans juvenilisjuvenilis, AdoleszentenkyphoseAdoleszentenkyphose) ist die häufigste Schädigung der jugendlichen Wirbelsäule. Die Erkrankung spielt sich überwiegend im unteren Anteil der Brustwirbelsäule und der oberen Lendenwirbelregion ab. Jungen sind doppelt so häufig betroffen wie Mädchen. Der Krankheitsausbruch liegt meist zwischen dem 10. und 15. Lebensjahr.
Ursache.Die eigentliche Ursache ist unbekannt. Als Krankheitsauslöser vermutet man eine zu schwache Muskulatur infolge mangelnder körperlicher Bewegung. Aber auch Leistungssport, der mit sehr großem Kraftaufwand verbunden ist, kann den Krankheitsausbruch fördern. Zudem wird die Krankheit durch die Körperhaltung begünstigt.
Symptome.Anfangs sieht man meist nur einen leichten, keinesfalls entstellenden Rundrücken. Rückenschmerzen können fehlen, aber es besteht eine rasche Ermüdbarkeit von Rücken und Wirbelsäule. Später kommt es dann zu der typischen „Rundrückenstellung“. Häufig erfolgt im 18. Lebensjahr ein Stillstand der Erkrankung. Die eingetretenen Verformungen der Wirbelsäule bestehen jedoch weiter, ebenso die degenerativen Veränderungen der Zwischenwirbelscheiben. Im späteren Leben neigen die Betroffenen zu Bandscheibenvorfällen. Häufig leiden sie an immer wiederkehrenden Rückenschmerzen und können nur leichtere körperliche Arbeit verrichten.
Diagnose.Der Nachweis erfolgt im Röntgenbild. Im Anfangsstadium sind hier unregelmäßige Konturen der Grund- und Deckplatten einzelner Wirbelkörper zu sehen, dann auch Deckplatteneinbrüche (Schmorl-Knorpel-Knötchen). Später kommt es zu der typischen Keilwirbelbildung.
Therapie.Sinnvolle therapeutische Maßnahmen sind Krankengymnastik, Rückenschwimmen und Vermeiden des Tragens schwerer Lasten. Nur bei starken progressiven Verläufen sind die operative Stabilisation oder operative Korrekturen der fehlgestellten Wirbelsäule erforderlich.
Morbus Scheuermann
Der sichere Nachweis erfolgt über das Röntgenbild!
4.6
Rheumatische Erkrankungen
Der Begriff
RheumaRheuma gilt in der medizinischen Terminologie als veraltet und ungenau. Spricht man trotzdem von rheumatischen Erkrankungen, sind Störungen mit den folgenden typischen Kennzeichen gemeint:
•
Autoimmunerkrankung, da man oft Antikörper gegen körpereigenes Gewebe findet
•
beißende oder ziehende Schmerzen im Bewegungsapparat, die zur Bewegungseinschränkung führen
•
Der Erkrankung spielt sich im Bindegewebe ab (s. auch Kollagenosen). Oft ist das Bindegewebe innerer Organe und das der Gefäße mit betroffen, sodass es auch zu Krankheitserscheinungen an Herz, Niere und Blutgefäßen kommen kann.
•
Die Beschwerden werden verschlimmert durch Wetterwechsel, Kälte und Nässe.
•
Man findet unterschiedliche Krankheitsphasen mit aktiveren Schüben, denen latente Phasen folgen.
