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Beckenparameter
[G474]

Untersuchung der Wirbelsäulenbeweglichkeit (Schober, Ott, FBA)
[L106]

Wirbelkörper, Segmente und Dermatome. a Wirbelkörper und korrespondierende Rückenmarksegmente. b Dermatome von unterer und oberer Extremität.
[L190]

Operative Verfahren an der WS (hier HWS) OP-Verfahren:Wirbelsäulenerkrankung
[L190]

Degeneration der Bandscheibe:DegenerationBandscheibe. a Beginnend. b Fortgeschritten.
[L106]

Mögliche Lokalisationen der lumbalen Diskushernie
[L106]

Rezessusstenose beidseits
[L190]

Klassifikation:MagerlFrakturklassifikation nach Magerl et al.
[L106]

Typische klinische und radiologische Befunde bei Morbus Scheuermann
[L106]

Klassifikation der idiopathischen Skoliose nach Lenke
[F833–005]

Skolioseformen
[L106]

Beurteilung der Skelettreife:Beurteilung nach RisserSkelettreife nach Risser. Stadium 0: Apophyse nicht zu sehen. Stadium 1: Beginnende Ossifikation seitl. Stadium 2: Ossifikation bis max. der Hälfte des Beckenkammumfangs. Stadium 3: Ossifikation von mehr als der Hälfte des Beckenkammumfangs ohne Verschmelzung der Apophyse. Stadium 4: Beginnende Verschmelzung mit dem Os ilii. Stadium 5: Vollständige Verschmelzung mit dem Os ilii. Rö-Befund in Stadium 0 und 5 ist identisch.
[L157]

Skoliosewinkel nach Cobb und Rotationsgrad nach Nash und Moe
[L190]

Operation:nach Cotrel-DuboussetDorsale Korrekturspondylodese. Der Stab wird durch die Reduzierhülsen in die Schraubenköpfe geführt. Die Furche werden am Ende der Operation an deren Sollbruchstelle abgebrochen, sodass der Tulpenkopf der Pedikelschraube in einer Ebene mit der Madenschraube abschließt.
[L106]

Ventrale Derotationsspondylodese nach Zielke
[L106]

Wirbelfehlbildungen
[L190]

Röntgenkriterien der Spondylolisthesis:RöntgenkriterienSpondylolisthesis: Quantifizierung der Ventralverschiebung nach Meyerding; pathologische Kyphosierung; „Halsband der Hundefigur“ bei 45° Schrägaufnahme
[L106]

Gleitsegment bei degenerativer Spondylolisthesis
[L106]

