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10.1016/B978-3-437-23143-8.00010-X
978-3-437-23143-8
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Häufigkeit der Leitsymptome (nach Poser)
Leitsymptom | Initial | Im Verlauf |
Sehstör. | ≈ 50 % | Fast 100 % |
Paresen | ≈ 45 % | ≈ 90 % |
Sensibilitätsstör. | ≈ 40 % | ≈ 85 % |
Zerebelläre Sympt. | ≈ 20 % | ≈ 80 % |
Blasen-/Mastdarmstör. | ≈ 10 % | ≈ 65 % |
Neuropsychologische Defizite | ≈ 5 % | ≈ 40 % |
Liquorbefunde bei MS
Parameter | Häufigkeit |
Leukozytenzahlerhöhung (lymphozytäre Pleozytose) im Schub | 30–60 % |
Normales Eiweiß, normaler Albuminquotient | 70–90 % |
Oligoklonale Banden pos. | 80–95 % |
Intrathekale (autochthone) IgG-Synthese im Reiber-Schema | 70–85 % |
Diagnose der MS nach den revidierten McDonald-KriterienSwanton-KriterienPPMSKIS
(Polman et al. 2010)
Zahl der Schübe | Objektive Läsionen | Weitere erforderliche Kriterien |
≥ 2 | ≥ 2 | Keine (wenn aber MRT o. Liquor nicht MS-typ. verändert sind: Sorgfältige DD) |
≥ 2 | 1 | Räumliche Dissemination in der MRT oder 1 weiterer Schub in einem anderen ZNS-Bereich |
1 | ≥ 2 | Zeitliche Dissemination in der MRT oder ein 2. klin. Schub |
1 (monosymptomatisch) = KIS/CIS | 1 | Räumliche Dissemination:
Zeitliche Dissemination:
|
0 (schleichende Progression von Beginn) = PPMS | ≥ 1 | Kontinuierliche Progression über 1 J. u. 2 der 3 folgenden Kriterien:
|
|
∗
Bei spinalen o. Hirnstammsy. wird die symptomatische Läsion nicht berücksichtigt.
Multiple Sklerose und andere demyelinisierende ZNS-Erkrankungen
10.1
Multiple Sklerose (MS)
10.1.1
Epidemiologie und Ätiologie
-
•
Weltweit etwa 2,5 Mio. Erkrankte, Multiple Sklerose\t \"Siehe MSv. a. in den gemäßigten Breiten der Nord- u. Südhalbkugel. Kaukasier sehr viel häufiger als andere ethnische Gruppen betroffen. Höchste Prävalenz in Europa u. den USA; Nord-Süd-Gefälle. Prävalenz in D 50–120/100.000.
-
•
F : M = 2–3 : 1 (bei schubförmiger Verlaufsform). Erkr.-Beginn meist zwischen 20. u. 40. Lj (Erkr.-Gipfel ≈30 Lj), selten vor der Pubertät o. nach dem 60. Lj.
-
•
Wahrscheinlich heterogene Erkr. mit multilokulären (= disseminierten) entzündl. u. degenerativen, überwiegend demyelinisierenden Veränderungen in Gehirn u. RM mit chron. Verlauf.
-
•
Zentraler Pathomechanismus: In frühen Krankheitsstadien entzündl. Autoimmunreaktion gegen das Myelinprotein der Oligodendrozyten, begleitet u. gefolgt von axonalen Schäden. Im Verlauf treten wahrscheinlich nichtentzündl. neurodegenerative Prozesse hinzu.
-
•
Auslöser sind multifaktoriell: Genetische Disposition (v. a. HLA-System u. Zytokine), Exposition gegenüber einem bisher unbekannten Agens, zusätzliche/andere Umweltfaktoren.
10.1.2
Leitsymptome
Optikusneuritis (ON)
•
Meist einseitige, innerhalb von Tagen auftretende(r) Visusminderung o. -verlust mit Farbentsättigung, häufig begleitet von Bulbusbewegungsschmerzen.
•
Zunächst unauffälliger Fundus („Pat. sieht nichts, Arzt sieht nichts“), nach Wo. temporale Papillenabblassung.
•
Kann weiteren Schüben einer MS um J. vorausgehen.
Zentrale Paresen
-
•
Spastische Parese(n):bei MSParesen mit gesteigerten MER u. Pyramidenbahnzeichen, unterschiedlich ausgeprägte, meist asymmetrische Para- o. Tetraspastik.
-
•
Typischerweise Fehlen o. rasche Erschöpfbarkeit der Bauchhautreflexe.
Sensibilitätsstörungen
-
•
Transitorisch o. anhaltend, ohne Bezug zu Dermatomen, z. T. distal betont, meist asymmetrisch, v. a. Kribbelparästhesien o. Dysästhesien sowie Beeinträchtigung des Lage- u. Vibrationsempfindens, auch sensible Ataxie.
-
•
MS-typ. (nicht pathognomonisch): Lhermitte-Lhermitte-ZeichenZeichen (Nackenbeugezeichen).
Zerebelläre Symptome
-
•
Ataktisches Gangbild, Dysmetrie, Dysdiadochokinese, Intentionstremor.
-
•
In späterem Stadium Charcot-Charcot-TriasTrias (Nystagmus, Intentionstremor u. skandierende Sprache).
-
•
Paroxysmale Sympt. selten, aber typ. (z. B. paroxysmale Dysarthrie).
