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Mehr InformationenB978-3-437-45165-2.00009-0
10.1016/B978-3-437-45165-2.00009-0
978-3-437-45165-2
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Abb. 9.1a

[L157]
Hirnwindungen und -furchen: Ansicht von lateral
Abb. 9.1b

[L157]
Hirnwindungen und -furchen: Ansicht von medial
Abb. 9.2

[L190]
Somatotopische Gliederung einzelner Rückenmarksbahnen im Querschnitt
Abb. 9.3

[L190]
Plexus brachialis und lumbosacralis
Abb. 9.4

[L190]
Dermatome
Abb. 9.5

[L190]
Topografie der Hirnhäute
Abb. 9.6

[L190]
Fazialisparese: Auf der gelähmten linken Seite a) Stirnrunzeln unmöglich, Augenbraue nicht anhebbar; b) unvollständiger Lidschluss, sichtbares Wandern des Augapfels nach oben, hängender Mundwinkel
Abb. 9.7

[L157]
Schwurhand bei Medianusparese (mit sensiblem Ausfallsgebiet)
Abb. 9.8

[A300]
Positives Flaschenzeichen bei Medianusparese rechts: Durch die fehlende palmare Abduktion des Daumens kann ein runder Gegenstand nicht ganz umschlossen werden.
Abb. 9.9

[L157]
Fallhand bei Radialisparese (mit sensiblem Ausfallgebiet)
Abb. 9.10

[L157]
Krallenhand bei Ulnarisparese (mit sensiblem Ausfallsgebiet und Atrophie der Mm. interossei)
Abb. 9.11

[A300]
Positives Froment-Zeichen re. bei Ulnarisparese. Die fehlende Daumenadduktion wird durch Flexion des Daumenendglieds kompensiert.
Stadien der zerebralen Durchblutungsstörung nach Transitorische ischämische AttackeTIAPRINDHennerici
Stadium | Klinische Symptomatik |
I | Symptomlose Stenose der hirnversorgenden Arterien |
II |
|
III | Frischer Schlaganfall: Hirnsubstanzschädigung (Hirninfarkt) mit neurologischen Ausfällen (teilweise reversibel) |
IV | Endstadium eines abgelaufenen Schlaganfalls mit chronisch neurologischem Defizit |
Formen der Kopfverletzungen
Kopfverletzung | Manifestation |
Schädelprellung | Kopfverletzung ohne Bewusstseinsstörung oder -verlust |
Schädel-Hirn-Trauma (SHT) | Kopfverletzung mit Bewusstseinsstörung oder -verlust:
|
Häufig betroffene Nervenwurzeln
Segment | Betroffene Muskeln | Reflexe | Dermatome |
C6 | M. biceps brachii | BSR | Radialseite des OA und UA bis Daumen |
C7 | M. triceps brachii und Fingerbeuger | TSR | 2.–4. Finger |
C8 | Kleine Handmuskeln | TSR | Ulnarer UA und ulnare Hand |
L4 | M. tibialis anterior | PSR | Schmales Band von der OS-Außenseite über Patella und Tibia zum med. Fußrand |
L5 | Fuß- und Zehenheber, besonders M. extensor hallucis longus | Tibialis-posterior-Reflex | Knieaußenseite über lat. Vorderseite des US bis Fußrücken und Großzehe |
S1 | Plantarflektoren des Fußes und Zehenbeuger | ASR | Von der OS-Rückseite über den lat. Gastroknemiuskopf zum lat. Fußrand |
Neurologie
-
9.1
Anatomische Übersicht697
-
9.2
Befunderhebung in der Neurologie700
-
9.3
Syndrome bei Schädigung des ZNS704
-
9.4
Hypokinetisch-rigide Syndrome714
-
9.5
Hyperkinetisch-hypotone Syndrome717
-
9.6
Zerebrale Durchblutungsstörungen720
9.6.1
Hirninfarkt721
-
9.7
ZNS-Blutungen723
-
9.8
Kleinhirnsyndrome724
-
9.9
Dezerebrationssyndrome725
9.9.1
Apallisches Syndrom725
-
9.10
Rückenmarksyndrome726
-
9.11
Degenerative Systemerkrankungen des ZNS730
-
9.12
Entzündliche Erkrankungen des ZNS734
-
9.13
Entwicklungsstörungen des ZNS737
9.13.1
Syringomyelie737
-
9.14
Schädel-Hirn-Trauma (SHT)738
-
9.15
Schädigung des peripheren Nervensystems740
-
9.16
Plexusschädigungen742
-
9.17
Radikuläre Reiz- und Ausfallerscheinungen744
-
9.18
Läsionen einzelner peripherer Nerven746
9.18.1
Axillarisparese (N. axillaris)746
9.18.2
Fazialisparese (N. facialis)746
9.18.3
Femoralisparese (N. femoralis)747
9.18.4
Medianusparese (N. medianus)748
9.18.5
Peronaeusparese (N. peronaeus)748
9.18.6
Radialisparese (N. radialis)749
9.18.7
Serratuslähmung (N. thoracicus longus)750
9.18.8
Tibialisparese (N. tibialis)750
9.18.9
Ulnarisparese (N. ulnaris)750
9.18.10
Kausalgien751
9.18.11
Neuralgien752
-
9.19
Läsionen mehrerer peripherer Nerven752
-
9.20
Muskelerkrankungen (Myopathien)755
-
9.21
Kopfschmerzsyndrome760
-
9.22
Schwindel (Vertigo)762
-
9.23
Neurogene Blasenfunktionsstörungen764
9.1
Anatomische Übersicht
9.2
Befunderhebung in der Neurologie
Assessments
Patientenorientierte Untersuchung in der Neurologie
Informationen aus der Patientenakte
-
•
Barthel Index (BI): Erfasst wird die Selbstständigkeit des Pat. hinsichtlich der ADL Mobilität, Körperpflege und Selbstversorgung mittels Beobachtung. 10 Items werden mit Punkten bewertet, ob der Pat. die jeweilige Tätigkeit allein, mit Hilfe oder gar nicht durchführen kann. Reicht die Beobachtung nicht aus, werden Pat. und/oder Angehörige befragt.
-
•
Functional Independence Measure (FIM): Im Vergleich zum Barthel-Index wird hier neben Selbstversorgung, Kontinenz, Transfers, Lokomotion und Kommunikation auch die soziale Kognition gemessen. Die verschiedenen Tätigkeiten werden mit einer speziellen Skala von 1 bis 7 bewertet.
-
•
Short Form 36 Health Survey Questionnaire (SF 36): Fragebogen mit 36 Items, um die Selbsteinschätzung von psychischen, körperlichen und sozialen Aspekten der Lebensqualität zu erfassen (subjektive Gesundheit).
Tipps & Fallen
Da bei neurologischen Pat. z. T. auch kognitive Fähigkeiten betroffen sind und neuropsychologische Beeinträchtigungen hinzukommen, kann die Kommunikation erschwert sein. Um alle Defizite des Pat. in die Behandlungsplanung einbeziehen zu können, ist der Austausch mit anderen Disziplinen hier essenziell.
Anamnese
-
•
Ggf. auch Befragung der Angehörigen und Pflegekräfte, wenn der Pat. nicht in der Lage ist, sich differenziert zu äußern (z. B. bei Aphasie, Bewusstseinsstörungen), oder eine veränderte Eigenwahrnehmung aufweist.
-
•
Sammeln eines ersten Eindrucks, z. B. über Bewusstseinszustand und Orientierung, räumliche Wahrnehmung, erste Bewegungsbeobachtung (Auffälligkeiten, ggf. Kompensationen).
Struktur/Funktion
Sicht- und Tastbefund
-
•
Haut und Bindegewebe: Farbe, Trophik, Elastizität (Turgor), Narben, Bindegewebszonen
-
•
Vegetatives Nervensystem: z. B. vermehrtes Schwitzen, Talgproduktion, Cutis marmorata
-
•
Palpation der nervenumgebenen Strukturen auf Gewebemobilität
Funktionelle Befunderhebung
-
•
NeurologieBefunderhebungOberflächensensibilität: Berührung und Schmerzempfinden (möglichst alle Dermatome prüfen, v. a. an den Extremitäten, Abb. 9.4), Temperaturempfinden, Vibrationsempfinden, Zwei-Punkte-Diskrimination (Unterscheidung zweier Reizpunkte auf der Haut), Spitz/Stumpf
-
•
Tiefensensibilität: Lagesinn, Kraftsinn, Bewegungssinn
-
•
Schmerzempfinden: Anästhesien, Hypästhesien, Hyperästhesien?
-
•
Beurteilung des Muskeltonus: (Modifizierte Ashworth-Skala, 9.3.2) Widerstand beim passiven Durchbewegen? Ggf. Zahnradphänomen? Ggf. Taschenmesserphänomen?
-
•
Beurteilung der willkürlichen Muskelaktivierung: Bewegungen zunächst aktiv ausführen lassen, dann gegen Widerstand testen
-
•
Wenn Tonusverhältnisse es zulassen: Prüfung der Muskelkraft (Muskelfunktionsprüfung)
-
•
Inspektion: Atrophien?
-
•
Jendrassik-Handgriff (Jendrassik-HandgriffFingerhakeln mit sich selbst) für die untere Extremität
-
•
Aufeinanderbeißen der Zähne für die obere Extremität
-
!
Ein Reflex gilt nur dann als fehlend, wenn die Bahnung erfolglos war.
-
•
Funktionsstörungen der Pyramidenbahnen führen zur Steigerung, periphere Nervenschädigungen zur Abschwächung der Eigenreflexe.ReflexsteigerungReflexabschwächung
-
•
Patellarklonus: zur Auslösung Patella Patellarklonusruckartig nach distal schieben
-
•
Fußklonus: Fußklonuszur Auslösung Fuß ruckartig dorsalflektieren
-
!
Ein Ausfall kann Frühzeichen einer Encephalitis disseminata sein.
-
•
Babinski-Reflex: Babinski-ReflexBestreichen des Fußsohlenaußenrands von der Ferse in Richtung Zehen mit einem Holzstab. „Babinski-Reflex positiv“ = tonische Dorsalextension der großen Zehe, meist mit Abspreizung und Plantarflexion der Zehen II–V.
-
•
Gordon-Reflex: Gordon-ReflexKneten der Wadenmuskulatur; Reaktion wie bei positivem Babinski-Reflex
-
•
Oppenheim-Reflex: Oppenheim-Reflexkräftiges Streichen entlang der Tibiakante von proximal nach distal; Reaktion wie bei positivem Babinski-Reflex
-
!
Der Babinski-Reflex gilt nur dann als negativ, wenn er auch über die alternativen Methoden nicht auslösbar ist.
-
•
Finger-Nase-Versuch (FNV): Finger-Nase-VersuchDer Pat. führt bei geschlossenen Augen den ausgestreckten Zeigefinger in bogenförmiger Bewegung an die Nasenspitze.
-
•
Finger-Finger-Versuch (FFV): Finger-Finger-VersuchDer Pat. versucht, bei geschlossenen Augen und mit gestreckten Armen die Zeigefingerspitzen beider Hände zusammenzuführen.
-
•
Knie-Hacke-Versuch (KHV): Knie-Hacken-VersuchDer Pat. soll das gestreckte Bein in RL anheben, die Ferse auf das Knie des ausgestreckten anderen Beins legen und zügig am Schienbein nach unten gleiten lassen (verlängerter KHV).
-
•
Prüfung der Diadochokinese: Diadochokinesegegensätzliche Bewegungen schnell alternierend ausführen, z. B. mit beiden Händen „Glühbirne einschrauben“, „Klavierspielen“.
-
•
Barany-Zeigeversuch: Barany-ZeigeversuchDer Pat. zielt erst mit offenen, dann mit geschlossenen Augen mit dem Zeigefinger des gestreckten Arms den Zeigefinger des Untersuchenden an.
-
•
Rebound-Phänomen: Rebound-PhänomenDer Untersuchende drückt den vorgehaltenen Arm gegen den Widerstand des Pat. nach unten und lässt plötzlich los.
Aktivität/Partizipation
-
•
Berg Balance Scale (BBS): Getestet wird mit 14 Aufgaben das Gleichgewichtsvermögen und damit zusammenhängend die Mobilität und mögliche Sturzgefährdung. Bewertet wird die Qualität der Ausführung mit 0–4 Punkten (1.1.7).
-
•
Timed-Up-And-Go (TUG)Timed-Up-And-Go (TUG): Der Pat. sitzt in einem Stuhl mit Arm- und Rückenlehnen. Gemessen wird die Zeit, die er benötigt um aufzustehen, bis zu einer 3 Meter entfernten Markierung zu laufen, dort zu wenden, zum Stuhl zurückzulaufen und sich wieder zu setzen. Die getestete Person verwendet dabei ihre Gehhilfe, wenn im Alltag vorhanden. Auswertung: von < 10 Sek. (selbstständig, mobil, nicht sturzgefährdet) bis > 30 Sek. (braucht normalerweise Hilfe bei Transfers, ist nicht in der Lage, allein nach draußen zu gehen).
-
•
Romberg-Stand: Romberg-StandDer Pat. steht mit geschlossenen Füßen und nach vorn ausgestreckten Armen vor dem Untersuchenden. Vergleich der Standfestigkeit bei offenen und geschlossenen Augen durch wechselseitige Druckimpulse an der Schulter.
-
•
Unterberger-Tretversuch: Unterberger-TretversuchDer Pat. tritt mit geschlossenen Augen 50-mal auf der Stelle. Pathologisch, wenn dabei eine Drehung des Rumpfes um mehr als 45° erfolgt.
-
•
Beurteilung des Gangbilds (1.3.8)
-
•
Außerdem: Unsicherheit? Fallneigung? Spastik? Prüfung von Zehen- und Fersengang, Romberg-Versuch, evtl. Seiltänzergang
9.3
Syndrome bei Schädigung des ZNS
9.3.1
Zentrale Lähmung
Symptome
-
•
Lähmung der Muskulatur:
-
–
Hemiparese/-plegieHemiparese (unvollständige Halbseitenlähmung) oder Hemiplegie (vollständige Halbseitenlähmung)
-
–
Tetraparese/-plegie Tetraparese bzw. Tetraplegie: Lähmung aller vier Extremitäten, z. B. bei hoher Rückenmarksschädigung oder beidseitiger Hirnsubstanzschädigung
-
–
Paraparese/-plegie Paraparese bzw. Paraplegie: Lähmung nur der unteren oder nur der oberen Extremität, z. B. bei Rückenmarksschädigung in Brust- bzw. Lendenmark
-
-
•
Reflexsteigerung
-
•
Auftreten pathologischer Reflexe (z. B. Babinski-Zeichen)
-
•
Später Entwicklung Lähmungspastischeeiner SpastikSpastik (federnder Dehnungswiderstand,Taschenmesserphänomen „Taschenmesserphänomen“)
-
•
Häufig in Kombination mit Sensibilitätsstörungen (Hemihypästhesie, -anästhesie, -hypalgesie, -analgesie)
9.3.2
Befunderhebung
Struktur/Funktion
-
•
Muskeltonus und Dehnfähigkeit verändert?
