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10.1016/B978-3-437-23751-5.10015-9
978-3-437-23751-5
Elsevier GmbH
Blutgruppen- und Blutgruppenantikörperbestimmung mit dem ID-System
[M415]

Flussdiagramm Blutgruppenbestimmung, AntikörperscreeningB978-3-437-23751-5.10015-9#idx14:subtopicAntikörperscreening und Rhesusprophylaxe
[A300–157]

Messung der A. cerebri media
[M415]

Normkurve der systolischen Maximalgeschwindigkeit in der A. cerebri media und Grenzwerte hinsichtlich Vorliegen einer schweren fetalen Anämie
[nach Kurmanavicius et al. 2001] [A300–157]

Flussdiagramm Vorgehen bei Nachweis von irregulären Blutgruppenantikörpern.
* Bei einem Grenztiter von 1 : 64 oder höher muss mit einer fetalen Anämie gerechnet werden
** Möglich für Rh-D, -c, -E, Kell und Duffy
*** Nach 24 h erneut Doppler, Wdhlg. der Chordozentese in Abh. von fetalem Hkt bzw. vom Blutgruppenantikörper:irreguläreB978-3-437-23751-5.10015-9#idx26Dopplerbefund
[A300–157]

Blutgruppenallele, Genlokus, DNA-Polymorphismus und biologische Funktion [Avent 1997] der wichtigsten Blutgruppen des MenschenKiddB978-3-437-23751-5.10015-9#idx22:subtopicKellB978-3-437-23751-5.10015-9#idx20:subtopicDuffyB978-3-437-23751-5.10015-9#idx21:subtopicBlutgruppenalleleB978-3-437-23751-5.10015-9#idx19:subtopic
Allele | Genlokus | Polymorphismus | Funktion |
Rhesus D | 1p34–36 | Bei D-neg. Individuen Gen fehlend [Wagner et al. 2000] | Im Rh-Core-Komplex Ammoniumtransporter [Huang et al. 2000] |
Rhesus c/C | 1p34–36 | Nukleotidtausch Exon 1 u. 2 [Le Van Kim et al. 1994] | |
Rhesus e/E | 1p34–36 | Nukleotidtausch Exon 5 [Le Van Kim et al. 1994] | |
Kell (k1/k2) | 7q33 | C-zu-T-Tausch im Nukleotid 698 [Avent et al. 1996] | Zink-Endopeptidase, Endothelin-3-converting-enzyme [Lee et al. 2000] |
Duffy (Fya/Fyb) | 1q22–23 | G-zu-A-Tausch im Nukleotid 306 [Chaudhuri et al. 1995] | Chemokinrezeptor und Malariarezeptor [Pogo et al. 2000] |
Kidd (Jka/Jkb) | 18q12–21 | G-zu-A-Tausch im Nukleotid 838 [Olives et al. 1997] | Harnstoffkanal [Cartron et al. 1995] |
Blutgruppenunverträglichkeit
-
15.1
Definition/Terminologie 334
-
15.2
Epidemiologie 334
-
15.3
Ätiologie 335
-
15.4
Pathophysiologie 335
-
15.5
Diagnostik/Screening 337
-
15.6
Prophylaxe 338
-
15.7
Therapie 339
15.1
Definition/Terminologie
Es überwiegen Unverträglichkeiten der Erythrozytenmerkmale.
In seltenen Fällen können auch Unverträglichkeiten hinsichtlich der Thrombozyten [Zimmermann et al. 1993] und der Granulozyten auftreten.
Das Immunsystem BlutgruppeninkompatibilitätB978-3-437-23751-5.10015-9#idx4:subtopicder Schwangeren hat sich bereits mit der fremden Blutgruppe auseinandergesetzt (Alloimmunisierung).
Besitzt der Fetus die ungünstige Blutgruppe, ist er unmittelbar gefährdet.
Mutter und Kind BlutgruppenkonstellationB978-3-437-23751-5.10015-9#idx5:subtopicweisen unterschiedliche Blutgruppen auf, es ist aber noch nicht zu einer Immunisierung der Mutter gekommen. Da i. d. R. vorgeburtlich die Blutgruppe des Fetus nicht bekannt ist, wird dann von einer Konstellation gesprochen, wenn die Mutter ein eher seltenes Merkmal trägt (z. B. Rh-D-negativ ist) und das Kind möglicherweise das häufige Merkmal besitzt.
Gefahr: Mutter immunisiert sich gegen die ihr fremde Blutgruppe.
Reguläre AK:
–
Sind ohne früheren Kontakt mit einer fremden Blutgruppe vorhanden.
