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10.1016/B978-3-437-43285-9.00028-4
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Behandlung des akuten Koronarsyndroms (ACS). Die Akuttherapie wurde für STEMI (links) und NSTEMI (rechts) getrennt dargestellt. Die Subakuttherapie und die Langzeittherapie sind für beide gleich. Alternativ zum ACE-Hemmer kann ein Angiotensin-II-Rezeptorantagonist eingesetzt werden (nicht angegeben in der Abbildung).

Wirkstoffklassen, die zur Pharmakotherapie der KHK eingesetzt werden
KHK | Wirkstoffklasse | Kapitel |
Antithrombozytäre und antithrombotische Therapie | ASS | Kap. 6.3.1 |
ADP-Rezeptorantagonist | Kap. 6.3.2 | |
GPIIb/IIIa-Hemmstoff | Kap. 6.3.3 | |
unfraktioniertes und niedermolekulares Heparin, Fondaparinux | Kap. 6.5 | |
direkter parenteraler Thrombininhibitor | Kap. 6.6.1 | |
Fibrinolytikum | Kap. 6.8 | |
Antiischämische Therapie | β-Blocker | Kap. 2.4.4.2 |
Nitrat, Molsidomin | Kap. 4.6.2, Kap. 4.6.3 | |
Kalziumkanalblocker | Kap. 4.3 | |
Ivabradin | Kap. 5.6.6 | |
Ranolazin | Kap. 5.6.7 | |
Sekundärprophylaxe | ASS | Kap. 6.3.1 |
ACE-Hemmer/Angiotensin-II-Rezeptorantagonisten | Kap. 3.3, Kap. 3.4 | |
β-Blocker | Kap. 2.4.4.2 | |
Statin | Kap. 13.3.1 | |
Aldosteronrezeptorantagonist | Kap. 7.6.1 | |
Sonstiges | Opioide | Kap. 16.2 |
Antikoagulation beim STEMI:AntikoagulationSTEMI
Duale Thrombozytenfunktionshemmung | + | Antithrombozytäre Therapie | ||
ASS | + | Prasugrel oderTicagrelor oderClopidogrel | + | Bivalirudin oderEnoxaparin oderunfraktioniertes Heparin |
Antikoagulation beim NSTEMI
Duale Thrombozytenfunktionshemmung | + | Antithrombozytäre Therapie | ||
ASS | + | Ticagrelor oder Prasugrel oder Clopidogrel | + | Fondaparinux oderunfraktioniertes Heparin oderEnoxaparin oderBivalirudin |
Medikamente, die nicht bei einer KHK angewandt werden sollenNifedipin:KHKSildenafil:KHKFlecainid:KHKLidocain:KHKSumatriptan:KHKNSAID:KHKCoxibe:KHK
Wirkstoff | Wirkstoffklasse | Auswirkungen |
Nifedipin
( Kap. 4.3.1 ) |
kurz wirksamer Dihydropyridin- Kalziumkanalblocker | keine Anwendung beim ACS, da erhöhte Mortalität (vermutlich über Reflextachykardie) |
Sildenafil und Co.
( Kap. 4.7 ) |
Phosphodiesterase-5-Hemmstoff | keine Anwendung bei Therapie der KHK mit Nitraten, da beides zusammen synergistisch blutdrucksenkend wirkt |
Flecainid, Lidocain und Co.
( Kap. 5.4 ) |
Klasse-I-Antiarrhythmika | erhöhte Mortalität |
Sumatriptan und Co
( Kap. 10.3.3.3 ) |
Serotoninrezeptoragonist (Migränemittel) | Vasokonstriktion in Koronararterien: pektanginöse Beschwerden bis hin zum Myokardinfarkt |
Diclofenac und Co.( Kap. 16.3.3 ) | NSAID | erhöhte Rate an Herzinfarkten (trifft aber nicht für ASS niedrig dosiert zu) |
Celecoxib und Co.
( Kap. 16.3.3 ) |
Coxibe, Analgetika | erhöhte Rate an Herzinfarkten |
Therapie der koronaren Herzkrankheit
-
28.1
Wegweiser413
-
28.2
Akutes Koronarsyndrom414
-
28.3
Stabile KHK419
-
28.4
Verbotene Medikamente422
-
28.5
Zu guter Letzt423
IMPP-Hits
Dieses Kapitel vereint zwar Wirkstoffe aus acht unterschiedlichen Kapiteln, dennoch wird die Pharmakotherapie der KHK in den Prüfungen nicht so oft abgefragt – die Wirkstofffragen an sich wurden bereits in den früheren Kapiteln berücksichtigt. Vom IMPP wurden Fragen in absteigender Häufigkeit gestellt:
1.
zur Sekundärprophylaxe
2.
zum ACS
3.
zur antianginösen Therapie
Häufig wird ein Potpourri an Medikamenten präsentiert und man muss dann eines herausfischen, das nicht der Sekundärprophylaxe oder Behandlung des ACS dient.