-
•
Gelenkbeweglichkeit eingeschränkt?
-
•
Tiefen- und Oberflächensensibilität beeinträchtigt?
-
•
Reflexe gesteigert oder pathologische Reflexe (z. B. Reflexeasymmetrisch-tonischer NackenreflexAsymmetrisch-tonischer Nackenreflexasymmetrisch-tonischer Nackenreflex) auslösbar?
-
•
Spastik vorhanden? Kann diese kontrolliert werden?
-
•
Physiologische Haltung des Rumpfes möglich?
Aktivität/Partizipation
-
•
Physiologische Gleichgewichtsreaktionen im Sitz und Stand auslösbar?
-
•
Pusher-Pusher-SyndromSyndrom: Drückt sich der Pat. im Sitz oder Stand auf die betroffene Seite?
-
•
Wahrnehmung: z. B. Neglect auf der betr. Seite? Werden Personen oder Gegenstände in ihrer Funktion nicht erkannt (Agnosie)? Werden geschriebene Worte nicht verstanden (Alexie)?
-
•
Werden Elemente einer komplexen Handlung (z. B. Kaffee kochen) folgerichtig kombiniert (Apraxie, 9.3.6)?
-
•
Liegt eine Aphasie vor (9.3.5)?
-
•
Ist die Selbstständigkeit eingeschränkt?
-
!
Bei einer vertebrobasilären Durchblutungsstörung (9.6.1) zusätzlich zu beachten: bei SchwindelSchwindel auf Häufigkeit und Intensität, Gleichgewicht, Schluckakt, Zungenbewegungen, Blickparesen achten.
9.3.3
Physiotherapie bei zentraler Lähmung
Frühphase
Struktur/Funktion
-
•
Prophylaxen (1.3.3)
-
•
Lagerung in reflexhemmenden Positionen (Vojta, 2.40)
-
•
Lagerung: Die mangelnde Kontrolle muss bei der Lagerung berücksichtigt werden.
-
!
Vorsicht bei Lagerungswechseln und Transfers.
-
•
Bewegung des Arms: Vor und während der Bewegung des Arms muss der Humeruskopf zentriert werden. Dabei das physiologische Bewegungsmuster der gesamten Schulter einbeziehen (Skapulothorakaler Rhythmus, 4.9.1).
-
•
Stand und Gang: Beim Stand und Gang muss der Humeruskopf in der Gelenkpfanne fixiert werden. Dies kann durch externe Hilfsmittel (Schiene), den Th. oder den Pat. erfolgen.
-
!
Viele Pat. „fixieren“ ihren Arm, indem sie ihn in die Hosen- oder Jackentasche stecken. Diese Fixierung ist nicht ausreichend, da Stöße (z. B. beim Gehen) auf das Glenohumeralgelenk übertragen werden und zu Folgeschäden führen können.
-
•
Bei einer Restansteuerungsfähigkeit der betr. Muskulatur sollte die Eigenaktivierung nur in physiologischer Gelenkstellung erfolgen.
-
•
Reflexhemmendes Durchbewegen: Spastik von Reflexereflexhemmende Maßnahmenprox. Schlüsselpunkten (Schulterblatt, Becken) her auflösen; dann bei distaler Reflexhemmung (Hand und Fuß) die prox. Gelenke dynamisch, rotatorisch, angulär oder widerlagernd bewegen.
-
•
Reflexhemmende Lagerung (Gelenkstellung richtet sich nach dem Grad der Spastizität):
-
–
Bei Beugespastik in der oberen Extremität: Arm in AR/Abd./Elevation, Ellenbogenstreckung, Hand-DE, Fingerstreckung, Daumenabd.
-
–
Bei Tendenz zur Streckspastik im Arm: Ellenbogen in mittlerer Beugestellung
-
–
Bei Streckspastik im Bein: je nach Spastizitätsgrad leichte bis starke Hüft- und Kniebeugung, DE des Fußes und leichte Zehenstreckung
-
–
Bei Beugespastik im Bein: Lagerung in BL
-
-
!
Je stärker die Spastik, desto endgradiger sollte die Lagerung angestrebt werden.
-
•
Reflexhemmende ASTEn:
-
–
BL gegen Beugespastik im Bein
-
–
Vierfüßerstand gegen Beugespastik in Hand/Fingern und Streckspastik im Bein
-
–
Seitsitz, Fersensitz an der Bankkante und Drehdehnlagerung gegen Streckspastik im Bein und Spastik im Rumpf
-
–
Stand im Stehbrett gegen Spastik der Plantarflexoren des Fußes und gegen Beugespastik der Hüft- und Knieflexoren
-
–
Handstütz gegen Beugespastik der Hand- und Fingerflexoren
-
-
!
Die Positionen nur für einen begrenzten Zeitraum einnehmen. Wird zu lange entgegen der Spastik Druck ausgeübt, kann sich diese verstärken.
-
•
Placing, Pressure, Tapping, vorsichtige Approximationsimpulse auf das zentrierte Gelenk
-
•
Mentales Training funktioneller Bewegungen (Motorisches Lernen, 1.3.1)
-
•
Stimulierung der nichtspastischen Muskulatur mit extero- und propriozeptiven Reizen: Quick-Ice, Klopf-Druck-Massage, dosierter Stretch mit anschließendem dosiertem Widerstand zur Ausnutzung der reziproken Hemmung, intensives Streichen mit Hand oder Bürste in Kontraktionsrichtung
-
•
PNF-Muster in die nichtspastischen Bewegungskomponenten mit dosiertem Initialstretch (2.32)
-
•
Alltagsrelevante Bewegungen durchführen
Bei der Behandlung der zentralen Lähmung kommen verschiedene Strategien zur Förderung des motorischen Lernens zum Einsatz.
-
•
Üben aller Transfers aus dem Mattenprogramm (PNF, 2.32)
-
•
Drehen aus RL in SL oder BL zu beiden Seiten
-
•
Transfer RL → Sitz
-
•
Aufrichtung des Rumpfs
-
•
Lateralflexion im Rumpf durch Schwerpunktverlagerung im Sitz zur Seite
-
•
Gleichgewichtstraining in verschiedenen Positionen
Aktivität/Partizipation
-
•
Aktivitäten des Therapeutenteams immer von der betr. Seite: Ansprache, Standort, Essen anreichen usw. Nachttisch auf die betr. Seite stellen
-
•
Lagerung des Kopfs leicht zur betr. Seite gedreht
-
•
Bei allen Aktivitäten der gesunden Seite soweit möglich die hemiplegische Seite einbeziehen. Der Pat. soll so oft wie möglich die betr. Seite mit dem gesunden Arm berühren, streicheln, durchbewegen.
-
•
Grell gefärbten Strumpf über betr. Arm/Bein ziehen, mit betr. Seite barfuß über stimulierende Oberflächen laufen.
Übergangs- und Spätphase
Struktur/Funktion
-
•
TonussenkungRumpfmobilisation, reflexhemmendes Lagern und Handling (Vojta, 2.40), in spastikhemmenden ASTEn üben (Bobath, 2.5), durch aktive Arbeit ermüden
-
•
ST (2.36): Dehnlagerungen, Rumpfmobilisation in mobilen Wirbelsäulenaufhängungen
-
•
EMG-getriggerte Reizung mit Strom (1.3.13), reziproke rhythmische Bewegungen (z. B. elektrisches Fahrrad)
-
•
Bei spastischer Hand: Perfetti (2.28)
-
•
Ggf. Lagerungsschienen und Orthesenmaterial einsetzen
-
!
Übungen im Bewegungsbad erleichtern die Bewegungsdurchführung. Da viele Pat. (durch das verminderte Körpergewicht) die Anstrengung im Wasser nicht wahrnehmen, muss der Th. auf eine mögliche Überanstrengung achten.
-
•
Zusatzmaßnahmen: Hippotherapie
-
•
Lagerung in Mittelstellung, regelmäßig umlagern
-
•
Endgradiges, weiches Durchbewegen mit kurzem Verharren in der Endstellung, Durchbewegen in PNF-Mustern, reziprokes Durchbewegen
-
•
Dehnlagerungen, MT (2.21)
-
•
Mobilisation der DE bei geschlossener Faust
-
•
Handstütz mit Funktionshand
-
•
Zeitweilige Versorgung mit Orthesen (3.1): Valenser-Schiene gegen Spitzfuß; bei nicht mehr korrigierbarem Spitzfuß Innenschuh mit Absatzerhöhung. Aircast zur Stabilisierung des Fußgelenks; Innenschuh zur Korrektur der Pro- oder Supination. Zirkuläre Mecron-Schiene, aufblasbare Druckmanschetten gegen Beugespastik im Arm. Abduktionsschiene gegen die Adduktorenspastik im Arm. Keilpolster gegen Adduktorenspastik in den Beinen. Heidelberger Schiene mit Schweizer Sperre oder dorsale Schiene gegen Kniebeugekontraktur. Zirkuläre Handschiene gegen Beugekontraktur in Hand- und Fingergelenken. Genu-recurvatum-Schiene gegen Überstreckung im Kniegelenk.
-
!
Orthesen nach Möglichkeit nur als zeitlich befristete Maßnahme einsetzen. Bei manchen Pat. ist eine dauerhafte externe Unterstützung jedoch unumgänglich.
-
•
Repositionierung des Humeruskopfs vor der Mobilisation
-
•
Während Bewegungen auf eine physiologische Gelenkposition achten
-
•
Sofern möglich, stabilisierende Muskulatur aktivieren
-
•
Bei Lagerungen den Humeruskopf unterlagern/stützen
-
•
automatische Steuerung der Körperlage durch Rumpfaktivität wie Lateralflex., Flexion, Extension,
-
•
automatische Schutzreaktionen des Arms (Stütz) und Beins (Schritt).
-
•
Bei starker Spastizität vor der Gangschule tonusregulierende Maßnahmen durchführen.
-
•
Je nach Symptomvorkommen kann die Gangschule in Teilabschnitten vorbereitet werden und einzelne Gangphasen erarbeitet werden, bevor ein kompletter Gangzyklus angestrebt wird. Beim Trainieren einzelner Teilaspekte sollte der Pat. die volle Aufmerksamkeit auf die zu übenden Bewegungsabfolgen lenken. Hierfür bietet es sich an, erschwerende Komponenten (z. B. Gleichgewicht) auszuschalten.
-
•
Bei der Sicherung des Pat. ist darauf zu achten, dass die Position des Th. das Gangbild nicht beeinflusst (z. B. verkürzen viele Pat. ihre Schrittlänge, wenn der Th. sie von vorne sichert).
-
•
GehhilfenHilfsmittel: Rollator, Gehstützen, Gehwagen mit UA- oder Achselstützen, Delta-Gehwagen, Vierpunktestock, reziprokes Gehgestell, Gehbarren, Laufkatze (sofern vorhanden)
-
!
Beim Einsatz eines Laufbands ist, neben dem Sicherheitsaspekt, das veränderte Gangbild zu berücksichtigen. Untersuchungen zeigen hier leicht veränderte biomechanische Parameter.
-
!
Die Verwendung von Unterarmgehstützen im Rahmen der neurologischen Rehabilitation ist umstritten.
Aktivität/Partizipation
-
•
Beratung bei der Auswahl der Hilfsmittel (z. B. für Haushalt, Kommunikation, Beruf, Körperpflege, An- und Ausziehen)
-
•
Schulung in Gebrauch und Pflege von Hilfsmitteln, ggf. Anleitung von Hilfspersonen
-
•
Fortbewegung: z. B. Transfer Rollstuhl → Bett/Auto, Aufstehen vom Boden, Kriechen, Rollen, Gehen mit Hilfsmitteln, Transfer: Sitz → Stand
-
•
Körperpflege: z. B. Transfer in die Badewanne, Kämmen, Waschen etc.
-
•
Kommunikation: z. B. Schreib- und Lesehilfen, Telefonhilfen, Kommunikationstafeln
-
•
Zusatzmaßnahmen: EMG-getriggerte Muskelstimulation (1.3.13), Alltags- bzw. Aufgabenorientierte Therapie, Hippotherapie, Bewegungsbad (1.3.11), Ergotherapie
9.3.4
Ataxie
Formen und Symptome
-
•
Zerebelläre Ataxie: Zerebelläre AtaxieSie zeigt sich als Störung der Bewegungskoordination und Gleichgewichtsregulation durch Schädigung verschiedener motorischer Zentren im Kleinhirn selbst. Das ungeordnete Zusammenspiel der einzelnen Bewegungsabläufe zeigt sich als Rumpfataxie, bei der der Kranke nicht ruhig und aufrecht sitzen bleiben kann, oder auch als Stand- und Gangataxie, bei der die gestörte Extremitätenbewegung im Vordergrund steht. Es besteht eine Unfähigkeit, Zielbewegungen richtig abzumessen, sodass eine Dysmetrie – bei Überschießen eine Hypermetrie – auftreten kann.
-
•
Spinale Ataxie: Spinale AtaxieBei gestörter Informationsweiterleitung (Hinterstränge des Rückenmarks, periphere Nerven), vor allem bezüglich der Tiefensensibilität, fällt die sensible Kontrolle der Motorik aus und es kommt ebenfalls zu unangepassten, ausfahrenden und überschießenden Zielbewegungen. Da es sich um eine Sensibilitätsstörung handelt, spricht man oft auch von sensibler Ataxie. Im Gegensatz zur zerebellären Ataxie kann diese durch eine optische Kontrolle teilweise ausgeglichen werden und nimmt bei geschlossenen Augen bzw. in der Dunkelheit zu.
Physiotherapie
Struktur/Funktion
-
•
Koordination gestört?
-
•
Tiefensensibilität beeinträchtigt?
Tipps & Fallen
Tiefensensibilität zuerst an kleinen Gelenken testen. Bei normalem Befund brauchen große Gelenke nicht mehr getestet werden, da diese dann ebenfalls unauffällig sind.
-
•
Wahrnehmen unterschiedlicher Gelenkpositionen der nicht betr. Extremität und Angleichen dieser Positionen mit der betr. Extremität bei geschlossenen Augen.
-
•
Mentales Training: insbesondere kinästetische Vorstellung von Gelenksposition und Änderung der Gelenksposition (Motorisches Lernen, 1.3.1)
-
•
Halten einer vorgegebenen Gelenksposition bei „Störungen“ durch den Th.
