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10.1016/B978-3-437-22284-9.00011-6
978-3-437-22284-9
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Diagnostisches und therapeutisches Vorgehen bei V. a. ein thorakales Aortenaneurysma (Ø = Durchmesser; genetisches Sy.: Marfan, Ehlers-Danlos vom vaskulären Typ, Turner, Loeys-Dietz, bikuspide Aortenklappe, familiäres thorakales Aortenaneurysma oder Dissektion). *Pat. mit genetischem Sy. (auch V. a.) zur weiteren Diagn., Verlaufskontrolle und Ther. in einem „Aorten-Zentrum“ vorstellen.
[L157]

Klassifikation AortendissektionKlassifikationder Aortendissektion
[L157]

Diagn. und ther. Vorgehen bei V. a. akute Dissektion der thorakalen Aorta.
[L157]

Intramurales Hämatom der Aortenwand (4–6 Uhr) (TEE, Transversalschnitt der Ao desc. thoracalis)
[T125]

Protrusion einer atheromatösen Masse ins Aortenlumen (TEE, Transversalschnitt der thorakalen Aorta am Übergang Arcus – Aorta desc.)
[T125]

Erkrankungen der thorakalen Aorta
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11.1
Thorakales Aortenaneurysma516
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11.2
Aortendissektion520
11.2.1
Sonderformen527
-
11.3
Thromboatheromatose der thorakalen Aorta529
-
11.4
Entzündliche Erkrankungen der Aorta530
11.1
Thorakales Aortenaneurysma
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Fusiformes Aortenaneurysma (spindelförmig): Aortenaneurysmafusiformesgesamte Zirkumferenz des Gefäßes einbezogen.
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Sakkuliformes Aortenaneurysma (sackförmig): AortenaneurysmasakkuliformesGefäßquerschnitt nur teilweise betroffen.
Die gesunde Aorta hat in der Regel einen Durchmesser < 40 mm bei Männern und < 34 mm bei Frauen, nach distal langsam abnehmend. Alter, Geschlecht, Körpergröße und Blutdruck bestimmen den absoluten Diameter. Durchmesserzunahme bei Männern um 0,9 mm und 0,7 mm bei Frauen während jeder Lebensdekade.
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Zystische Mediadegeneration (-nekrose): Medianekrosethorakale Aortahäufigste Ursache. Degeneration elastischer Fasern und Nekrose glatter Muskelzellen, typischerweise fusiformes Aortenaneurysma mit Beteiligung der Aortenwurzel (anuloaortale Ektasie). Stets nachweisbar bei Marfan-Sy. und anderen Bindegewebserkr.. Häufigkeit von „forme fruste“ Marfan oder noch nicht definierten Bindegewebserkr. unbekannt (Medianekrose ohne Marfan-Phänotyp). Möglicherweise ist die zystische Medianekrose eine eigenständige Entität.
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Atherosklerose: Atherosklerosethorakale AortaIntima-Media-Degeneration mit lokalisierter Schwäche und Ektasie der Gefäßwand. Meist generalisierter Prozess unter Einbezug der gesamten thorakalen und abdominalen Ao. Häufung von Aortenaneurysmen in der Pars desc. nach Abgang der li A. subclavia.
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Chron. Dissektion: persistierend falsches Lumen. Dünnere, äußere Wandschicht steht unter hoher Wandspannung, die mit weiterer Dilatation stark zunimmt → Circulus vitiosus.
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Seltene Ursachen: SyphilisSyphilis (luetisches AortenaneurysmaluetischesAortenaneurysma), infektiöse Aortitis (mykotisches AortenaneurysmamykotischesAortenaneurysma, Riesenzellarteriitis, Takayasu-Aortitis, M. Behçet).
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Vask. Symptome: AR bei anuloaortaler Ektasie, Perforation eines Sinus-Valsalvae-Aneurysmas, Myokardischämie oder MI bei lokaler Kompression.
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Symptome der Raumforderung: VCS-Sy. (obere Einflussstauung), Tracheal-, Bronchialkompression (Dyspnoe, Husten), Ösophaguskompression (Dysphagie), Kompression des N. laryngeus recurrens (Heiserkeit). Schmerzen in Brust und Rücken als Folge der chron. Kompression ossärer Strukturen.
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Die meisten Pat. sind zum Zeitpunkt der Diagnose asympt.