•
Gelenkschwellung, Gelenksteifigkeit, Gelenkdeformitäten, Gelenkversteifungen
•
Gelenkschmerzen (Ausnahme: Weichteilrheumatismus)
•
bei Weichteilrheumatismus: Sehnen- und Schleimbeutelentzündungen, Muskelrheumatismus
•
evtl. Entzündungen an anderen Organen: z. B. Augen, Haut (Rheumaknoten), Psoriasis, Herz (Endokarditis bei rheumatischem Fieber, Abschn. 4.6.2)
•
Allgemeinsymptome wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Appetitlosigkeit, Gewichtsabnahme
Unterteilung nach Rheumaliga.Da es sich bei dem Begriff „Rheuma“ um so ein vielgestaltiges Krankheitsbild handelt, hat die Rheumaliga folgende Unterteilung getroffen:
•
entzündlicher Rheumatismus: z. B. Arthritis, Morbus Bechterew
•
degenerativer Rheumatismus: z. B. Arthrosen
•
Weichteilrheumatismus: z. B. Muskelrheumatismus, Epicondylitis (Tennisellenbogen), Bursitis (Schleimbeutelentzündung). Bei Muskelrheumatismus findet man oft umschriebene Schmerzpunkte und Myogelosen. Damit meint man umschriebene Knoten oder wulstförmige Verhärtungen der Muskulatur, die Druck- oder dumpfe Dauerschmerzen verursachen können.
Kollagenosen.Mit dem Begriff
KollagenoseKollagenosen fasst man die Erkrankungen zusammen, die sich im kollagenen Bindegewebe abspielen, wie z. B. Sklerodermie (
Abschn. 4.6.6) und Lupus erythematodes (
Abschn. 4.6.5).
4.6.1
Weichteilrheumatismus
Beim WeichteilrheumatismusWeichteilrheumatismus kommt es zu Schmerzen in Muskeln, Sehnen, Bändern, Schleimbeuteln oder Unterhautgewebe. Der Schmerz tritt entweder nach Ruhepausen verstärkt auf, oder er wird in wechselnder Intensität dauernd gespürt. Häufig können umschriebene Schmerzpunkte und Gewebsverdickungen getastet werden. Oft sind auch benachbarte Gelenke betroffen sei es durch die Schonhaltung, die der Patient wegen seiner Schmerzen einnimmt, oder durch den Funktionsausfall von Muskeln und Sehnen.
Zum Weichteilrheumatismus werden folgende Erkrankungen gezählt:
•
Tendovaginitis (Sehnenscheidenentzündung)
•
Bursitis (Schleimbeutelentzündung)
•
Epicondylitis („Tennisellenbogen“)
•
Fibromyalgie
•
bestimmte Erkrankungen der Schulterregion, z. B. durch Schädigung der Untergrätensehnen (M. supraspinatus)
Typische naturheilkundliche Therapien bei Muskelrheumatismus sind giftausleitende Therapien, der Einsatz von antientzündlichen Enzymen, Ernährungsumstellung auf eine vegetarische Vollwerternährung, außerdem durchblutungsfördernde und entspannende Maßnahmen um den aufgetretenen Muskelverkrampfungen entgegenzuwirken.
4.6.2
Rheumatisches Fieber
Das rheumatische Fieber:rheumatischesFieber tritt als Zweiterkrankung nach einem Streptokokkeninfekt auf, der sich meist im Kopf- oder Halsbereich abspielte, z. B. in Form einer eitrigen Angina, einer Zahnwurzelvereiterung, einer Nasennebenhöhlenentzündung. Ist diese primäre Erkrankung abgeklungen, kommt es nach einem beschwerdefreien Intervall von ca. 1 bis 3 Wochen bei einem Teil der Erkrankten zum rheumatischen Fieber. Betroffen sind v. a. Kinder im schulpflichtigen Alter. Erwachsene und Säuglinge erkranken dagegen nur äußerst selten. Durch die frühzeitige antibiotische Behandlung eitriger Infekte tritt das rheumatische Fieber bei uns fast nicht mehr auf.
Ursache.Ursache ist ein Autoimmungeschehen, und zwar kommt es zu einer Antigen-Antikörper-Reaktion auf das Streptokokkentoxin. Es handelt sich um eine Allergie vom Typ III, dem sogenannten Immunkomplextyp.