-
•
Halten einer vorgegebenen Gelenksposition mit geschlossenen Augen oder bei visueller Ablenkung
-
•
Feldenkrais (2.15), Lösungstherapie nach Haase (2.17)
-
•
PNF (2.32): Dynamische Umkehr mit Halten in verschiedenen Bewegungsabschnitten, Betonte Bewegungsfolge bei prox. Stabilisierung durch Approximation, Widerstand des Th. oder Kontakt mit einer Unterstützungsfläche
-
•
Konzentrative Bewegungsführung: langsame Bewegungen gegen Führungswiderstand unter Blickkontakt (nicht bei Nystagmus und Doppelbildern) sowie verbaler Unterstützung, langsame und bewusste aktiv-passive Bewegungsführung durch den Th. unter Blickkontakt und verbaler Unterstützung, zuerst eingelenkig-eindimensional, später mehrgelenkig-mehrdimensional (PNF-Pattern)
-
•
Kontaktbewegen: Der Pat. hält den Kontakt, z. B. mit seiner Handfläche an der Hand des Th., und folgt bei allen Bewegungen, der Th. kann durch die Intensität des Kontakts und durch die Bewegungsrichtungen den Schwierigkeitsgrad bestimmen.
-
!
Diese Technik ist nicht zu verwechseln mit dem Bewegen gegen Führungswiderstand.
-
•
BewegenBewegen gegen einen gedachten Widerstand: durch ein Moor gehen, einen zähen Brei rühren, etwas Schweres vor sich herschieben, wegstemmen oder zu sich heranziehen
-
•
Bewegungen auf einer Unterstützungsfläche, z. B. einer Wand, auf dem Boden, auf dem Tisch. Zielübungen: Der Pat. soll körpereigene oder körperfremde Ziele mit der Hand oder dem Fuß ansteuern – wichtig ist, dass er die Zielansteuerung in entspannter Haltung und ohne Leistungszwang durchführt.
Aktivität/Partizipation
-
•
Gleichgewichtsstörungen und das Ausmaß der Sturzgefahr erheben (z. B. Berg Balance Scale, 1.1.7)
-
•
Gefahrenquellen bei Alltagsaktivitäten des Pat. identifizieren
-
!
Auswirkungen auf Stand und Gang, sowie auf die Haltung im Sitz sind richtungsweisend für die Therapie
-
•
ASTE vor jedem Bewegungsübergang in Bezug auf Sicherheit optimieren
-
•
Bewegungsübergänge können in Teilabschnitten erarbeitet werden (z. B. PNF)
-
•
Häufig ist eine Kräftigung hilfreich (auch für das subjektive Sicherheitsempfinden).
-
•
Bei starkem Tremor können diverse Strategien zur Hilfe genommen werden, z. B.:
-
–
Bewegen der Extremität, ohne sie vom Untergrund abzuheben
-
–
Gehen mit durchgängigem Kontakt (z. B. an der Wand lang)
-
–
Hände ineinanderlegen/falten und dann gemeinsam bewegen
-
–
Zur Unterdrückung des Tremors den Ellenbogen gegen den Rumpf drücken
-
–
In Sitz oder Stand die Hände auf den Beckenkamm drücken
-
–
Festes Umgreifen eines Geländers
-
-
!
Pat. nutzen sehr unterschiedliche Kompensationsstrategien. Diese müssen sorgfältig herausgearbeitet und in die Alltagsaktivitäten des Pat. integriert werden.
-
•
Sanfter Aufbau von Wiederständen mit vorheriger Ankündigung, bis hin zu unangekündigten leichten Stößen in Sitz und Stand
-
•
Langsames bis plötzliches Lösen von Wiederständen
-
•
Mit geöffneten oder geschlossenen Augen
-
•
Unterschiedliche Untergründe (Matte, Schaukelbrett, Trampolin)
-
•
Ausgangsstellung verändern (z. B. Fußposition, asymmetrische Armhaltung)
-
•
Verkleinerung der Unterstützungsfläche
-
•
Üben mit/ohne individuelle Stabilisierungsstrategien
-
•
Kompensationsstrategien sollten möglichst früh mit alltagsrelevanten Bewegungen kombiniert werden (z. B. Greifen und zum Mund Führen einer Tasse).
-
•
Unterschiedliche Umgebungen/situative Kontexte in das Training integrieren, damit die erlernten Kompensationsstrategien in diversen Alltagssituationen des Pat. umgesetzt werden können.
-
•
Beim Essen und Trinken sollte die Entfernung von Besteck/Geschirr zum Mund möglichst gering sein.
-
!
Gefahrenquellen vermeiden (z. B. spitzes Besteck, heiße Getränke)
9.3.5
Aphasie
Aachener Aphasie-Test
Formen
-
•
Motorische (Broca-)Aphasie: Motorische AphasieBroca-AphasieStörung der Sprachproduktion; die Pat. können kaum oder überhaupt nicht sprechen und schreiben. Wenn sie sprechen, besteht ihre Sprache aus einzelnen Worten (Telegrammstil), teilweise werden Silben vertauscht oder entstellt (Paraphasien). Es treten häufig beharrliche Wiederholungen von einzelnen Wörtern (Perseverationen) oder sich wiederholende inhaltslose Redefloskeln (sprachliche Stereotypien) auf.
-
•
Sensorische (Wernicke-)Aphasie: Wernicke-AphasieSensorische AphasieStörung des Sprachverständnisses; die Pat. können Gesprochenes kaum oder überhaupt nicht verstehen. Sie sprechen mit normalem Sprachfluss und normaler Sprachmelodie. Da aber die Kontrolle über die Sprache fehlt, können Worte durch Paraphasien völlig entstellt sein und es werden teilweise neue Worte gebildet, die nicht dem Sprachgebiet angehören (Neologismen).
-
•
Globale Aphasie: Globale AphasieKombination aus motorischer und sensorischer Aphasie
-
•
Amnestische AphasieAmnestische Aphasie: Wortfindungsstörungen, die durch Umschreibungen kompensiert werden
Physiotherapie
-
!
Bei sensorischer Aphasie die Bewegungsaufträge durch Demonstration oder passives Führen (nonverbaler Körperkontakt) vermitteln
-
•
Zusatzmaßnahme: Logopädie
9.3.6
Apraxie
Formen
-
•
Ideomotorische ApraxieIdeomotorische Apraxie: Unfähigkeit, gezielte mimische (Gesichtsapraxie) oder gestische (Gliedmaßenapraxie) Bewegungen auszuführen, z. B. Nase rümpfen, Lippen ablecken, sich Räuspern, Winken, Armbewegung des Kämmens oder Bewegung des Ballkickens imitieren.
-
•
Ideatorische ApraxieIdeatorische Apraxie: Der Pat. ist nicht imstande, logische und gewohnte Handlungsfolgen korrekt durchzuführen, z. B. den aus mehreren Handlungsfolgen bestehenden Vorgang des Zähneputzens oder Ankleidens.
-
•
Konstruktive Apraxie: Konstruktive ApraxieGeometrische Figuren können nicht korrekt nachgezeichnet werden.
Physiotherapie
-
!
Zum Erlernen komplexer Handlungsfolgen diese in einzelne Sequenzen aufteilen. Der Pat. soll vor oder während des Handelns die nächste Sequenz verbal ankündigen. Dies strukturiert und erleichtert die Durchführung.
9.4
Hypokinetisch-rigide Syndrome
9.4.1
Parkinson-Syndrom
Ursachen
Symptome
-
•
Trias Rigor, Tremor, BradykineseTremorAkineseRigor
-
•
Störung der posturalen Kontrolle
-
•
Das äußere Erscheinungsbild ist durch eine zunehmende Kyphose geprägt, das Gangbild ist kleinschrittig, verringerte Mitbewegung der Arme beim Gehen (bedingt u. a. durch den Rigor).
-
•
Verarmung an mimischen und gestischen Ausdrucksbewegungen (Hypomimie)Hypomimie, leise, monotone Sprache
-
•
Tremor: RuhetremorRuhetremor mit niedriger Frequenz (4–6Hz), der bei Intentionsbewegungen abnimmt
-
•
Häufig vegetative Begleitsymptome wie vermehrter Speichelfluss, Verdauungsprobleme (Obstipation) oder Seborrhoe (Salbengesicht)Salbengesicht durch vermehrte Talg- und Schweißproduktion
-
•
Freezing-Phänomen: Der Pat. erstarrt zu Beginn einer Zielbewegung (Starthemmung), während eines vermeintlichen optischen Engpasses (Tunnelsyndrom), bei einem Richtungswechsel oder in emotionalen Stresssituationen.
-
!
Dieses Phänomen ist nicht an die Dosierung von Medikamenten gebunden.
-
•
End-of-Dose-Akinesie: Der Pat. wird durch Nachlassen des Dopaminspiegels in der Beweglichkeit eingeschränkt.
-
•
On-off-Phänomen: Meist bei Langzeitgabe von L-Dopa auftretend, kein direkter Zusammenhang zwischen Medikamentengabe und Beweglichkeit. Das Auftreten ist unvorhersehbar, in den On-Phasen wird der Pat. hyperkinetisch.
Ärztliche Therapie
-
•
Dopaminersatz durch L-Dopa mit Decarboxylasehemmer ist in seiner symptomatischen Wirkung den anderen Parkinson-Medikamenten überlegen.
-
•
Dopaminagonisten (direkte Stimulation der Dopamin-Rezeptoren): zahlreiche gut wirksame Präparate verfügbar
-
•
Verminderung des Dopaminabbaus durch Monoaminoxidase-B-Hemmer
-
•
Anticholinergika, um das Überwiegen des cholinergen Systems zu vermindern (nur beim medikamentös bedingten Parkinsonoid)
-
•
NMDA-Antagonist Amantadin, insbesondere bei akinetischer Krise
9.4.2
Befunderhebung
Struktur/Funktion
-
•
Vorhandensein von Rigor. Test: Pat. zeigt „ruckartig nachlassende“ Beweglichkeit entgegen der Muskelsteifigkeit (Zahnradphänomen)
-
•
Kyphose der BWS
-
•
Verminderte Gelenkbeweglichkeit
-
•
Häufig verkürzte ventrale Muskulatur (z. B. Hüftflexoren, M. pectoralis)
-
•
Verminderte Feinmotorik
-
•
Häufig Bauchatmung und leise Sprache
-
•
Haltungsveränderung
Aktivität/Partizipation
-
•
Gleichgewicht in Gang und Stand beeinträchtigt
-
•
Sturzgefahr
-
•
Verändertes Schriftbild aufgrund des Tremors
-
•
Zunehmende Einschränkung der Selbstständigkeit
-
!
Ermöglicht die Beurteilung sowohl im On- als auch im Off-Zustand.
9.4.3
Physiotherapie bei Parkinson-Syndrom
Struktur/Funktion
-
•
Rumpfmobilisation, Aufrichtung der WS
-
•
Assistierte, zügige reziproke Bewegungsmuster (z. B. Boxen, Sägen, Rudern, Fahrrad fahren, Wischen), Reaktionsspiele (Achtung: Patientensicherung), sichere Positionswechsel (z. B. Stand → Kniestand)
-
•
Drehdehnlagerung (1.3.4)
-
•
Entspannungsübungen, Körperwahrnehmungsschulung
-
•
Rhythmische Bewegungsübungen, unterstützt durch Musik
-
•
Schreibübungen an einer Tafel (Schrift soll größer werden), Schreiben in vorgegebenen Zwischenräumen auf einem Blatt Papier, Figuren nachzeichnen
-
•
Knoten machen und wieder auflösen, Papier falten, Seiten in einem Buch oder einer Zeitschrift einzeln umblättern, Papier zerreißen, Geld aus einem Portemonnaie herausholen, Schrauben auf- und zudrehen
-
•
Vorbereitend: Rumpfmobilisation
-
•
AT (1.3.4)
-
•
Gesichts-PNF (2.32), Zungenbewegungen
-
•
Exspirationsübungen, laute Phonationsübungen mit Vokalen oder Konsonanten, die eine intensive Lippen- und Zungenbewegung erfordern (z. B. „bla-bla“, „ho-ho“, „mei-mei“)
-
•
Zusatzmaßnahme: Logopädie
-
•
Erarbeiten der Optimalen Haltung (1.3.7); Hilfen für die Aufrichtung: Reize am Scheitel, Sternum; Anlehnen an die Wand
-
•
Wahrnehmungsschulung zur Eigenkorrektur; Integration der Haltungskorrektur im Alltag
-
•
Muskeldehnung: M. pectoralis major, M. iliopsoas
Aktivität/Partizipation
-
•
Reaktive Stabilisierung (Haltewiderstand plötzlich loslassen), Training der automatischen Schutzreaktionen an Arm (Stütz) und Bein (Ausfallschritt)
-
•
Ballfangspiele, Fußball, Federball, Schaukelbrett, Pezziball, Stand und Gang auf unterschiedlichen Unterlagen
-
•
Gehen mit Fazilitationen des Th. an verschiedenen Schlüsselpunkten: Schultern, Sternum, Arme oder Becken. Gehen über vorgegebene Hindernisse (mit unterschiedlich nachgebenden Materialien), Gehen nach Rhythmus oder Musik, Gehen mit Start/Stopp-Phasen oder Richtungswechsel, Treppe gehen
-
•
Bei Retropulsion: vorbereitend Gewichtsverlagerung nach vorn im Sitz, Üben des Aufstehens mit genügender Vorverlagerung des Gewichts; an die Wand lehnen und versuchen, von dieser wegzukommen. Hände auf die Schultern des Th. legen und diesen vor sich herschieben. Wird ein Rollstuhl o. Ä. genutzt, den der Pat. vor sich her schiebt, muss darauf geachtet werden, dass die Griffhöhe eine Aufrichtung fördert.
-
•
Nutzung von Cues (akustische, visuelle, taktile Reize, die ein Freezing „durchbrechen“)
-
•
Anti-Freezing-Stock einsetzen; Gehen auf stark strukturiertem, kontrastreichem Untergrund (Zebrastreifen, Treppensimulation); in einem Hindernisparcours während des Gehens einen an einer Schnur aufgehängten Ball vor sich wegtreten
-
•
Eigene Taktgeber (z. B. auf den Oberschenkel klopfen); eigene Rhythmuskommandos (z. B. Aufsagen einer Zahlenreihe im Gangrhythmus); Gehen mit Taktgeber über einen MP3-Player
-
•
Kleidung sollte leicht an- und auszuziehen sein, ggf. Anziehhilfen verwenden
-
•
Ernährung (z. B. viele Ballaststoffe zur Förderung der Darmtätigkeit)
-
•
Sicherheitshinweise (z. B. Teppiche als Stolperfallen)
-
•
Einsatz von Hilfsmitteln für die Körperpflege (z. B. Bürste mit langem Griff), zum Aufstehen aus dem Bett, Gehhilfen
-
•
Hinweis auf Selbsthilfegruppen zur Vermeidung einer sozialen Isolation.
Tipps & Fallen
Bei bewusster Übermedikation zur Verlängerung der On-Phasen kann das Parkinson-Syndrom in ein hyperkinetisches Syndrom mit choreatischen, athetotischen oder sogar ballistischen Elementen oder in allgemeine Hyperaktivität umschlagen. In diesem Fall erfolgt die Behandlung wie bei Ataxie (9.3.4) und hyperkinetischem Syndrom (9.5.5).