–
Vor allem im AB0-System: Neugeborene der Blutgruppe 0 kommen ohne AK gegen A und B zur Welt. Durch eine Kreuzreaktion gegen Polysaccharide auf Darmbakterien entwickeln sie im 1. Lebensjahr reguläre AK gegen die Merkmale A und B.
–
Gelegentlich werden auch reguläre AK der Spezifität Anti-Rh-E nachgewiesen.
Irreguläre AK: Alle anderen Blutgruppenantikörper, da Blutkontakt notwendig ist.
15.2
Epidemiologie
-
Vor Einführung der Rhesus-InkompatibilitätB978-3-437-23751-5.10015-9#idx9:subtopicInkompatibilität:Rhesus-B978-3-437-23751-5.10015-9#idx8Rhesusprophylaxe: 8–10 % aller Schwangerschaften durch Inkompatibilität kompliziert [DiGuiseppi 1996].
-
In westlichen Ländern sind seit Ende der 1960er Jahre Alloimmunisierungen zahlenmäßig stark zurückgegangen: Heute sind ca. 1 : 500–1.000 Schwangerschaften betroffen.
-
Die mit Abstand häufigste Blutgruppenunverträglichkeit ist die gegen Rhesus D: In unserer Klinik sind ca. 80 % D-Inkompatibilitäten, 10–14 % andere Rhesus-Inkompatibilitäten (v. a. Rh c und Rh E), nur vereinzelt Alloimmunisierungen gegen Kell, Duffy und Kidd. Andere Antigene spielen, selbst wenn in Einzelfällen ebenfalls Immunisierungen beobachtet wurden, eine zu vernachlässigende Rolle.
15.3
Ätiologie
Spontanaborte im 1. Trimenon: 0 %.
Abortkürettagen: Bis 4 %
Spontan im 2. und 3. Trimenon: 1 %.
Chorionbiopsien oder transplazentare Amniozentesen: > 5 %.
Geburt: 4–9 %.
15.4
Pathophysiologie
Rhesussystem
RhesussystemB978-3-437-23751-5.10015-9#idx10:subtopicGeburtshilflich wichtigstes Blutgruppensystem.
Das Rhesusprotein besteht aus 417 Aminosäuren, ist schlangenförmig in die Membran eingelassen, wobei 6 Schlingen aus der Membran herausragen.
Phylogenetisch besitzt der Mensch 2 Hauptvarianten, die sich durch 35 Aminosäuren unterscheiden: Rh-D-Protein und Rh-CE-Protein. Während Rh-D fehlen kann, ist Rh-CE nahezu immer vorhanden. Die Rhesusproteine bilden zusammen mit dem Duffy-Protein und Rh-assoziierten Proteinen (CD47, LW/ICAM-4, Rh50, GPB) im sog. Core-Core-KomplexB978-3-437-23751-5.10015-9#idx11:subtopicKomplex ein Ammoniumtransportsystem. Daneben weisen die sehr seltenen Rh-defizienten Menschen eine Sphärozytose, eine erhöhte Fragilität sowie eine veränderte Passage von Kationen, Phospholipiden und Glykoproteinen auf. Das Rh-CE-Protein ist in der Lage, zwei immunologische Epitope zu bilden, von denen Polymorphismen vorliegen (Rh-c, Rh-C, Rh-e, Rh-E) [Cartron 1994; Wagner et al. 2000].
Das Kind muss die ungünstige Blutgruppe vom Vater geerbt haben.
Niedrigtitrige AK sind nie mit intrauterinen Problemen verbunden.
Da nur IgG plazentagängig sind und zudem noch aktiv zum Kind transportiert werden müssen, sind schwere Folgen in der 1. Schwangerschaftshälfte eher die Ausnahme.
Wird eine minimale AK-Konzentration überschritten, hängt der weitere Verlauf eng vom fetalen Immunsystem ab:
Beim Rh-D- und -c-Antigen tritt bei hohem Titer in ca. ein Hydrops (13.10) auf.
Inkompatibilitäten mit anderen Blutgruppen verlaufen häufig milder.
der Neugeborenen weisen bei der Geburt höchstens eine leichte Anämie auf. Postpartal kommt es jedoch schnell zu einem Icterus praecox und zur hämolytischen Anämie. Ohne Therapie sterben solche Kinder u. U. an einem Kernikterus. Seit Einführung der Phototherapie und der Austauschtransfusion haben die Neonatologen dieses Problem aber gut im Griff.
hat einen intrauterinen Hydrops und stirbt ohne adäquate Therapie.
der Neugeborenen benötigt trotz teils hoher Titer neonatal außer einer Überwachung keinerlei Therapie.