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Ein dramatischer VernichtungsschmerzVernichtungsschmerz in einem Bereich, der zuvor oft als geringer schmerzhaft empfunden wurde, ist Hinweis auf Ruptur (li Pleura-, Perikardraum) oder Dissektion (11.2).
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Rö-Thorax: Verbreiterung des Mediastinalschattens, Torsion und Dilatation von Ao asc. und Aortenbogen. Verlagerung der Trachea aus der Mediosagittalen. Kleine, sakkuliforme Aortenaneurysmen in der Thoraxübersicht selten identifizierbar. Thorax-DL eignet sich zur DD weiterer mediastinaler Raumforderungen.
Bei jeder Verbreiterung des Mediastinums im Rö-Thorax Aortenaneurysma ausschließen.
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Angio-CT: hoher diagn. Stellenwert in Primärdiagn., da exakt und nichtinvasiv. Beste Aussage im Ascendens- und Descendens-Bereich, methodenbedingte diagn. Schwäche im Arcus aortae. Neben Größenbestimmung auch Angaben zur muralen Thrombenbildung, penetrierendem Ulkus und weiteren Gefäßverkalkungen möglich. 3-D-Rekonstruktion der gesamten Aorta. Höhere Auflösung als MRT.
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MRT: wie CT hoher diagn. Stellenwert. Aussagekräftig in der Beurteilung des Aortenbogens und der abgehenden Gefäße. Murale Thromben meist nicht von einem verlangsamten Fluss in einem falschen Lumen bei Dissektion abgrenzbar.
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Echo (5.8): TTE erlaubt nur Aussagen zur Morphologie der Aortenwurzel und prox. Aorta asc. TEE zur Beurteilung weiterer Abschnitte. Distale Ao asc., kraniale Abschnitte des Aortenbogens und abgehende Gefäße nicht oder schlecht darstellbar. TEE bietet rasche Informationen v. a. bei dissezierendem Aortenaneurysma. Cave: Bestimmung des Gefäßdurchmessers immer unter Einbindung der gegenüberliegenden Aortenwand!
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Angio: Goldstandard neben CT mit 3-D-Rekonstruktion im Rahmen der präop. Diagn. zur Darstellung des Aneurysmas und der abgehenden Gefäße. Durch parietale Schichtthromben wird der tatsächliche Durchmesser häufig unterschätzt. Koro vor operativer Intervention bei Pat. > 40 LJ. essenziell.
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Aneurysmadurchmesser > 55 mm (asc.), > 60 mm (desc.). Bei < 55 bzw. < 60 mm, wenn im Verlauf deutliche Größenzunahme dokumentiert wurde (> 0,3 cm/J.), bei sympt. Verlauf oder bei signifikanter AR. Angabe der Größenzunahme in der Literatur mit 0,3–1,0 cm/J. Entscheidendes Kriterium für weitere Maßnahmen i. d. R. gut dokumentierte Zunahme als Zeichen eines progredienten Aortenprozesses.
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Bikuspide Aortenklappe mit RF > 50 mm (RF: Aortenisthmusstenose, art. Hypertonus, Familienanamnese einer Aortendissektion, Zunahme um > 3 mm/J.).
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Pat. ohne „Elastopathien“ (meist degenerative Erkr. der Aorta) > 55 mm.
Alter, Begleiterkr., Umfang und Lokalisation von Zweitaneurysmen müssen bei Ind.-Stellung berücksichtigt werden.
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Genetische Aortenerkr.: erhöhte Dissektions- und Rupturgefährdung, deshalb OP bereits bei > 50 mm, bei zusätzlichen RF bei < 45 mm: Marfan-Sy, Turner-Sy, Ehlers-Danlos-Sy, Loeys-Dietz-Sy, arterielles Sy mit Gefäßschlängelung, Aneurysma-Osteoarthritis-Sy. Betreuung dieser Pat. in spezialisierten Zentren ratsam. Das optimale Timing der chir. Ther. wird noch kontrovers diskutiert: Aneurysmadurchmesser > 50 mm bei Marfan-Sy. oder anderen genetischen Sy. (Abb. 11.1), da Marfan-Syndromhohes Dissektions- oder Rupturrisiko. Bei deutlicher Größenzunahme > 3 mm/J., pos. Familienanamnese für Dissektion oder Frauen mit Kinderwunsch, schwerer Aorten- oder Mitralinsuff. OP-Empfehlung ab > 45 mm. Durchmesserkriterium gilt auch für Aneurysma bei der häufigen bikuspiden Aortenklappe mit RF. Durchmesserkriterium wird teils kontrovers diskutiert. Betreuung und Entscheidungsfindung in einem „Aorten-Zentrum“. Bei den genetischen Aortenerkr. sehr individuelle Entscheidung zur OP, z. B. beim Loeys-Dietz-Sy sehr viel früher und bei kleineren Diametern.