9.5
Hyperkinetisch-hypotone Syndrome
9.5.1
Choreatisches Syndrom
Symptome
Chorea Huntington
Symptome
Ärztliche Therapie
Physiotherapie
9.5.2
Dystone Syndrome (Dystonien)
Torsionsdystonie
Symptome
Formen
-
•
Symptomatische Form, z. B. durch frühkindliche Hirnschädigung oder Überempfindlichkeit gegen Psychopharmaka
-
•
Idiopathische Form einschließlich genetischer Ursachen mit Beginn meist im Jugendalter und Fortschreiten zu einer schweren Behinderung mit erheblicher Fehlstellung der Wirbelsäule
Ärztliche Therapie
Physiotherapie
Torticollis spasmodicus
Symptome
Ärztliche Therapie
Physiotherapie
9.5.3
Athetotisches Syndrom
Symptome
-
•
Langsame, nichtrhythmische, wurm- oder schraubenartige Bewegungen, v. a. im distalen Extremitätenbereich, mit Überstreckung in Ellenbogen, Fingergrundgelenken, Kniegelenk, Knickfuß mit Valgusstellung im Vorfuß
-
•
Thalamushand: Thalamushandvolarflektierte Hand mit in den Grundgelenken überstreckten Fingern
-
•
Fuß in vermehrter DE
-
•
Rumpfhaltung: Hyperlordose der LWS
-
•
Kopfhaltung: Hyperlordose mit Lateralflex. und Rotation zur Gegenseite oder Kyphose; M. sternocleidomastoideus meist verkürzt und hypertroph
-
•
Muskeltonus: wechselnd
-
•
Koordination: gezielte Bewegungen oft nicht möglich
-
•
Koordinationsstörung der Sprech- und Atemmuskulatur und übersteigerte mimische Mitbewegungen („pathologisches Lachen und Weinen“)
-
•
Gleichgewicht: sehr instabil, besonders im Stand
-
•
Gangbild (meist nur mit Unterstützung überprüfbar): Trendelenburg, Add. und IR der Beine, Plantarflex. der Füße
-
•
Einfluss der Kopf- und Rumpfhaltung auf die Bewegungen der Extremitäten: Einschießende Hyperext. in der HWS lässt z. B. den gesamten Rumpf extendieren, sodass normales Stehen unmöglich wird.
Ärztliche Therapie
Physiotherapie
9.5.4
Ballistisches Syndrom
Symptome
-
•
Halbseitige, weit ausfahrende Bewegungen aus dem Schulter- und Beckengürtelbereich
-
•
Plötzlich einsetzende, unwillkürliche Bewegungen, die zum Heran- und Wegschleudern der Gliedmaßen vom Rumpf führen
Physiotherapie
9.5.5
Physiotherapie bei hyperkinetisch-hypotonen Syndromen
-
!
Eigensicherung des Therapeuten
-
•
Rumpfhaltung
-
•
Muster der Hyperkinese
-
•
Gangbild
-
•
Alltagsbewegungen
-
•
Sprache
-
•
Gesichtsausdruck
-
•
Psychisches Verhalten
-
•
Behandlung in ruhiger und reizarmer Umgebung
-
!
Bewegungsintention und positive (Lob, Freude, Lachen) sowie negative Affekte (negative Kritik, Schreck, depressive Stimmung) beeinflussen die Hyperkinese.
Struktur/Funktion
-
•
Allg. Entspannungsmaßnahmen (z. B. PMR, 2.31)
-
•
Entspannende Massage (z. B. zentrifugale Streichungen am Rücken)
-
•
Extremitätenbewegungen mit voller Konzentration, ohne Leistungszwang sowie unter Begleitung von Augen-, Kopf-, Rumpfbewegungen durchführen
-
•
Vojta (2.40): Widerstände am Kopf des Pat. (Jochbein, Hinterhaupt), in Richtung Stützarm in der Kriechposition und in der 1a-Phase des Reflexumdrehens, da die Kopfstellung oft die Hyperkinese an Rumpf (v. a. das Extensionsmuster) und Extremitäten stark beeinflusst.
-
•
PNF (2.32): Arbeiten in das Flexionsmuster an Kopf und Rumpf, z. B. über Chopping, Armmuster Flexion-Adduktion-Außenrotation, Kopfmuster Flexion-Lateralflexion-Rotation.
-
!
Meist besteht ein Hyperextensionsmuster, das das Bewahren des Gleichgewichts in einer Position unmöglich macht.
9.6
Zerebrale Durchblutungsstörungen
9.6.1
Hirninfarkt
Symptome
-
•
Syndrom der A. carotis interna (ca. 10 %): A.-carotis-interna-Syndromkontralaterale Hemiparese mit Sensibilitätsstörungen, gesteigerten Eigenreflexen, positiven spastischen Zeichen und spastischer Tonuserhöhung. Aphasie bei Befall der dominanten Hirnseite. Anamnestisch flüchtige gleichseitige Sehstörungen („Amaurosis fugaxAmaurosis fugax“), Hemianopsie.
-
•
Syndrom der A. cerebri media (ca. 30 %): A.-cerebri-Syndromekontralaterale, brachiofazial betonte Hemiparese mit Sensibilitätsstörungen. Hemianopsie. Gesteigerte Muskeleigenreflexe mit spastischen Zeichen. Wernicke-Mann-Gangtyp. Aphasie bei Befall der dominanten Hirnseite.
-
•
Syndrom der A. cerebri anterior (weniger als 5 %): kontralaterale, beinbetonte Hemiparese, evtl. Sensibilitätsstörungen. Gesteigerte Muskeleigenreflexe mit spastischen Zeichen.
-
•
Syndrom der A. cerebri posterior (5–10 %): kontralaterale homonyme Hemianopsie. Bei doppelseitigen Verschlüssen Blindheit. Leichte kontralaterale Hemiparese und Sensibilitätsstörungen möglich.
-
•
Vertebrobasiläre SyndromeVertebrobasiläres Syndrom (Basilarisinsuffizienz): BasilarisinsuffizienzDie Vertebralarterien und die daraus hervorgehende A. basilaris versorgen Teile des oberen Halsmarks, die Medulla oblongata, die Brücke (Pons), das Kleinhirn und Teile des Mittelhirns. Bei arteriosklerotischer Einengung resultieren (meist flüchtige) Durchblutungsstörungen, aber auch Hirnstamm-, Kleinhirn- oder Mittelhirninfarkte. Wegen des Verlaufs der Vertebralarterien durch die Foramina transversaria der Halswirbelsäule treten die flüchtigen Störungen häufig bei extremen Kopfbewegungen (z. B. Rückwärtsfahren mit dem Auto, Rasieren am Kinn, Wäscheaufhängen) auf. Die Vielfältigkeit der möglichen Hirnstammsymptome ist durch die enge Nachbarschaft von Bahnen, Hirnnervenkernen und Funktionssystemen in diesem Bereich bedingt:
-
–
Drehschwindel, Kopfschmerzen, Übelkeit mit Erbrechen
-
–
Augenmuskellähmungen mit Doppelbildern, Gesichtsfeldstörungen
-
–
Horner-Syndrom: Horner-SyndromPtosis (PtosisHängen des Augenlids), MiosisMiosis (Engstellung der Pupille) und EnophthalmusEnophthalmus (Zurücksinken des Augapfels)
-
–
Hörstörungen, Sprechstörungen, Schluckstörungen
-
–
Paresen, Sensibilitätsstörungen
-
–
Zerebelläre Ataxie und kurz dauernde Tonusverluste der Muskulatur, die zum plötzlichen Hinstürzen der Pat. führen („Drop AttackDrop Attacks“)
-
Ärztliche Diagnostik
-
•
Klinische Untersuchung zur Einschätzung eines akuten Handlungsbedarfs (Bewusstseins- oder Atemstörung?) sowie Anamnese zur Ermittlung des Symptombeginns
-
•
CCT, bei V. a. Hirnstammbeteiligung auch MRT zur Lokalisation der Schädigung (dient u. a. auch der Unterscheidung zwischen Hirninfarkt und Hirnblutung oder selten Tumor)
-
•
Extra- und intrakranielle Duplex- und Doppler-Sonografie zur Feststellung evtl. Gefäßverschlüsse oder -stenosen der großen Hals- und Hirnarterien, evtl. MR-, CT-Angiografie
-
•
EKG und Echokardiografie zur Beurteilung der Herzfunktion (z. B. bei V. a. kardiale Emboliequelle)
-
•
Blutentnahme (BB, HK, Leber-, Nierenwerte, CRP, Elektrolyte, Gerinnung mit evtl. erweiterter Gerinnungs- oder Vaskulitisdiagnostik)
Ärztliche Therapie
-
•
Der akute Hirninfarkt soll auf einer Stroke Unit behandelt werden. Unter bestimmten Bedingungen (z. B. < 4,5 Std. zurückliegendes Ereignis) ist eine Lyse des Thrombus möglich (Achtung: intrazerebrale Blutung).
-
•
Allgemeinmaßnahmen wie strenge Blutzuckereinstellung, mittlere Blutdruckeinstellung (> 130 mmHg systolisch), Korrektur von Elektrolytstörungen oder erhöhter Körpertemperatur, Thromboseprophylaxe und AT-Strümpfe sind für den Verlauf wichtig.
-
•
Präventive Maßnahmen wie z. B. medikamentöse Senkung eines erhöhten Blutdrucks, gute Einstellung des Blutzuckers bei Diabetes mellitus, Meiden von Nikotin und Alkohol, Reduktion von Übergewicht
-
•
Bei flüchtigen Durchblutungsstörungen: Behandlung mit Medikamenten, die die Gerinnungsneigung des Blutes herabsetzen
9.7
ZNS-Blutungen
9.7.1
Intrazerebrale Blutung
Symptome
-
•
Initial: Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen
-
•
Bewusstseinsstörungen bis hin zum Koma
-
•
Auftreten meist unter körperlicher Tätigkeit oder bei Aufregung
-
•
Lokalisationsabhängige neurologische Ausfälle (Entwicklung über Minuten bis Stunden, z. B. Halbseitenlähmung, Aphasie, konjugierte Blickwendung, Pupillenerweiterung auf der Herdseite, hirnorganische Anfälle)
-
•
Bei erhöhtem Hirndruck kann es zur Einklemmung des Mittelhirns mit Störung der vitalen Regelfunktionen kommen.
Ärztliche Diagnostik
Ärztliche Therapie
Physiotherapie
9.7.2
Subarachnoidalblutung
Symptome
-
•
Schlagartig einschießender, meist okzipital akzentuierter Kopfschmerz
-
•
Meningismus (Nackensteifigkeit)
-
•
Bewusstseinsstörungen
-
•
Zerebrale Krampfanfälle
-
•
Vegetative Regulationsstörungen (z. B. Übelkeit, Erbrechen)
-
•
Sekundär, im Rahmen von Gefäßspasmen, zentrale Ausfallsymptome möglich
Ärztliche Diagnostik
Ärztliche Therapie
9.7.3
Hirnsinus- und Hirnvenenthrombosen
Symptome
-
•
Kopfschmerzen mit Übelkeit und Erbrechen
-
•
Fieber, Schüttelfrost
-
•
Hirnödem mit Stauungspapille und Sehstörung
-
•
Zentrale Paresen
-
•
Hirnnervenlähmungen
-
•
Epileptische Anfälle
Ärztliche Diagnostik
Ärztliche Therapie
Physiotherapie
9.8
Kleinhirnsyndrome
Ursachen
Symptome
-
•
Gang-, Stand-, Rumpf- und Extremitätenataxie (9.3.4)
-
•
Dysdiadochokinese: Dysdiadochokineseschnelle Wechselbewegungen, z. B. Händeklatschen, sind nicht mehr oder nur unvollkommen möglich
-
•
Charcot-Charcot-TriasTrias: Intentionstremor mit zunehmender Abweichung der Bewegung bei Zielannäherung, grobschlägiger NystagmusNystagmus in Richtung des Herds (unwillkürliche rhythmische Bulbusbewegungen), Sprache, skandierendeskandierende Sprache (abgehacktes, explosives Sprechen)
-
•
Kleinhirnhypotonie: KleinhirnhypotonieMuskeltonus auf der Seite der Läsion abgeschwächt
Physiotherapie
9.9
Dezerebrationssyndrome
9.9.1
Apallisches Syndrom
Ursachen
Symptome
-
•
Der Beginn einer Mittelhirnschädigung ist durch eine leichte Benommenheit und eine Reaktionsverzögerung gekennzeichnet.
-
•
Mit fortschreitender Schwere der Hirnstammschädigung treten Somnolenz bis zur Bewusstlosigkeit, Pupillenstörungen, vegetative Störungen (Blutdruckschwankungen, Pulsfrequenzstörungen, gesteigerte Schweißsekretion) und motorische Entäußerungen hinzu (Streckstellung der Arme und Beine).
-
•
Im Vollbild des Mittelhirnsyndroms besteht eine Bewusstlosigkeit mit Streckkrämpfen und Rückwärtsbeugung des OpisthotonusKopfes (Opisthotonus) bei erhöhtem Muskeltonus und Hyperreflexie sowie Auftreten von pathologischen Reflexen (Babinski-Phänomen).
-
•
Werden auch tiefere Hirnstammregionen (Pons und Medulla oblongata) geschädigt, tritt das akute Bulbärhirnsyndrom mit Bulbärhirnsyndromtiefer Bewusstlosigkeit und Fehlen jeglicher spontaner oder reaktiver Motorik bei schlaffem Muskeltonus auf. Die Muskeleigenreflexe sind erloschen, pathologische Reflexe nicht mehr auszulösen. Es kommt zum Absinken der Pulsfrequenz und des Blutdrucks, schließlich zum Hirntod mit Atemstillstand.
-
•
Grundsätzlich sind alle Dezerebrationsstadien reversibel; bei einer Rückbildung werden die klinischen Erscheinungsbilder rückläufig durchlaufen.
-
•
In der Rückbildungsphase ist oft bei Aufhellung des Bewusstseins eine exogene Psychose zu beobachten.
-
•
Bei irreparabler Schädigung kann es zu einer chronischen Dezerebration ohne Aussicht auf Rückbildung kommen.
-
•
Die Prognose des Bulbärhirnsyndroms ist insgesamt sehr schlecht; es geht oft in das Syndrom Hirntod, dissoziierterdes dissoziierten Hirntods (= vollständiger Ausfall aller Hirnfunktionen bei erhaltener basaler Herz-Kreislauf-Aktivität) über.
Ärztliche Diagnostik
-
•
Um Aussagen zur Genese und zum Hirnödem machen zu können, ist ein Schädel-MRT/CCT erforderlich.
-
•
Durch Ableitung der Hirnrindenaktivität (EEG) sind Aussagen über die Hirnfunktion möglich, wie es bei der Hirntoddiagnostik obligat ist. Evozierte Potenziale bei primärer supratentorieller Läsion erforderlich.