Hirnstammsymptome
-
•
Augenmotilitätsstör.:
-
–
V. a. Abduzens-, seltener Trochlearis- o. inkomplette Okulomotoriusparese. Internukleäre Ophthalmoplegie: Meist einseitig, gel. bds. bei Demyelinisierungsherd im Fasciculus longitudinalis medialis. Sonderform: Eineinhalb-Sy.
-
–
Stör. der langsamen o. schnellen Blickfolgebewegungen, dissoziierter Nystagmus, Blickrichtungsnystagmus, hypo-/hypermetrische Sakkaden.
-
-
•
Trigeminusneuralgie: Inzidenz gegenüber Normalbevölkerung ↑, häufiger auch bilaterales Auftreten.
-
•
Stör. kaudaler HN: Schluckstör., Dysarthrie, Dysphonie; Husten- u. Würgreflex abgeschwächt o. ausgefallen.
-
•
Andere: Singultus, Schwindel, Tinnitus, Atemstör. (selten).
Autonome Störungen
-
•
Initial häufig imperativer Harndrang u. Blasenentzündung bei unerkannter Restharnbildung, später Inkontinenz u. Retention.
-
•
Seltener Mastdarmstör.
-
•
Erektionsschwäche.
Psychische Störungen
-
•
Häufig affektive Labilität (7,5-fach erhöhtes Suizidrisiko); bei Pat. mit leichten u. mittelschweren Sympt. u. im akuten Schub oft als reaktiv-depressives Sy.
-
•
In späteren Stadien organische psychische Stör. mit zunehmender psychomotorischer Verlangsamung, affektiven Stör., Zwangslachen o. -weinen.
-
•
Kognitive Stör. (verminderte Aufmerksamkeitsleistung, Ermüdbarkeit, Stör. der visuell-räumlichen Gedächtnisleistung) zunächst nur mit neuropsychologischer Diagn. nachweisbar.
Besondere Symptome und Zeichen
-
•
Lhermitte-Lhermitte-ZeichenZeichen: Nackenbeugezeichen. Bei kräftigem Beugen des Nackens auftretende elektrisierende Missempfindungen entlang der WS u. in den Extremitäten durch Demyelinisierungsherd(e) im Spinalmark.
-
•
Uhthoff-Uthoff-PhänomenPhänomen: Symptomverstärkung bei Anstieg der Körpertemperatur, z. B. heißes Bad, körperl. Anstrengung.
-
•
Charcot-Charcot-TriasTrias: Intentionstremor, Nystagmus, skandierende Sprache, v. a. in späteren Krankheitsstadien.MS:Symptome\"\r\"MS
10.1.3
Diagnostik
Klinische Untersuchung
Bildgebende Verfahren
-
•
Nachweis von frischen u. alten MS-Herden mit großer Sensitivität.
-
•
Häufig klin. stumme Herde nachweisbar.
-
•
Herde in der MRT sind kein Beweis für eine MS!
-
•
Bei prim. chron. progredienter MS häufig nur wenige Herde trotz erheblicher Behinderung.
-
•
MRT-Morphologie:
-
–
T2/FLAIR o. Protonendichte hyperintens: Alte u. neue Läsionen.
-
–
T1 hyperintens nach KM: Aktive Läsionen.
-
–
T1 isointens ohne KM-Aufnahme: Alte Läsionen.
-
–
T1 hypointens ohne KM-Aufnahme: „Black holesBlack holes“ (axonaler Schaden).
-
–
Typ. Lokalisationen: Supratentoriell: periventrikulär oder im Balken („Dawson's fingersDawson's fingers“) oder juxtakortikal (U-Fasern betroffen); seltener kortikal. Infratentoriell: Im Marklager o. Myelon.
-
–
KM-Aufnahme: Homogen o. ringförmig.
-
–
Empfohlene Sequenzen: Zerebral axial T2/Protonendichte, FLAIR, T1 vor u. nach KM; sagittal FLAIR; optional koronare Sequenzen (z. B. Darstellung der vorderen Sehbahn bei ON). Spinal sagittal T2, T1 vor u. nach KM.
-
Die MRT ist zum Nachweis MS-typ. Läsionen sehr sensitiv, jedoch nicht spezifisch. Sie eignet sich gut zur topischen Diagn., korreliert jedoch schlecht mit dem klin. Bild u. hat wenig prädiktiven Wert. Eine gewisse Korrelation mit dem Krankheitsprozess (Behinderung) besteht dagegen im Verlauf (kumulatives Volumen der Läsionen [Läsionslast, „lesion load“], globale Atrophie u. „black holes“).
Liquoruntersuchung
-
•
Typ., aber nicht spezifisch für MS.
-
•
Zu Beginn der MS bei ≈ 70 % der Pat. Nachweis von OKB im Liquor, im weiteren Verlauf bis zu 95 %. Bei MS sind OKB persistierend.
-
•
In 20–50 % findet sich eine autochthone IgM-Synthese („2-Klassen-Reaktion“). MRZ-Reaktion: Intrathekale Bildung spezifischer AK gegen Masern-, Röteln- u. Zoster-Virus (in absteigender Häufigkeit).