DD bei akutem und chronischem Kopf- und Subokzipitalschmerz:DDKopfschmerzen:DDSubokzipitalschmerz
Akute Formen | Chronische Formen |
|
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DD bei Kreuz- und Rückenschmerzen
Erwachsenenalter | Wachstumsalter |
|
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Synopsis von Wurzelreizsyndromen im HWS-Bereich (Abb. 10.3)Wurzelreizsyndrom:zervikaleMusculus:triceps brachiiMusculus:pronator teresMusculus:extensor carpi radialisMusculus:biceps brachiiDermatome:brachiale
Wurzel | Dermatom | Kennmuskeln | Reflexe |
C3/4 | Schmerz bzw. Hypalgesie im Schulterbereich (C3 – Fossa supraclavicularis, C4 – Akromioklavikulargelenk) | Abschwächung der Schulterhebung | Keine fassbaren Reflexstörungen |
C5 | Schmerz bzw. Hypalgesie etwa unter dem Ansatz des M. deltoideus | M. biceps brachii (Flex. im Ellenbogen ↓) | BSR ↓ |
C6 | Radialseite des Ober- und Vorderarms, bis zum Daumen abwärts ziehend | Paresen der Handgelenkhebung (M. extensor carpi radialis) | Radiusperiostreflex abgeschwächt |
C7 | Dermatom lateral-dorsal vom C6-Dermatom, zum 2.–4. Finger ziehend (insbes. 3. Finger) | Parese M. triceps brachii, M. pronator teres, gel. der Fingerbeuger (Ellenbogenext. ↓, Flex. im Handgelenk ↓). Oft sichtbare Atrophie des Daumenballens | TSR fehlend oder abgeschwächt |
C8 | Dermatom ist der kleinfingerseitige UA | Parese der kleinen Handmuskeln (Finger-Abd. und -Add. ↓). Sichtbare Atrophie insbes. des Kleinfingerballens | TSR ↓ |
Th1 | Dermatom über dem med. Epikondylus | Finger spreizen | – |
Synopsis der lumbalen Wurzelsyndrome (Abb. 10.3)Wurzelreizsyndrom:sakralWurzelreizsyndrom:lumbalParese:Beinmuskulatur, DDMusculus:triceps suraeMusculus:tibialis anteriorMusculus:quadriceps femorisMusculus:peroneusLendenstrecksteifeDermatome:Bein
Wurzel | Dermatom | Motorik | Reflexe |
L3 | Schmerz, Sensibilitätsstörung quer über OS-Vorderseite zum Condylus med. ziehend | Parese von M. quadriceps und Hüftadduktoren (Kniestreckung ↓, Hüftadduktion ↓) | PSR fehlend oder abgeschwächt |
L4 | OS-Außenseite über Patella und Innenseite des US | Parese des M. quadriceps und M. tibialis ant. (Kniestreckung ↓, Supination ↓) | PSR fehlend oder abgeschwächt |
L5 | Knieaußenseite, ventrolateraler US, Fußrücken, Großzehe | Parese des M. extensor hallucis longus, M. ext. digitorum brevis (Fersengang ↓, Fußheber ↓, Zehenheber ↓) | Tibialis-post.-Reflex fehlend oder abgeschwächt |
S1 | Laterodorsaler Ober- und US, Ferse, Kleinzehe | Parese des M. triceps surae, M. peroneus, M. gluteus max. (Zehengang ↓, Fußsenker ↓, Pronation ↓) | ASR fehlend oder abgeschwächt |
Einteilung des Schweregrads einer HWS-Distorsion
Grad | Beschreibung | Klinik | Röntgen | Neurologie | Beschwerdebeginn |
I | Leichte Distorsion der HWS | Schmerzen an Nacken und Hinterkopf | Unauffällig | Unauffällig | > 1 h |
II | Gelenkkapsel-Bänder-Risse ohne Bandscheibenruptur, Muskelzerrungen, retropharyngeales Hämatom | Starke Beschwerden, Nackensteife, Schluckbeschwerden | Steilstellung der HWS, evtl. kyphotischer Knick | Unauffällig | < 1 h |
III | Isolierter Bandscheibenriss, Rupturen im dorsalen Bandapparat, Frakturen, Luxationen | Zwangshaltung der HWS, Kopf- und Armschmerzen | Abnorme Aufklappbarkeit (Funktionsaufnahmen), Fehlstellung, Frakturzeichen | Wurzel- und RM-Symptome | Sofort |
Arbeitsunfähigkeit nach HWS-Arbeitsunfähigkeit:HWS-DistorsionDistorsion
Schweregrad | I | II | III |
Dauer der unfallbedingten AU | 1–3 Wo. | Max. 6 Wo. | 6 Wo. und mehr |
Unfallbedingte MdE nach Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit | 20 % auf die Dauer von 0–4 Wo. | 20 % bis zum Ende der ersten 6 Mon., 10 % bis zum Ende des 1. Unfalljahrs | 30 % bis zum Ende der ersten 6 Mon., 20 % bis zum Ende des 2. Unfalljahrs, mit 10–20 % in Dauerrente |
Ätiologische Einteilung der Skoliose (Goldstein und McAlister)Skoliose:neurpathischeSkoliose:myopathischeSkoliose:kongenitaleSkoliose:idiopathischeSkoliose:ÄtiologieMeningomyelozele:SkolioseKlassifikation:Skoliose
Klassifikation | Ätiologie |
Idiopathische Skoliose (ca. 90% aller Skoliosen)
|
Unbekannt |
Säuglingsskoliose | Lagedeformität? Neuromotorische Störung? |
Neuropathische Skoliose |
|
Myopathische Skoliose |
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Kongenitale Skoliose |
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Neurofibromatose | Morbus Recklinghausen |
Mesenchymstörungen |
|
Rheumatische Erkrankungen | z. B. RA |
Posttraumatisch |
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Iatrogen |
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Extraspinale Kontraktur |
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Osteochondrodysplasie |
|
Knocheninfektionen |
|
Metabolische Erkrankungen |
|
Lumbosakrale Veränderung |
|
Tumoren |
|
Charakteristika idiopathischer Skoliose:juvenileSkoliose:infantileSkoliose:adoleszenteSkoliosen
Einteilung | Besonderheiten | Progredienz |
Infantile (0–3. Lj.) | Selten (2–3 %), überwiegend Knaben, linkskonvex thorakale Krümmung, häufig zusätzliche Fehlbildungen | 90 % starke Progredienz |
Juvenile (4.–9. Lj.) | Selten (10–15 %), überwiegend Mädchen, rechtskonvex thorakale Krümmung | 70 % starke Progredienz |
Adoleszente (10.–20. Lj.) | Häufig (∼85 %), überwiegend Mädchen, rechtskonvex thorakale Krümmung | 10 % starke Progredienz |
Wirbelsäule
-
10.1
Begriffe und Syndrombezeichnungen336
-
10.2
Wichtige Differenzialdiagnosen338
-
10.3
Klinische Diagnostik341
-
10.4
Degenerative Erkrankungen der Wirbelsäule344
10.4.1
Begriffsdefinition344
10.4.2
Stufendiagnostik345
10.4.3
Vorgehen nach Leitsymptomen345
10.4.4
Apparative Diagnostik349
10.4.5
Allgemeine Therapiestrategie349
10.4.6
Unkovertebralarthrose (HWS)351
10.4.7
Facettensyndrom (LWS)351
10.4.8
Morbus Forestier (Spondylosis hyperostotica)352
10.4.9
Baastrup-Syndrom353
10.4.10
Bandscheibenschäden353
10.4.11
Einengungen des Spinalkanals oder der Foramina intervertebralia361
10.4.12
Funktionelle Wirbelsäulenbeschwerden366
-
10.5
Traumatologie der Wirbelsäule367
-
10.6
Malformationen und idiopathische Deformitäten374
10.6.1
Definition374
10.6.2
Atlantodentale oder atlantookzipitale Instabilität374
10.6.3
Haltungsschwäche und -fehler374
10.6.4
Muskulärer Schiefhals (Tortikollis)375
10.6.5
Klippel-Feil-Syndrom376
10.6.6
Kyphosen377
10.6.7
Morbus Scheuermann (Adoleszentenkyphose)378
10.6.8
Osteoporotischer Rundrücken380
10.6.9
Skoliosen380
10.6.10
Spondylolyse, Spondylolisthesis391
-
10.7
Failed-Back-Surgery-Syndrom (FBSS), Postnukleotomiesyndrom394
10.1
Begriffe und Syndrombezeichnungen
-
•
Beckenparameter: Die drei Parameter PI, SSL und PT (Abb. 10.1) sind direkt voneinander abhängig. Dies wird in der Gleichung SSL + PT = PI ausgedrückt.Wirbelsäule
–
Pelvic Incidence (PI): Individuelle Konstante, die sich nach dem Wachstumsabschluss nicht mehr verändert. Winkel zwischen dem Lot zur Mitte der Deckplatte S1 und einer Verbindungslinie dieses Schnittpunkts mit der Hüftkopflängsachse. Gibt natürliche Ausrichtung des Beckens und Lordose der LWS vor. Einfluss auf die Lendenlordose (LL): PI = LL + 9° ± 9°.
–
Sacral Slope (SSL): Inklination des Beckens zur Horizontalen. Winkel zwischen Tangente zur Deckplatte S1 und Horizontaler.
–
Pelvic Tilt (PT): Ausrichtung des Beckens zur Vertikalen. Winkel zwischen Verbindungslinie des Lotschnittpunkts durch die Deckplatte S1 mit der Hüftkopflängsachse und der Vertikalen durch die Hüftkopflängsachse. Hauptsächlicher Kompensationsparameter zur Erhaltung des aufrechten Stands bedingt durch Deformitäten und Verschleiß der WS.
-
•
Brachialgie: BrachialgieArmschmerzen.
-
•
Chondrose: Regressive Veränderungen an der Bandscheibe. Elastizitätsverlust (Dehydratation Chondrosedes Gallertkerns). Zunehmend Risse des Faserrings. Sinterung der Bandscheibe. Instabilität im Bewegungssegment. Verlust der Pufferfunktion. Rö: Reaktionslose Höhenabnahme des Zwischenwirbelraums, im MRT „Black Disc“ als Zeichen des Wasserverlusts.
-
•
Dorsalgie: Rückenschmerz oberhalb der DorsalgieKreuzregion.
-
•
Instabilität: Klin. Instabilität:WirbelsäuleInstabilität: Bewegungs- und Stellungsmuster der Wirbelsäule werden unter physiol. Belastung nicht mehr aufrechterhalten, ohne dass es zu initialen oder zusätzlichen neurol. Schäden, Deformierungen oder funktionsuntüchtig machenden Schmerzen kommt.
-
•
Ischialgie: Von gluteal nach distal ins Bein Ischialgieausstrahlender Schmerz ohne exakten Bezug zu Segmenten (Dermatomen). Es handelt sich um die Ausstrahlung entlang der Dermatome, die durch den N. ischiadicus versorgt werden. Überwiegend sind die Dermatome von L5 und S1 betroffen. Cave: Differenziere Dehnungsschmerz bei verkürzter ischiokruraler Muskulatur.
-
•
LumbagoLumbago: „HexenschussHexenschuss“, akuter Kreuzschmerz.
-
•
Lumbalgie: (Chron.) Kreuzschmerz Lumbalgieohne radikuläre Ausstrahlung.
-
•
Lumboglutealgie: Kreuzschmerz mit Ausstrahlung ins Gesäß. Lumboglutealgie
-
•
Lumboischialgie: Kreuzschmerz mit ischialgiformer LumboischialgieAusstrahlung in das Bein (vgl. Ischialgie).
-
•
Osteochondrose: Vermehrte mechanische OsteochondroseBelastung durch die verminderte ventrale Abstützung bei Chondrose. Einbeziehen der angrenzenden Grund- und Deckplatten der WK in den Prozess. Folge: Vermehrte subchondrale Sklerosierung und exophytäre Randzackenbildung → Instabilität des Bewegungssegments. Rö: Subchondrale Sklerosierung der benachbarten Deck- und Bodenplatten. Erosive Osteochondrose bei schweren osteochondrotischen Veränderungen mit Einbruch des subdiskal sklerosierten Knochens (DD: Spondylodiszitis).
-
•
Pseudoradikuläre Schmerzen (Brügger): Ausstrahlender Schmerz, der keiner Nervenwurzel zuzuordnen ist. Ausgehend Schmerz:pseudoradikulärervon Bandscheiben, Zwischenwirbelgelenken, Muskeln, Bändern der WS sowie extraspinalen Strukturen. Keine segmentale Zuordnung.
-
•