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Pat. mit Aortenaneurysma haben häufig koexistente kardiovask. Erkr., die per se prognostisch belastet sind bzw. das periop. Risiko drastisch erhöhen.
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Der natürliche Verlauf ohne OP bzw. im Vergleich zur OP ist nicht exakt definiert.
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Arcus-aortae-Ersatz bzw. Ao-desc.-OP sind riskant. Risiko im Vergleich zum potenziellen Nutzen individuell oft schwer abschätzbar.
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Ind.: derzeit keine klassische Differenzialind., da keine direkten Vergleiche zwischen interventioneller und chir. Therapiestrategie vorliegen. Individuelle Entscheidung durch Aorten-Team (Kardiologe, Chirurg, Radiologe, Anästhesist). Am ehesten geeignet für Pat. mit hohem Aortenrupturrisiko mit sehr hohem Risiko bei konventioneller OP (kardial, pulmonal, renal, neurologisch).
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KO: Rate an ischämischen Rückenmarksläsionen wie bei chir. Ther.
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Voraussetzungen: adäquate Landungszonen für den Stent-Graft (2–3 cm „normale“ Ao ober- und unterhalb des Aneurysmas) und geeigneter Gefäßzugang via A. femoralis. Mortalitätsrate < 10 %, Paraplegie-Rate 3 %, komplette Thrombosierung des Aneurysmas in > 80 % erreichbar, Endoleckagen in ca. 25 %, Hinweise auf relevant bessere ÜLR.
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5-J.-Letalität nach OP 35 %. Spätletalität wird v. a. durch KO in anderen Gefäßbezirken (v. a. MI) bestimmt.
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Aneurysmarupturen nach OP im Bereich von Anastomosenaneurysmen oder neu entstandenen Aneurysmen anderer Lokalisation möglich. Bei kons. Ther. in ⅔ der Pat. Ruptur des Aneurysmas.
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Bei kons. Ther. 1-, 3- und 5-JÜR von 65, 36 und 20 %.
Überlebensrate und Progressionstendenz der Dilatation werden einzig durch den Durchmesser des Aneurysmas bestimmt. Ab einem Durchmesser von 50 mm ist von einer rapiden Dilatationsprogression auszugehen (0,5 cm/J.). Eine Ruptur bei < 50 mm ist selten, bei Aortendissektionen traten diese jedoch in 40 % bei einem Durchmesser < 50 mm auf.
11.2
Aortendissektion
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2–3 cm distal der AoK.
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Übergang des frei beweglichen Aortenbogens in die fixierte Ao desc.
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Ausbildung eines Intimaeinrisses. Blut verlässt das normale Aortenlumen und wühlt sich zwischen innerer und äußerer Schicht der Aortenmedia nach distal ein (Intimaflap ist primär vorhanden).
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Ruptur von Vasa vasorum in der Media, Ausbildung eines intramuralen Hämatoms, das durch die Intima in das Aortenlumen rupturiert (Intimaflap entsteht sek.).
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Degeneration der Aortenmedia: fokale Degeneration glatter Muskelzellen, degenerative Desintegration der elastischen Fasern, glatte Muskelzellschicht ist unterbrochen, Hohlräume werden durch Mukopolysaccharide ausgefüllt. Mediadegeneration ist Teil des Alterungsprozesses der Ao, bei Pat. mit Aortendissektion wesentlich ausgeprägter. Wichtige Determinanten: Alter, art. Hochdruck.
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Zystische Medianekrose: bei Bindegewebserkr., Medianekrosezystischez. B. Marfan- oder Ehlers-Danlos-Sy., bei ca. 10 % aller Pat. mit Aortendissektion.