-
•
Sensitivität: MRZ-Reaktion > OKB > autochthone IgG-Synthese
Evozierte Potenziale
10.1.4
Verlauf, Diagnose und Prognose
Verlaufsformen
-
•
Klin. isoliertes Sy. (KIS, CIS): Syn.: „Clinically isolated syndrome“ (CIS). KISErsteMS:klinisch isoliertes Syndrom\t \"Siehe KIS neurol. Symptomatik, die auf einen demyelinisierenden Prozess im ZNS hindeutet. CIS\t \"Siehe KIS
-
•
Schubförmig remittierende MS: MS:schubförmig remittierende\t \"Siehe RRMSSyn.: „Relapsing-remitting MS“ (RRMSRRMS). ≈ 85 %. Vollständige Rückbildung der Schubsympt.; Pausen zwischen den Schüben von wenigen Wo. bis mehreren J.
-
•
Sek. progrediente MS: MS:sekundär progrediente\t \"Siehe SRMSSyn.: „Secondary-progressive MS“ (SPMSSPMS). ≈ 50 % aller RRMS-Pat. im unbehandelten Verlauf. Nach initial schubförmig remittierendem Verlauf (z. B. für einige J.) Übergang in nichtschubförmig zunehmende Behinderung. Überlagernd weitere Schübe möglich.
-
•
Prim. chron. progrediente MS: MS:primär chronische\t \"Siehe PPMSSyn.: „Primary-progressive MS“ (PPMSPPMS). ≈ 10 %. Von Krankheitsbeginn an ohne Schübe/Remissionen zunehmende Behinderung.
-
•
Progredient schubförmige MS: MS:progredient schubförmige\t \"Siehe PRMSSyn.: „progressive-relapsing MS“ (PRMSPRMS) ≈ 5 %. Von Krankheitsbeginn an zunehmende Behinderung mit aufgesetzten Schüben.
Diagnose
Prognose
-
•
Bei ≈ 10 % der Pat. auch ohne weitere Ther. gutartiger Verlauf ohne wesentliche Verschlechterung über 20 J. („benigne MS“); bei 5 % maligner Verlauf mit rasch eintretender Invalidität.
-
•
„Typ.“ Verlauf der RRMS: 50 % der Pat. brauchen im Verlauf von 15 J. Hilfe beim Gehen.
-
•
Nach Eintritt in den chron. progredienten Verlauf Progn. schlechter. Übergang von schubförmig remittierendem in sek. chron. progredienten Verlauf zu jeder Zeit möglich.
-
•
Progn. günstig: Weibl. Geschlecht, schubförmiger Verlauf, Schübe mit vollständiger Rückbildung, lange beschwerdefreie Intervalle/niedrige Schubfrequenz, EDSS 3 wird spät erreicht.
-
•
Progn. ungünstig: Männl. Geschlecht, polysymptomatische Schübe o. motorische Sympt., Schübe mit inkompletter Rückbildung, kurze beschwerdefreie Intervalle/hohe Schubfrequenz, EDSS 3 wird früh erreicht.
-
•
Unterschiedliche Besserungstendenzen verschiedener Sympt., am besten für ON u. Parästhesien, mittelmäßig für Paresen u. Blasenstör., schlechter für zerebelläre Sympt. u. psychische Stör.
-
•
Bei der Aufklärung über Häufigkeit benigner Verläufe informieren, da Diagnose vom Pat. oft mit rasch eintretender Invalidität gleichgesetzt wird.
-
•
Bei Erstmanifestation der MS gibt es keine Prädiktoren für den klin. Verlauf u. den späteren Behinderungsgrad.
10.1.5
Differenzialdiagnosen der MS
-
•
Vaskulitiden, v. a. SLE, Sjögren-Sy.
–
M. BehçetMorbus Behçet: Aphthen, Uveitis, Arthritis, Meningoenzephalitis, SVT.
–
Vogt-Koyanagi-Harada-Sy.:Vogt-Koyanagi-Harada-Syndrom Vitiligo, Alopezie, Uveitis, Meningoenzephalitis.
–
Susac-Sy.:Susac-Syndrom Entzündung peripherer retinaler Gefäße, Tinnitus/Tieftonschwerhörigkeit, Balkenläsionen, migränöser Kopfschmerz.
-
•
Sarkoidose, Neuroborreliose, Neurolues, HIV/AIDS.
10.1.6
Therapie
Schubtherapie
Kortikosteroide
-
•
Relative KI: Diab. mell., schwere Osteoporose, florides GIT-Ulkus, Psychose, aktiver Infekt, Herzrhythmusstör.
-
•
Schwangerschaft: Rate von Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten im 1. Trimenon erhöht (strenge Ind.-Stellung).
-
•
Leichtes, aber objektivierbares Defizit: 3 d 1.000 mg/d Methylprednisolon i. v. Fakultativ, v. a. bei schlechter Rückbildung, gefolgt von oralem Ausschleichschema (100 mg/d Methylprednisolon o. Prednisolon p. o., jeden 2. d um 20 mg reduzieren).
-
•
Schweres (EDSS-relevantes) Defizit: 5 d 1.000 mg/d Methylprednisolon i. v. Bei rascher Besserung ggf. auf 3 d reduzieren. Orales Ausschleichschema (s. o.).
-
•
Option bei persistierendem schwerem Defizit: Nach erster i. v. Kortikosteroid-Ther. Eskalation mit 5 d 2.000 mg/d Methylprednisolon i. v.