SymptomeBei den Symptomen werden sogenannte Haupt- und Nebenkriterien unterschieden (Jones-Kriterien).
Symptome – Hauptkriterien.Die Krankheitserscheinungen können einige Wochen bis mehrere Monate lang anhalten und neigen dazu, immer wieder aufzuflammen. Zu den Hauptkriterien gehören:
•
Karditis, v. a. Endokarditis, oft mit bleibenden Klappendefekten, aber auch Myo- oder Perikarditis mit Herzgeräuschen, Tachykardie, EKG-Veränderungen bis hin zu AV-Blockierungen und Vorhofflimmern.
•
Polyarthritis. Typisch sind die starken Beschwerden, die von Gelenk zu Gelenk wandern. Dabei kommt es zu heftigen Gelenkschmerzen mit Anschwellungen, Rötungen und Überwärmung, die durch Berühren und Bewegen verstärkt werden. Meistens sind die großen Gelenke am Knie oder Ellenbogen betroffen, manchmal jedoch auch die kleinen Hand-, Fuß- oder Wirbelsäulengelenke. Die Gelenkbeschwerden verschwinden wieder. Deshalb bezeichnet man dies auch als „Gelenkschnupfen“.
•
Chorea minor (kleiner Veitstanz, kleinerVeitstanz). Es handelt sich um eine zentral bedingte Bewegungsstörung. Es kommt zur Hyperkinese bei ausgeprägter Muskelhypotonie und psychischen Veränderungen wie Reizbarkeit und Antriebsminderung. Es besteht ein Übermaß an Bewegungsimpulsen, die bei völliger körperlicher Ruhe auftreten, der Kopf wird hin und her geworfen, es kommt zu grimassierenden Bewegungen und mit den Gliedmaßen werden ausfahrende Bewegungen durchgeführt. Die Sprache ist durch die Beteiligung der Zungenmuskulatur oft schwer verständlich. Die Krankheitserscheinungen können mehrere Wochen bis Monate andauern. Am Ende kommt es in der Regel zur völligen Ausheilung.
•
Hauterscheinungen. Es kann zu rosaroten, ringförmigen Flecken oder zu subkutanen Knötchen kommen.
Symptome – Nebenkriterien.Nebenkriterien sind Fieber, Gelenkschmerzen, Beschleunigung der BKS, allgemeine CRP-Erhöhung, EKG-Veränderung (verlängerte PQ-Zeit.)
Diagnose.Anstieg des Antistreptolysintiters, Nachweis von Streptokokken im Abstrich und bestimmte EKG-Veränderungen (Verlängerung der PQ-Zeit, Senkung der ST-Strecke).
Therapie.Die Behandlung erfolgt durch den Arzt, da verschreibungspflichtige Medikamente eingesetzt werden müssen, und zwar v. a. Antibiotika, um den Streptokokkeninfekt wirkungsvoll zu bekämpfen. Des Weiteren kommen Acetylsalicylsäure (Behandlung des Fiebers und der Gelenkentzündung) und evtl. Kortison (bei Herzbeteiligung) zum Einsatz. Während des Schubs muss strikte Bettruhe eingehalten werden, was mehrere Wochen dauern kann. Der Heilpraktiker darf begleitend zum Arzt behandeln
Um neuerlichen Schüben eines rheumatischen Fiebers vorzubeugen, wird in der Schulmedizin eine Rezidivprophylaxe mit Penizillin durchgeführt.
Prognose.Die Prognose ergibt sich v. a. aus der
Schwere der ablaufenden
Herzentzündung. Die Erkrankung hat heute eine Letalität von 2 bis 5 %. Die übrigen Symptome wie Gelenkentzündungen, Hauterscheinungen und Veitstanz heilen folgenlos ab.
Rheumatisches Fieber
Überwiegend sind Kinder im schulpflichtigen Alter betroffen. Es handelt sich um eine Zweiterkrankung nach einem Streptokokkeninfekt. Die Erkrankung ist bei uns in Mitteleuropa äußerst selten geworden.