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Akuter reißender Schmerz, der sofort seine max. Intensität erreicht. Schmerzlokalisation in der Brust (Ao asc.), interskapulär (Ao desc.) oder epigastrisch bzw. thorakoabdominal. Typisch, aber seltener (< 20 %), ist auch die Angabe eines wandernden Schmerzes entlang der Ao als Ausdruck der fortschreitenden Dissektion, in 5 % keine Schmerzen!
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Synkope: ominöses Zeichen, da häufig mit Aortenruptur assoziiert.
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Schock: Blutverlust nach paraaortal oder häufiger in Perikard bzw. Pleurahöhle, akute AR, Perikardtamponade.
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Zeichen einer Gefäßokklusion: fokale neurol. Ausfälle bei Beteiligung einer A. carotis, akutes Ischämie-Sy. eines Beins (häufiger) oder Arms (DD art. Embolie).
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Pulsdefizit: abgeschwächter Pulsdefizitoder fehlender Puls häufig bei prox. (in 50 %), seltener bei distaler Dissektion (15 %). Prädilektionsstellen: li A. subclavia oder Aa. femorales.
Pulsdefizit bei akutem Thoraxschmerz nahezu beweisend für Dissektion!
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AR: In ⅔ bei prox. Dissektion, diastol. Geräusch mit musikalischem Charakter, P. m. 2. ICR re parasternal, Lautheit variiert mit Höhe des art. Drucks. Periphere Pulszeichen der AR können präsent sein. Oft trotz akuter schwerer AR kein Diastolikum → meist dominiert dann das Bild der akuten Herzinsuff. mit kongestivem Verlauf (4.9).
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Neurol. Defizite: bei ca. 20 % aller Dissektionen, v. a. bei prox. Formen. Zerebraler Insult in bis zu 6 %, selten Bewusstseinsstörungen bis Koma. Bei Beteiligung der A. spinalis anterior im Rahmen einer distalen Dissektion, Paraparese oder -plegie.
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Art. Hypertonie/Hypotonie: Hypertonie in bis zu 90 % bei distaler Dissektion, bei prox. Dissektion häufiger Hypotonie (s. o. „Schock“). Pseudohypotonie durch RR-Messung an dem Arm, dessen Perfusion durch die Dissektion vermindert ist.
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Ischämiesy.: Akuter MI (häufiger inferiorer MI durch Einbezug des RCA-Abgangs), abdominale Ischämiesy. durch Extension der Dissektion in die Ao abdominalis unter dem klinischen Bild eines akuten Abdomens (Mesenterialischämie, akutes Nierenversagen, Pulsdefizite der unteren Extremitäten).
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Die Aortendissektion ist, bes. bei oligosympt. Verlauf, ein sympt. Chamäleon.
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Bei atypischen (aber auch bei typischen) klinischen Bildern immer an Aortendissektion denken. Sie ist häufiger als angenommen, wegen der Vielzahl möglicher Symptome wird sie jedoch zu selten diagnostiziert. Dies gilt auch dann, wenn die Symptomkonstellation für ein ACS spricht, denn eine Antikoagulation, Thrombolyse oder PTCA können bei einer Dissektion zur Katastrophe führen.
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Es gibt keine verlässlichen klinischen Kriterien zum Ausschluss eines „akuten Aortensy.“. Angesichts der hohen Letalität muss grundsätzlich bei jedem klinischen Verdacht eine weitere bildgebende Diagn. durchgeführt werden.
Diagnostisches Vorgehen
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Erfahrung und Fertigkeiten des Untersuchers müssen bei der Wahl des diagn. Verfahrens einkalkuliert werden! TEE ist heute breit verfügbar. In der Hand eines wenig erfahrenen Untersuchers sind Dissektions-Pat. vital iatrogen bedroht. Ein evtl. diagn. Zugewinn an Informationen steht in keinem Verhältnis zur Belastung des Pat. (Abkehr vom Prinzip der Omnipotenz: „Jeder kann alles und macht alles“).
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EKG und TTE, ggf. Rö-Thorax bei jeder Form thorakaler Schmerzen. Alle Verfahren ohne Zeitverzug durchführen. Ein „normales“ TTE schließt eine Dissektion nicht aus.
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Bei begründetem Verdacht TEE. Wenn nicht verfügbar, CT als Screeningmethode, bei stabilem Pat. auch MRT.
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Ist nach klinischen Kriterien eine Aortendissektion sehr wahrscheinlich, orientierende TTE.