28.1
Wegweiser
•
stumme Myokardischämie: Durchblutungsstörung vorhanden, aber keine Symptome
•
stabile Angina pectoris: anfallsartige retrosternale Schmerzen, Enge- oder Druckgefühl, evtl. mit Ausstrahlung in die Arme, den Hals oder den Rücken, ausgelöst durch körperliche oder psychische Belastung
•
akutes Koronarsyndrom: akute, lebensbedrohliche pektanginöse Beschwerden
•
plötzlicher Herztod.
Merke
Eine Sonderform der Angina Angina pectorispectoris ist die Prinzmetal-Angina, bei der pektanginöse Beschwerden durch Koronarspasmen (und nicht durch Atherosklerose) hervorgerufen werden.
28.2
Akutes Koronarsyndrom
28.2.1
Definition
1.
akuter Thoraxschmerz
2.
EKG-Veränderungen
3.
Laborveränderungen.
•
STEMI (ST-Streckenhebungsinfarkt): akuter Thoraxschmerz + ST-Streckenhebung
•
NSTEMI (Nicht-ST-Streckenhebungsinfarkt): akuter Thoraxschmerz + ST-Streckenveränderung (aber keine Hebung) + Troponinerhöhung
•
instabile Angina pectoris (AP): akuter Thoraxschmerz + normales EKG oder unspezifische Veränderungen + normales Troponin
28.2.2
STEMI
28.2.2.1
Therapieprinzip
Dem STEMI liegt ein komplett verschlossenes Koronargefäß zugrunde. Die entscheidende Maßnahme ist deshalb die Wiedereröffnung des verschlossenen Gefäßes – die Reperfusion. Je schneller das erreicht wird, desto weniger Myokard stirbt ab und umso weniger Komplikationen treten auf. Die beste Maßnahme zur Reperfusion ist die perkutane Koronarintervention (Herzkatheteruntersuchung mit Ballondilatation und Stentimplantation im Bereich des verschlossenen Gefäßes).
1.
Basismaßnahmen
2.
Antikoagulation inkl. antithrombozytäre Therapie
3.
Reperfusionstherapie
4.
Langzeittherapie und Sekundärprophylaxe
28.2.2.2
Basismaßnahmen
•
Sauerstoff (bei O2-Sättigung < 95 %)
•
einem Opioid:S∗TEMI∗Opioid (z. B. Morphin i. v. oder s. c.; Kap. 16.2): dient nicht nur der Analgesie, wirkt häufig auch beruhigend, senkt den Sympathikotonus. Kann jedoch Übelkeit, Erbrechen, Hypotonie, Bradykardie und Atemdepression verursachen. Antidot ist: Naloxon i. v.
•
ggf. einem Benzodiazepin:S∗TEMI∗Benzodiazepin (z. B. Lorazepam) zur Sedierung
Praxistipp
Wegen der potenziellen Möglichkeit, eine Fibrinolyse durchführen zu müssen, sollte keines der Medikamente i. m. gespritzt werden.
28.2.2.3
Antikoagulation
Antithrombozytäre Therapie
Wirkstoffe
-
•
ASS:STEMIASS
-
•
ADP-ADP-Rezeptorantagonist:STEMIRezeptorantagonist: Prasugrel:STEMIPrasugrel · Ticagrelor:STEMITicagrelor · Clopidogrel:STEMIClopidogrel
-
•
ggf. GPIIb/IIIa-GPIIb/IIIa-Inhibitor:STEMIInhibitor: Abciximab:STEMIAbciximab · Eptifibatid:STEMIEptifibatid · Tirofiban:STEMITirofiban
•
ASS (Kap. 6.3.1) hemmt irreversibel die Cyclooxygenase und dadurch die Thromboxansynthese. Thromboxan A2 ist ein Prostaglandin der Thrombozyten, das zur Aktivierung weiterer Blutplättchen und zur Vasokonstriktion führt.
•
ADP-Rezeptorantagonisten (Kap. 6.3.2) verhindern die Aktivierung der Thrombozyten durch ADP. Heutzutage werden die neueren Wirkstoffe Prasugrel und Ticagrelor gegenüber Clopidogrel bevorzugt, da sie stärker, schneller und zuverlässiger wirken. Prasugrel und Clopidogrel hemmen den ADP-Rezeptor (P2Y12) irreversibel, Ticagrelor reversibel.