4.6.3
Chronische Polyarthritis
Die chronische Polyarthritis, chronischePolyarthritis wird auch PCP (primär-chronische Polyarthritis)PCP (primär-chronische Polyarthritis) oder rheumatoide Arthritis, rheumatoideArthritis (RA (rheumatoide Arthritis)RA) bezeichnet.
Bei PCP handelt es sich um eine chronische Gelenkentzündung, von der in 80 % der Fälle Frauen betroffen sind. Meist bricht die Krankheit zwischen dem 35. und 45. Lebensjahr aus. Es kommt zu Schmerzen, Schwellungen, Steifheit, in schweren Fällen auch zu Deformationen der Finger-, Handwurzel-, Zehen- und anderer Gelenke. Typisch sind die wiederkehrenden Krankheitsschübe (Atlas Abb. 4-56).
Ursache.Es handelt sich um ein Autoimmungeschehen (s. auch Diagnose, Rheumafaktor).
Symptome.Die Erkrankung beginnt schleichend mit Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Parästhesien und subfebrilen Temperaturen. Leitsymptom der Erkrankung ist die
Morgensteifigkeit in Händen und Füßen, sowie die
spindelförmige Schwellung der Finger. Grund der spindelförmigen Anschwellung ist, dass sich die Entzündung v. a. in den Fingergrund- und Mittelgelenken abspielt. Die
Endgelenke bleiben
frei. Des Weiteren können auch die Zehengrundgelenke betroffen sein und später größere Gelenke wie Hand-, Ellenbogen-, Schulter-, Sprung- und Kniegelenke, manchmal auch die Zwischenwirbelgelenke, v. a. die der Halswirbelsäule. Charakteristisch ist der
symmetrische Befall der Gelenke beider Körperhälften. Außer den Gelenken können auch Schleimbeutel und Sehnen in das Krankheitsgeschehen mit eingeschlossen sein. Im Endstadium kann es zur Muskel- und Hautatrophie und zur Gelenkversteifung kommen. Typische auftretende Gelenkdeformitäten sind:
•
Ulnardeviation (Abknicken der Finger in Richtung Ulna)
•
Schwanenhalsdeformität (Überstreckung im Fingermittelgelenk bei gleichzeitiger Beugung im Endgelenk)
•
Knopflochdeformität (Mittelgelenk ist gebeugt, das Endgelenk überstreckt)
•
Krallenbildung an den Füßen, die Zehen verschieben sich in Richtung Fußaußenkante und das Fußgewölbe flacht ab
Krankheitsverlauf.Typisch ist der schubweise Krankheitsverlauf. Bei einem Schub kommt es an den betroffenen Gelenken zu heftigen Entzündungsreaktionen mit Schwellung, Rötung, Überwärmung und Schmerzen, außerdem können Rheumaknoten (s. u.) auftreten. Nach Abklingen der heftigen Entzündung schließt sich eine Phase mit geringeren Beschwerden an. Nach völligem Abheilen der Entzündung bleiben jedoch oft Veränderungen am Gelenk zurück, sodass der ursprüngliche Zustand nicht wieder hergestellt werden kann.
Rheumaknoten(Atlas Abb. 4-57). Diese entstehen bevorzugt an Druckstellen, wie z. B. an der Streckseite der Unterarme, am Hinterkopf, über Knochenvorsprüngen und gelenknahen Strecksehnen. Es handelt sich um subkutane Knoten aus Granulationsgewebe, die sich derb anfühlen und meist nicht schmerzhaft sind. Man findet sie bei ungefähr 30 % der Patienten mit chronischer Polyarthritis. Rheumaknoten können an Größe zunehmen, wenn es zu einem Krankheitsschub kommt. Danach können sie sich verkleinern.