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Bei Nachweis einer Dissektion Herzchirurg informieren und weiteres diagn. Vorgehen absprechen, ggf. Verlegung in herzchir. Zentrum.
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Bei Perikarderguss und V. a. Dissektion ist eine Ao-asc.-Dissektion weitgehend gesichert → keine weitere zeitraubende Diagn., sondern Herzchirurgen informieren, TEE auf OP-Tisch vorbereiten.
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Rö-Thorax: einfach und schnell. Normales Bild schließt eine Dissektion jedoch nicht aus. Verbreiterung der Aortensilhouette durch Aortendilatation in bis zu 90 %, Verbreiterung des oberen Mediastinums, Verkalkungen der Intima, die bis zu 1 cm von der äußeren Aortenkontur liegen (Doppelkontur). Dilatation von Aortenbogen oder Ao desc. Li-seitiger Pleuraerguss oder umschriebene mediastinale Raumforderungen bei paraaortalen Hämatomen. Thoraxübersicht dient v. a. der Abgrenzung anderer Krankheitsbilder mit ähnlicher Klinik (Pneumothorax, Lungenembolie).
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EKG: unspezifisch, in ⅓ normal, in ⅓ Zeichen der LVH. Selten transmurales Ischämiemuster bei Dissektion mit Koronarbeteiligung. Cave: Brustschmerzereignisse mit nichtischämischen, unspezifischen ST-T-Veränderungen müssen immer Anlass sein, nach weiteren, nichtkardialen Ursachen des Thoraxschmerzes zu fahnden.
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Labor: D-Dimere praktisch immer erhöht (aber: DD erhöhter Dimere berücksichtigen).
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Echo:
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TTE: geringe Spezifität und Sensitivität. Orientierende Untersuchung bei V. a. Dissektionen der Ao asc. (Flap direkt einsehbar, Nachweis eines Perikardergusses, Darstellung der AR). Cave: beim beatmeten Pat. ungeeignet.
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TEE: hohe Sensitivität (bis 100 %) bei Nachweis von Dissektion, Perikarderguss und AR. Präzise und hochauflösende Beurteilung der gesamten thorakalen Ao mit unsicherer Beurteilung des distalen Anteils der Ao asc. und des prox. Arcus aortae. Paraaortale Massen bei Aortenruptur zuverlässig zu erkennen.
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–
Farb-Doppler: zum Nachweis von Flussanomalien (u. a. AR).
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Wichtigste DD: Pleuraerguss bei echofreien Räumen paraaortal im Verlauf der Ao desc.
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Ein Intimaflap ist nicht beweisend für eine Aortendissektion! Stets nach weiteren Echokriterien suchen (Aortendilatation, Perikarderguss, AR, Doppellumen).
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Angio-CT: Spezifität 98 %, Sensitivität 100 %, v. a. bei ultraschnellem oder Spiral-CT, Diagnostikum der Wahl. Sichere Abgrenzung und Zuordnung aller mediastinalen und thorakalen Strukturen. Diagnose durch Nachweis zweier Lumina (mit unterschiedlicher Kontrastierung, ggf. Thrombosierung) und einer Dissektionsmembran. Zur Differenzierung zwischen wahrem und falschem Lumen KM-Gabe. Einrissstelle ist ausnahmsweise darstellbar, abgehende Gefäße des Arcus aortae und ihr Einbezug in die Dissektion nicht immer exakt beurteilbar.
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MRT: geringere Sensitivität und Spezifität als Angio-CT, etwas geringere Auflösung. Ort des Intimaeinrisses meist darstellbar. Eingeschränkte Zuverlässigkeit bei abgehenden Arcus-Gefäßen und Beurteilung einer AR. Nachteile: nicht breit verfügbar, lange Untersuchungszeiten, deshalb ungeeignet im Notfall. KI bei hämodynamisch instabilen Pat., da med. Versorgung in der engen MRT-Röhre nicht gewährleistet ist. Methode der Wahl für Verlaufsbeobachtungen in der chron. Phase.
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Aortografie: als biplane Rö-Serie oder als Cine-Angio lange Zeit Goldstandard. Wegen großer Anzahl falsch neg. Angiogramme diagn. Aussagefähigkeit häufig nicht ausreichend.