Radikuläre Schmerz:radikulärerSchmerzen: Ursache: Schädigung der Nervenwurzel mit Entzündungsreaktion, verursacht z. B. durch mechanische Kompression (10.4.11). Die segmentale Schmerzausbreitung entspricht einem Dermatom (18.2.6). Evtl. Ausfälle von Kennmuskeln.
-
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Sagittale BalansagittaleBalan Sagittaler Lotfall von C7 auf S1, schneidet unter Idealbedingungen die Hinterkante der Deckplatte S1, wandert mit zunehmendem Alter nach ventral, verbleibt solange kompensiert, solange der Lotfall das Promontorium nicht überschreitet. Von Imbalance spricht man, wenn das Lot vor S1 fällt. Sie ist kompensiert, solange das Lot hinter einer Achse, die die Hüftköpfe mittig längs schneidet, bleibt. Überschreitet das Lot diese Linie, spricht man von dekompensierter Imbalance.
-
•
Spondylarthrose: Durch SpondylarthroseInstabilität Instabilität:Wirbelsäuledes Bewegungssegments Inkongruenz im Bereich der kleinen Wirbelgelenke vermehrte Belastung → Spondylarthrose. Rö: Gelenkspaltverschmälerung, subchondrale Sklerosierung, unregelmäßige Gelenkflächen der kleinen Wirbelgelenke; CT am aussagekräftigsten.
-
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Spondylose: Durch Gefügelockerung Spondylosevermehrte Zugbeanspruchung der Bänder. An den WK-Rändern Bildung reparativer appositioneller Knochenzacken (SpondylophytenSpondylophyten). In ausgeprägten Fällen durch Fusion von Spondylophyten überbrückende Spangenbildung. Rö: Vordere und seitl. osteophytäre (spondylophytäre) Randzacken an Deck- und Bodenplatten.
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•
Vegetative Symptome: Ausgelöst durch Beteiligung sympathischer Nervenfasern paravertebral. Im Bereich HWS Horner-Sy. (Miosis, Horner-SyndromPtosis, Enophthalmus) oder unspezifisch Kopfschmerzen, Schwindel und Sehstörungen. Im Bereich der Extremitäten z. B. Überwärmung, Hyperhidrosis.
-
•
Verschiebung der WK gegeneinander (Translation):
-
–
Retrolisthesis: RetrolisthesisRückwärtsgleiten.
-
–
Deg. Spondylolisthesis: SpondylolisthesisVorgleiten.
-
–
Drehgleiten: Seitl. DrehgleitenWirbelgleiten. Wirbelgleiten
-
-
•
Zervikalgie: Nackenschmerzen. Zervikalgie
-
•
Zervikalsy.:Zervikalsyndrom Unexakter, HWS-Syndromundifferenzierter Sammelbegriff ohne Hinweis auf Ätiol. oder Pathogenese für Beschwerden im Bereich der HWS aufgrund deg. Veränderungen oder funktioneller Störungen.
-
•
Zervikobrachiales Sy.: zervikobrachiales SyndromVon der HWS ausstrahlende Schulter-Arm-(Hand-)Schmerzen.
-
•
Zervikozephales Sy.: zervikozephales SyndromKopfschmerzen, Schwindel, Globusgefühl, Hör- und Sehstörungen.
All diese Syndrome fassen lediglich unspezifische klin. Symptome zusammen – sie sind keine Diagnosen. Zahlreiche DD sind möglich; eine subtile Anamnese und genaue klin.-neurol. Untersuchung sind Pflicht! Wenn nötig, interdisziplinäres Vorgehen.
10.2
Wichtige Differenzialdiagnosen
Kopf- und Subokzipitalschmerz
Schwindel
•
Internistisch: Z. B. VertigoSchwindel:DDHypotonie (kardiogen, z. B. Arrhythmien, medikamentös, idiopathisch), Anämie, Medikamente.
•
Neurol.: Zerebrale Durchblutungsstörungen (vertebrobasiläre Insuff.: Gefäßanomalie), zentral-vestibulärer Schwindel (Tumoren, Hirnstammprozesse, epileptischer Schwindel, Kleinhirnerkr. u. a.).
•
Otologisch: Vestibulärer Schwindel. Fast immer Drehschwindel, meist Korrelation mit Horizontalnystagmus. U. a. benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel, Morbus Menière, Labyrinthitis.
•
Okulär: Z. B. bei Augenmuskelparesen.
•
Orthop.: Funktionelle Kopfgelenkstörungen, Verletzungsfolgen, NPP, Rezessusstenosen, Halsrippe (11.1).
•
Psychosomatisch, psychogen (19).
Nacken-Schulter-Arm-Schmerzen
-
•
Erkr. der Schmerz:Nacken-Schulter-Arm-Nacken-Schulter-Arm-SchmerzenHWS:
–
Deg. Veränderungen (NPP, Osteochondrose, Spondylarthrose, Unkovertebralarthrose mit/ohne radikuläre Symptomatik; Segmentinstabilität).
–
Funktionelle Störungen (Blockierungen).
–
RA, Spondylarthritis.
–
Spondylitis, Spondylodiszitis.
–
Trauma, posttraumatische Störungen.
–
Tumoren.
–
Angeborene Anomalien (Os odontoideum, basiläre Impression, Klippel-Feil-Sy., Arnold-Chiari-Sy.).
–
Psychogene Ursachen (19.3.2).
-
•
Neurol. Erkr.:
–
ZNS: Z. B. armbetonte Hemiplegie.
–
Nervenwurzelläsionen: Wurzeltumoren (Neurinome), Arachnitiden, Herpes zoster.
–
Läsionen des Armplexus.
–
Kompression durch Tumoren (z. B. Neurinome, Pancoast-Tumor, Sarkome), Bestrahlung, neuralgische Schulteramyotrophie, Traumafolgen (z. B. Ausrisse), Neuritiden, Neuropathien.
–
Läsionen peripherer Nervenstämme: Nn. medianus, radialis, ulnaris, suprascapularis. Posttraumatisch: Neuromschmerz, Kausalgie, Phantomschmerzen.
–
Karpaltunnelsy.
-
•
Schultergürtel- und Extremitätenskelett:
–
Trauma.
–
Rheumatische Sy. (Polymyalgia rheumatica, Poly-, Dermatomyositis).
–
Ansatztendinosen, Rotatorenmanschettenruptur, Supraspinatus-outlet-Sy.
–
CRPS.
–
Chondrokalzinose, Tendinosis calcarea (PHS allg. 9.1.18).
–
Schulterinstabilitäten.
–
Knochentumoren.
–
Bakt. Arthritiden.
-
•
Durchblutungsbedingte Schmerzen:
–
Akutes/chron. peripheres art. Verschluss-Sy.
–
Vasospastische Sy.: Raynaud, Ergotismus.
–
Armvenenthrombose.
–
Thoracic-outlet-Sy.: Halsrippensy., Kostoklavikularsy., Hyperabduktionssy.
-
•
Internistische (viszerale) Erkr.:
–
Angina pectoris, Myokardinfarkt, Perikarditis.
–
Pleuraschmerzen.
–
Aneurysma dissecans.
-
•
Andere Ursachen: Skapulokostales Sy., psychische Affektionen.
Kreuz- und Rückenschmerzen
Lumbalgie und Lumboischialgie
-
•
Neurol. Störungen:Lumboischialgie.DDLumbalgie:DD
–
Periphere Nervenschmerzen.
–
Neurol. Systemerkr.
–
Neuromuskuläre Dystrophien/Atrophien.
–
Neuritis, periphere Nervenerkr.
–
Syringomyelie.
–
Tethered (Spinal) Cord.
–
Borreliose, Herpes zoster.
–
Tumoren.
-
•
In den Rücken projizierte Schmerzen:
–
Erkr. im kleinen Becken.
–
Intra- oder retroperitoneale Tumoren.
–
Gynäkologisch: Lageanomalien des inneren Genitale wie Uterusprolaps, Retroflexio uteri, Entzündungen wie Adnexitis, Schmerzursachen unter Hormoneinfluss wie Endometriose, prämenstruelles Spannungssy., „Mittelschmerz“.
–
Koxarthrose mit Flexionskontraktur und sekundärer sagittaler Imbalance.
–
Urologisch.
–
Abdominale Erkr.: z. B. Pankreatitis, Cholezystitis.
-
•
Psychische/psychosomatische Affektionen (19.3.2).
Wichtige und oft nicht erkannte Ursachen von Rückenschmerzen
-
•
Vaskulär: Abdominales Aortenaneurysma, pAVK.
-
•
Neurogen: Nervenwurzeltumoren (z. B. Neurofibrom, Neurolemnom), RM-Tumoren, diabetische Neuropathie.
-
•
Spondylogen: Plasmozytom, Wirbelmetastasen, Osteoidosteom, Fraktur bei Osteoporose; Spondylitis, Morbus Bechterew.
-
•
Gynäkologisch: Retroversio uteri u. a. Uterushaltungsanomalien.
-
•
Urologisch: Chron. Prostatitis.
10.3
Klinische Diagnostik
Anamnese
Spezielle Anamnese
-
•
Unfall? Systemische Erkr.? Infekt?Wirbelsäule:DiagnostikDiagnostik:Wirbelsäule
-
•
Beginn der Beschwerden (akut, schleichend), nach einem bestimmten Ereignis (z. B. Trauma, Infekt, Belastung)?
-
•
Verlauf (Dauer, Besserung, Verschlimmerung, mögliche beeinflussende Faktoren, Intensität, Kontinuität).
-
•
Schmerzanamnese:
–
Wo? Lokalisation? Mit Finger Wirbelsäule:SchmerzanamneseSchmerzanamnese:Wirbelsäulezeigen lassen, Ausstrahlung, anatomische Zuordnung? Pseudoradikulär? Diffus, punktförmig, flächenhaft?
–
Wann? Dauernd, intermittierend, remittierend, episodisch. Tagesrhythmus?
–
Warum? Abhängig von bestimmten Faktoren (Bewegung, Belastung, Lage, Witterung)? Hust- und Niesschmerz.
–
Wie? Dumpf, bohrend, brennend, ziehend. Gleichbleibend, wechselnd im Charakter, Verlauf der Schmerzstärke?
-
•
Funktionsstörungen? Steifigkeit, Bewegungsausfall, Blockierung, Kraftlosigkeit, Koordinations-, Gangstörungen, Gehstrecke, Hinken.
-
•
Deformierungen, Haltungsveränderungen?
-
•
Neurol. Symptome? Dys-, Parästhesien (Ameisenlaufen, Taubheit, Kribbeln, Elektrisieren), Miktions-, Defäkations-, Potenzstörungen, Kraftlosigkeit, Muskelschwäche, Lähmungen, Kopfschmerzen, Schwindel, Schluck-, Sehstörungen, Migräne, Bewusstseinsstörungen.
-
•
Psychische Symptome? Depressive Verstimmungen, Schlafstörungen, Neurosen, Psychosen, familiäre, berufliche Schwierigkeiten, Dissimulation, Aggravation.
-
•
Behinderung in Alltag und Beruf, Freizeit, Sport.
-
•
Allgemeine Krankheitssymptome? z. B. Allgemeinbefinden, Krankheitsgefühl, Gewichtsverlust, Fieber, Schwitzen.
-
•
Bisherige Ther.? Welche? Besserung?
-
•
Hilfsmittel? Mieder, Stock, Bandagen, Prothesen, Orthesen.
-
•
Frühere Laboruntersuchungen?
-
•
Frühere bildgebende Diagn.: Rö, CT, MRT, Sono, Szinti?
Allgemeine Anamnese
Soziale Anamnese (besonders wichtig)
Klinischer Befund
Inspektion
-
•
Aus- und Ankleiden, Gang, Sitzhaltung.Wirbeläsule:InspektionInspektion:Wirbelsäule
-
•
Psychische Auffälligkeiten (auch 19).
-
•
Von vorn:
–
Habitus.
–
Kopfhaltung, Kopf mittelständig, Gesichtsskoliose, Schiefhals.
–
Schulterstand, Nacken- und Schultermuskulatur, Schlüsselbeinkontur.
–
Horner-Sy. (Lidspaltenverengung, Miosis, Enophthalmus): Schädigung der Wurzeln Horner-SyndromC8, Th1.
–
Besonderheiten der Thoraxform? Atemexkursion seitengleich?
–
Abdomen.
–
Bein-, Fußdeformität.
-
•
Von hinten:
–
Lotgerechter Aufbau der WS? Skoliose? Zwangshaltung? Beckenstand.
–
Beim Vornüberbeugen (funktionelle Tests): Rippenbuckel, Lendenwulst, fixierte Brustkyphose?
-
•
Von der Seite: Rückenform? Physiol. Lendenlordose, Brustkyphose, sagittale Balance? Bauchdecken. Reifezeichen (Skoliose, Kyphose)?
Palpation
-
•
Palpation:WirbelsäuleStauchungsschmerz.
-
•
Druck-, Klopf-, Rüttelschmerz, Fersenfallschmerz. Fersenfallschmerz
-
•
Stufe in der Dornfortsatzreihe (Palpation:WirbelsäuleSpondylolisthesis, 10.6.10).
-
•
Thorax:KompressionsschmerzThoraxkompressionsschmerz (Prellung, Rippenfraktur).
-
•
„Hängenbleiben“ einzelner Rippen bei In- oder Exspiration (Blockierung).
-
•
Muskeltonus (Erhöhung über funktionell gestörten Gelenken im Sinne von Blockierungen); M. piriformis → Piriformissy. (13.1.18).
-
•