Diagnose.Im Blut kann in 70 bis 80 % der Fälle ein Antikörper („Rheumafaktor, RF“) nachgewiesen werden. Außerdem kann es zu einer Erhöhung der BKS und zu einem CRP-Anstieg kommen.
Die Diagnostik stützt sich aber in erster Linie auf die Kriterien, die von der ACR (American Society of Rheumatology) festgelegt wurden. Dabei gilt die Diagnose als gesichert, wenn von den folgenden sieben aufgestellten Symptomen mindestens vier auftreten:
1.
Morgensteifigkeit der Gelenke von mindestens einer Stunde Dauer
2.
Arthritis in drei oder mehr Gelenkbereichen
3.
Arthritis der Fingergrund- und -mittelgelenke oder der Handwurzelgelenke
4.
Symmetrischer Befall des gleichen Gelenkbereichs beider Körperhälften
5.
Auftreten von Rheumaknoten: subkutane Knoten über Knochenvorsprüngen oder gelenknahen Strecksehnen
6.
Rheumafaktornachweis im Serum
7.
Typische Röntgenveränderungen der Hände: gelenknaher Knochenabbau und/oder Erosionen der betroffenen Gelenke
Prognose.Gerade die ersten Jahre der Erkrankung sind entscheidend für den weiteren Verlauf. Wird die PCP rechtzeitig diagnostiziert und konsequent behandelt, so können sich Spätschäden vermeiden bzw. zumindest verzögern lassen.
In 20 bis 30 % der Fälle kommt es zu Gelenkveränderungen bis hin zur Invalidität. Es kann sein, dass die Betroffenen rollstuhlpflichtig werden bzw. auf die dauernde Hilfe anderer Personen angewiesen sind.
Sind weitere Organsysteme, z. B. Lungen oder Herz in das Krankheitsgeschehen mit eingezogen, so ist die Lebenserwartung eingeschränkt.
Therapie.Während eines akuten Schubes muss der Betroffene an den Arzt verwiesen werden, da verschreibungspflichtige Medikamente eingesetzt werden müssen (z. B. Antirheumatika wie Chloroquin, Sulfasalazin, Goldsalze, Penicillamin, Kortison, Immunsuppressiva). Wird ein akuter Schub nicht sofort wirkungsvoll behandelt, kann es an den betroffenen Gelenken zu einer u. U. erheblichen Schädigung kommen.
Während eines akuten Schubes müssen die betroffenen Gelenke ruhiggestellt werden. Schädliche Reize wie Kälte, Nässe, Infekte und Überanstrengung müssen weitgehend ausgeschaltet werden. Große Bedeutung haben in der anfallsfreien Zeit Gymnastik, Massagen und Bäder, um die Beweglichkeit der Gelenke zu erhalten oder wiederherzustellen. Als ganzheitliche Maßnahmen werden Ernährungsumstellungen, längere Heilfastenbehandlungen, Psychotherapie, Schroth- und Rohkostkuren durchgeführt.
Schulmedizinisch steht eine Vielzahl von operativen Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Beispielsweise soll durch eine Entfernung der Gelenkinnenhaut (Synovektomie) einer Gelenkzerstörung vorgebeugt werden.
Chronische Polyarthritis
Es sind in erster Linie Frauen betroffen. Die Erkrankung spielt sich zunächst an den Fingergrund- und -mittelgelenken ab.