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Vorteile: Ausdehnung der Dissektion und Beteiligung abgehender Gefäße bestimmbar, sehr sensitiv im Nachweis einer AR, Nachweis einer Beteiligung der Koronargefäße (bzw. Koro als präop. Diagn. zur Risikostratifizierung: Einbezug der Koronarien in die Dissektion oder koexistente stenosierende KHK bei ca. 25 %).
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–
Nachteile: invasives Verfahren, KM-Gabe. Lokalisation des Eintritts nur in ca. 50 % möglich. Dissektion wird übersehen, wenn Dissektionsmembran nicht orthograd zur Darstellungsebene steht. Zeitverlust bei potenziell vitaler Bedrohung. Vor Not-OP ist eine Koro nicht erforderlich.
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Erstversorgung bei Aortendissektion
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Pat. auf Intensivstation AortendissektionErstversorgungaufnehmen.
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Monitoring von RR, HF, Rhythmus, BGA, Urinausscheidung.
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2 großlumige i. v. Zugänge, art. Zugang am re Arm (RR-Monitoring), keine Gefäßzugänge über Femoralgefäße (werden evtl. für kardiopulmonalen Bypass benötigt).
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ZVK bzw. Pulmonaliskatheter bei Pat. mit Hypotonie oder Herzinsuff.
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Adäquate Schmerzther. mit Opiaten → Schmerzen induzieren hypertensive Kreislaufdysregulation, die zwingend vermieden werden muss. Betablocker, Natriumnitroprussid, alternativ Urapidil.
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Kontinuierliche med. Ther. (s. u.) und Überwachung, bis Diagn. abgeschlossen und weiteres Vorgehen festgelegt ist (kons. vs. OP). Kein Zeitverlust durch unkoordiniertes Vorgehen → Zunahme der Letalität um 1 %/h.
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Behandlungsgrundsätze:
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Schmerzen adäquat therapieren,
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art. RR auf systol. 100–120 mmHg (MAP 60–75 mmHg) senken,
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art. Pulsanstiegsgeschwindigkeit (+ dP/dt) vermindern.
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Natriumnitroprussid (12.4.4): potenter NatriumnitroprussidAortendissektionVasodilatator zur akuten RR-Senkung. Initialdosis 0,2 µg/kg KG/Min. = ca. 1 ml/h bei Perfusor 60 mg/50 ml Gluc. 5 %, max. ca. 8 µg/kg KG/Min. je nach RR-Antwort. Da unter der Ther. die Pulsanstiegsgeschwindigkeit zunehmen kann, Komb. mit Betablocker.
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Betablocker: titrierte Gabe bis HF 60–80/Min., z. B. PropranololAortendissektionPropranolol 1 mg alle 5 Min. i. v. bis max. 0,15 mg/kg KG (ca. 10 mg). Erhaltungsdosis 2–6 mg alle 4–6 h, orientierend an HF. Alternativ Metoprolol.
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Kalziumantagonisten: bei refraktärem Hochdruck oder zur Initialther. einer Hypertension (z. B. Nifedipin s. l.), bis Natriumnitroprussid zur Verfügung steht. Bei KI für Betablocker kann ein neg. chronotroper und neg. inotroper Effekt mit Diltiazem (12.6.11) oder Verapamil (12.6.10) erreicht werden.
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ACE-Hemmer: bei therapierefraktärem Hochdruck durch Beteiligung der Nierenarterien (Hyperreninämie), z. B. EnalaprilAortendissektionEnalapril 0,625 mg i. v. alle 4–6 h. Cave: keine Nachlastsenker ohne gleichzeitige Betablockade → Gefahr der Dissektionsprogression.
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Normotensiver Pat.: Verzicht auf Vasodilatator. Betablocker zur Reduktion der Pulsanstiegsgeschwindigkeit, alternativ Verapamil oder Diltiazem.
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•
Hypotensiver Pat.: Volumensubstitution, „Pseudohypotension“ ausschließen. Dringliche diagn. Klärung (Perikardtamponade? Akute AR? Blutungsmangelschock?).
-
•
Perikarderguss/-tamponade:
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–
Hämodynamisch stabiler Pat. (Fehlen von Schock oder therapierefraktärer Hypotonie): Perikardentlastung (-zentese) riskant. Deshalb Rücksprache mit Herzchirurg, sofortiger Transport in OP-Saal, evtl. TEE im OP-Saal.