Subkutanes Fettgewebe: Konsistenz, DS. Kibler-Hautfalten: Hautfalten mit beiden Händen abheben und entlang den Kibler-HautfalteDermatomen „entlangrollen“. In hyperalgischen Zonen Verdickung dieser Falte tastbar, derbere Konsistenz, Schmerzen.
-
•
Segmentale Irritationspunkte (reflektorische Gewebsirritationen) meist in Austrittsnähe des segmentalen Spinalnervs.
-
•
Muskulatur: Myogelosen, Muskelhartspann.
Funktionsprüfung und Messung
-
•
Trendelenburg-Trendelenburg-ZeichenFunktionsprüfung:WirbelsäuleZeichen (13.1.7), Beinlänge (13.1.3).Wirbelsäule:Funktionsprüfung
-
•
Atemexkursion (insbes. bei V. a. Morbus Bechterew, Normalwert beim jungen Erw. 5 cm, gemessen über den Mamillen).
-
•
Haltungstest nach Matthiass (Haltungsschwäche? auch 10.6.3).
-
•
Bewegungsspiel der WS, lokale Haltungsanomalien? Passiver Torsionsschmerz LWS → Instabilität? Inklinations-, Reklinationsschmerz aktiv/passiv?
Bewegungsprüfung
-
•
Kinn-Sternum-Abstand Bewegungsprüfung:Wirbelsäulein cm in max. Flex. und Ext.
-
•
Schober-Schober-Maß und Ott-Ott-MaßMaß (Abb. 10.2), Fingerspitzen-Boden-Abstand (FBA).
-
•
Seitneigen, Rotation, Vor- und Rückneigen.
-
•
Beweglichkeit der Schulter-, Hüft- und Kniegelenke.
Spezielle Tests
-
•
z. B. Mennel-Zeichen (SIG): Pat.Mennel-Zeichen in Seitenlage, Überstrecken des Hüftgelenks der betroffenen Seite.
-
•
Viererzeichen, Vorlaufphänomen, Spine-Test.
-
•
Federtest (Federtestventralisierender Druck segmental); passive axiale Rotation.
Neurostatus
-
•
Sensibilität? Dermatom?
-
•
Motorische Ausfälle? Gang, Zehengang, Hackengang, Plantar-, Dorsalflexion der Zehen. Bestimmung der Kraftgrade der Kennmuskeln der oberen und unteren Extremitäten (Angabe in Fünfteln).
-
•
Reflexstatus.
-
•
Lasègue, Lasègue-ZeichenBragard (Bragard-ZeichenDorsalext. im OSG nach Anheben des Beins), Valleix-Druckpunkte. Valleix-DruckpunkteUmgekehrter Lasègue (Femoralisdehnungsschmerz).
Pulsstatus
10.4
Degenerative Erkrankungen der Wirbelsäule
10.4.1
Begriffsdefinition
Begriffsdefinition „Degeneration“
„Degeneration“ hat Degeneration:Definitionmeist eine neg. und pathologische Bedeutung. Die Situation wäre in vielen Fällen besser beschrieben, wenn Degeneration eine „dem normalen Alterungsprozess entsprechende Entwicklung der Wirbelsäule“ bezeichnen würde.
Degenerative Erkrankungen der HWS
•
Exakte Abgrenzung einzelner Krankheitsbilder wegen Überlappung oft schwierig.
•
Unterscheide akute/chron. Zustände; mit oder ohne radikuläre Symptomatik.
•
Funktionsstörungen (z. B. Blockierungen, Hypermobilität) haben i. d. R. kein pathomorphologisches Korrelat.
Degenerative Erkrankungen der BWS
!
Immer an diskrete motorische Ausfälle bei zentralen NPP mit Schädigung der langen Bahnen denken. Ausstrahlung und Schmerzcharakter gleichen häufig denen der funktionell bedingten Dorsalgie.
•
In der Rö-Diagn. häufig klin. unauffällige Spondylophyten (Spangenbildung, Morbus Forestier).
•
Im MRT nachgewiesene Vorfälle sind oft asymptomatisch. Wegen der Rate an Kalzifikationen auch CT indiziert.
Degenerative Erkrankungen der LWS
•
Häufig Komb. von Schäden → erschwert oft Diagn. und Ther.
•
Sozialmedizinische Relevanz: 50 % der vorzeitig gestellten Rentenanträge in Deutschland werden mit bandscheibenbedingten Erkr. begründet.
10.4.2
Stufendiagnostik
Diagn. Maßnahmen erst nach Erstellung einer Arbeitshypothese veranlassen, da eine zu breit gestreute Diagn. mit großer Wahrscheinlichkeit „Befunde“ produziert.
•
Stufe 1: Anamnese, Untersuchung, Rö WS in 2 Eb.
•
Stufe 2: Funktions- oder Traktionsaufnahme, neurol. Untersuchung mit EMG, NLG.
•
Stufe 3: MRT, CT, zervikale oder lumbale Myelografie mit Funktion und anschließendem CT, (MR-)Angiografie, (Szinti).
•
Stufe 4: Diagn. Facetteninfiltration, Wurzelblockade. Die probatorische Ruhigstellung (Rumpfgips, zur Ruhigstellung L5/S1, SIG mit einseitigem OS-Einschluss) bringt eingeschränkte Informationen. Die früher häufig eingesetzte Diskografie konnte keinen evidenzbasierten diagn. Nutzen erbringen und sollte nicht standardisiert durchgeführt werden.
Vor der Festlegung auf die Arbeitsdiagnose „deg. WS-Beschwerden“ stets Tumor, Spondylodiszitis, Fraktur und Ruptur von Bändern bzw. gebietsfremde Beschwerdeursachen ausschließen.
10.4.3
Vorgehen nach Leitsymptomen
Schmerz
Schmerzcharakteristika
-
•
Beginn schleichend oder akut.Wirbelsäule:SchmerzSchmerz:Wirbelsäule
-
•
Lokalisation: Einzelne WS-Segmente oder größere WS-Abschnitte.
-
•
Ausstrahlungen pseudoradikulär oder radikulär.
-
•
Schmerz dumpf ziehend, evtl. stechend.
-
•
Auslösung durch mechanische Faktoren wie Bücken, Aufrichten, Drehen, Heben, Fehl- oder Überbelastung, Witterung, Temperatur, Feuchtigkeit oder akutes Trauma.
-
•
Verschlimmerung durch Fehl- und Überbelastung, monotone, fehlerhafte Haltung, stereotype Bewegungen, Ermüdung, Erschütterung.
-
•
Besserung durch Ruhe, Entlastung, Lagerung, Haltungswechsel, lockernde Bewegung. Nachtschmerz zeitweilig, kurz andauernd, abhängig von Lagerung.
-
•
Hyp- und Hyperalgesie; schmerzhaftes Kalt-/Warmempfinden.
-
•
Anhalt für psychische Auffälligkeiten: Depression? Private Probleme? Soziales und berufliches Umfeld eruieren. Rente eingereicht, Rentenwunsch? Analgetikaverbrauch. Unterlagen sorgfältig studieren (oft umfangreich).
Befund
-
•
Lokaler Schmerz:
–
Paravertebral oder über den Dornfortsätzen.
–
Ausgelöst durch Palpation, Federungstest oder Bewegungsversuche, WS-Kompression, Stauchung (auf die Hacken fallen lassen), aktive Bewegung.
-
•
Ausstrahlender Schmerz:
–
Positiver Lasègue: Bei Anheben des gestreckten Beins bei 30° ins Bein einschießender Schmerz.
–
Pseudo-Lasègue: Anheben des Beins führt zu Schmerzen im Rücken.
–
DD Dehnungsschmerz bei verkürzter ischiokruraler Muskulatur.
–
Segmentbezug? Bezug zum Versorgungsgebiet eines peripheren Nervs?
Bei klin. Untersuchung:WirbelsäuleUntersuchung und Palpation:WirbelsäulePalpation: Überlagerung des eigentlichen Befunds an der WS durch forcierte Palpation der Dornfortsätze!
Neurologisches Defizit
Sensible Ausfälle
-
•
Dermatom eindeutig zuzuordnen?Ausfälle:sensible
-
•
Ist Sensibilitätsstörung kontinuierlich im Dermatom ausgebreitet oder mit Lücken und sog. befundfreien Inseln? → Radikulär oder pseudoradikulär?
-
•
Reithosenhypästhesie prüfen. Perianalregion sensibel?
Unterhalb der Klavikula Segmentsprung am Rumpf von C4 nach Th2/3. Die dazwischenliegenden Dermatome sind in den Arm ausgelagert.
Motorische Ausfälle
Reflexe
-
•
Bizepssehnenreflex, Trizepsreflex, Radiusperiostreflex.
-
•
Adduktorenreflex L3, Patellarsehnenreflex L4, Achillessehnenreflex S1.
-
•
Blasenentleerungsstörungen und Corpus-cavernosus-Reflex S2–3.
-
!
Pathologische Reflexe der langen Bahnen (z. B. Trömner, Babinski) immer mitprüfen.
Blasen-Mastdarm-Lähmung
Kaudakompression (Cauda-equina-Sy.) → Notfall. OP innerhalb von 24 h nach Beschwerdebeginn (18.6.2).
10.4.4
Apparative Diagnostik
•
Rö a. p. und seitl., bei V. a. Einengung von Foramen (insbes. der HWS) schräg; bei V. a. Instabilitäten seitl. Funktion.
•
MRT (CT ist als Primärdiagn. abgelöst).
•
Myelografie, Funktionsmyelografie und CT nach Myelografie (insbes. bei V. a. Einengungen).
•
Diskografie; Disko-CT sollten wegen destruktiver Auswirkungen auf das Bandscheibengewebe nicht mehr durchgeführt werden.
•
Szinti (Differenzierung deg. Veränderungen/frische Frakturen/Spondylitiden).
•
EMG; NLG (Konsiliaruntersuchungen).
•
Angiografie.
!
Bei eindeutigen neurol. Ausfällen und unauffälligen Befunden immer an höher gelegene Läsionen denken.
Arbeitsdiagnose
Zuordnen der Symptome zu
•
Bandscheibenschaden,
•
Facettenarthrose/(multi-)segmentaler Instabilität,
•
Einengungen Spinalkanal oder Rezessus
oder zu Kombinationen davon.
10.4.5
Allgemeine Therapiestrategie
Konservative Therapie
Akutes Stadium
Chron. Beschwerden
Operative Therapie
Grundsatz
Auswahlkriterien zur OP an der LWS
-
•
Rez. und auf intensive kons. Heilmaßnahmen resistente Beschwerden, die eindeutig einem oder mehreren Wirbelsegmenten zuzuordnen sind.
-
•
Radiologisch nachzuvollziehendes, pathomorphologisches Substrat: z. B. Segmentinstabilität, Osteochondrose.
Typische Indikationen
-
•
Enger Spinalkanal.
-
•
Statische Imbalance mit Wirbelgleiten.
-
•
Deg. Drehgleiten, Skoliose.
-
•
Passender Bandscheibenvorfall.
-
•
Dekompensierte sagittale Balance.
-
•
Sekundäre symptomatische Hyperkyphosen (posttraumatisch, postentzündlich).
Auswahlkriterien gegen OP
-
•
Diffuse WS-Beschwerden.
-
•
Beinschmerz im Vordergrund.
-
•
Neurotische Persönlichkeit; psychosoziale Probleme.
-
•
Offensichtliches Rentenbegehren.
Operationsverfahren
Ziel der Operation
-
•
Funktionsverbesserung.
-
•
Schmerzlinderung.
-
•
Dekompression der neuralen Strukturen.
-
•
Spondylodese mit sicherer knöcherner Fusion (Ausmaß bestimmt die zugrunde liegende Pathologie).
10.4.6
Unkovertebralarthrose (HWS)
Definition
Klinik
-
•
Phasenhaft chron./akute Nackenschmerzen, Nacken-Arm-Schmerzen (ein- oder beidseits), Bewegungseinschränkung der HWS, Dysästhesien meist pseudoradikulär; Spannungs- und Schwellungsgefühl der Hand. Rotationsbewegungen v. a. zur kontralateralen Seite schmerzhaft.
-
•
Zervikozephales Sy. (10.1): Kopfschmerzen, Schwindel, Hör- (Ohrensausen), Schluck- und Sehstörungen. Beschwerden positionsabhängig.
Diagnostik und Differenzialdiagnosen
-
•
Schmerzausstrahlung einem Dermatom zuordenbar? Reflexe? Paresen?
-
•
Gezielte manuelle Untersuchung (Blockierung? Segmentale Irritation?).
-
•
Rö: HWS in 4 Eb., Schrägaufnahmen → Einengung des Foramen intervertebrale (4.1.2)? Cave: HWS-Schrägaufnahmen vermitteln oft ein trügerisches Bild von „Engen“.
-
•
Bei unklarer Diagnose evtl. MRT, CT, elektrophysiol. Diagn.
-
•
Angiografie:UnkovertebralarthroseAngiografie der A. vertebralis: Einengungen, am häufigsten bei C5–C7.
-
•
DD: Umfangreich. Kopfschmerzen/Schwindel (18.2.2, 18.2.3), Subclaviansteal-Sy., Thoracic-Outlet-Sy.
Therapie
10.4.7
Facettensyndrom (LWS)
Definition
Ätiologie und Pathogenese
-
•