-
•
Intrakranielle Doppler-Sonografie zum Nachweis der zerebralen Durchblutung
-
•
Lumbalpunktion zum Ausschluss eines entzündlichen Prozesses
Ärztliche Therapie
Physiotherapie – Akutphase
-
•
DKPT-Prophylaxe (1.3.3)
-
•
Vorsichtiges und ruhiges reziprokes Durchbewegen, ohne Schmerzen zu provozieren
-
•
Weiches Dehnen der spastischen Muskulatur, reflexhemmende Lagerung
-
•
Verbesserung der Reaktionslage durch taktile, akustische und visuelle Reize
-
•
Begleitverletzungen an Wirbelsäule, Extremitäten und inneren Organen sowie ein bestehendes hirnorganisches Psychosyndrom beachten
-
!
Das Durchbewegen ungeachtet der Bewusstseinslage immer verbal begleiten – der Pat. hört auch „unbewusst“ mit.
9.10
Rückenmarksyndrome
9.10.1
Querschnittslähmung
Ursachen
-
•
Traumatische Schädigung des Rückenmarks (z. B. durch Verkehrsunfall, Absturz, Sport- und Badeunfälle) mit Prellung, Zerrung oder Quetschung des Rückenmarks (Contusio spinalis) oder kompletter Durchtrennung
-
•
Rückenmarkstumoren (6-mal seltener als Hirntumoren, zu über 60 % gutartig)
-
•
Spinalis-anterior-SyndromSpinalis-anterior-Syndrom: Rückenmarkschädigung (Myelomalazie) durch Durchblutungsstörung im Versorgungsgebiet der A. spinalis anterior; zunächst radikuläre Schmerzen, dann Ausbildung eines unvollständigen Querschnittsyndroms
-
•
Akute Querschnittsmyelitis: meist viraler Genese, seltener bakteriell bedingt; meist verbleibt eine Restsymptomatik
Symptome
-
•
Frühstadium bei plötzlicher Entwicklung des Querschnitts (z. B. traumatisch) mit spinalem Schock: Spinaler Schockkompletter Ausfall der Willkürmotilität unterhalb der Schädigungsstelle, schlaffer Muskeltonus und Erlöschen der Muskeleigenreflexe (Paraparese bzw. bei Halsmarkläsion Tetraparese). Ausgefallene Sensibilität unterhalb der Schädigungsstelle, Unfähigkeit, Harn- und Stuhldrang zu empfinden bzw. Harn und Stuhl zu entleeren, Störung der Sexualfunktion. Dauer des spinalen Schocks: 4–6 Wo.
-
•
In der Folge Entwicklung eines spastischen Syndroms, da die unterhalb der Schädigungsstelle gelegenen Rückenmarksabschnitte ihre Eigenaktivität innerhalb der ersten drei Monate nach Querschnittsläsion wieder aufnehmen. Es kommt zu unwillkürlicher aktiver Harnentleerung („ReflexblaseReflexblase“) bei einer Lähmung Typ „oberes motorisches Neuron“, bzw. zu einer autonomen BlaseAutonome Blase beim Typ „unteres motorisches Neuron“ und zu einer schlaffen Blase in der spinalen Schockphase (Neurogene Blasenfunktionsstörungen, 9.23). Außerdem kommt es zu reflektorischer Darmentleerung, zu einer Spastik der Muskulatur, die unbehandelt zu Beuge- oder Streckkontrakturen führt (Paraspastik, Tetraspastik), sowie zur Hyperreflexie und zu pathologischen Reflexen (Zeichen nach Babinski).
-
•
Mögliche Komplikationen sind trophische Störungen (Störungen der Gewebeversorgung), Druckgeschwüre mit Gefahr der Osteomyelitis (Knochenmarksentzündung), Dekubitus, Infektionen der Harnwege mit nachfolgender Schädigung der Niere, Verkalkungen im Gelenkbereich durch Kontrakturen, Bein- und Beckenvenenthrombosen mit der Gefahr der Lungenembolie sowie Pneumonien, Kreislaufstörungen, Sitzkyphose.
Ärztliche Therapie
-
•
Operation zur Stabilisierung einer evtl. vorliegenden Fraktur
-
•
Konservativ-funktionelle Behandlung und Pflege mit regelmäßigem Umlagern, Blasentraining, Vermeidung von Kontrakturen
-
•
Medikamentöse Behandlung, z. B. antibiotische Therapie, Thromboseprophylaxe
Physiotherapie
9.10.2
Brown-Séquard-Syndrom
Symptome
Physiotherapie
9.10.3
Zentrale Rückenmarkschädigung
Symptome
-
•
Bei Beteiligung der Vorderhörner entwickeln sich periphere Lähmungen.
-
•
Durch Schädigung der kreuzenden Fasern des Tracus spinothalamicus entsteht eine beidseitige dissoziierte Sensibilitätsstörung ab der Läsionshöhe.
-
•
Evtl. trophische Störungen der Haut, Nägel und Muskeln (Atrophien) durch Schädigung der Seitenhörner (sympathisches Nervensystem).
Physiotherapie
9.10.4
Kauda- und Konusläsion
Symptome
-
•
Bei Kaudasyndrom: periphere Lähmung beider Beine mit schlaffem Muskeltonus und abgeschwächten Eigenreflexen. Reithosenförmig begrenzte Sensibilitätsstörungen für alle Qualitäten. Harn- und Stuhlverhalt. Störung der Sexualfunktion.
-
•
Bei Konusläsion: Auftreten von Harn- und Stuhlverhalt, Störung der Sexualfunktion, Analreflex nicht auslösbar, Sensibilität perianal beeinträchtigt.
Physiotherapie
9.10.5
Physiotherapie bei Rückenmarksyndromen
Frühphase (1.–6. Wo.)
-
•
Besonderheiten: Lagerung im Stryker®-Drehbett, Drehung alle 2–3 Std. Beim passiven Durchbewegen darf keine Bewegung auf die Frakturstelle übertragen werden. Bei Pat. mit Läsionshöhe C6 wird der Arm in AR und Ellenbogenext. gelagert, damit die Überstreckung im Ellenbogengelenk zur Kompensation des M. triceps bei Handstütz gesichert wird; die Hand wird in Funktionsstellung gehalten (Manschette).
-
•
Bei Paraplegien auf eine gute Extensionsfähigkeit des Fußgelenks, der Zehen und des Hüftgelenks (Steh- und Gehfähigkeit mit Orthesen) und die volle Streckfähigkeit des Knies achten. Wichtig sind die venöse Rückstromförderung, die Sekretlösung und die Vergrößerung des Atemvolumens.
-
!
Zwerchfelltraining, Abhusttechniken (1.3.4) unmittelbar nach dem Inhalieren üben
-
!
Täglich Muskelstatus und Sensibilität überprüfen → die Symptomatik kann sich durch Nachblutungen oder Ödembildung zeitweilig verschlechtern.
Übergangsphase (6.–10. Wo.)
Struktur/Funktion
-
•
Dehnung der ischiokruralen Muskulatur, des M. iliopsoas, der Adduktoren und der Innenrotatoren der Beine
-
•
Erhalt der Extensionsfähigkeit von Fußgelenk und Zehen bei Paraplegikern
-
•
Funktionelle Versteifung der Fingerbeuger bei Tetraplegikern mit Läsionshöhe C5 bis C7 für die aktive oder passive Funktionshand und Dehnung der Innenrotatoren der Schulter sowie des M. biceps brachii für die kompensatorische Stützfunktion ohne Trizeps
-
•
Wechselnde Lagerungen und die Mobilisation möglichst aller Gelenke sind von großer Bedeutung.
-
•
Bei schlaffer oder autonomer Blase: Abklopfen der Blase zur Tonisierung und besseren Entleerung, Kontrolle der Flüssigkeitszufuhr und Ausscheidungsmenge (Zeitplan)
-
•
Bei spastischer Blase: Reizung von Triggerpunkten, Sensibilisierung für die Vorboten der beginnenden Blasenentleerung, Umgang mit Kondomen, Urinalen und suprapubischen Kathetern, Hautpflege
Aktivität/Partizipation
Spätphase
Struktur/Funktion
Klinischer Hinweis
Eine Spastik z. B. des M. quadriceps fördert die Stehfähigkeit und verhindert darüber hinaus eine Knochen- und Muskelatrophie. Die Durchblutung ist besser als in einem schlaffen Muskel; aufgrund der größeren Muskelmasse kommt es weniger leicht zum Dekubitus.
-
•
PNF (2.32): alle Techniken, evtl. abgewandelte Fixierung
-
•
ST (2.36): Arbeit mit Expandern und Gewichten
-
•
Hanteltraining, MTT (2.23)
-
•
Wie in der Übergangsphase
-
•
Soweit möglich selbstständiges Durchbewegen
-
•
Dehnlagerungen im ST für den M. iliopsoas, die Adduktoren und Innenrotatoren des Beines, die ischiokrurale Muskulatur, den M. gastrocnemius
-
!
Zu stark forciertes Durchbewegen und Dehnen kann paraartikuläre Ossifikationen begünstigen, da der Pat. keinen Dehnschmerz empfindet. Auf Schwellung, Rötung und Erwärmung im Gelenkbereich achten.
Aktivtät/Partizipation
-
•
Rollstuhltraining, Rollstuhlsport
-
•
Transfer: Rollstuhl → Boden → Bett und zurück. Transfer: RL → BL → RL → Langsitz und zurück
-
•
Hinfallen aus dem Stand und aus dem Rollstuhl trainieren; Aufstehen vom Boden üben
-
•
Gleichgewichtstraining auf der Matte, eigenständiges Durchbewegen
-
•
Training von An- und Ausziehen, Körperpflege, Kommunikation (Schreiben, Telefonieren) mit Hilfsmitteln
-
•
Gangschule im Gehbarren oder mit Gehstützen
-
•
Zusatzmaßnahmen: Vojta (2.40), Training im Bewegungsbad (1.3.11), Ergotherapie, Rollstuhlsport
9.11
Degenerative Systemerkrankungen des ZNS
9.11.1
Spinale Muskelatrophien
Symptome
Einteilung
-
•
Infantile spinale Muskelatrophie (Typ I Werdnig-Hoffmann): autosomal-rezessive Erkrankung; manifestiert sich meist zuerst im Beckengürtelbereich. Die Kinder sind bereits im 1. Lj. auffällig, das 6. Lj. wird selten überlebt.
-
•
Intermediärtyp (Typ II): autosomal-rezessive Erkrankung mit Beginn in den ersten Lebensjahren zunächst im Beckengürtel
-
•
Hereditäre proximale neurogene Amyotrophie (Typ III Kugelberg-Welander): Erkrankungsalter zwischen dem 2. und 16. Lj., meist autosomal rezessiv, langsame Progredienz. Beginn der Erkrankung mit Muskelschwäche, die beim Treppensteigen auffällig wird.
-
•
Typ Aran-Duchenne: Erkrankungsalter dieser häufigen spinalen Muskelatrophie mit variablem Erbgang ist etwa zwischen dem 20. und 40. Lj. Beginn distal mit Atrophie der kleinen Handmuskeln, langsame Progredienz von dist. nach prox.
-
•
Typ Vulpian-Bernhardt: Beginn der Atrophien im Schultergürtelbereich mit Ausbreitung nach distal. Beckengürtelmuskulatur nur selten betroffen, Erbgang autosomal-dominant.
Physiotherapie
-
•
Im Anfangsstadium wie bei peripheren Paresen 9.15.2
-
•
Im fortgeschrittenen Stadium wie bei Guillain-Barré-Syndrom 9.19.2 und progressiver Muskeldystrophie 9.20.1
-
!
Grundsätzlich gilt es, die Pat. so lange wie möglich zu trainieren, um dem Krankheitsverlauf mit einem möglichst guten Gesundheitsstatus zu begegnen.
9.11.2
Progressive Bulbärparalyse
Symptome
9.11.3
Spastische Spinalparalyse
Symptome
9.11.4
Amyotrophische Lateralsklerose (ALS)
Symptome
Ärztliche Diagnostik
Ärztliche Therapie
Physiotherapie
9.11.5
Friedreich-Ataxie
Symptome
-
•
Sensible Ataxie durch Störung der Tiefensensibilität
-
•
Hypotonus der Muskulatur mit fehlenden Muskeleigenreflexen
-
•
Langsam fortschreitend über 3–4 Jahrzehnte entwickeln sich eine zerebelläre Ataxie, eine skandierende Sprache, ein grober Intentionstremor sowie eine Dysdiadochokinese.
-
•
Bei Befall der Pyramidenbahn kann sich ein spastisch-ataktisches Gangbild zeigen, wobei auch die Muskeleigenreflexe wieder auslösbar sein können oder pathologische Reflexe auftreten.
-
•
Durch pathologischen Muskeltonus können sich bereits im Kindesalter Skelettdeformitäten entwickeln: Hohlfuß mit Hammerzehen („Friedreich-Fuß“), Kyphoskoliose, „Friedreich-Hand“ (seltener).
-
•
Im Spätstadium findet sich nahezu immer ein demenzieller Abbauprozess.
Physiotherapie
-
•
Oberflächen- und Tiefensensibilität
-
•
Muskeltonus
-
•
Distale Muskelschwächen und -atrophien
-
•
Reflexabschwächung oder Reflexerhöhung
-
•
Einschränkungen der Gelenkbeweglichkeit
-
•
Skoliotische Haltung
-
•
Koordination verändert (Dysdiadochokinese, grober Intentionstremor, explosive skandierende Sprache, unleserliche Schrift)
-
•
Gangataxie
9.11.6
Spinozerebelläre Heredoataxie (SCA)
Symptome
-
•
Zerebelläre Ataxie (Gang- und Standataxie)
-
•
Explosive skandierende Sprechstörung („Löwenstimme“)
-
•
Bei Großhirnrindenatrophie zentrale Paraparese mit Spastik und pathologischen Reflexen sowie Demenz, Parkinsonismus
-
•
Bei Mitbeteiligung des Hirnstamms Augenmuskel- oder Blickparesen, Hör- und Schluckstörung
9.11.7
Multisystematrophien (MSA)
Symptome
-
•
MSA vom Parkinsontyp: autonome Störung mit akinetisch-rigidem Syndrom
-
•
MSA vom zerebellärem Typ: autonome Störung mit ataktischem Syndrom (früher olivopontozerebelläre Atrophie)
9.11.8
Wernicke-Enzephalopathie
Symptome
Ärztliche Therapie
Physiotherapie
9.12
Entzündliche Erkrankungen des ZNS
9.12.1
Meningitis
Symptome
-
•
Starke Kopfschmerzen bei Nackensteifigkeit, z. T. mit Übelkeit und Erbrechen
-
•
Starke Licht- und Geräuschempfindlichkeit, Fieber
-
•
Bewusstseinsstörung bis zum Koma (Hirnödem)
-
•
Komplikationen sind Hirnnervenausfälle (Hör- oder Sehstörungen), zerebrale Paresen
Ärztliche Diagnostik
Ärztliche Therapie
9.12.2
Enzephalitis
Formen
-
•
Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME): Erreger sind durch Zecken oder Mücken übertragene Arboviren.Frühsommer-Meningoenzephalitis
-
•
Herpes-simplex-EnzephalitisHerpes-Enzephalitis: Akut nekrotisierende (= zellzerstörende) Enzephalitis mit Betonung im Temporallappen und in den Stammganglien, Erreger ist das Herpes-simplex-Virus Typ I.