-
–
Hämodynamisch instabiler Pat. (profunde Hypotonie, elektromechanische Entkopplung): Versuch der Perikardentlastung mittels Punktion. Nur soviel Blut abpunktieren, dass RR auf akzeptables Niveau ansteigt → Not-OP. Vollständige Entlastung des Perikardraums vermeiden, da perakute KO provoziert werden.
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Perikarderguss bei prox. Dissektion ist Vorbote profunder Hypotonien bzw. fataler Verläufe bei Ausbildung einer Tamponade → Not-OP.
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Ther. der Wahl bei allen akuten prox. Dissektionen (Stanford Typ A, De Bakey Typ I und II).
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•
Akute distale Dissektionen mit einer der folgenden KO:
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–
Progression mit Bedrohung vitaler Organe,
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–
Ruptur oder drohende Ruptur (v. a. bei sakkuliformen Aneurysmen),
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–
AR (selten),
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–
Ausbreitung der Dissektion retrograd zur Ao asc.
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•
Dissektion bei Marfan-Sy. (und anderen genetischen Sy.).
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Resektion des Aortenabschnitts im Bereich des Dissektionsbeginns, Resektion der Eintrittsstelle, Verschluss des Eingangs zum falschen Lumen (freie Enden der durchtrennten Ao werden prox. und distal vernäht), Interposition einer Dacron-Prothese zur Überbrückung des resezierten Aortenabschnitts.
-
•
Bei Arcus-Dissektion Anheftung des Intimaflaps oder kompletter Ersatz des Aortenbogens mit Reimplantation der abgehenden Gefäße.
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•
Bei Beteiligung der AoK: normale Klappenfunktion evtl. nach Resuspension bzw. Dekompression durch Beseitigung des falschen Lumens (klappenerhaltende OP nach David oder Yacoub). Bei unbefriedigendem Ergebnis und bei genetischen Sy. Implantation einer Komb.-Prothese (composite graft mit Reimplantation der Koronararterien, klappentragendes Conduit = Bentall-Prozedur).
-
•
Ziel: Verschluss der Eintrittspforte (Intimaeinriss als entry), Dekompression des falschen Lumens und Förderung einer Thrombosierung des falschen Lumens, Beseitigung von Gefäßokklusionen.
-
•
Ind.: Wird zunehmend akzeptiert bei geeigneten anatomischen Verhältnissen bei asympt. B-Dissektionen und bei komplizierter B-Dissektion (persistierende Schmerzen, Größenzunahme der Aorta, Organmalperfusion, schwere Hypertonie). Entscheidung muss im multidisziplinären Team erfolgen.
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•
Aggressive antihypertensive Langzeitther. (systol. RR < 130–140 mmHg) reduziert die Re-Rupturgefahr um den Faktor 10. Betablocker 1. Wahl, ggf. zusätzlich art. Vasodilatatoren (12.4). Cave: Vasodilatator immer mit Betablocker kombinieren, bei KI gegen Betablocker evtl. Verapamil oder Diltiazem.
-
•
Verlaufsuntersuchungen: klinische Untersuchung, Rö-Thorax und TEE oder MRT. Innerhalb der ersten 2 J. nach Entlassung höchstes Rezidivrisiko (Kontrollen alle 3–6 Mon.), anschließend stetige Abnahme des Risikos (Kontrollen alle 6 Mon. für weitere 2 J., dann jährlich).
-
•
Frühmortalität bei kons. Ther. (mit/ohne OP-Ind.):
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–
25 % binnen 24 h, 50 % binnen 1 Wo., 75 % binnen 1 Mon. und 90 % innerhalb des 1. J. Unbehandelt Mortalitätszunahme um 1 %/h nach Dissektionsbeginn.
-
–
Präop. Mortalität: bei zügiger Diagn. ca. 3 %, bei verzögerter Diagn. bis 20 %!
-
–
OP-Letalität: Typ I 10–20 %, Typ II 5 %, Typ III 12 %.
-
-
•
Langzeitprognose nach Krankenhausentlassung: kein Unterschied zwischen kons. und chir. Ther., prox. und distaler Dissektion, akuter und chron. Dissektion → 5-JÜR 75–80 %.
-
•
Nach Aortenklappenersatz (v. a. bei vorbestehender Aortenklappeninsuff. und/oder dünner, fragiler Aortenwand) oder nach OP einer Aortenisthmusstenose (v. a. in Verbindung mit einer bikuspiden Aortenklappe) erhöhtes Risiko für Aortendissektion oder -ruptur.