Häufigste mechanische BandscheibenschadenEntstehungsursache: Bandscheibenlockerung → unphysiol. Mikrobewegung im Bewegungssegment (Segmentinstabilität) → verstärkte Belastung der Wirbelgelenke und Reizung der gut innervierten Gelenkkapseln.
-
•
Eine LumbagoLumbago kann durch eine akute Überlastung eines Wirbelgelenks bei Instabilität im Bewegungssegment hervorgerufen werden.
Klinik
-
•
Typischer tief sitzender, diffuser, belastungsabhängiger Kreuzschmerz mit Ausstrahlung in untere Extremität sowie Gesäß, Leiste, Hoden und Unterbauch.
-
•
Schmerz abends oft am stärksten mit Besserung im Liegen.
Diagnostik und Differenzialdiagnosen
-
•
Lokaler Rüttel- und Klopfschmerz.
-
•
Deutlicher Hinweis ist das Viererzeichen: Passive ViererzeichenLordosierung und Torsion der LWS durch max. Abd. und Aro. der Hüfte. Häufig Schmerzerleichterung bei Entlordosierung der LWS.
-
•
Typische Schmerzpunkte über Mm. gluteus medius und maximus, Dornfortsätze der LWS und Trochanter major.
-
•
Rö-LWS, CT: Nachweis einer Spondylarthrose in der klin. lokalisierten Region.
-
•
Diagn. gezielte Infiltration unter BV (erst Lidocain: Besserung ca. 2 h; dann Kontrolle mit Mepivacain: Besserung für 4–6 h; evtl. Gegenprüfung mit NaCl-Infiltration) zur Eingrenzung der schmerzhaften Segmente.
-
•
DD: Radikuläres Sy., Claudicatio spinalis, Erkr. im Bereich des SIG, lumbale Plexusaffektion, PNP, extravertebrale abdominale Erkr.
Therapie
10.4.8
Morbus Forestier (Spondylosis hyperostotica)
Definition
Klinik
-
•
i. d. R. uncharakteristische schleichende Schmerzen; nicht selten auch Zufallsbefund im Rö-Bild. Bevorzugt BWS-Bereich (Th4–Th6) befallen.
-
•
Gel. großbogige fixierte Kyphosen.
-
•
Tendinosen aufgrund ossifizierender Fibroostosen an Becken und Fersenbein relativ häufig.
Diagnostik und Differenzialdiagnosen
-
•
Rö: BWS, LWS in 2 Eb. beweisend → hyperostotische Spondylophyten („Zuckerguss“), überwiegend rechtsseitig. HWS und LWS geringer befallen.
-
•
DD: Morbus Bechterew, Spätzustände nach Morbus Scheuermann, akromegale Spondylosis, OPLL (Ossification Posterior Longitudinal Ligament).
Therapie
10.4.9
Baastrup-Syndrom
Definition
Ätiologie
Klinik
Diagnostik
Therapie
10.4.10
Bandscheibenschäden
Bandscheibenvorfall bei alten Patienten
Vorsicht bei der Diagnose „Bandscheibenvorfall“ bei Pat. > 65 J. – akute NPP sind hier die Ausnahme.
Zervikale(r) Bandscheibenprolaps, -protrusion
Definition
Klinik
-
•
Je nach Form radikuläre Nacken-Schulter-Arm-Schmerzen mit und ohne Parästhesien; manchmal Hust- und Niesschmerz.
-
•
Auf Bewegungseinschränkung der HWS achten, „Schiefhals“, Schmerzausstrahlung, Paresen, Sensibilitätsstörungen, Reflexausfall bzw. -differenz (vgl. Synopsis); pos. HWS-Kompressionstest HWSKompressionstest.
-
•
Inkomplette Querschnittslähmung bei Querschnittslähmung:Bandscheibenvorfall HWSmedianem Vorfall möglich (Myelonkompression): MER ↑, Blasenlähmung, Spastik. Ataktisches Gangbild.
Diagnostik
-
•
Rö: HWS in 2 Eb. MRT, CT, zervikale Myelografie mit Funktionsaufnahmen.
-
•
EMG: Zur Objektivierung oder Ausschluss von Paresen; zur DD.
Differenzialdiagnosen
-
•
Neuralgische Schulteramyotrophie (Plexusneuritis; stärkere diffuse Schmerzen, HWS-Beweglichkeit meist frei).
-
•
Karpaltunnelsy. (nächtliche Brachialgie, Sensibilitätsausfall nur distal des Handgelenks, 9.3.4).
-
•
Wurzelkompression C6/7.
-
•
N.-ulnaris-Kompression (18.9.1).
Therapie
Lumbale Diskushernie
Epidemiologie
Ätiologie und Pathogenese
Einteilung
-
•
Protrusion: Beginnende Deg. des ProtrusionFaserrings und Vorwölbung des Nucleus pulposus, noch im intradiskalen Raum befindlich.
-
•
Prolaps: Vorfall; Faserring Prolapszerrissen, Nucleus pulposus tritt aus dem intradiskalen Raum aus.
-
•
Gedeckter Prolaps: Längsband erhalten.
-
•
Sequestrierter Prolaps: Durch oder neben das Längsband tretender Vorfall.
-
•
Massenprolaps: Massives Austreten Massenprolapsvon Diskusmaterial.
Klinik
•
Lateraler und dorsolateraler Prolaps: Radikuläres Sy. meist die Wurzel des betroffenen Segments betreffend.
•
Mediolateraler Prolaps (ca. 90 % der Fälle): Lumbago und radikuläres Sy., häufig die Wurzel unterhalb des betroffenen Segments betreffend.
•
Medialer Prolaps: Lumbago, radikuläres Sy. (Wurzel unterhalb des betroffenen Segments betreffend) und Kaudasy.
•
Diskushernien im Wachstumsalter: Rarität! Immer Spondylolyse, Olisthese, Entzündung oder extra- oder intraspinalen Tumor ausschließen. Bei Fehlen neurol. Ausfälle zunächst immer kons. Ther.
Diagnostik
Bei plötzlicher Schmerzbesserung evtl. „Nervenwurzeltod“: Nervenwurzel Nervenwurzeltodist dann durch die Kompression irreversibel geschädigt.
-
•
Pathol. Befunde bei Nervenwurzelkompression (10.4.3).
-
•
Fachneurol. Untersuchung (Konsil): Bei Unklarheiten, Hinweisen für Störung der Temperatur- und Tiefensensibilität oder anderen nicht zum Lumbalsy. gehörenden neurol. Ausfällen. Spinaler Tumor?
-
•
Rö Röntgen:lumbale DiskushernieLWS in 2 Eb.:
–
Protrusionen und Prolapse sind mit Nativ-Rö-Aufnahmen nicht darstellbar. Meist „Steilstellung“ oder segmentale Entlordosierung der LWS sowie skoliotische Fehlhaltung (Schonhaltung). Segmentale Osteochondrosen. In Funktionsaufnahmen segmentale Hypermobilität, Segmentkollaps in Inklination.
–
Deg. Veränderungen der WS korrelieren nicht mit Lumbalsy.
–
Ausschluss anderer Erkr.: Tumoren und Entzündungen, Spinalkanalstenosen, Aufbaustörungen, Bogenanomalien.
–
Seitaufnahme: Aufhebung der physiol. Lordose mit Streckstellung („flat-Flat-back-syndromeback-syndrome“). (Beginnende) deg. Spondylolisthesis: Verschiebung der Wirbel gegeneinander bei deg. Bandscheibenlockerung. Funktionsaufnahmen. Instabilität?
-
•
MRT, CT (ggf. Disko-CT):
–
Genaue Lage des NPP oder der Protrusion, insbes. Höhe und Ursache der Kompression (Diskushernie, Stenose des Recessus lateralis, pathol. Prozess im Spinalkanal).
–
NPP: Am häufigsten sind mediolaterale Vorfälle (ca. 90 %).
-
•
Myelo-CT (Myelografie): Bei unklaren Fällen oder KI für MRT.
-
•
Liquordiagn.: Bei Myelografie, z. B. zur DD eines entzündlichen oder tumorösen Geschehens.
-
•
EMG und NLG: Objektivierung neurol. Ausfälle, DD.
-
•
Diskografie: Inj. von Kontrastmittel unter BV-Kontrolle: Zustand der Bandscheibe? Typische Schmerzprovokation? Ind. aufgrund der Literaturlage eher zurückhaltend stellen.
-
•
Labor: Screening, ggf. OP-Vorbereitung: BSG, E'lyte, Diff.-BB, BZ, Harnsäure.
Symptomatische NPP auf 2 Höhen sind Raritäten. Aber viele NPP sind asymptomatisch! Deshalb Misstrauen gegenüber der Bildgebung. Die Befunde sind nur bei gutem klin. Korrelat verwertbar.
Differenzialdiagnosen
Konservative Therapie
-
•
Außer bei funktionell bedeutsamen neurol. Ausfällen ist die Schmerzbehandlung entscheidend. Dann sorgfältige Diagn. und in Ruhe Ind. zur kons. Behandlung prüfen. Evtl. Misserfolg kons. Behandlung nicht länger als 2 Wo. tolerieren, dann OP-Ind. erneut prüfen.
-
•
i. d. R. Komb.-Ther. Individueller Ther.-Plan unter Berücksichtigung von Akuität, Schmerzausmaß, Alter, Psyche, klin. Befunden, Krankheitsstadium. Der ther. Aufwand ist den subjektiven Beschwerden anzupassen.
-
•
Aufklärungsgespräch: Erläutern Aufklärung:Diskushernievon Ursachen und Ther.-Möglichkeiten. Ziel: Compliance verbessern.
-
•
Akut kurzfristig Bettruhe, entlastende Lagerung: Geeignete Körperposition findet Pat. meist selbst. Evtl. Stufenbett (angewinkelte StufenbettHüft- und Kniegelenke) – nicht länger als 2 d.
-
•
Thermother.: Wärme (20.4.2) eher im chron. Stadium: Heiße Bäder, Wärmepackungen, heiße Rollen, Fangopackungen, ABC-Pflaster® oder hyperämisierende Medikamente, z. B. Finalgon®-Salbe. Kryother. eher im akuten Stadium.
-
•
Periodische oder Dauerextension (Druckreduktion im Zwischenwirbelraum). Zugkräfte greifen am Becken an. Extensionswirkung auf LWS mit verschiedenen Übungen und Geräten zu erzielen: Aushängen an Sprossenwand, Türrahmen, Streckbandage, Schlingentisch.
-
•
Medikamente:
–
Analgetika (24.1), z. B. Tramadol-Infusion (z. B. Tramal®).
–
Antirheumatika, Antiphlogistika (16.5.1), z. B. Diclofenac bis 150 mg/d (z. B. Voltaren®) und Magenschutz.
–
Tranquilizer wie Diazepam 5–15 mg/d (z. B. Valium®).
-
•
Periduralanästhesie:BandscheibenprolapsPeriduralanästhesie (PDA): 3.3.5. Evtl. mehrfach wiederholen.
-
•
KG: Physiotherapie:BandscheibenprolapsIm akuten Stadium vorsichtig, auch im Bewegungsbad. Stabilisierung. Auf muskuläre Dysbalancen achten. Rückenschule. Allerdings bisher kein sicherer Nachweis, ob KG den Krankheitsverlauf positiv beeinflusst.
-
•
Massage: Schmerzlinderung, wenn Akutphase abgeklungen. Klassische und Unterwasserdruckstrahlmassage möglich (20.6).
-
•
Lagerung in umgekehrter Stufenlagerung.
-
•
Elektrother.: Insbes. Interferenzstrom (20.5). Saugelektroden über Lumbal- und Gesäßregion bds. Stangerbad.
-
•
Weichteilinfiltration: Adjuvant an Stellen schmerzhafter Insertion von Bändern, Sehnen und Faszien an WS (z. B. Querfortsätze L4/5), Becken, Kreuzbein.
-
•
Paravertebrale Inj.: In die Umgebung des Foramen intervertebrale (Reischauer-Blockade).
-
•
In vielen Fällen ist begleitende psychosomatische Ther. unerlässlich (19.2).
Operative Therapie
Bandscheibenpat. nie zur OP überreden.
-
•
Offene und mikrochirurgische oder endoskopische gezielte Entfernung des Vorfalls, ggf. Diskotomie.
-
•
OP-Prinzip: Entfernung des verlagerten Bandscheibengewebes zur Entlastung der Nervenwurzel oder Dura.
-
•
Technik: Möglichst kleiner, aber sicherer Zugang, möglichst geringe Beeinträchtigung der Statik der WS durch Schonung der Facettengelenke.
-
•
Die mikroskopisch gestützte Nukleotomie gilt als Goldstandard. In den letzten Jahren haben sich endoskopische Verfahren etabliert, die kurzfristig bei geringerem Zugangstrauma zum Goldstandard vergleichbare Ergebnisse erzielen. Langzeitergebnisse stehen noch aus.
-
•
Minimalinvasive Verfahren mit ungezielter Entlastung des Bandscheibenraums (Chemonukleolyse, automatisierte perkutane Nukleotomie und Lasernukleotomie) haben sich in der Praxis nicht bewährt und sind weitgehend verlassen worden.
-
•