Kell-Inkompatibilität
Kell-InkompatibilitätB978-3-437-23751-5.10015-9#idx12:subtopicInkompatibilität:Kell-B978-3-437-23751-5.10015-9#idx13Nimmt eine Sonderstellung ein. Da das Kell-Antigen bereits auf den sehr frühen erythrozytären Vorstufen exprimiert wird, kommt es zu einer Hemmung der colony forming units und burst forming units auf Knochenmarkebene. Es resultiert damit keine hämolytische, sondern eine hypoproduktive Anämie [Vaughan et al. 1994]. Entsprechend ist das Bilirubin im Fruchtwasser selten erhöht, was diagnostisch von großer Bedeutung ist.
15.5
Diagnostik/Screening
Immunisierungen auch gegen andere Blutgruppen möglich sind.
Irreguläre AK noch vor der Geburt detailliert abgeklärt werden können. Dies ist transfusionsmedizinisch von großer Bedeutung, da Geburten erfahrungsgemäß mit einem erhöhten Transfusionsrisiko einhergehen.
15.6
Prophylaxe
Eine Immunisierung gegen andere Blutgruppen als Rh-D wäre zwar theoretisch möglich, das Kosten-Nutzen-Verhältnis aber sehr gering. In der Praxis steht lediglich Anti-D zur Verfügung.
Abschätzung der erfolgten feto-maternalen Transfusion mit dem Kleihauer-Betke-Kleihauer-Betke-TestB978-3-437-23751-5.10015-9#idx16:subtopicTest [Mollison et al. 1993].
Abschätzung der erfolgten feto-maternalen Transfusion mit einer Flowzytologie [Bayliss et al. 1991].
Durchführung eines AK-Suchtests.
Fluoreszenzmikroskopie.
Der Kleihauer-Betke-Test wird fälschlicherweise als Hb-F-Hb-F-TestB978-3-437-23751-5.10015-9#idx17:subtopicTest bezeichnet. Der Test beruht jedoch auf einer erhöhten Säureresistenz von fetalen Erythrozyten. Bei Absenken des pH platzen die adulten Erythrozyten und das darin befindliche Hämoglobin wird ausgewaschen. Wird anschließend eine (beliebige) Hämoglobinfärbemethode angewandt, färben sich ausschließlich fetale Erythrozyten. Diese können im Mikroskop quantitativ im Verhältnis zu den adulten Erythrozyten ausgezählt werden.
15.7
Therapie
15.7.1
Indikationsabklärung
Ist das Kind überhaupt betroffen?
Ist das Kind transfusionspflichtig anämisch?
Kindsvater homozyg ot für das ungünstige Allel: Das Kind ist auf jeden Fall betroffen.
Kindsvater heterozygot für das ungünstige Allel: Kind zu 50 % nicht betroffen. Hier ist deshalb die Bestimmung der fetalen Blutgruppe essenziell. Die Genanalytik machte es möglich, die Allelenunterschiede auf DNA-Ebene zu charakterisieren. Heute können mit PCR bzw. mit Multiplex-PCR alle geburtshilflich relevanten Blutgruppen aus dem Fruchtwasser bestimmt werden [Bennett et al. 1993; Cartron 1994; Chaudhuri et al. 1995].
15.7.2
Therapeutisches Vorgehen
Anämiediagnostik
Falls das Kind die ungünstige Blutgruppe geerbt hat, muss eine sich entwickelnde Anämie rechtzeitig erfasst werden.
Nichtinvasive Verfahren
-
AK-Titer oder AK-Konzentration:
–
Negativer prädiktiver Wert: Gut. Bei AK-Konzentrationen < 1 : 64 (ID-System der Fa. Diamed; bei der Röhrchenmethode ist der Grenztiter 1 : 16) oder Anti-D-Konzentrationen > 10 IE/ml ist kaum mit einer schweren fetalen Anämie zu rechnen.
–
Positiver prädiktiver Wert: Relativ schlecht bei Überschreiten des Grenztiters zusätzliche Untersuchungen notwendig [Nicolaides et al. 1992].
!
Ein starker Anstieg des AK-Titers gilt zwar als Hinweiszeichen auf eine schwere fetale Anämie. Wir haben aber verschiedentlich Fälle mit steigendem Titer beobachtet, obwohl das Kind die ungünstige Blutgruppe gar nicht aufwies.
-
Zelluläre Bioassays [Nance et al. 1989]: Sind außerhalb von Holland kaum in Anwendung.
-
Ultraschall [Oepkes et al. 1994]: Ultraschallbefunde mit Aszites oder Hydrops sind bereits Spätbefunde, also für eine Früherfassung wenig geeignet [Nicolaides et al. 1988].
-
Dopplerultraschall mit quantitativen Messungen in der A. cerebri media (MCA, Abb. 15.3 und Abb. 15.4) [Mari et al. 1995, 2000; Zimmermann et al. 2002].
Quantitative Messungen in der A. cerebri media (MCA-PV)
MCA-PVB978-3-437-23751-5.10015-9#idx24:subtopic5.3.