-
•
Enzephalitis nach Infektion mit Borrelien-EnzephalitisBorrelia burgdorferi (von Zecken übertragene Bakterien)
-
•
Tuberkulöse Meningoenzephalitis (oft mit Hirnnervenlähmungen)
-
•
Seröse Meningoenzephalitis, hervorgerufen durch Viren, Pilze, Protozoen oder Parasiten, z. B. Toxoplasmose, Malaria, Trichinose und Zystizerkose
Symptome
-
•
Psychopathologische Auffälligkeiten (Aufmerksamkeitsstörungen, psychotische Symptome), zerebrale Herdsymptome oder auch Hirnnervenlähmungen, z. B. bei der tuberkulösen Meningoenzephalitis
-
•
Bei Herpes-Enzephalitis typisches Bild mit zweigipfeligem Fieberverlauf, rasch fortschreitenden psychotischen Symptomen mit Geruchs- und Geschmackshalluzinationen, Aphasie, psychomotorischen Ausfällen, Augenmuskellähmungen oder Halbseitensymptomen
9.12.3
Encephalomyelitis disseminata (Multiple Sklerose)
Symptome
-
•
Zu Beginn oft nur Zeichen eines einzelnen Fokus, z. B. einseitige Neuritis des N. opticus (→ Ausfall des zentralen Sehfelds), Augenmuskellähmungen mit Doppelbildern oder umschriebene Sensibilitätsstörungen, evtl. leichte Kontinenzstörungen
-
•
Später Pyramidenbahnzeichen, Auftreten pathologischer Reflexe: Babinski, Oppenheim, Gordon (9.2)
-
•
Störungen vonseiten des Kleinhirns (Ataxie, skandierende Sprache, Intentionstremor), spastische Lähmungen und Sensibilitätsstörungen
-
•
Im späteren Verlauf evtl. hirnorganisches Psychosyndrom, hirnorganischesPsychosyndromHirnorganisches Psychosyndrom mit Stimmungsschwankungen, Kritiklosigkeit und Wesensänderung
Ärztliche Diagnostik
Ärztliche Therapie
Physiotherapie
-
•
Sensibilitätsstörungen der Oberflächen- und Tiefensensibilität
-
•
Häufig verminderte Sensibilität unter den Fußsohlen (→ Stand- und Gangunsicherheit)
-
•
Hypästhesie
-
•
Veränderter Muskeltonus
-
•
Gesteigerte Eigenreflexe und pathologische Reflexe
-
•
Verminderte Gelenkbeweglichkeit: Differenzierung zwischen myogener und kapsulärer Einschränkung durch Testen des Endgefühls (fest-elastisch bei Muskelverkürzung und Spastik, evtl. hart-elastisch bei Kapselschrumpfung)
-
•
Gestörte Feinmotorik und Koordination
-
•
Verminderte Harnblasenfunktion
-
•
Vegetative Störungen
-
•
Veränderte Sprache, z. B. skandierende Sprache
-
!
Die bislang nur symptomatisch behandelbare Erkrankung mit unvorhersehbarem Verlauf und plötzlich einsetzenden Schüben hat einen enormen Einfluss auf die Psyche.
-
•
Bei spastischer Bewegungsstörung: Vorgehen wie bei zentraler Lähmung (9.3.3), Bobath (2.5)
-
•
Bei ataktischen Bewegungsstörungen (9.3.4)
-
•
Bei pseudoschlaffer Symptomatik (9.3.3)
-
•
Bei Blasenfunktionsstörungen (9.23.4)
-
!
Bei Rollstuhlabhängigkeit oder Bettlägerigkeit: DKPT-Prophylaxe (1.3.3)
-
!
Aufklärung bezüglich Selbsthilfegruppen, da soziale Isolation droht
9.13
Entwicklungsstörungen des ZNS
9.13.1
Syringomyelie
Symptome
-
•
Diffuse Schulter-/Armschmerzen
-
•
Frühzeitig Entwicklung von dissoziierten Empfindungsstörungen (Störung von Schmerz und Temperaturempfinden) auf beiden Seiten: Verbrennungen und Verletzungen werden nicht wahrgenommen
-
•
Vegetativ-trophische Störungen durch Läsion des Sympathikus im Seitenhorn, z. B. Störungen der Schweißsekretion, bläuliche Verfärbung und Schwellung der Hände, Knochenentkalkung, brüchige Nägel
-
•
Mischung von peripheren Lähmungen mit Muskelatrophien und spastischen Lähmungen mit Reflexerhöhung und pathologischen Reflexen
9.14
Schädel-Hirn-Trauma (SHT)
9.14.1
Epidurales Hämatom
Symptome
Ärztliche Therapie
9.14.2
Subdurales Hämatom
Symptome
Ärztliche Therapie
9.14.3
Commotio cerebri
Symptome
-
•
Direkte posttraumatische Bewusstlosigkeit von wenigen Sekunden bis zu 1–2 Stunden Dauer oder Bewusstseinstrübung in Form von Schläfrigkeit oder Unruhe, oft gefolgt von leichten psychischen Auffälligkeiten („Durchgangssyndrom“)Durchgangssyndrom
-
•
Amnesie:Amnesie anterograde Amnesie (Erinnerungslücke für einige Zeit nach dem Trauma) oder manchmal auch retrograde Amnesie (Erinnerungslücke für die Zeit vor dem Trauma)
-
•
Evtl. vegetative Erscheinungen, vor allem Übelkeit und Erbrechen, aber auch z. T. monatelang anhaltende Kopfschmerzen; keine bleibenden Schäden
9.14.4
Contusio cerebri (Hirnsubstanzschädigung)
Symptome
-
•
Bewusstlosigkeit von mehr als einer Stunde
-
•
Einzelne Paresen bis zum Halbseitensyndrom (zentrale Lähmungen)
-
•
Apraktische und ataktische Störungen
-
•
Durchgangssyndrom mit Desorientiertheit, Unruhe, Halluzinationen, paranoiden Ideen
-
•
Verlauf bei der unkomplizierten Kontusion mit Rindenprellungsherden meist günstig. Häufig bleiben jedoch leichtere psychische Veränderungen und eine Verminderung der geistigen Leistungsfähigkeit zurück. Bei schwererem Verlauf können Defektsyndrome bleiben, z. B. Anosmie (Geruchsstörung), leichte Spastik, Reflexdifferenzen, Sensibilitätsstörungen, traumatische Spätepilepsie, Veränderung des Antriebs, der Persönlichkeit und der Stimmung.
-
•
Komplikationen:
-
–
Beim Auftreten eines Hirnödems mit Hirndruck kann es zu Dezerebrationssyndromen (9.9) und schließlich zum dissoziierten Hirntod kommen.
-
–
Offene Hirnverletzung: SHT mit Duraverletzung (Verbindung zwischen Gehirn oder Liquorraum nach außen). Zusätzlich zur direkten Hirnschädigung (Kontusion, Kompression) besteht die Gefahr der Infektion mit Entwicklung von bakterieller Meningitis, subduralem Empyem (Eiteransammlung unter der Dura), Hirnabszess. Therapie: chirurgische Säuberung der Wunde, Verschluss des Duradefektes sowie intensive antibiotische Therapie.
-
9.15
Schädigung des peripheren Nervensystems
9.15.1
Periphere Lähmung
Symptome
-
•
Minderung oder Aufhebung der Muskelkraft, Muskelatrophie, erniedrigter Muskeltonus, Reflexabschwächung oder Reflexlosigkeit, keine pathologischen Reflexe
-
•
Bei Störungen der vegetativen Fasern arterielle Durchblutungsstörungen, venöse Insuffizienz sowie Aufhebung der Schweißsekretion möglich
-
•
Gefühlsstörungen: An-, Hyp- oder Hyperästhesien, Parästhesien, Kausalgien
-
•
Spätfolgen sind Gelenkkontrakturen und Gelenkfehlstellungen, Muskelverkürzung, Thrombose
Ärztliche Therapie
9.15.2
Physiotherapie bei peripheren Paresen
Struktur/Funktion
-
•
E-Therapie: Reizung der paretischen Muskulatur bis Muskelstatus 2 mit Exponenzialstrom (1.3.13)
-
•
Einsatz des Myofeedback-Geräts
-
•
PNF (2.32): alle muskelaktivierenden Techniken, bei Kraftgrad 0–1 kein Stretch auf die paretische Muskulatur, bei Kraftgrad 2 nur leichter Stretch; Ausnutzung des ipsi- und kontralateralen Overflows
-
•
Mentales Training, Spiegeltherapie (Motorisches Lernen, 1.3.1)
-
•
Große Varianz von Bewegungen
-
•
Auswahl von alltagsrelevanten Bewegungen
-
•
Allg. Techniken: Placing, Halten in Annäherung, Ausnutzen automat. Gleichgewichts- und Schutzreaktionen und des Rebound-Phänomens (9.2)
-
•
ST (2.36): Pendeln, Pendeln mit Zielangabe, Placing, exzentrische Nullpunktnäherung in axialen Aufhängungen
-
•
Vojta (2.40): Reflexkriechen und Reflexumdrehen
-
•
Folgende extero- und propriozeptive Reize unterstützen die Kontraktionsfähigkeit: Tapping, Klopf-Druck-Massage, Quick-Ice, Bürstungen oder intensive Streichungen in Kontraktionsrichtung, wechselnde sensorische Reize
-
!
Starke Dehnung der paretischen Muskulatur durch extreme Ausgangsstellungen, Lagerungen oder intensiven Stretch vermeiden.
-
•
Betr. Extremitätenabschnitte warmhalten, Bürstenmassage, BGM (Unterhauttechnik, 2.4)
-
•
Alternierend Wärme/Kälte (Vorsicht bei sensorische Defiziten)
-
•
E-Therapie (1.3.13): stabile Galvanisation, hydrogalvanisches Teilbad, Kurzwellenbestrahlung
-
•
Aktives Arbeiten mit der benachbarten ipsi- und kontralat. gesunden Muskulatur (konsensuelle Reaktion)
-
•
Hydrotherapie (1.3.11): ansteigendes Teilbad, auch auf gesunder Seite, Wechselgüsse
-
•
Hochlagerung der betr. Extremität, zentripetale Ausstreichungen
-
•
Kompressionsbandagen, intermittierende Drückungen
-
•
Aktive Übungen der benachbarten gesunden Muskulatur, rhythmisches Durchbewegen
-
!
Venöse Thrombose-Druckpunkte kontrollieren
-
•
Lagerung der gelähmten Extremität in Funktionsstellung, ggf. in geeignetem Schienenmaterial
-
•
Endgradiges, möglichst aktives Durchbewegen und kurzzeitiges Verharren in der Endstellung
-
•
Dehnen der antagonistischen Muskulatur nach vorheriger Relaxation durch dynamische oder statische Ermüdung
-
•
MT (2.21)
-
•
Verminderung der Ausweichbewegungen durch Training der aktiven Widerlagerung (FBL, 2.14)
-
•
Bürstungen, BGM (2.4)
-
•
E-Therapie: stabile Galvanisation
Aktivität/Partizipation
-
•
Aufklärung über neuroplastische Mechanismen (Motorisches Lernen 1.3.1), die Regenerationszeit des Nervs und mögliche Folgeerscheinungen
-
•
Beratung über die Notwendigkeit des selbstständigen Übens und über die Hilfsmittel sowie deren Gebrauch, evtl. Einweisung, Aufklärung und Integration der Angehörigen in die Behandlung
9.16
Plexusschädigungen
9.16.1
Schädigung des Plexus brachialis (Plexus cervicobrachialis)
Symptome
-
•
Durchblutungsstörungen, vegetative Störungen
-
•
Obere Plexuslähmung (Erb-DuchenneErb-Duchenne-Lähmung) C5–C6:
-
–
Ausfall des M. deltoideus: Arm kann nicht nach vorne, zur Seite und nach hinten gehoben werden
-
–
Ausfall des M. supra- und infraspinatus: Arm kann nicht nach außen gedreht und abduziert werden
-
–
Ausfall des M. biceps brachii, M. brachialis und M. brachioradialis: Arm kann nicht gebeugt und supiniert werden
-
–
Zusätzlich können der Ellenbogenstrecker und die Handstrecker bei Beteiligung der Wurzel C7 ausgefallen sein.
-
–
Sensible Störungen: über dem M. deltoideus und der radialen Unterarmseite
-
-
•
Untere Plexuslähmung (Klumpke-DéjerineKlumpke-Déjerine-Lähmung) C8–Th1:
-
–
Ausfall der kleinen Handmuskeln und Fingerbeuger
-
–
Atrophie des Kleinfinger- und Daumenballens, Krallenhand mit eingefallenen Spatii interossii (Zwischenräume zwischen Mittelhandknochen)
-
–
Zusätzlich können der M. triceps brachii und die Hand- und Fingerextensoren mitbetroffen sein (bei C7-Schädigung).
-
–
Horner-Syndrom (Miosis, Ptosis und Enophthalmus) bei Beteiligung des Grenzstrangs
-
–
Bei wurzelnahen Schädigungen oder Wurzelausrissen können zusätzlich zur oberen und unteren Plexuslähmung der M. trapezius, der M. latissimus dorsi, der M. pectoralis major und die Mm. rhomboidei ausgefallen sein.
-
–
Sensible Störungen: ulnarer Unterarm
-
Ärztliche Therapie
Physiotherapie
-
!
Gefahr von Mikrotraumen in der Gelenkkapsel und (Sub-)Luxation bei unsachgemäßer Handhabung der Schulter. Unsachgemäße Lagerung kann darüber hinaus vegetative Störungen hervorrufen sowie die Durchblutung vermindern.
-
!
Prophylaktische Maßnahmen sind von großer Bedeutung (1.3.3).
9.16.2
Schädigung des Plexus lumbosacralis
Symptome
-
•
Motorische und sensible Ausfälle im Beckenbereich und unteren Extremitäten, meist nur partiell
-
•
Plexus lumbalis (L1–L4): v. a. Funktionen der Hüftbeuger, Kniestrecker, Oberschenkeladduktoren und -außenrotatoren betroffen, Sensibilitätsausfälle gering (Beckengürtel, OS)
-
•
Plexus sacralis (L5–S3): Ausfälle der Hüftstrecker und -abduktoren sowie der Kniebeuger und Ausfälle des N. ischiadicus (N. tibialis und N. peroneus) mit peripheren Paresen der US- und Fußmuskulatur, Sensibilitätsstörungen der OS-Rückseite und am ganzen Fuß
-
•
Differenzialdiagnose: Beinplexuslähmung, Beinnerven- und lumbosakrale Nervenwurzelläsion (9.18)
Physiotherapie
-
!