-
•
Grundsatz: Aneurysmen und Aneurysmadissektionen werden je nach Lokalisation versorgt:
-
–
Aorta ascendens: chirurgisch.
-
–
Aortenbogen: chir. oder in Form eines Hybrideingriffs (zuerst chir. Verlagerung der supraaortalen Gefäße, dann interventionelle Stent-Implantation).
-
–
Aorta descendens: interventionell.
-
11.2.1
Sonderformen
Traumatische Dissektion/Ruptur
Leitbefunde
Intramurales Hämatom der Aortenwand (atypische Aortendissektion)
Penetrierendes atherosklerotisches Ulkus
Verlaufsbeobachtung im Abstand von 1–3 Tagen mittels Bildgebung, um Gefahr einer Progression oder Dissektion frühzeitig zu erkennen. Bei kompliziertem penetrierenden Ulkus im Descendensbereich ggf. TEVAR.
11.3
Thromboatheromatose der thorakalen Aorta
Thorakale Aorta als Emboliequelle
-
•
Ulzerierte Plaques des Aortenbogens sind RF für zerebralen Insult und periphere art. Embolien. Bes. hohes zerebrales Insultrisiko bei Plaques > 4 mm in Ao asc. und prox. Aortenbogen, bei Ulzerationen oder mobilen Thromben. ⅓ aller Pat. mit ins Lumen ragenden Atheromen erleiden binnen 2 J. eine art. Embolie. Wesentlich höheres Risiko bei Atheromen mit mobilen Komponenten.
-
•
Bei herzchir. Eingriffen mit kardiopulmonalem Bypass zerebrales Insultrisiko 1–3 %, bei ausgeprägter Atheromatose der Ao asc. und des Aortenbogens nahezu 40 %! Die palpatorische Evaluation der Ao durch den Chirurgen kann eine relevante Atheromatose nicht erfassen. Lediglich TEE oder intraop. epiaortale Sono erfassen die Atheromatose und damit die Gefährdung des Pat.
-
•
Orale Antikoagulation mit Kumarinderivaten, alternativ TAH.
-
•
Bei ausgeprägter sympt. Thromboatheromatose (Z. n. art. Embolie) im Einzelfall chir. Thromboatherektomie (in hypothermem Kreislaufstillstand), keine prophylaktische Atherektomie.
Bei allen Pat. mit art. Embolie grundsätzlich TEE zum Ausschluss einer Thromboatheromatose der Ao als Emboliequelle.
11.4
Entzündliche Erkrankungen der Aorta
11.4.1
Takayasu-Arteriitis
-
•
Typ I: Aortenbogen und abgehende Gefäße.
-
•
Typ II: thorakoabdominale Ao und abgehende Gefäße. Aortenbogen bleibt ausgespart.
-
•
Typ III: Komb. aus Typ I und Typ II.
-
•
Hauptkriterien: Befall der li A. subclavia, Befall der re A. subclavia.
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Nebenkriterien: BSG-Erhöhung, Palpationsschmerz der A. carotis, art. Hypertonie, AR oder anuloaortale Ektasie, Befall der PA, Befall der li A. carotis, distaler Befall des Truncus brachiocephalicus, Befall der deszendierenden Ao thoracalis, Befall der Ao abdominalis.
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Glukokortikoide, z. B. 1 mg/kg KG/d (z. B. Prednison), bessern die Allgemeinsymptome.
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Bei ungenügendem Ansprechen zusätzlich Cyclophosphamid 2 mg/kg KG/d oder niedrig dosiert Methotrexat 0,3 mg/kg KG/Wo.
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Evtl. OAC, TAH.
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Antihypertensive Ther.
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Gefäßchir. Versorgung bei Ischämiesy.
11.4.2
Riesenzellarteriitis
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Massive Kopfschmerzen, oft über beteiligten Gefäßen, z. B. A. temporalis. Druck- und Berührungsempfindlichkeit von art. Gefäßen des Kopfs.
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Ischämiesy. (und andere „Aortenbogensymptome“): Claudicatio der Arme oder Beine, abgeschwächter Puls, transiente zerebrale ischämische Attacken, Myokardischämie, Angina abdominalis, Raynaud-Phänomen, Perfusionsstörungen der Augen bis Blindheit.
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Fieber, Anämie und laborchemisch Zeichen der akuten Entzündung.