Die MCA-PV steigt in der Schwangerschaft annähernd linear an [Kurmanavicius et al. 2001]. Bei Überschreiten einer Geschwindigkeit des 1,5-Fachen des Medianwertes (MoM) ist mit einer transfusionspflichtigen Anämie zu rechnen [Mari et al. 2000].
Der Anstieg kann in Einzelfällen innerhalb weniger Tage erfolgen Untersuchungsintervall von 7 Tagen.
Einzelne erhöhte Werte sind nur in ca. 50 % Ausdruck einer schweren Anämie erhöhte Werte nach 1–2 Tagen nachkontrollieren, bevor die Indikation zur Chordozentese (5.2.6) gestellt wird.
In wenigen Fällen wurden Feten mit schwerer Anämie durch diese Methode nicht erkannt. Die Ursache dafür ist noch unklar. Möglich ist, dass ein zu langes Kontrollintervall gewählt wurde.
Die Monitorisierung von Feten mit einer Blutgruppeninkompatibilität gehört in die Hand eines Spezialisten. Die Messung der MCA-PV ist nach 34 SSW weniger zuverlässig: Relativ viele erhöhte Messwerte ohne kindliche Anämie [Zimmermann et al. 2002].
Mit der Methode kann auch das maximale Intervall zwischen notwendigen Transfusionen abgeschätzt werden.
Invasive Verfahren
Serielle Amniozentesen mit Messung des Bilirubingehaltes: Optischer Dichteunterschied nach Liley [Liley 1961].
Serielle Chordozentesen [Nicolaides et al. 1989]: Goldstandard.
Eine nichtinvasive Methode zur Abschätzung des fetalen Anämiegrads ist zu bevorzugen.
Als zuverlässigste Methode hat sich die quantitative Messung der maximalen systolischen Flussgeschwindigkeit in der A. cerebri media gezeigt (MCA-PV, Abb. 15.3 und Abb. 15.4) [Zimmermann et al. 2002].
Therapie
Therapeutische Strategie
Gestationsalter > 34–35 Wo.: Entbindung.
Gestationsalter < 34–35 Wo.: Nabelschnurtransfusion (5.2.8).
Nabelschnurtransfusion
Immer frisch.
0, Rh-D-negativ.
CMV-frei.
Gewaschen: Eliminiert unerwünschte reguläre AK gegen Blutgruppe A und B.
Bestrahlt: Zur Vermeidung von leukozytenbedingten Transfusionsproblemen.
Mit einem bevorzugten Hkt von 80–85.

Bei Feten mit beginnendem Hydrops muss bei der ersten Transfusion eine geringere Volumengabe erfolgen, damit das Kind durch das zusätzliche Volumen nicht kardial noch mehr dekompensiert.
Entbindung ohne Nabelschnurtransfusion
-
Alle Kinder mit maternalen Blutgruppen-AK sind gefährdet, einen ausgeprägten neonatalen Ikterus zu entwickeln. Ein Teil benötigt eine Austauschtransfusion (27.5), da die Leber (noch) nicht in der Lage ist, das in dieser Menge anfallende Bilirubin zu konjugieren.
-
Vorbereitung des fetalen Enzymsystems: Vorgeburtliche mehrwöchige Therapie der Mutter mit Phenobarbital (1 100 mg abends) fetale Leberenzyminduktion, die die Austauschtransfusionswahrscheinlichkeit um ca. 80 % senkt [Walker 1970].
-
!
Auf diese Maßnahme kann verzichtet werden, wenn das Kind durch mehrere Nabelschnurtransfusionen bereits komplett ausgetauscht wurde.
Literatur
Avent and Martin, 1996
Avent, 1997
Bayliss et al., 1991
Bennett et al., 1993
Cartron and Ripoche, 1995
Cartron, 1994
Chaudhuri et al., 1995
Chiu et al., 2001
Chiu et al., 2001
DiGuiseppi, 1996
Huang et al., 2000
Kurmanavicius et al., 2001
Kurmanavicius et al., 2001
Le Van Kim et al., 1994
Lee et al., 2000
Liley, 1961
Lo et al., 1993
Mari et al., 1995
Mari et al., 2000
Matheson and Denomme, 2002
Mollison et al., 1993
Nance et al., 1989
Nicolaides and Rodeck, 1992
Nicolaides et al., 1988
Nicolaides et al., 1989
Ochsenbein-Imhof et al., 2002
Oepkes et al., 1994
Olives et al., 1997
Pogo and Chaudhuri, 2000
Prevention of Rh-haemolytic disease, 1966
Vaughan et al., 1994
Wagner and Flegel, 2000
Walker, 1970
Zimmermann et al., 2002
Zimmermann et al., 1993