Spitzfuß- und Hüftbeugekontraktur vermeiden
-
!
Prophylaktische Maßnahmen sind von großer Bedeutung (1.3.3).
9.17
Radikuläre Reiz- und Ausfallerscheinungen
9.17.1
Bandscheibenerkrankungen
Symptome
-
•
Schmerzen, Parästhesien und Gefühlsstörungen im entsprechenden Dermatom
-
•
Abschwächung der Kennmuskeln und Reflexe (Tab. 9.3)
-
•
Verstärkung der Beschwerden beim Husten, Niesen und Pressen
-
•
Blasenentleerungsstörungen und Muskellähmungen (Operationsindikation)
Ärztliche Diagnostik
Ärztliche Therapie
Physiotherapie
9.17.2
Primäre spinale Tumoren
Symptome
-
•
Radikuläre, im Liegen zunehmende Schmerzen
-
•
Asymmetrische periphere Lähmungen
-
•
Dem Segment zugehörige Sensibilitätsausfälle
-
•
Querschnittsymptomatik bei Rückenmarkskompression mit monoradikulärer Analgesie oberhalb des Querschnitts der betroffenen Wurzel
Ärztliche Diagnostik und Therapie
9.17.3
Borreliose
Symptome
-
•
Asymmetrische Radikulopathie mit intensiven, nächtlich betonten Schmerzen; häufig lumbosakral lokalisiert
-
•
Schmerzen und periphere Paresen können unbehandelt über Monate bestehen.
-
•
Hirnnervenlähmungen, besonders Fazialisparese möglich
-
•
Kopf- und Gesichtsschmerzen, aber auch Myokarditis, Arthritis
Ärztliche Diagnostik
Ärztliche Therapie
9.18
Läsionen einzelner peripherer Nerven
9.18.1
Axillarisparese (N. axillaris)
Symptome
Physiotherapie
-
!
(Sub-)Luxationsgefahr, daher Zentrierung des Humeruskopfs vor allen Bewegungen
-
!
Der M. trapezius kompensiert teilweise die fehlende Bewegungsmöglichkeit im Schultergelenk und reagiert mit Hypertonus. Haltungskorrektur (Brügger 2.7, FBL 2.14)
9.18.2
Fazialisparese (N. facialis)
Ursachen
Symptome
Tipps & Fallen
Bei zentraler Fazialisparese ist der Stirn- oder Augenast nicht betroffen, da dieser Impulse von beiden Hemisphären erhält.
Ärztliche Therapie
Physiotherapie
-
•
Gesichts-PNF (2.32), evtl. mit Spiegelkontrolle. Es werden immer beide Seiten beübt, um den Overflow auszunutzen. Techniken: Passives Bewegen und Placing am Bewegungsende, wohldosierter Initial-Stretch und dynamisch-konzentrische Arbeit, Haltewiderstand
-
•
Funktionelle Übungen, z. B. Pusten, mit Strohhalm trinken, Augenzwinkern, Wangen aufblasen, Zähne zeigen, Lachen
-
•
Sprechübungen, besonders die Vokale „o, u, e“ und die Konsonanten „b, f, m, p, w“
-
•
Wärmeanwendung und detonisierende Gesichtsmassage auf der nicht betr. Seite
-
•
Zur Tonisierung und als Hilfe für aktive Anspannung der betr. Seite: Tapping, Quick-Ice, Bürstungen
-
!
Anleitung zum selbstständigen Üben
9.18.3
Femoralisparese (N. femoralis)
Symptome
-
•
Fehlende Hüftbeugung und Kniestreckung durch Ausfall des M. quadriceps femoris und M. psoas major
-
•
Gehstörungen: Treppen werden nur mit Hilfsmitteln bewältigt
-
•
Sensibilitätsausfall im Bereich des vord. OS und an der vord. Tibiakante
-
•
Häufig hypertoner M. quadratus lumborum aufgrund der kompensatorischen Zirkumduktion
Physiotherapie
-
•
Gangphasen unterteilen und einzelne Abschnitte erarbeiten (z. B. im Gehbarren)
-
•
Sensibilitätsschulung in betr. Bereichen
-
•
Tonusreduktion in kompensierenden Muskelgruppen
-
•
Kompensatorisches Training des M. gluteus maximus für die Standbeinphase
-
!
Einsatz von Schienen möglichst nicht dauerhaft, da erforderliche Trainingsimpulse fehlen
9.18.4
Medianusparese (N. medianus)
Symptome
-
•
Fehlende Fingerbeugung des 2. und 3. Fingers („Schwurhand“, Abb. 9.7)
-
•
Pos. FlaschenzeichenFlaschenzeichen (Abb. 9.8) durch Ausfall des M. abd. pollicis brevis
-
•
Einschränkung der Pronation durch Ausfall der Mm. pronator quadratus und pronator teres
-
•
Fehlende Opposition des Daumens durch Ausfall des M. opponens pollicis
-
•
Sensibilitätsausfälle an Daumen, Zeigefinger und Mittelfingerkuppen
-
•
Dislokation oder Subluxation des Daumengrundgelenks aufgrund fehlender Aktivität des M. abductor pollicis brevis
-
•
Vegetative Ausfälle an der Hand
9.18.5
Peronaeusparese (N. peronaeus)
Symptome
-
•
Fehlende Dorsalext. des Fußes durch Ausfall der Fuß- und Zehenstrecker
-
•
Steppergang (das Knie wird beim Schritt reflektorisch höhergenommen)
-
•
Spitzfuß (Pes equinovarus) als Spätfolge
Physiotherapie
-
!
Spitzfuß- und Klumpfußgefahr: Erhalt der Extensionsfähigkeit der Zehen, v. a. der Großzehe, für den Abrollvorgang. Orthesenversorgung: Peronaeusschiene, Valenser-Schiene (3.1)
9.18.6
Radialisparese (N. radialis)
Symptome
-
•
Fehlende Ellenbogenstreckung, Fallhand (Abb. 9.9) durch Ausfall des M. extensor digitorum, M. extensor carpi radialis und M. ext. carpi ulnaris
-
•
Fehlende Daumenabduktion durch Ausfall des M. extensor pollicis longus, M. extensor pollicis brevis und M. abductor pollicis longus (M. abductor pollicis brevis wird durch den N. medianus versorgt)
-
•
Mangelnde Greiffunktion, ödematöse Schwellung am Handrücken (Gubler-Schwellung)
-
•
Sensible Ausfälle: Radialseite des UA und der Hand, besonders im Gebiet zwischen Metakarpale I und Metakarpale II (Abb. 9.9)
Physiotherapie
-
•
Lagerung der Hand in Funktionsstellung, Verwendung einer Radialisschiene
-
•
Bei Trizepsbeteiligung: Lagerung in Schulter-AR und Ellenbogenext.
Tipps & Fallen
Die Mm. lumbricales können die Fingerext. bei gebeugten Grundgelenken vortäuschen. Selektives Training der Fingerext. durch Streckung der im Mittelgelenk gebeugten Finger.
9.18.7
Serratuslähmung (N. thoracicus longus)
Physiotherapie
-
!
Vermeiden von Ellenbogen- oder Handstütz wegen der massiven Dehnung des M. serratus anterior. Vermeiden von Arbeiten mit gestrecktem Arm (langer Hebel)
-
•
Zusatzmaßnahmen: Vojta (2.40), ST (2.36): seitliche Armaufhängung; Akrodynamische Therapie (2.2)
9.18.8
Tibialisparese (N. tibialis)
Symptome
-
•
Gestörter Abrollvorgang beim Gehen und Treppenabsteigen durch fehlende Plantarflexion
-
•
Verminderung des venösen Rückstroms durch fehlende Muskelpumpe
-
•
Überstrecken des Knies in der Standbeinphase
-
•
Hüpfen nicht möglich
-
•
Brennende Schmerzen bzw. Sensibilitätsstörungen an der Fußsohle oder Parese der kleinen Fußmuskeln beim Tarsaltunnelsyndrom
Physiotherapie
-
•
Gangphasen unterteilen und einzelne Abschnitte erarbeiten (z. B. im Gehbarren)
-
•
Sensibilitätsschulung in betroffenen Bereichen
-
•
Tonusreduktion in kompensierenden Muskelgruppen
-
!
Orthesen: Schuhe mit Abrollsohle. In manchen Fällen Gefahr der Hackenfußbildung.
9.18.9
Ulnarisparese (N. ulnaris)
Symptome
-
•
Sichtbare Atrophie der Mm. interossii und des Spatium interosseum I. Krallenhand wegen Ausfall der Mm. interossii und Mm. lumbricales (Abb. 9.10)
-
•
Pos. Froment-Zeichen: Der Pat. Froment-Zeichenkann aufgrund der fehlenden Daumenadd. kein Papier zwischen Daumen und Zeigefinger festhalten; er kompensiert durch Flexion des Daumenendglieds (Abb. 9.11).
Physiotherapie
Tipps & Fallen
Mittel- und Endgelenke des IV. und V. Fingers neigen besonders zur Beugekontraktur, da im Grundgelenk überstreckt wird. Verwendung eines Ulnarissplints zur Korrektur dieser Fehlstellung; gezieltes Training der Mm. lumbricales IV und V.
9.18.10
Kausalgien
Ärztliche Therapie
Physiotherapie
-
•
E-Therapie (1.3.13): Stabile Galvanisation, hydrogalvanisches Teilbad
-
•
Feuchte, kalte Umschläge; Eishandtücher (1.3.11)
-
•
Sensibilitätsschulung: aus dem nicht betr. Bereich in den betr. Bereich hineinarbeiten
-
•
Allg. Entspannungstherapie, Körperwahrnehmung
9.18.11
Neuralgien
Formen
Ärztliche Therapie
Physiotherapie
-
•
E-Therapie (1.3.13): Stabile Galvanisation
-
•
Sensibilitätsschulung: aus dem nicht betr. Bereich in den betr. Bereich hineinarbeiten
9.19
Läsionen mehrerer peripherer Nerven
9.19.1
Polyneuropathien
Formen
-
•
Mononeuropathie: MononeuropathieSchädigung eines einzelnen Nervs (selten)
-
•
Mononeuritis multiplex: PolyneuropathieMononeuritis multiplexSchädigung Polyneuropathiesymmetrisch proximal betontPolyneuropathiesymmetrisch distal betontmehrerer isolierter Nerven
-
•
Symmetrisch, distal betont
-
•
Symmetrisch, proximal betont
Symptome
-
•
Nicht auf das Versorgungsgebiet einzelner Nerven oder Nervenwurzeln beschränkte schlaffe Lähmung sowie sensible Reiz- und Ausfallerscheinungen
-
•
Anfangs Sensibilitätsstörungen in Form von Hypästhesie oder Parästhesie, gestörtes Vibrationsempfinden
-
•
Später schlaffe Paresen, Reflexabschwächung, Durchblutungsstörungen, trophische Störungen der Haut, Störungen der Blasen-, Mastdarm- und Sexualfunktion, gelegentlich Hirnnervenbefall (Fazialisparese, Okulomotoriusparese)
Ärztliche Diagnostik
-
•
Laboruntersuchungen (z. B. Blutzucker, HbA1c, CRP, BSG, Leber-, Nieren-, Schilddrüsenwerte, Vitamin B12, Folsäure)
-
•
Apparative Untersuchungen: Elektroneurografie (ENG), Elektromyografie (EMG), Nervenbiopsie
-
•
Liquoruntersuchungen bei Verdacht auf entzündliche Genese (Polyradikulitis)
Ärztliche Therapie
Diabetische Polyneuropathie
Symptome
-
•
Nächtliche Parästhesien sowie Wadenkrämpfe
-
•
Distal betonte, symmetrische, strumpf- oder seltener handschuhförmig begrenzte Hypästhesien/-algesien, Störung des Vibrationsempfindens
-
•
Sensible Ataxie
-
•
Muskeleigenreflexe abgeschwächt bzw. erloschen, v. a. ASR früh betroffen
-
•
Durch Störungen des vegetativen Nervensystems entstehen trophische Hautveränderungen, Diarrhö, Herzfrequenzstarre, Blasen- und Potenzstörungen.
-
•
Asymmetrische diabetische Neuropathie (diabetische Amyotrophie): selten, nächtliche Schmerzen und Lähmungen typischerweise des M. quadriceps und M. iliopsoas
-
•
Paresen der Fuß-, Unterschenkel- und kleinen Handmuskulatur
Ärztliche Therapie
Alkoholische Polyneuropathie
Symptome
Physiotherapie
-
•
Parästhesien
-
•
Schmerz bei Muskeldehnung
-
•
Vegetative Störungen, Miktionsstörungen
-
!
Bei Sensibilitätsstörungen unter den Fußsohlen treten häufig Gleichgewichtsstörungen auf (→ Sturzgefahr).
-
!
Die Muskeln können dehnschmerzhaft sein, Vorsicht bei extremen Gelenkstellungen.
-
!
Durch Parästhesien kann den Pat. der Handkontakt unangenehm sein.
9.19.2
Guillain-Barré-Syndrom
Symptome
Ärztliche Diagnostik
Ärztliche Therapie
Physiotherapie
-
•
DKPT-Prophylaxe (1.3.3)
-
!
Kontrakturgefahr: Streckkontraktur im Knie, in den Finger-und Zehenflexoren und Plantarflexoren (Spitzfuß). Bei Rollstuhlabhängigkeit zudem Gefahr der Hüft- und Kniebeugekontraktur.
-
•
Sensibilitätsschulung
-
•
Schulung der Propriozeption
-
•
Maßnahmen zur Förderung der neuromotorischen Ansteuerung wie z. B. Spiegeltherapie, Mentales Training (Motorisches Lernen, 1.3.1)
-
•
Muskeltonus normalisieren (nicht betr. Muskeln werden durch Kompensation der betr. Funktionen oft hyperton).
-
•
ADL-bezogene Übungen (z. B. Greifen, Stützen, Gewichtsübernahme von Hand und Fuß)
-
!
Bei Lagewechseln oder gesteigerter körperlicher Aktivität treten häufig kreislaufbezogene Symptome auf. Vor der Behandlung Kreislauf anregen, Blutdruck und Puls kontrollieren.
-
•
Kräftigung
-
•
Gleichgewichtsschulung
-
•
Gangschule
-
•
PNF-Muster mit ADL-Bezug
-
•
Ausdauertraining
-
•
Zusatzmaßnahmen: Rollstuhltraining (3.2)
Tipps & Fallen
Die Pat. sind durch Atemlähmung, Herzrhythmusstörungen, Schluckstörungen, Dekubitus, Lungenembolie und Infektionen stark gefährdet. Die konsequente Durchführung von Prophylaxen ist daher essenziell.
9.19.3
Neurale Muskelatrophien
Symptome
-
•
Infolge symmetrischer peripherer Lähmungen mit Muskelatrophien entstehen Fußdeformitäten: Hohlfuß, Hammerzehen und eine Wadenatrophie (sog. „Storchenbeine“).