Bei länger als 6 Mon. bestehenden therapieresistenten Radikulopathien bei NPP wird alternativ die Ind. zur funktions- und stabilitätserhaltenden lumbalen Bandscheibenprothese zwischen L3 und S1 diskutiert. Mittel- und Langzeitergebnisse sind noch nicht ausreichend, um endgültig ihren Langzeiteffekt abzuschätzen.
Prognose, Ergebnisse
-
•
Kons. Ther. auch bei nachgewiesenem NPP erfolgreich.
-
•
Nachuntersuchungsergebnisse nach Bandscheiben-OP in der Literatur uneinheitlich: ca. 80 % gute und sehr gute Ergebnisse. Ergebnisse nach 1 und 2 J. regelmäßig besser, nach 5 J. fast identisch mit kons. Ther. Bessere postop. Ergebnisse bei jüngeren Pat., kurzer Anamnese und massivem Prolaps.
-
•
Restsymptome des Wurzelsy. (lang bestehende druckbedingte Leitungsstörung, Hypästhesie, Reflexabschwächung, motorische Schwächen) bilden sich meist erst – wenn überhaupt – nach Mon. zurück.
-
•
Segmentinstabilität kann nach Bandscheibenausräumung und/oder Facettenschädigung auftreten → deg. Spondylolisthesis.
10.4.11
Einengungen des Spinalkanals oder der Foramina intervertebralia
Enger zervikaler Spinalkanal
Definition
Klinik
-
•
Langsam zunehmende Beschwerden wie Gangunsicherheit, oft unerkannte neurogene Miktionsstörungen.
-
•
Radikuläre Armschmerzen.
-
•
Diffuse Schmerzen und Missempfindungen an Armen und Beinen.
-
•
Befunde: Symmetrisch oder einseitig betonte Paresen, gel. Tetra- oder TetraspastikSpastik:SpinalkanalstenoseParaspastikParaspastik mit ↑ MER; Sensibilitätsstörungen (nicht obligat): Radikulär, unterhalb eines Segments oder uncharakteristisch.
Diagnostik
-
•
Rö: HWS in 4 Eb. (a. p., seitl. und schräg) ergibt Anhaltspunkte über das Ausmaß deg. Veränderungen. Funktionsaufnahmen (4.1.2).
-
•
MRT, CT evtl. nach Myelografie: Beurteilung der Weite des Spinalkanals. Suche nach rel. Einengungen. Anhalt: Sagittaler Durchmesser normal > 13 mm.
-
•
CCT: Z. A. zerebraler Ursachen (Tumor) bei entsprechendem Verdacht.
-
•
EMG, NLG, evozierte Potenziale ergänzend zur DD.
Differenzialdiagnosen
Therapie
Prognose
Einengung Foramina intervertebralia zervikal
Definition
Klinik und Diagnostik
-
•
Am häufigsten akute Verschlimmerung eines chron. Schmerzsy. Mit sensiblen Ausfällen und diskreten motorischen Schwächen („Mir fällt alles aus der Hand“).
-
•
Weitgehend wie bei Spinalkanalstenose (oben). Aber Versuch, die Symptome einem Segment zuzuordnen. EMG und NLG sehr wichtig.
-
•
Ausschluss von Schäden der langen Bahnen (Spastik).
Therapie
Lumbale Spinalkanalstenose, Rezessusstenose
Definition
Ätiologie
Klinik
-
•
Vielfältig und abhängig von Lokalisation und Ausmaß der Veränderungen. Eindeutige segmentale Zuordnung meist nicht möglich.
-
•
Chron. Lumbalgie bzw. Lumboischialgie. Typisch: Beim Gehen heftige, tief lumbal gelegene, ins Gesäß und in die Beine Fahrradtestausstrahlende Schmerzen. Durch Vorbeugen (Fahrradtest, Kyphosierung), Hinsetzen oder Hinlegen Besserung der Schmerzen. Typische Symptome eines NPP fehlen. Gel. Klagen über Brennen und Schwächegefühl in den Beinen. Schmerzverstärkung durch Lordosierung. Fußpulse sind tastbar (DD Angiopathie).
-
•
Neurol. Ausfallerscheinung, z. B. pos. Lasègue, Reflexabschwächungen, motorische und sensible Ausfälle sprechen eher für eine gleichzeitige Wurzelkompression durch eingeengten Recessus lateralis und/oder begleitenden NPP. Da die Schwächen meist nur unter Belastung berichtet werden, sind neurol. Diagnosemaßnahmen meist frustran.
-
•
Im Gegensatz dazu bei Rezessusstenose: Monoradikuläre, meist einseitige Schmerzen, unter Belastung Zunahme. Parästhesien, seltener sensorische oder motorische radikuläre Ausfälle.
Diagnostik
Die Stenose kann an einer Stelle oder in mehreren Lokalisationen an der WS vorhanden sein. Der enge Recessus lateralis kann mit oder ohne Stenose des Spinalkanals vorkommen.
Differenzialdiagnosen
Therapie
Prognose
Degenerative segmentale Instabilität
Definition
Diagnostik und Differenzialdiagnosen
Häufig werden die Translation (Gleiten) von 2 Wirbeln in standardisierten Funktionsaufnahmen seitl. um mehr als 4mm und die Beschwerdebesserung nach Anwendung rumpffixierender Orthesen als Diagnosesicherung akzeptiert.
-
•
Rö: WS in 2 Eb. (4.1.3), ggf. Funktionsaufnahmen. Zeichen einer Instabilität (Chondrose, Gelenksubluxation, „Traction Spur“ = knöcherner Sporn an Ansatzstelle des Anulus fibrosus, deg. Spondylolisthesis)? Bei V. a. Lyse → Schrägaufnahmen der LWS, Funktionsaufnahmen. Evtl. dynamische Myelografie (Funktionsmyelografie).
-
•
Funktionsdiagn.: Anlage eines Rumpfgipses mit Einschluss eines Beins zur Ruhigstellung der unteren LWS. Facetteninfiltrationen. Evtl. probatorische perkutane transpedikuläre Fusion mit Fixateur externe.
-
•
DD: Zervikale Instabilitäten bei Os odontoideum, RA, Down-Syndrom und posttraumatische Instabilitäten.
Konservative Therapie
Operative Therapie
Prognose
10.4.12
Funktionelle Wirbelsäulenbeschwerden
Definition
Beispiel: Kokzygodynie
Ätiologie
Klinik, Diagnostik und Differenzialdiagnosen
-
•
Schmerzen beim Sitzen, bei Defäkation, Koitus.
-
•
Lokaler DS, rektaler Untersuchungsschmerz.
-
•
Rö: Steißbein in 2 Eb., BÜ.
-
•
Unbedingt sorgfältige DD: Tumor, Entzündung, Trauma, NPP, psychogene Ursache.
Therapie
10.5
Traumatologie der Wirbelsäule
10.5.1
Klassifikationen
Biomechanische Grundlagen – Dreisäulenprinzip der WS (Denis, McAfee, Louis)
-
•
Vordere Säule:Wirbelsäule:VerletzungenWirbelsäule:Traumatologie Wirbelsäule:DreisäulenprinzipSäulenmodell, WirbelsäuleDreisäulenprinzip (Wirbelsäule)Vorderes Längsband, vordere ⅔ des WK, Bandscheibe.
-
•
Mittlere Säule (für Stabilität am wichtigsten): Dorsales Wirbelsäule:StabilitätInstabilität:WirbelsäuleDrittel des WK, Bandscheibe, hinteres Längsband. Bei Verletzung Instabilität mit entsprechendem neurol. Risiko.
-
•
Hintere Säule: Wirbelbögen mit Fortsätzen, Gelenk, dorsaler Ligamentkomplex.
Stabile und instabile Verletzungen
Klassifikationen nach Region
-
•
Atlasfrakturen: Jefferson-Klassifikation (s. u.).
-
•
Densfrakturen: D'Alonzo-Klassifikation.
-
•
Mittlere und untere HWS: Keine einheitliche Klassifikation, gebräuchlich z. B. nach Aebi entsprechend dem Verletzungsmechanismus.
-
•
Rumpfwirbelsäule: Klassifikation nach Magerl, Aebi, Gertzbein, Harms und Nazarian (Abb. 10.8).
Einteilung von HWS-Verletzungen (nach Aebi)
Klassifikation nach Magerl, Aebi, Gertzbein, Harms und Nazarian
10.5.2
Allgemeine Diagnostik und Behandlung von Wirbelsäulenverletzungen
Jede Verletzung mit V.a. WS-Beteiligung gilt bis zum Beweis des Gegenteils als instabil → Immobilisation und Frakturlagerung!
10.5.3
Verletzungen der Halswirbelsäule
Allgemein
Klinik
Schmerz- und Beschwerdefreiheit schließen eine HWS-Verletzung nicht aus.
Vorgehen
-
•
Rö-HWS in 2 Eb., Dens-Zielaufnahme in 2 Eb.
-
•
CT oder MRT, evtl. vorsichtige passive Funktionsaufnahme (mit Arzt!) beim wachen (!) Pat. Ggf. Traktionsaufnahme oder Tomografie, besonders im kraniozervikalen Übergang.
-
!
Bei unklaren Frakturen des kraniozervikalen Übergangs immer nach atlantodentaler und atlanto-okzipitaler Instabilität oder Rotationsfehlstellung fahnden.
-
•
Ruhigstellung mit Philadelphia-Halskrawatte oder Halo-body-Jacket (23.2.4).
-
•
Analgesie, z. B. mit Tramadol 3 × 50 mg/d p. o. (z. B. Tramal®), ggf. Muskelrelaxanz. Cave: Durch Sedierung evtl. Verschleierung des neurol. Befunds!
-
•
Neurol. Kontrollen entsprechend der Schwere der Verletzung.
-
•
OP-Ind. unten.
Jefferson-Fraktur
Definition
Diagnostik
Therapie
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•
Bei Rotationsfehlstellung oder Instabilität sollte eine transorale oder dorsale winkelstabile interfragmentäre Osteosynthese durch die Massae laterales von HWK1 erwogen werden, die in den ersten Wo. auch noch eine komplette Reposition erzielen kann. In einigen Fällen, auch älteren Frakturen, ist die transartikuläre, dorsale Verschraubung HWK1/2 nach Magerl indiziert.
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•
Bei nichtdislozierter Fraktur auch Halo-Body-Jacket (23.2.4) für ca. 12 Wo. Bei dem Verfahren besteht eine höhere Komplikationsquote durch Pin-Lockerungen und Infekte, v. a. beim älteren Patienten.
Hangman's Fraktur
Definition
Diagnostik
-
•
Verdächtig HWS:Hangman's Frakturauf diese Verletzung ist eine Dorsalverlagerung des Wirbelbogens aus der Spinolaminarlinie um > 2 mm.
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•
Klassifikation:Hangman's FrakturEinteilung nach Effendi-EinteilungEffendi in:
–
Typ I: Unverschoben.
–
Typ II: Disloziert.
–
Typ III: Disloziert und Facettengelenke verhakt.
–
Typ IV: Luxation des gesamten HWK2 über HWK3.
Therapie
Densfraktur
Einteilung
•
Typ I: Oft schräg verlaufende Densspitzenfraktur, wahrscheinlich Abrissfraktur durch die Ligg. alaria.
•
Typ II (häufigste Verletzung): Frakturlinie im Übergangsbereich von Dens zum Korpus des HWK2; hohe (bis 64 %) Pseudoarthroserate nach kons. Ther.
•
Typ III: Frakturlinie zieht in den Corpus axis.
Therapie
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•
Typ I: Kons., Philadelphia-Halskrawatte.
-
•
Typ II: Ventrale Verschraubung, also direkte interfragmentäre Kompressionsschraubenosteosynthese mit zwei 3,5-mm-Kortikalisschrauben oder kanülierten „Dens“-Schrauben unter BV-Kontrolle in 2 Eb. Heilungsrate > 93 % bei jüngeren Patienten. Probleme ergeben sich in erster Linie bei älteren Pat. mit osteoporotischem Knochen. Neuere Verfahren, welche die Schrauben mit PMMA-Zement augmentieren, sind in ihrer Wertigkeit noch nicht beurteilbar. Alternative OP: Dorsale Fusion HWK1/2, höhere Heilungsrate, aber verbleibende Funktionseinschränkung, v. a. bei der transartikulären Verschraubung nach Magerl. Die dorsale Verschraubung mit Schrauben in C1 (Massa lateralis) und C2 (transpedikulär) nach Harms ermöglicht durch die Erhaltung der Intervertebralgelenke bei der ME eine gewisse Verbesserung der Drehfähigkeit der HWS. Die dorsalen Verfahren sind infolge der höheren Stabilität bei Incompliance oder älteren Pat. zu bevorzugen.