4.6.4
Morbus Bechterew
Morbus Morbus BechterewBechterew (Spondylarthritis Spondylarthritis ankylopoeticaankylopoetica, Spondylitis Spondylitis ankylosansankylosans, Bechterew-Strümpell-Marie-Bechterew-Strümpell-Marie-KrankheitKrankheit) (Atlas Abb. 4-58) ist eine rheumatische Erkrankung, bei der es durch die ablaufenden chronischen Gelenkentzündungen letztendlich zur Versteifung (Ankylosierung) des Achsenskeletts und der wirbelsäulennahen Gelenke (z. B. Rippen-Wirbel-Gelenke, Kreuzbein-Darmbein-Gelenke) kommt. Die Bänder und die äußeren Bandscheibenanteile neigen zur Verkalkung. Die Krankheit betrifft überwiegend Männern (90 %) und beginnt meist zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr. Sie tritt familiär gehäuft auf, manchmal in Kombination mit entzündlichen Darmerkrankungen (Morbus Crohn, Colitis ulcerosa), psoriasis-ähnlichen Hauterscheinungen oder der Reiter-Krankheit (Trias: Arthritis, Urethritis, Konjunktivitis).
Ursache.Die Ursache ist unbekannt. Erreger konnten nicht nachgewiesen werden. Vererbung spielt eine Rolle. Bei 90 % der Erkrankten kann ein Zellantigen (HLA-B27) nachgewiesen werden, das nur bei 6 % der Normalbevölkerung vorkommt.
Symptome.Die Krankheit beginnt mit tiefsitzenden nächtlichen Rückenschmerzen, die oft in die Leiste, das Gesäß und die Oberschenkel ausstrahlen. Es besteht Morgensteifigkeit im Bereich des Stammskeletts, v. a. im Kreuzbeinbereich, die typischerweise durch Bewegung gebessert wird. Charakteristisch sind die quälenden Fersenschmerzen, die durch entzündliche Verkalkungen an den Achillessehnenansätzen verursacht werden. Bei einem Drittel der Betroffenen kommt es immer wiederkehrend zu Augenentzündungen. Weitere mögliche Symptome sind: Fieber, Müdigkeit, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust und Anämie. Die Patienten lindern ihre Rückenschmerzen und die Verspannung der Rückenmuskulatur durch Einnahme einer gebeugten, bzw. überhängenden Haltung.
Verlauf und Komplikationen.Im Endstadium der Erkrankung versteifen die gesamte Wirbelsäule und der Brustkorb. Es kommt zu der typischen Bechterew-Haltung (Atlas Abb. 4-58) mit der ausgeprägten Kyphose der Brustwirbelsäule und der Lordose der Halswirbelsäule. Der Kopf kann kaum bewegt werden, das Blickfeld ist stark eingeschränkt. Die Versteifung des Brustkorbes hat ein Erliegen der Brustatmung zur Folge, was wiederum zur Ausbildung eines Lungenemphysems mit darauffolgender Rechtsherzbelastung führen kann. Kommt es durch die Veränderungen des untersten Teils der Wirbelsäule zur Kompression der hier austretenden Nerven (Cauda-equina-Syndrom), so kann es zu Impotenz und zu Urin- und Stuhlinkontinenz kommen. Weitere mögliche Komplikationen sind Herz- und (selten) Aorteninsuffizienz.
Diagnose.Die Diagnose wird hauptsächlich aufgrund der Beschwerden gestellt, aber durch das Röntgenbild ergänzt, das je nach Krankheitsstadium unterschiedliche Veränderungen aufzeigt. Im Spätstadium kann sich die klassische „Bambusstab-Wirbelsäule“ entwickeln, die allerdings heute selten geworden ist und nur nach einem Krankheitsverlauf von durchschnittlich mindestens 10 Jahren auftritt. Dabei kommt es zur Kantenausziehung an den Wirbelkörpern und zu Verknöcherungen der Bandscheiben.
Im Blut kann eine Beschleunigung der BKS im akuten Schub nachgewiesen werden. Des Weiteren gelingt der Nachweis des Zellantigens HLA-B27 in 90 % der Fälle (s. o.). Um ein Maß für die zunehmende Versteifung der Wirbelsäule zu haben, kann das Schober-Zeichen geprüft werden (Atlas Abb. 4-58).
Morbus Bechterew
Betrifft in 90 % der Fälle Männer. Im fortgeschrittenen Stadium kommt es zu einer ausgeprägten Kyphose der Brustwirbelsäule und zu einer starken Lordose der Halswirbelsäule.