-
•
Option bei KI gegen i. v. Gabe: 5 d 1.000 mg/d Methylprednisolon p. o., gefolgt von oralem Ausschleichschema (s. o.).
-
•
Diabetogene Wirkung, Magenbeschwerden, Ulcus ventriculi/duodeni, Wasserretention, Hypertonie, Hypokaliämie, BB-Veränderungen (Neutrophile ↑, Thrombos ↑, Erys ↑, Eosinophile ↓, Basophile ↓, Lymphos ↓), psychische Veränderungen.
-
•
Vor allem bei/nach Langzeitther.: Gewichtszunahme, Stammfettsucht/Vollmondgesicht, Osteoporose, Infektneigung, katabole Wirkung/Myopathie, Kortisonentzugssy.
Kortikosteroide: Anwendung und Monitoring
•
Kortikosteroide:MonitoringVorzugsweise am Morgen geben; i. v. als Kurzinfusion. Erstgabe möglichst unter (kurz-)stationären Bedingungen.
•
Magenschutz (Protonenpumpenhemmer), Thromboseprophylaxe. Urinstatus, ggf. prophylaktische Mitbehandlung von Infekten. Kontrolle BB, BZ, RR u. K+, ggf. Behandlung. Ggf. kurzwirksames Benzodiazepin bei Schlafstör.Kortikosteroide:bei MS\"\r\"MSkortikoster
Plasmapherese
•
Beginn möglichst innerhalb von 6 Wo. nach Schubbeginn. Die besten Daten liegen für die ON vor.
•
Meist werden ≈ 5 Plasmapheresen (in 2-täglichem Abstand) durchgeführt.MS:Schubtherapie\"\r\"MSTherSchub
Verlaufsmodifizierende Therapie
Therapieempfehlungen (nach DGN/KKNMS)
Medikamente MS:Therapieempfehlungenin alphabetischer Reihenfolge. Ob eine einzelne Substanz einer anderen überlegen ist, ist unklar.
KIS/CIS
KIS:TherapieempfehlungenGlatirameracetat (20 mg tgl.) oder Interferon-β 1a i. m. oder Interferon-β 1a (Rebit®) s. c. oder Interferon-β 1b s. c.
RRMS:TherapieempfehlungenRRMS
•
Milde/moderate Verlaufsformen: Dimethylfumarat oder Glatirameracetat oder Interferon-β 1a i. m. oder Interferon-β 1a s. c. oder Interferon-β 1b s. c. oder Teriflunomid.
•
Bei Versagen o. (hoch-)aktiven Verlaufsformen:
–
1. Wahl: Alemtuzumab oder Fingolimod oder Natalizumab.
–
2. Wahl: Mitoxantron.
SPMS:TherapieempfehlungenSPMS
•
Mit aufgesetzten Schüben: Interferon-β 1a s. c. (Rebit®) oder Interferon-β 1b s. c. oder Mitoxantron.
•
Ohne aufgesetzte Schübe: Mitoxantron.
Varia:
•
Azathioprin bei RRMS: Wenn andere Substanzen kontraindiziert o. Pat. bereits stabil darauf eingestellt ist.
•
IvIg bei RRMS: Nur postpartal im Einzelfall.
•
Cyclophosphamid bei RRMS/SPMS: Bei fulminanten Verläufen u. Versagen der übrigen medikamentösen Optionen.
•
PPMS: Bisher keine wirksame verlaufsmodifizierende Ther.
Verlaufsmodifizierende Therapie bei milden/moderaten Verlaufsformen
Dimethylfumarat (DMF)
-
•
Sehr häufig (20–30 %, v. a. im 1. Mon. der Ther.): Hitzegefühl („Flush“), Übelkeit, Diarrhö, Bauchschmerzen. Flush: Besserung durch 325 mg ASS 30 Min. vor Einnahme von DMF. GIT-NW: Symptomatische Ther.
-
•
Sehr häufig (≥ 1/10): Ketonkörper im Urin.
-
•
Häufig (≥ 1/100 bis < 1/10): Proteinurie, Albuminurie, Leberwerterhöhungen, Leukopenie, Lymphopenie, Pruritus/Ausschlag.
Glatirameracetat
!
Zulassung für 40 mg s.c. alle 2 d 3×/Wo. bei REMS.
-
•
Sehr häufig (≥ 1/10): Hautreaktionen an Injektionsstelle, systemische Postinjektionsreaktion (SPIRSPIR: Flush, Brustschmerz, Dyspnoe, Herzklopfen o. Tachykardie), Übelkeit, Angst.
-
•
Häufig (≥ 1/100 bis < 1/10): Lipodystrophie an Injektionsstelle, Lymphadenopathie, Schüttelfrost, (Gesichts-)Ödem, Gewichtszunahme, Tremor, Leberwertveränderungen.
-
•
Gelegentlich (≥ 1/1.000 bis < 1/100): Hautnekrosen, -knötchen, Veränderungen der Leukozytenzahl, Thrombozytopenie, Erhöhung der Leberenzyme, grippeähnliche NW.
Interferon-β (IFNβ)
-
•
Beginn der Behandlung während der Schwangerschaft. Ob eine Pat., die unter IFNβ schwanger wird, dieses ab- o. fortsetzen soll, liegt im klin. Ermessen; möglich erhöhtes Abortrisiko. Während des Stillens sind IFNβ kontraindiziert.
-
•
Akute schwere Depression u./o. Suizidgedanken.