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•
Typ III: Typische Ind. zur Ruhigstellung im Halo-Body-Jacket mit sehr guter Ausheilungstendenz; in manchen Fällen instabil bzw. disloziert → Vorgehen wie bei Typ II.
Diskoligamentäre Verletzungen
Definition
Therapie
Distorsionen der HWS
Definition
Ätiologie
Einteilung
Klinik
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•
Schmerzhafte Bewegungseinschränkung der HWS, gel. mit ein- oder doppelseitiger Ausstrahlung der Schmerzen in Schulter(n) und Arm(e). Bei leichteren Traumen treten diese Beschwerden meist erst 1–3 d nach dem Unfall auf.
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•
Oft auch meist einseitig auftretende subokzipitale Schmerzen mit Ausstrahlung in die Stirn; bei der Beschreibung dieser Schmerzen machen die Pat. typischerweise die „Bewegung des Helmabstreifens“.
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•
Gel. auch Kribbelparästhesien in Armen und Händen oder sogar motorische Schwächen.
Diagnostik
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•
Immer Rö-HWS in 2 Eb.: Knöcherne Verletzungen, Steilstellung der HWS?
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•
Bei retrograder Amnesie, Erbrechen, Schwindel, Seh- oder Hörstörungen: CT (evtl. MRT), neurol., angiologische oder HNO-ärztliche Untersuchungen z. A. schwerwiegender Verletzungen.
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•
Schwere der Verletzung nicht zuletzt aus versicherungsrechtlichen Gründen wichtig (Tab. 10.5).
Therapie
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•
Bei Distorsion der HWS (Grad I und II) Ruhigstellung mit Halskrawatte (evtl. in leichter Flexionsstellung der HWS) für die Dauer der Beschwerden.
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•
Ergänzend Muskelrelaxanzien und NSAR (16.5.1).
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•
Nach Abklingen der Akutphase frühzeitige Mobilisation und stabilisierende KG.
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•
Schweregrad III HWS-Frakturen.
-
•
Arbeitsunfähigkeit Tab. 10.6.
10.5.4
BWS- und LWS-Frakturen
Therapie
Konservative Therapie
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•
Stabile Wirbelbrüche bis Knickbildung von ca. 15°.
–
Bettruhe 2–5 d auf flacher, harter Matratze, ggf. lordosierende Lagerung. KG mit statischem Rumpfmuskeltraining, Atemgymnastik.
–
Analgetika (24.1), Thromboseprophylaxe (24.3.2).
–
Bei Darmhypotonie feucht-warme Wickel oder Gabe von Prostigmin® und Dexpanthenol (z. B. Bepanthen®) alle 4 h i. m.
–
Aufrichtungsphase nach ca. 1 Wo. ohne Rumpfgips, dann Mobilisationsphase. Arbeitsfähigkeit nach ca. 3 Mon. 3-Punkte-Korsett nach Vogt-Bähler bei muskelschwachen Pat. und persistierenden Schmerzen und bei Keilwirbelbildung von 10–15° (23.5.3).
–
Langfristig Rückenschule, Rückendisziplin.
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•
Instabile Frakturen: Nur noch selten indiziert, Gipskorsett.
Operative Therapie
Komplikationen
10.6
Malformationen und idiopathische Deformitäten
10.6.1
Definition
10.6.2
Atlantodentale oder atlantookzipitale Instabilität
Ätiologie
Klinik und Diagnostik
-
•
Meist Zufallsbefund, gel. chron. belastungsabhängige Zervikozephalgien, schmerzhaft eingeschränkte HWS-Beweglichkeit.
-
•
Rö: Dens-Ziel- und Funktionsaufnahmen, ggf. HWS-Schichten, seitl. Mittelschichttomografie in Funktion, ggf. MRT mit Funktion.
Therapie
10.6.3
Haltungsschwäche und -fehler
Definition
Haltung eher unter funktionellen als statischen Gesichtspunkten betrachten: Fähigkeit zum Haltungswechsel bei freier Beweglichkeit aller WS-Segmente.
Ätiologie
Klinik, Diagnostik und Differenzialdiagnosen
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•
Abflachungen oder Verstärkungen der physiol. WS-Krümmungen (HWS-Lordose, BWS-Kyphose, LWS-Lordose) in der Sagittalebene; hierbei ist der Rundrücken Rundrückenam häufigsten.
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•
Pat. oft noch im Kindes- oder Adoleszentenalter, Vorstellung durch besorgte Eltern. Klin. Probleme sind die Ausnahme.
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•
Befunde: BWS-Kyphose ↑, hängende, nach ventral verlagerte Schultern, abstehende Schulterblätter, verstärkte Beckenkippung nach ventral (Hyperlordose der LWS), Vorwölbung des Abdomens.
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•
Wichtigste Frage bei der Untersuchung: Echte WS-Deformität bzw. -Erkr. oder Haltungsschwäche?
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•
Flexibilitätsprüfung der WS („KatzenbuckelKatzenbuckel“ und „RutschhalteRutschhalte“; Abb. 10.9): Deckt fixierte WS-Abschnitte auf; wenn auffällig → Rö der WS in 2 Eb. (Ausschluss z. B. M. Scheuermann, Skoliose, M. Bechterew).
-
•
DD: Unbedingt Ausschluss myogener und neuromuskulärer Erkr. (18.8, 18.10).
Therapie
10.6.4
Muskulärer Schiefhals (Tortikollis)
Definition
Ätiologie
Klinik und Diagnostik
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•
Typische Kopfstellung (s. o.) mit eingeschränkter Beweglichkeit der HWS.
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•
In ca. 15 % Schwellung im dist. M. Musculus:sternocleidomastoideussternocleidomastoideus (ab ca. 2. Lebenswoche).
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•
Messbare Verkürzung des verhärteten M. sternocleidomastoideus.
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•
Rö: Ausschluss anderer Ursachen (z. B. Klippel-Feil-Sy., basiläre Impression).
Differenzialdiagnosen
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•
Akuter Schiefhals: Schiefhals:akuterBlockierung? → manuelle Diagn., Rö-HWS. Ther.: Manuell (Traktion, Manipulation), ggf. Antiphlogistika, Wärme, Halskrawatte (10.6.4).
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•
Torticollis spasmodicus: Torticollis:spasmodicusHyperkinetische Bewegungsstörung mit sekundärer Hypertrophie des M. sternocleidomastoideus (19.3.6).
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•
Knöcherne Fehlbildungen: Klippel-Feil-Sy. (10.6.5), Sprengel-Deformität (9.1.13), Atlasassimilation, basiläre Impression, einseitige Halsrippe u. a.
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•
Okuläre Ursachen (Torticollis:oculariseinseitige Parese des M. obliquus superior).
-
•
Otogene Ursachen.
-
•
Entzündliche oder tumoröse Prozesse. Infekt des Nasen-Rachen-Raums (Torticollis:nasopharyngealisTorticollis Grisel-Syndromnasopharyngealis = Grisel-Sy.).
-
•
Psychische Einflussfaktoren bei Erw. wesentlich (19.3.6).
Therapie
Konservative Therapie
Operative Therapie
Prognose
10.6.5
Klippel-Feil-Syndrom
Definition
Klinik
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•
Kurzer Hals, Pterygium collitiefer Haaransatz im Nacken, Bewegungsumfang der HWS ↓, gel. „Flügelfell“ (Pterygium colli).
-
•
Oft weitere Fehlbildungen: Skoliose (ca. 60 %), Sprengel-Deformität (ca. 35 %) u. a. knöcherne Fehlbildungen (Syndaktylie, Hypoplasie der oberen Extremität, basiläre Impression).
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•
Gel. neurol. Ausfälle (lat. Rektuslähmung, Fazialisparese, Taubheit), innersekretorische Störungen (Hypogonadismus) oder Fehlbildungen innerer Organe (Niere bis 35 %, Herz bis 14 %).
Diagnostik und Differenzialdiagnosen
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•
Rö: HWS in 2 Eb., Dens-Zielaufnahmen in 2 Eb. und Funktionsaufnahmen. Exaktes Rö schwierig → evtl. CT oder MRT.
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•
Internistisches Konsil: Ausschluss innerer Fehlbildungen.
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•
Neurol. Konsil: Verlaufskontrollen, EMG, NLG.
-
•
DD: Schiefhals, WK-Synostosen bei juveniler RA, Morbus Bechterew, Spondylitis.
Therapie
Prognose
10.6.6
Kyphosen
Definition
Ätiologie
•
Posturale Kyphose („Haltungsschwäche“).
•
Morbus Scheuermann: Morbus:ScheuermannHäufigste Ursache einer langbogigen (= arkuären) Kyphose im Jugendalter (10.6.5). Neurol. Ausfälle bei starken Kyphosen möglich.
•
Kongenitale Ursachen (Kyphose:kongenitaleWirbelbildungs- und Segmentationsstörungen) → OP-Ind.
•
MMC: Meist starke Progredienz. OP-Ind. u. a. bei Verlust der Sitzfähigkeit. Resektion der Kyphose 17.5.2.
•
Neurofibromatose: Skoliosen Neurofibromatoseund Skoliokyphosen; oft sehr schwere Deformität.
•
AlterskyphoseAlterskyphosen: Meist > 60 J., F bevorzugt (Osteoporose).
•
Morbus Bechterew 16.8.4.
•
Entzündliche Erkr.: Eher scharfe Knickbildung (anguläre Kyphose = Gibbus) durch Gibbuskeilförmigen WK-Zusammenbruch (Tbc, 8.4.5).
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Posttraumatisch: Kyphose:posttraumatischeDefektbildung der vorderen Säule.
•
Tumor: Meist anguläre Kyphose, fast immer durch Metastasen verursacht.
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Metabolische Störungen, Systemerkr.: Osteoporose (15.1.1), Osteogenesis imperfecta (17.3.2).
•
Nach Laminektomie oder Wirbelentfernung im Wachstumsalter wegen Tumor.
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Nach Radiatio im Kindesalter bei Malignomen.
Selbst nach evtl. Ausheilung der Primärerkr. funktionelle und strukturelle Progression der Kyphose möglich: Dies hat biomechanische Gründe (Hebelarm), ist aber auch durch Überbelastung der Wachstumszonen im ventralen WK-Bereich möglich.
Diagnostik
Therapie
Grundsatz
Konservative Therapie
Operative Therapie
10.6.7
Morbus Scheuermann (Adoleszentenkyphose)
Definition
Pathogenese
Klinik
-
•
Lokalisation:
–
Thorakal: HohlrundrückenHohlrundrücken. Rundrücken
–
Thorakolumbal: Totaler Rundrücken.
–
Lumbal: Flachrücken (Flachrückenseltener, schlechtere Prognose).
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•
Grund für die Erstvorstellung beim Orthopäden ist meist eine Kyphose. Nach einer segmentalen Fixation bei den oft muskelschwachen Jugendlichen ist zu fahnden (Rutschhalte; Abb. 10.9).
-
•
Nur ca. ⅓ der Erkrankten im Wachstumsalter haben Beschwerden. Die Lumbalform ist schmerzanfälliger.