4.6.5
Lupus erythematodes (LE)
Lupus erythematodesLE (Lupus erythematodes)Lupus kommt aus dem Lateinischen und heißt Wolf. Damit bezeichnet man Krankheiten, die mit schweren und fortschreitenden Gewebezerstörungen („fressende Flechte“) einhergehen. So wurden früher mit dem Begriff „Lupus“ Krankheiten völlig unterschiedlicher Ursache bezeichnet, wie Lupus vulgaris (Hauttuberkulose), Lupus perneo (Form der Hautsarkoidose) und Lupus erythematodes.
Erythem kommt aus dem Griechischen und bedeutet entzündliche Rötung der Haut, die durch eine Hyperämie (vermehrte Durchblutung) bedingt ist; todes (gr.) = gestaltet, ähnlich.
Ursachen.Lupus erythematodes ist eine Autoimmunkrankheit, bei der es zur Bildung von Autoantikörpern gegen Bestandteile der Zellkerne (antinukleäre Antikörper) kommen kann. Die hierbei entstehenden Immunkomplexe zirkulieren im Blutkreislauf und lagern sich in Gefäßwände ein, wodurch es zu einer Gefäßentzündung kommt. Diese Gefäßentzündung kann zu einer Reihe charakteristischer Veränderungen an Haut, Gelenken und inneren Organen führen.
Betroffen sind v. a. Frauen im gebärfähigen Alter.
Auslösende Faktoren.Als auslösende Faktoren kommen Virusinfektionen, Sonnenbestrahlung und Medikamente (Antihypertonika, Antiarrhythmika, Antiepileptika, Thyreostatika, Tuberkulostatika) in Betracht.
Verlaufsformen.Die häufigste – und zugleich auch mildeste – Verlaufsform ist der chronische Haut-LE. Grundsätzlich gilt aber, dass LE ein äußerst vielschichtiges Krankheitsbild zeigt. Es kommt sowohl zu akuten, therapieresistenten Verläufen mit tödlichem Ausgang als auch zu gutartigen Verlaufsformen, die kaum therapiebedürftig sind und die auf die Überlebenszeit des Betroffenen keinen Einfluss haben. Ein weiteres Kennzeichen der Erkrankung ist, dass es lange Latenzphasen geben kann, und dass es dann wieder – oft ohne äußerlich ersichtlichen Grund – zu einem schweren Schub kommen kann. Bei einem solchen Schub treten entweder die gleichen Symptome wie bei der Erstmanifestation auf, oder es entwickelt sich ein ganz andersartiges Krankheitsbild, z. B. indem ein bis dahin gesundes Organ befallen wird.
Beispielhaft werden nun die beiden häufigsten Verlaufsformen besprochen, nämlich chronischer Haut-LE und systemischer LE (SLE).
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LE der Haut (Lupus erythematodes discoides). An den lichtexponierten Hautarealen (v. a. Gesicht, behaarter Kopf, aber auch an den Händen) kommt es zu Hauterscheinungen, die erhaben und scharf begrenzt sind, eine vermehrte Schuppung und entzündliche Randveränderungen zeigen. Die Hautveränderungen weisen im Gesicht manchmal die typische Schmetterlingsform auf (Atlas Abb. 4-60, 4-61). Charakteristisch im veränderten Bereich ist die bestehende Hyperästhesie (Überempfindlichkeit gegen Berührung). Nach Jahren bis Jahrzehnten bilden sich die Hauterscheinungen vom Zentrum aus zurück, wobei es zu einer straffen Atrophie mit Ausbildung von hypopigmentiertem Narbengewebe kommt.