-
•
IFNβ 1b: Dekompensierte Leberinsuff.
-
•
Kopfschmerzen u. grippeähnliche Sympt. (Unwohlsein, Schwitzen, Fieber/Schüttelfrost, Myalgien) treten regelhaft (> 40 %) auf, v. a. bei Beginn der Ther. NSAID können Sympt. deutlich mildern u. sollten zu Beginn prophylaktisch gegeben werden (z. B. 500–1.000 mg Paracetamol o. 400 mg Ibuprofen [retard] zur Injektion u. 3–4 h danach; bei direkt nach der Injektion einsetzenden NW 3–4 h vorher).
-
•
Häufig (≥ 1/100 bis < 1/10) bis sehr häufig (≥ 1/10) lokale Reizungen an der Injektionsstelle, v. a. bei s. c.-App.; können durch lokales Kühlen, aseptische Technik, regelhaften Wechsel der Injektionsstellen u. Verwendung von Autoinjektoren vermindert werden. Symptomatisch kann eine lokale Ther. mit Glukokortikoiden helfen.
-
•
Leberwertveränderungen (sehr häufig bis gelegentlich [≥ 1/1.000 bis < 1/100]), Hautnekrosen (häufig bis gelegentlich), Leuko-/Lympho-/Neutro-/Thrombopenie, Anämie (sehr häufig bis gelegentlich), Haarausfall (gelegentlich), Schilddrüsenfunktionsstör. (selten [≥ 1/10.000 bis < 1/1.000] bis gelegentlich).
-
!
Auch wenn die NW der IFNβ-Ther. ein Klasseneffekt sind, unterscheidet sich die individuelle Ausprägung, sodass mitunter ein Präparatewechsel sinnvoll sein kann.
-
•
Selten: Thrombotische Mikroangiopathie (TMA), meist als thrombotischthrombozytopenische Purpura (TTP) oder hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS)
-
•
Selten bis gelegentlich: Nephrotisches Syndrom
•
Die Bestimmung von NAB ist bei (V. a.) sek. Ther.-Versagen sinnvoll.
•
Bei V. a. auf Ther.-Versagen u. erneutem Nachweis von NAB nach 3 Mon. Ther.-Konzept wechseln.
Interferon-β 1a i. m.: Avonex®
Interferon-β 1b: Betaferon®/Extavia®
Interferon-β 1a s. c.: Plegridy®
Interferon-β 1a s. c: Rebif®
Teriflunomid
-
•
Sehr häufig (ca. 15 %): Haarverdünnung (üblicherweise passager), Leberwertveränderungen (V. a. GPT).
-
•
Sehr häufig (≥ 1/10): Diarrhö, Übelkeit, Kopfschmerzen, Parästhesien.
-
•
Häufig (≥ 1/100 bis < 1/10): art. Hypertonie, Leuko-/Neutropenie, periphere Neuropathie.
-
•
Gel. (≥ 1/1.000 bis < 1/100): Anämie, Thrombopenie.
•
F im gebärfähigen Alter müssen solange sicher verhüten, wie der Plasmaspiegel von Teriflunomid > 0,02 mg/l ist.
•
Beschleunigte Elimination (z. B. vor geplanter Schwangerschaft o. bei Wechsel auf andere verlaufsmodifizierende Ther.): Cholestyramin o. Aktivkohle.MS:moderate Verlaufsform, Therapie\"\r\"MSmildtherMS:milde Verlaufsform, Therapie\"\r\"MSmildther
Verlaufsmodifizierende Therapie bei (hoch-)aktiven Verlaufsformen
Alemtuzumab
•
Komedikation: 1.000 mg Methylprednisolon i. v. an Tag 1–3, Antihistaminika (z. B. Desloratadin) u. Antipyretika vor Alemtuzumab-Infusion.
•
Herpes-Prophylaxe: Ab 1. Behandlungstag bis 1 Mon., danach (z. B. Aciclovir 2 × 200 mg/d p. o.).
-
•
Akut: Infusionsassoziierte Reaktionen (IAR; sehr häufig): Kopfschmerz, Fieber/Schüttelfrost, Tachykardie, Pruritus/Urtikaria; mitunter schwer (kreislaufrelevant), mitunter schwer von anaphylaktischer Reaktion zu unterscheiden.
-
•
Langfristig:
-
–
Autoimmune Schilddrüsenerkr. (> 30 %).
-
–
Idiopathische thrombozytopenische Purpura (ITP; 2 %).
-
–
Nephropathien (einschl. Goodpasture-Sy.; < 1 %).
-
!
Auftreten dieser NW bis zu 4 Jahren nach letzter Infusion
-
-
•
Diff.-BB, Krea, Urinanalyse (mit Mikroskopie), Leberwerte, Schilddrüsenwerte.
-
•
Überprüfung u. ggf. Ergänzung des Impfstatus, v. a. VZV.
-
•
Aufklärung/Schulung zur Erkennung einer ITP.
-
•
F: Während der Behandlung u. mind. 4 Mo. nach letzter Infusion zuverlässige Verhütung.