-
•
Steppergang (Lähmung der Fuß- und Zehenheber)
-
•
Bügeleisengang (Lähmung der Plantarflektoren und Zehenbeuger)
-
•
Achillessehnenreflex (ASR) früh erloschen
-
•
Nervenleitgeschwindigkeit (NLG) stark verlangsamt
Physiotherapie
9.20
Muskelerkrankungen (Myopathien)
-
•
Funktionsmyopathien Funktionsmyopathienohne morphologische Veränderungen der quergestreiften Muskulatur (Myasthenien, Myotonien)
-
•
Strukturmyopathien (degenerativ,Strukturmyopathien entzündlich, stoffwechselbedingt)
Einteilung
-
•
Dystrophische Myopathien: progressive Muskeldystrophie, Dystrophia myotonicaDystrophia myotonica
-
•
Entzündliche Myopathien: PolymyositisPolymyositis, HerdmyositisHerdmyositis, DermatomyositisDermatomyositis
-
•
Funktionelle Myopathien: Myotonie, MyotonieMyasthenie, MyasthenieStoffwechselerkrankungen
Symptome
-
•
Schlaffe Lähmungen ohne Sensibilitätsstörungen
-
•
Normale, abgeschwächte oder fehlende Eigenreflexe (je nach Schädigungsgrad)
-
•
Häufig langsam fortschreitender Schwund des Muskelgewebes, das z. T. durch Fettgewebe ersetzt oder verdeckt wird
-
•
Vorwiegend symmetrischer Befall in bestimmten Körperbereichen
-
•
Ausfälle entsprechen nicht den Versorgungsgebieten peripherer Nerven
-
•
Gehäuft familiäres Auftreten bei degenerativen Muskelerkrankungen
Ärztliche Diagnostik
-
•
Oft Nachweis einer Erhöhung des Muskelenzyms Kreatinkinase (CK) im Blut. Dieses wird beim Untergang von Muskelzellen freigesetzt.
-
•
Im EMG Nachweis eines myopathischen Musters mit kurzen polyphasischen Potenzialen und einem dichten, niedrigen Aktivitätsmuster.
9.20.1
Progressive Muskeldystrophien
Häufige Formen
-
•
Typ DuchenneDuchenne-Muskeldystrophie: X-chromosomal-rezessiv erblich, nur bei Jungen, Auftreten im 1.–3. Lj., Beckengürtel betroffen, sehr rascher Verlauf, der Tod tritt meist zw. dem 20. und 30. Lj. ein.
-
•
Typ Becker-KienerBecker-Kiener-Muskeldystrophie: X-chromosomal-rezessiv erblich, nur Jungen betroffen, Auftreten im 12.–25. Lj., gutartige Beckengürtelform, langsamer Verlauf, oft erst im 5. Lebensjahrzehnt gehunfähig
-
•
Fazioskapulohumerale MuskeldystrophieFazioskapulohumerale Muskeldystrophie: autosomal-dominant vererbte Erkrankung; die ersten Symptome treten zwischen dem 7. und 25. Lj. auf und schreiten langsam voran.
Symptome
Ärztliche Diagnostik
Physiotherapie
-
•
Kräftigung
-
•
Gangschule (1.3.8)
-
•
Gleichgewichtstraining
-
•
PNF (auf physiologische Gelenkstellung achten)
-
•
(Wieder)erlernen einer gezielten neuromuskulären Ansteuerung (1.3.1)
-
!
Bei bettlägerigen Pat., Rollstuhlabhängigkeit und verminderter Mobilität ist die Durchführung von Prophylaxen von großer Bedeutung (1.3.3).
-
•
BGM (2.4): Unterhaut-/Faszientechnik
-
•
Hydrotherapie (1.3.11): feuchte Wärme, alternierende Wärme/Kälte
-
•
Isometrische Übungen besonders für: M. erector spinae, M. gluteus maximus, M. quadriceps femoris, Bauchmuskeln, Fußheber und -senker, M. triceps brachii, Hand- und Fingerextensoren
-
•
Stabilisierungsübungen in RL oder BL auf dem Pezziball oder in mobilen ST-Aufhängungen, Stabilisierungsübungen im Wasser mit Auftriebskörpern, Isometrie in PNF-Mustern (2.32), Akrodynamische Therapie (2.2)
-
•
Dynamische Übungen, z. B. PNF-Muster
-
!
Nicht bis an die Leistungsgrenze gehen, kein max. Stretch und kein Verharren in ASTEn, in denen orthostatische Muskeln extrem gedehnt werden (z. B. Fersensitz)
-
•
Versorgung mit Orthesen: Nachtschienen gegen Spitzfuß, Liegeschale oder Stützkorsett gegen eine beginnende Skoliose, Stehbrett, Bauchlageschrägbrett oder Bauchliegekeil, Rollstuhl mit umklappbarer Rückenlehne (gegen Hüftbeugekontraktur) und hochstellbare Fußstützen (gegen Kniebeugekontraktur)
-
•
Zusatzmaßnahmen: Bewegungsbad (1.3.11), Ganzkörperisometrie, Vojta (2.40)
9.20.2
Entzündliche Myopathien (Myositiden)
Polymyositis
Symptome
-
•
Muskelschmerzen und -schwäche proximal im Becken- und Schultergürtelbereich (erschwertes Treppensteigen, Kämmen oder Rasieren)
-
•
Ausbreitung auf die Nacken- und Schlundmuskulatur (Schluckstörungen, nasale Sprache)
-
•
Abgeschlagenheit, Fieber
-
•
Okuläre Myositis: Augenmuskelparesen, Ptose
-
•
Hautveränderung (Dermatomyositis)
Ärztliche Diagnostik
-
•
Blutsenkungsbeschleunigung, Kreatinkinase- und Transaminasenerhöhung
-
•
Muskelbiopsie zeigt entzündliche Infiltrate
Ärztliche Therapie
Physiotherapie
9.20.3
Myasthenie
Myasthenia gravis
Symptome
-
•
Hängen des Augenlids (Ptose), Doppelbilder durch Augenmuskelparese
-
•
Facies myopathica durch Lähmung der mimischen Muskulatur; Kau- und Schluckstörungen; näselnd-kloßige Sprache
-
•
Später Ausbreitung auf die Arm-, Hals- und Rumpfmuskulatur einschließlich der Atemmuskulatur
-
•
Myasthenische Krise: Atemlähmung, allgemeine Muskelschwäche, Schluckstörungen und Verschleimung des Respirationstrakts
Ärztliche Diagnostik
Ärztliche Therapie
Physiotherapie
Struktur/Funktion
-
•
PNF (2.32): Muster und Techniken je nach Symptomausprägung
-
•
Allg. Ausdauertraining (MTT, 2.23)
Aktivität/Partizipation
-
•
Funktionelles Alltagstraining: Beratung über ökonomisierte Handlungs- und Bewegungsmuster, Veränderung der Arbeitsweise in Haushalt und Beruf
-
•
Umgang mit Hilfsmitteln schulen (z. B. Rollstuhl)
9.20.4
Myotonien
Myotonia congenita
Symptome
Physiotherapie bei Myotonia congenita
-
•
Konzentrative Bewegungstherapie, allg. Entspannungsübungen, Feldenkrais (2.15), Lösungstherapie (2.17)
-
•
Erlernen gezielter muskulärer Ansteuerung und Entspannung
Dystrophia myotonica (Curschman-Steinert)
Symptome
-
•
Facies myopathicaFacies myopathica (schlaffes, mimikarmes Gesicht)
-
•
Distal betonte Muskelatrophien mit myotoner Reaktion
-
•
Angeborene Minderbegabung oder Oligophrenie, fortschreitendes hirnorganisches Psychosyndrom mit Entwicklung einer Demenz
-
•
Stoffwechselstörungen: Hodenatrophie bzw. Amenorrhö, Schilddrüsenunterfunktion, evtl. mit Struma, myotonische Katarakt (Linsentrübung am Auge)
-
•
Händedrucktest: Hand kann nicht sofort gelöst werden
Ärztliche Diagnostik
Ärztliche Therapie
Physiotherapie bei Dystrophia myotonica
9.21
Kopfschmerzsyndrome
9.21.1
Migräne
Symptome
-
•
Anfallsartig, z. T. mit periodischer Häufung, kommt es meistens morgens zu dumpf drückenden oder auch klopfenden Halbseitenkopfschmerzen, evtl. mit vegetativen Symptomen (Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Schwitzen) sowie Licht- und Geräuschempfindlichkeit. Der Anfall dauert einige Stunden, selten einen ganzen Tag und endet in allgemeiner Erschöpfung.
-
•
„Migraine accompagnée“:Migraine accompagnée Migräne mit neurologischen Reiz- und Ausfallerscheinungen wie Kribbelparästhesien oder flüchtigen Lähmungen.
Formen
-
•
Einfache Migräne: halbseitige, pulsierende Kopfschmerzen mit Übelkeit, Erbrechen, Durchfall
-
•
Klassische Migräne: zu Beginn des Anfalls zusätzlich Flimmerskotome (visuelle Aura), später neurologische Herdsymptome, z. B. Hemiparese oder Aphasie, möglich
-
•
Basilarismigräne (BasilarismigräneSonderform der klassischen Migräne): okzipital betonte Kopfschmerzen mit einer visuellen Aura, Drehschwindel, Hypakusis, Ohrenklingen und Missempfindungen um den Mund, an Zehen und Fingern. Besonders betroffen sind junge Frauen.
-
•
Komplizierte Migräne: visuelle Aura dauert länger als eine halbe Stunde und die neurologischen Herdsymptome überdauern die Kopfschmerzen
-
•
Status migraenosus: Eine Attacke geht unmittelbar in die nächste über.
Ärztliche Therapie
Physiotherapie
9.21.2
Spannungskopfschmerz
Symptome
Ärztliche Therapie
Physiotherapie
-
•
Haltungsschulung mit Integration von ADLs (Rückenschule, 2.25)
-
•
Detonisierung hypertoner Muskulatur, v. a. der kurzen Nackenextensoren
-
•
Wärmetherapie (1.3.12)
-
!
Pat. frühzeitig zu Eigenübungen und Verhaltensänderungen anleiten
-
!
Die Gefahr der Chronifizierung ist bei Kopfschmerzen relativ hoch. Das Therapiemanagement der Pat. sollte dies berücksichtigen (Chronischer Schmerz, 1.5).
9.22
Schwindel (Vertigo)
Symptome
-
•
Gerichteter Schwindel (Karussell, schwankendes Schiff, Lift)
-
•
Vegetative Symptome mit Übelkeit und Erbrechen
-
•
Nystagmus
-
•
Fallneigung und Ataxie
Ärztliche Diagnostik
9.22.1
Neuronitis vestibularis
Symptome
-
•
Hauptsymptom ist ein plötzlicher heftiger, gerichteter Drehschwindel, der bei Kopfbewegung zunimmt.
-
•
Horizontaler Spontannystagmus zur gesunden Seite
-
•
Fallneigung zur betroffenen Seite
-
•
Übelkeit und Erbrechen
-
•
Hörvermögen intakt
Physiotherapie
-
•
In den ersten drei Tagen vermehrte Bettruhe, Augen überwiegend geschlossen halten, Kopf ruhig halten, um Brechreiz/Übelkeit zu verringern.
-
•
Ab dem 3. Tag Übungen im Liegen oder Sitzen: Üben der Blickstabilisation durch Fixation von bewegten Gegenständen, z. B. Zeigefinger, oder Fixation von ruhenden Gegenständen, während der Kopf in alle Richtungen bewegt wird
-
•
Ab 5. Tag Übungen im Stand, zusätzlich Gleichgewichtsübungen
-
•
Ab 7. Tag Stabilisationsübungen in schwierigeren Positionen wie Kniestand, Stand auf Kreisel etc., Üben problematischer Lagewechsel:
-
–
Übungen mit dem optokinetischen Gerät: In einem dunklen Raum werden in alle Richtungen steuerbare Leuchtpunkte erzeugt. Der Pat. soll entweder mit den Augen den Punkten folgen (zur Seite des Nystagmus!) oder nur eine bestimmte Fläche im direkten Blickfeld fixieren. Dabei soll er ruhig stehen bleiben oder auf der Stelle treten. Zur Sicherheit muss sich der Th. in direkter Nähe des Pat. befinden und die Möglichkeit zum Festhalten geben. Dauer ca. 20 Min.
-
–
Fixationsübungen auf dem Drehstuhl, Drehen zur Gegenseite des Nystagmus
-
–
Fixation von Gegenständen während diverser Lagewechsel
-
9.22.2
Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel (BPL)
Symptome
-
•
Kurze, heftige Drehschwindelattacken nach raschen Kopfbewegungen (Kopfseitenlagerung und -reklination) mit Abklingen innerhalb von 10–60 Sek.
-
•
Nystagmus und Übelkeit
-
•
Provokation durch Lagerwechsel
Physiotherapie
-
!
Bei bekanntem SHT in der Vorgeschichte darf dieses Manöver nicht durchgeführt werden.
9.23
Neurogene Blasenfunktionsstörungen
Anatomische Grundlagen
9.23.1
Detrusorhyperreflexie
Ärztliche Therapie
Physiotherapie
9.23.2
Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie (DSD)
Physiotherapie
9.23.3
Detrusorarreflexie
Ärztliche Therapie
Physiotherapie
9.23.4
Physiotherapie bei neurogenen Blasenfunktionsstörungen
-
•
Beckenbodengymnastik (11.9.3)
-
•
BGM (2.4): Reflexzonen der Blase behandeln
-
•
E-Therapie (1.3.13): Elektrostimulation und Biofeedback können oberflächlich, intravaginal oder rektal appliziert werden. Biofeedback kommt im Bereich des Beckenbodentrainings eine besondere Bedeutung zu, da viele Pat. nicht wissen, wann bzw. ob sie die Muskulatur adäquat anspannen. Eine EMG-Ableitung inkl. bildlicher Darstellung ermöglicht den Pat. nicht nur eine gezielte Ansteuerung der Beckenbodenmuskulatur – die Intensität der Aktivierung kann so auch an unterschiedliche Situationen angepasst werden.
-
•
Training mittels Biofeedback kann (nach vorheriger Einweisung) von Pat. als Eigenübung durchgeführt werden. Hierfür empfehlen sich handliche Geräte mit einfacher Bedienung (z. B. ProCept home Biofeedbacktrainer®).
-
!
Rektale oder anale Applikationen sollten nur von speziell geschultem Personal durchgeführt werden.
Literatur
Adler et al., 2014
Anderson and Magill, 2013
Baessler et al., 2008
Bhidayasiri and Tarsy, 2012
Collet and Guillot, 2010
Goodman and Fuller, 2014
Hacke, 2016
Haines, 2011
Hüter-Becker and Dölken, 2010
Marks, 2010
Marks, 2009
Pfeffer, 2010
Pfeffer, 2004
Schädler et al., 2006
Schröder, 2012
Shumway-Cook and Woollacott, 2011
Stokes and Stack, 2013
Widmaier et al., 2013
Wittink and Michel, 2002