Diagnostik und Differenzialdiagnosen
-
•
Rö (Abb. 10.9): Erst dadurch Diagnosesicherung. Keine Überbewertung des Rö-Bilds allein! Kriterien: Kyphose; Grund- und Deckplatten unregelmäßig begrenzt; verschmälerte Bandscheiben; mindestens 3 Keilwirbel; Schmorl-Knötchen (Ch. G. Schmorl, 1861–1932, Pathologe, Dresden).
-
•
DD: Bei monosegmentalen Veränderungen v. a. entzündliche Erkr. und traumatische Schäden. Chordarückbildungsstörungen.
Konservative Therapie
Operative Therapie (selten indiziert)
Prognose
10.6.8
Osteoporotischer Rundrücken
Definition
Diagnostik
Therapie
10.6.9
Skoliosen
Definition
Ätiologie, Einteilung und Biomechanik
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•
Skoliose:strukturelleSkoliose:funktionelleBeckenschiefstand:Skoliose funktionelleUrsachen (Tab. 10.7):
–
Anlagebedingte (z. B. MMC) oder erworbene (z. B. Trauma, Entzündung) Wirbeldeformitäten.
–
Pathologische asymmetrische Krafteinwirkung (z. B. neurogene Skoliose).
–
Wahrscheinlich genetisch bedingt (idopathische Skoliose).
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•
Seitausbiegung → Rotationsfehlstellung der Wirbel in der Frontalebene: Hintere Elemente drehen sich zur Konkavität, WK-Vorderseiten zur Konvexität der Krümmung.
-
•
Außerdem pathol. Aufrichtung der BWS und Vermehrung der LWS-Lordose.
-
•
Progression: Beim Auftreten im Wachstumsalter immer wahrscheinlich bis zur Skelettreife, weitere Progression hängt vom Status bei Wachstumsende ab.
-
!
Die Beurteilung der potenziellen Progression einer WS-Deformität ist Grundlage der adäquaten Ther. Erste genetische Tests sind entwickelt und für begrenzte Populationen validiert. Hier bleibt die Entwicklung abzuwarten.
Idiopathische Skoliose
Einteilung, Klassifikation
Klinik
Diagnostik
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Schulterstand, TaillendreieckTaillendreiecke, Beckenstand. Beim Vorbeugen Vorbeugetestevtl. Rippenbuckel und RippenbuckelLendenwulst.
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•
LendenwulstHautveränderungen (Neurofibromatose?).
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•
WS im Lot (Lot fällen vom Dornfortsatz des 7. HWK)?
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•
Körperlänge, Sitzhöhe, Armspannweite und Gewicht dokumentieren.
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•
Seitneigung der WS: Wie weit lässt sich die Fixation ausgleichen?
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•
Bestimmung der Reifeentwicklung: Genitalentwicklung (Tanner-Stadien).
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Seite: Rechts-konvex, links-konvex.
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Höhe Scheitelwirbel: Thorakal, thorakolumbal, lumbal, thorakal und lumbal (Abb. 10.11).
•
Krümmungsform: C-förmig, S-förmig, doppelkurvig.
•
Sagittales Profil: Lordose, Kyphose.
•
Klassifikation: Nach Lenke (Abb. 10.10).
Therapie
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Keine Einschränkung im Sport, eher fördern, keine Stigmatisierung.
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•
KG: Anleitung zu Eigenübungen (Rekyphosierung der BWS nach BWS:RekyphosierungOciepka), aber es gibt keinen Wirksamkeitsnachweis der gebräuchlichen Methoden (z. B. Vojta, Klapp, Schroth). Zunehmend wird deshalb ganz auf die Verordnung von KG verzichtet und allgemeine sportliche Aktivität gefördert.
Operationsverfahren
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Hoher Blutverlust möglich → blutsparende Maßnahmen und Techniken des Blutersatzes, exakte Blutstillung, kontrollierte Hypotension, Eigenbluttransfusion, Cellsaver.
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Kardiopulmonale KO: z. B. Hämatothorax, Atelektasen, Pneumonie, Pneumothorax.
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•
Neurol. KO: Kompletter bzw. inkompletter Querschnitt, Läsion von Hirn- und peripheren Nerven. Neurol. Risiko bei Standard-Harrington-OP bei 0,1 %.
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•
KO der Instrumentation: Hakenausriss, Stabbruch, Pseudarthrose.
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•
Verlust des sagittalen Profils (Erstellung einer thorakalen Lordose oder lumbalen Kyphose), es kann keine segmentale Derotation erreicht werden.
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•
Gips-, Korsett-KO: Cast-Sy.: Abdominaler Druck durch Cast-SyndromRumpfgips oder Korsett. Klin. Inappetenz und Erbrechen, ileusartiges Bild, Darmgeräusche aber vorhanden. Ther.: Gips entfernen; neuer Gips.
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•
Postop.: Stressulkus, Wundinf.
Prognose der idiopathischen Skoliose
•
Je jünger das Kind ist (z. B. infantile Skoliose).
•
Je höher die Krümmung liegt.
•
Je stärker die Krümmung ist (z. B. > 40–50°): Progredienzwahrscheinlichkeit ca. 33 % bei < 30°, bei > 60° im Knochenalter 10–12 J. jedoch 100 % (Mädchen, Thorakalskoliosen).
Kongenitale Skoliose (Fehlbildungsskoliose)
Diagnostik
Therapie
Prognose
Säuglingsskoliose
Definition
Ätiologie
Klinik
Therapie
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•
Bauchlagerung (auch als Prophylaxe) und KG (z. B. Vojta) unterstützen Spontanrückbildung.
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Lagerung: Säugling muss bei Zuwendung den Rumpf zur konvexen Seite aktiv korrigieren.
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•
Passive Umkrümmung in Liegeschalen oder mit Bandagen nur in ausgeprägten Fällen.
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•
Regelmäßige Verlaufskontrollen, um keine infantile progrediente Skoliose zu übersehen.
10.6.10
Spondylolyse, Spondylolisthesis
Definition
Klinik
-
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ca. 50 % der Spondylolysen und Olisthesen sind asymptomatisch (oft Rö-Zufallsbefund). Verdächtig sind belastungsabhängige, eher pseudoradikuläre, selten radikuläre Kreuzschmerzen (Nervenwurzelkompression).
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•
Bei stärkerem Gleiten ist eine Stufenbildung zwischen den Dornfortsätzen zu tasten, evtl. Hohlkreuz.
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•
Bei Kindern z. T. Hüftlendenstrecksteife (Hüftlendenstrecksteifebeim Anheben der Beine wird schmerzreflektorisch gesamter Rumpf angehoben).
Diagnostik
Konservative Therapie
Operative Therapie
Indikationen
Methoden
Komplikationen
Ergebnisse
Prognose
10.7
Failed-Back-Surgery-Syndrom (FBSS), Postnukleotomiesyndrom
Definition
Ätiologie
•
Schlechte/falsche OP-Ind., OP am falschen Ort, übersehene Rezessusstenose, ungenügende Dekompression. Spondylodiszitis, Hämatom, Liquorfistel, übersehenes Bandscheibengewebe im Spinalkanal, fehlerhafte Osteosynthese, inadäquate Instrumentation.
•
Spät-KO: Instabilität, adhäsive Arachnoiditis oder Komb. Rezidiv-Diskushernie. Nachbehandlungsfehler.
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Epidurale Fibrose: Oft beobachtet – ob sie tatsächlich für klin. Symptome ursächlich ist, ist nicht bewiesen.
•
Speziell nach lumbalen Spondylodesen: Pseudarthrosen, Infekt, Spanresorption, Spinalkanalstenose. Falsche, zu viele oder zu wenige Segmente gewählt, fehlende, ventrale Abstützung. Fehlende Lordosierung der therapierten Segmente. Überlastung oder Instabilität benachbarter Segmente, Spondylolyse.
•
Häufigste Diagnosen, bei denen ein FBSS auftreten kann: NPP, Bandscheibendeg. (Instabilität), Spondylolisthesis, Lumbalstenose.
Bevor bei diesen Pat. eine überwiegend psychosomatische Leidenskomponente diagnostiziert wird, ist immer zu prüfen, ob die ursprünglich angenommene Erkr. auch tatsächlich suffizient behandelt ist (z.B. sichere knöcherne Durchbauung der ursprünglich geplanten Spondylodese oder Pseudarthrose). Andererseits: Nicht in operativen Aktionismus verfallen. „Every surgery of the spine is necessary – except for the first one.“
Klinik
Diagnostik
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Ziel: Klärung von Schmerzursache und Schmerzort.
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Anamnese wesentlich: Zeit lassen. Lokalisation und Ausstrahlungen der Schmerzen (genau zeigen lassen). Fragen nach Abhängigkeit von Tageszeit und Körperhaltung, Zeitpunkt des erstmaligen Schmerzauftretens. Auf evtl. freies Intervall nach Erst-OP achten. Instabilitätszeichen? Verlauf und bisherige Ther.
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Rö: LWS a. p. und seitl., Funktionsaufnahmen in max. Inklination und Reklination (4.1.4): Achten auf Ausmaß evtl. entfernter Strukturen (Laminektomie, Facettektomie), Retrolisthesis, Vakuumphänomen im Diskus, Spondylose in Nachbarsegmenten.
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MRT: Evtl. mit Kontrastmittel, z. B. Gd-DTPA. Als Zusatzuntersuchung bei noch bestehender Unklarheit. Zur DD epidurale Narbenbildung, Rezidivprolaps.
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CT bzw. Myelo-CT: Spinalkanal-, Rezessusstenose, Instabilität, Diskusprolaps oder -rezidiv? Funktionsmyelogramm?
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•
Szinti: Bei Hinweis auf Spondylodiszitis (BSG, CRP ↑?).
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•
EMG: Objektivierung von Nervenläsionen (forensisch wichtig – hat jedoch kaum Auswirkung auf Therapieentscheid).
Therapie
Konservative Therapie
Operative Therapie bei Re-Intervention
•
Rezidivhernie: Nukleotomie.
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Enger Spinalkanal/Rezessus bzw. unvollständige Dekompression: Dekompression und Stabilisierung.
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Instabilität: Spondylodese:PostnukleotomiesyndromSpondylodese. Methode: Dorsoventrale Spondylodese oder dorsale, lumbale, interkorporelle Fusion (PLIF), in einigen Fällen ist die dorsolaterale Fusion mit guter Instrumentation ausreichend.
Adhäsiolyse
Erfolgsaussichten einer reinen AdhäsiolyseAdhäsiolyse bei Narbenbildung < 50 %.