Monitoring Alemtuzumab
Alemtuzumab:MonitoringMonatlich Diff.-BB, Krea u. Urinanalyse (einschl. Mikroskopie), alle 3 Mon. TSH obligat bis einschl. 48 Mon. nach letzter Infusion!Alemtuzumab:bei MS\"\r\"AlemtuzumabMS
Fingolimod
•
Trotz Behandlung mit einem verlaufsmodifizierenden Medikament im vorangegangenen J. ≥ 1 Schub u. ≥ 9 T2-hyperintense Läsionen in der CMRT o. ≥ 1 KM-aufnehmende Läsion oder mit einer im Vgl. zum Vorjahr unveränderten o. zunehmenden Schubfrequenz o. anhaltend schweren Schüben („Non-Responder“) oder:
•
Mit rasch fortschreitender RRMS, definiert als ≥ 2 Schübe mit Behinderungsprogression in 1 J. u. ≥ 1 KM-aufnehmenden Läsion in der CMRT o. mit einer signifikanten Zunahme der T2-Läsionen im Vergleich zu einer kürzlichen Vorunters.
•
Sehr häufig (≥ 1/10): Erhöhte Leberwerte, Kopfschmerzen, Husten, Diarrhö.
•
Häufig (≥ 1/100 bis < 1/10): Ekzem/Pruritus, Haarausfall.
-
•
VZV-Serologie, ggf. impfen.
-
•
Ggf. kardiologische/augenärztliche/dermatologische/pulmonologische Unbedenklichkeit klären.
Natalizumab
•
Trotz Behandlung mit Interferon-β o. Glatirameracetat im vorangegangenen Jahr ≥ 1 Schub u. ≥ 9 T2-hyperintense Läsionen in der CMRT o. ≥ 1 KM-aufnehmende Läsion oder mit einer im Vgl. zum Vorjahr unveränderten o. zunehmenden Schubfrequenz o. anhaltend schweren Schüben („Non-Responder“) oder:
•
Mit rasch fortschreitender RRMS, definiert als ≥ 2 Schübe mit Behinderungsprogression in 1 J. u. mit ≥ 1 KM-aufnehmenden Läsion in der CMRT o. mit einer signifikanten Zunahme der T2-Läsionen im Vgl. zu einer kürzlichen Vorunters.
Progressive multifokale Leukenzephalopathie (PML) unter Natalizumab
Natalizumab:PML
•
Risikofaktoren: Leukenzephalopathie(n):progressive multifokaleTher.-Dauer, JCV-AK-Status, immunsuppressive Vorbehandlung.
•
Risikostratifizierung/Inzidenzen: siehe www.tysabri.de.
•
„Red flags“ für PML: Subakute kognitive Stör./Wesensveränderungen, Hemiparese, epileptische Anfälle, homonyme Gesichtsfelddefekte.
•
Bei V. a. PML: Natalizumab sofort absetzen, umgehende MRT u. ggf. Liquorunters. (mit JCV-PCR), ggf. auch wiederholt.
Mitoxantron
-
•
Schwere Infekte; symptomatische Kardiomyopathie (0,2 %); akute myeloische Leukämie.
-
!
Explizite Aufklärung über diese Risiken.
•
Auf suffiziente Kontrazeption achten (F u. M bis 6 Mon. nach Ther.-Ende)!
•
M über Möglichkeit einer Samenspende aufklären!
Symptomatische Therapie
-
•
Blasentraining/Biofeedback, Prophylaxe von Harnwegsinfekten.
-
•
Medikamentös: Tolterodin, Oxybutynin, Trospiumchlorid, Solifenacin, Darifenacin, Fesoterodin, Propiverin.
-
•
Bei rezid. Harnwegsinfekten Ansäuerung des Harns mit Methionin o. Cranberry-Präparaten.
•
Leichtes körperl. Training/Tageseinteilung/„Energietagebuch“. Ggf. Kühlung/Kühlweste.
•
Medikamentös (Off-label use): Amantadin (nach Anlage VI der Arzneimittelrichtlinie; nicht zu Lasten der GKV verordnungsfähig), Modafinil.
-
•
Kaliumkanalblocker 4-Aminopyridin (Fampyra®)
–
Dos.: 2 × 10 mg/d p. o. Behandlung zunächst für 2 Wo.; Fortsetzung, wenn Verbesserung im „Timed 25 Foot Walk“ (T25FW; Teil des MSFC) objektivierbar.
–
Zugelassene Ind.: Verbesserung der Gehfähigkeit bei erwachsenen MS-Pat. mit Gehbehinderung (EDSS 4–7).
–
KI: Epilepsie, Niereninsuff., Komedikation mit OCT2-Inhibitoren (z. B. Cimetidin).
–
NW: Epileptische Anfälle, Schlaflosigkeit, Angst, Gleichgewichtsstör./Schwindel, Parästhesien, Tremor.
-
•
Neuropsychologische Ther.
-
•
Medikamentöse Ther.: Antidementiva (z. B. Donepezil) ohne gesicherte Wirkung.
-
•
Falls noch nicht geschehen, Einleitung einer Basisther.
-
•
Physio-/Ergother.
-
•
Medikamentös (14.2.2). MS-spezifisch:
-
•
Cannabis-Extrakt (Nabiximols): Sativex® Spray
–
Dos.: 2× tgl. Sprühstöße in die Mundhöhle, Eindosierung bis max. 12 Sprühstöße/d.
–
Zugelassene Ind.: Erwachsene MS-Pat. mit mittelschwerer bis schwerer Spastik, die nicht angemessen auf eine andere medikamentöäse Spastikther. ansprechen.