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Systemischer Lupus erythematodes (SLE). Das Krankheitsbild zeigt eine außerordentlich große Variabilität. Häufige Symptome sind Arthritiden (oft als Polyarthritis), Hauterscheinungen und uncharakteristische Erscheinungen wie Fieber, Müdigkeit und Abgeschlagenheit. Des Weiteren kann es zu Pleuritis, Nephritis, Hypertonie, Peri- und Endokarditis kommen.
Diagnose.Bei der Diagnose spielt der Antikörpernachweis eine wichtige Rolle. Bei 80 % der SLE-Patienten können im Blutbild LE-Zellen nachgewiesen werden. Dabei handelt es sich um reife, polymorphkernige Granulozyten mit randständigem Kern und großer Vakuole, die phagozytiertes Kernmaterial in Rosettenform enthält.
Therapie.Die Therapie erfolgt durch den Arzt (Kortison, Antipholgistika, Immunsuppressiva). Der Heilpraktiker darf begleitend behandeln.
4.6.6
Sklerodermie
Bei der
SklerodermieSklerodermie (
DarrsuchtDarrsucht) handelt es sich um eine
Autoimmunerkrankung des Gefäßbindegewebes, bei der man eine
lokalisierte (Sclerodermia circumscripta) und eine
systemische (progressive, systemische) Sklerodermie unterscheidet:
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lokalisierte Sklerodermie (Sclerodermia circumscripta). Es kommt zu umschriebenen Hauterscheinungen. Dabei sind gut begrenzte Herde zu sehen, die anfangs gerötet sind, später verhärten (sklerodisieren) und schließlich atrophieren. Sie zeigen eine verstärkte oder eine verminderte Pigmentierung (Atlas Abb. 4-62). Gelegentlich geht eine circumscripte Sklerodermie in eine progressive, systemische Verlaufsform über.
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systemische Sklerodermie (Scleroderma diffusa). Meist sind Frauen zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr betroffen. Die Erkrankung beginnt mit teigigen Ödemen an den Fingerspitzen und sekundären Morbus-Raynaud-Anfällen (Abschn. 6.5.1). Monate später erfolgt im betroffenen Areal eine fleckig-livide Verfärbung bei glänzender, atrophischer, unverschieblicher Haut. Es kommt an den Fingern und Zehen zu „rattenbissartigen Nekrosen“, also zu schmerzhaften, gangränösen Veränderungen. Die Finger werden in Beugestellung fixiert (Atlas Abb. 4-64), die Knochen der Endglieder lösen sich auf. Die Sklerodermie kann sich von den Händen auf Unterarme, Gesicht, Hals und Brust ausdehnen. Durch die Verhärtung werden die Gesichtszüge starr, die Nase springt spitz hervor, der Mund, ein sogenannter Tabaksbeutelmund, ist klein mit straffer Faltenbildung an der Oberlippe (Atlas Abb. 4-63). Es kann zur Zungenbandverkürzung kommen, was Sprach- und Schluckstörungen zur Folge hat (Atlas Abb. 4-65).
Die Krankheit verläuft in Schüben, zwischen denen längere Latenzphasen liegen können. Milde Verläufe kommen vor.
Prognose.Es gibt große Unterschiede im Krankheitsverlauf, und zwar hinsichtlich der betroffenen Organe und bezüglich der Geschwindigkeit, mit der die Erkrankung fortschreitet. Oft verschlimmert sich die Sklerodermie in den ersten Jahren rapide, wird dann langsamer und kann sogar zum Stillstand kommen. Gelegentlich treten akute Verläufe auf, und es werden in schneller Folge Herz, Nieren oder Lungen befallen, sodass es zum tödlichen Ausgang durch Organversagen kommen kann.
Diagnose.Die Diagnose wird im Wesentlichen über Hautbiopsie und Antikörpernachweis gestellt.
Therapie.Die Therapie erfolgt durch den Arzt, da verschreibungspflichtige Medikamente (z. B. Kortison, Zytostatika u. a.) eingesetzt werden müssen. Der Heilpraktiker kann begleitend behandeln.