–
KI: Psychische Vorerkr. (auch in der Familie); Stillzeit.
–
NW: Schwindel, Müdigkeit, eingeschränkte Fahrtauglichkeit.
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Gabapentin: V. a. bei schmerzhafter Spastik (bis zu 1.200–2.700 mg/d); zugelassener Off-label use nach Anlage VI der Arzneimittel-Richtlinie.
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Botulinumtoxin: Option bei ausgeprägter fokaler Spastik.
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Physio-/Ergother.
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Medikamentös: Topiramat, Propranolol, Primidon, Carbamazepin (meist jedoch wenig effektiv).
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Ultima Ratio: Thalamische Tiefenhirnstimulation.MS:Therapie
Krankheitsmanagement
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Physio- u. Ergother. so früh wie möglich, rechtzeitige Beschaffung von Hilfsmitteln (z. B. Gehhilfen, behindertengerechte Wohnungseinrichtung).
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Regelmäßige Lebensführung, genügend Schlaf, individuell ausreichende Ruhepausen.
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Konsequente Behandlung von Infekten.
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Meiden von Symptomverschlechterung durch Hitze (keine langen Sonnenbäder, Saunabesuche, keine heißen Wannenbäder).
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Ausgeglichene Ernährung (insbes. bei Medikamenteneinnahme).
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Vermitteln von Informationen über Krankheit u. Lebenshilfen.
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Kein Einfluss auf den Langzeitverlauf der MS. Meist geringere Schubfrequenz während der Schwangerschaft,Schwangerschaft:bei MS v. a. im 3. Trimenon, aber gehäufte Schübe postpartal. Fehlbildungshäufigkeit durch MS selbst nicht erhöht.
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Bei Planung einer Schwangerschaft körperl. u. psychische Leistungsfähigkeit, Erkr.-Verlauf u. Frage einer Hilfe bei der späteren Betreuung des Kinds berücksichtigen.
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Unbedenklich: Impfungen mit Impfungen, bei MSTotimpfstoffen o. Toxoiden, z. B. Influenza, Tetanus, Polio (inaktives Polio-Virus [IPV] nach Salk), Diphtherie, Typhus (parenteraler Impfstoff), Hepatitis A u. B, Tollwut, Haemophilus influenzae, Pneumokokken, Meningokokken u. FSME.
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Problematisch: Impfungen mit attenuierten Lebendvakzinen, z. B. Polio (orales Polio-Virus [OPV] nach Sabin), Masern, Mumps, Röteln, Typhus (oral), Cholera (oral), Gelbfieber, Tbc (BCG).
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Die Impfind. (Standardimpfungen o. Impfungen bei Risikogruppen) orientieren sich an den Empfehlungen der STIKO. MS-Pat. sind nicht als spezielle Risikogruppe definiert.
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Eine Grippe-Schutzimpfung kann v. a. vor Einleitung einer immunsuppressiven Ther. o. bei infektassoziierten Schüben befürwortet werden.
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Bei Impfungen unter immunmodulatorischer/-suppressiver Ther. ist, wenn möglich, eine Kontrolle des Impferfolgs (Titer) zu empfehlen.
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Umfangreiche Unterstützung in der Krankheitsbewältigung durch ärztliche Gesprächsangebote, ggf. auch supportive Psychother. u. Hinweis auf Selbsthilfegruppen: Auskunft bei Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) Bundesverband e. V., Hannover, www.dmsg.de.
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Arbeits- u. Leistungsfähigkeit: Je nach Krankheitsverlauf Vollzeit-, Teilzeittätigkeit u./o. Umschulung möglich. Ziel ist, die Arbeitsfähigkeit möglichst lange zu gewährleisten.
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Bei Partnerkonflikt: Ausführliche Ehe- u. Familienberatung.
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Schaffung adäquater Wohnverhältnisse, ggf. MS:Krankheitsmanagement\"\r\"MSkrankheitsmanagemtnPflegeeinrichtungenMS:Therapie\"\r\"MSTher.MS\"\r\"MS
10.2
Andere demyelinisierende Erkrankungen
10.2.1
Akute disseminierte Enzephalomyelitis (ADEM)
Definition
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Meist Enzephalomyelitis:disseminierte, akute\t \"Siehe ADEMmonophasische, akut demyelinisierende Enzephalomyelitis; zu > 70 % Auftreten nach Infekten (überwiegend viral; u. a. Masern, Röteln, Mumps, Herpes-Gruppe) o. Impfung (u. a. Masern, Mumps, Pertussis, Rabies, Tetanus, Hepatitis).
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Maximalvariante: Akute hämorrhagische LeukenzephalitisLeukenzephalitis, hämorrhagische, akute (AHLEAHLE\t \"Siehe Leukenzephalitis, hämorrhagische, akute).
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Immunpathogenetisch werden Mechanismen einer „molekularen Mimikry“, einer direkten Neurotoxizität u. einer parainfektiösen Autoimmunität diskutiert.
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Kinder > Erw.; F : M = 1 : 1.
Klinik
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Perakuter Beginn häufig mit Bewusstseinstrübung, Kopfschmerz u. Fieber (v. a. bei kindl. ADEM).
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Keine pathognomonischen Sympt., häufig jedoch multifokal: Enzephalopathie, Ataxie, motorische Sympt. (Hemiparese o. -plegie), Hirnstammsympt., Myoklonien, Choreoathetose, Blasen- u. Mastdarmstör. Sensible Defizite v. a. bei der ADEM des Erw.-Alters.
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Rezidiv bei bis zu ⅓ der Pat. (multiphasischer Verlauf).
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!
Abzugrenzen von einem Wiederaufflammen der Erkr. (innerhalb von 3 Mon.) nach Reduktion der antiinflammatorischen Ther.
Diagnostik
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Zu Beginn der Erkr. kann das MRT unauffällig sein!
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Typ.: Große, konfluierende o. multifokale, schlecht abgegrenzte T2-Läsionen, v. a. auch in Thalamus u. Basalganglien. (Uniforme) KM-Aufnahme möglich.
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In der Verlaufs-MRT (frühestens nach 6 Mon.) Läsionen rückläufig o. unverändert; neue Läsionen sprechen für MS.
Therapie und Prognose
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Hoch dosiert Glukokortikoide: I. v. (Methylprednisolon 1.000 mg über 3–5 d), gefolgt von oralem Ausschleichschema (ggf. verlängert über 3–6 Wo.).
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Bei Ther.-Versagen: Eskalation wie bei MS. Mortalität der postinfektiösen ADEM: 5 %. Prognostisch ungünstig: Schwere (Hirnstamm-)Sympt. u. schwere Bewussstseinsstör. zu Beginn.
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Langzeitprogn. ansonsten gut: 50–75 % der Pat. erholen sich innerhalb von 6 Mon.ADEM\"\r\"ADEM
10.2.2
Neuromyelitis optica (NMO, Devic-Syndrom)
Definition
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Prädilektion: N. optikus, Myelitis.
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Auch zerebrale Manifestationen möglich, zudem häufig koinzidente Kollagenosen u. weitere Autoimmunerkr., sodass zunehmend der Begriff „Neuromyelitis optica spectrum diseases“ (NMOSD)Neuromyelitis optica spectrum diseases (NMOSD) bevorzugt wird.
Klinik
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Klassische NMO: Komb. aus Optikusneuritis (ON) u. akuter Querschnittsmyelitis. ON u. Myelitis können gleichzeitig o. nacheinander (auch mit einem Intervall von Jahren) auftreten.
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ON: Häufig schwer (bis zur Erblindung), häufig bilateral.
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Myelitis: Graue u. weiße Substanz betroffen, häufig thorakal; meist langstreckig (≥ 3 WK-Segmente; Syn. „longitudinally extensive transverse myelitislongitudinally extensive transverse myelitis\t \"Siehe LETM“ [LETMLETM]). Sympt.: (Hochgradiges) motorisches Defizit, sensibler Querschnitt, Blasen- u. Mastdarmstör. Dysästhesien, pseudoradikuläre Schmerzen u. schmerzhafte tonische Spasmen sind häufig.
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Abortive/inkomplette Formen mit Nachweis von AQP4-AK (NMOSD): Rekurrierende isolierte ONOptikusneuritis:rekurrierende isolierte („RION“), LETM.
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Seltenere Manifestationen mit Nachweis von AQP4-AK (NMOSD): Hirnstammläsionen (mit Schluckauf, Übelkeit), dienzephale Läsionen (mit Narkolepsie/Bewusstseinsstör.), raumfordernde („tumefaktive“) zerebrale Läsionen.
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Weitere Assoziationen:
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Klin.: Post. reversibles Leukenzephalopathie-Sy. (PRES).
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Serolog./klin.: Sjögren-Sy., SLE, Schilddrüsenerkr., ACh-R-AK pos. Myasthenia gravis.
Diagnostik
Kriterien für die Diagnose einer NMO (nach Wingerchuk 2006)
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Optikusneuritis u. Neuromyelitis optica:DiagnosekriterienMyelitis
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2 der 3 folgenden Nebenkriterien:
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Spinales MRT mit langstreckiger Läsion (≥ 3 Segmente).
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Kraniales MRT nicht typ. für eine MS.
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Nachweis von AQP4-AK.
Diagn. Kriterien für NMOSD sind in Vorbereitung.
Therapie
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Im akuten Schub hoch dosiert Glukokortikoide: Methylprednisolon 1.000 mg i. v. über (3–)5 d, anschließend (ggf. prolongiertes) Ausschleichschema p. o. Bei Ther.-Versagen: 2. Zyklus i. v. Glukokortikoide in Höchstdosis (2.000 mg i. v. über 5 d) oder frühzeitig Plasmapherese/Immunadsorption.
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1. Wahl Azathioprin (2,5–3 mg/kg KG, v. a. bei leichteren Schüben) oder Rituximab (1.000 mg i. v. 2 × im Abstand von 14 d o. 4 × 375 mg/m2 KOF jeweils wöchentlich als Induktionsther., gefolgt von erneuten Gaben alle 6–9 Mon.). Alternativ: Mycophenolat-Mofetil, MTX, Mitoxantron, IvIg bei Kindern.
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Bei unzureichendem Ansprechen: Komb.-Ther. (z. B. MTX u. Rituximab; regelmäßige Plasmapheresen/Immunadsorption u. Immunsuppression) o. experimentelle Medikation (Tozilizumab, Eculizumab).
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Cave: Interferon-β u. Natalizumab führen zu einer Verschlechterung der NMO(SD). Glatirameracetat kann gegeben werden (z. B. bei DD optikospinale MS).