Cave
Prasugrel wird beim STEMI eingesetzt, wenn keine Vorbehandlung mit Clopidogrel besteht, kein Schlaganfall/TIA in der Vorgeschichte vorliegen und die Patienten möglichst nicht älter als 75 Jahre sind (Reduktion der Erhaltungsdosis). Trifft einer oder mehrere dieser Punkte zu, wird Ticagrelor bevorzugt.
Praxistipp
Die antithrombozytäre Therapie beginnt so schnell wie möglich, z. B. bereits durch den Not- oder Hausarzt.
•
ASS: p. o. (150–300 mg) oder i. v. (250–500 mg)
•
ADP-Rezeptorantagonist: p. o. (die drei Wirkstoffe haben unterschiedliche Dosierungen, alle haben jedoch eine Startdosis (loading dose), die quasi als Bolus fungiert und oberhalb der Erhaltungsdosis liegt)
Praxistipp
Es gibt kein Antidot, das bei schweren Blutungen unter einer Therapie mit Thrombozytenfunktionshemmern gegeben werden könnte. Lediglich durch die Gabe von Thrombozytenkonzentraten kann die Wirkung gemindert werden.
Antikoagulanzien der plasmatischen Gerinnung
Wirkstoffe
Unfraktioniertes Unfraktioniertes Heparin:STEMIHeparin · Enoxaparin:STEMIEnoxaparin (niedermolekulares Heparin) · Bivalirudin:STEMIBivalirudin (direkter Thrombininhibitor)
•
Unfraktioniertes Heparin hemmt nach Komplexbildung mit Antithrombin die Faktoren Xa und IIa (Thrombin) gleichermaßen.
•
Enoxaparin als niedermolekulares Heparin hemmt nach Komplexbildung mit Antithrombin den Faktor Xa stärker als IIa.
•
Bivalirudin ist ein direkter Thrombininhibitor, der also unabhängig von Antithrombin wirkt.
Praxistipp
Bei schweren Blutungen kann als Antidot ProtaminProtamin bei unfraktioniertem und niedermolekularem Heparin eingesetzt werden, wobei allerdings Letzteres maximal zu 60 % neutralisiert wird. Für Bivalirudin gibt es kein Antidot.
Ein Patient mit einer heparininduzierten Thrombozytopenie Typ 2 in der Vorgeschichte darf keine Heparine erhalten! Hier können Sie aber Bivalirudin verabreichen.
Praxistipp
Also hat der Patient in der Akutphase mindestens drei verschiedene antithrombotische Wirkstoffe erhalten, z. B. die Kombination: ASS + Prasugrel + unfraktioniertes Heparin.
Manchmal sind es sogar vier, wenn noch ein GPIIb/IIIa-Inhibitor dazukommt.
28.2.2.4
Reperfusionstherapie – Fibrinolyse
Wirkstoffe
Alteplase:STEMIAlteplase · Reteplase:STEMIReteplase · Tenecteplase:STEMITenecteplase · Streptokinase:STEMIStreptokinase
Die medikamentöse Fibrinolyse zur Reperfusion ist Mittel der zweiten Wahl und wird nur dann durchgeführt, wenn eine Koronarintervention nicht innerhalb von 2 h möglich ist. Ist solch eine Situation abzusehen, soll die Fibrinolyse aber so schnell wie möglich begonnen werden, am besten innerhalb von 30 min und kann auch prähospital durchgeführt werden. Bevorzugt werden die fibrinspezifischen Fibrinolytika: Alteplase, Reteplase, Tenecteplase, da sie bevorzugt nur fibringebundendes Plasminogen aktivieren (also im Thrombus wirksam sind, weniger systemisch). Streptokinase hingegen ist systemisch wirksam.
28.2.2.5
Langfristige Therapie – Sekundärprophylaxe
Wirkstoffe
ASS · ADP-Rezeptorantagonist (für 1 Jahr nach STEMI:SekundärprophylaxeSTEMI) · ACE-Hemmer/Angiotensin-II-Rezeptorantagonist · β-Blocker · Statin · Aldosteronrezeptorantagonist (bei Herzinsuffizienz)
•
ASSASS:K∗HK∗ und ADP-RezeptorantagonistenADP-Rezeptorantagonisten:K∗HK∗ reduzieren das Auftreten weiterer vaskulärer Ereignisse.
•
ACE-Hemmer/Angiotensin-II-Rezeptorantagonisten reduzieren die Früh- und Spätmortalität und die Reinfarktrate und sind besonders günstig bei gleichzeitig bestehender arterieller Hypertonie und Herzinsuffizienz.
•
β-Blocker wirken symptomatisch (antianginös) und reduzieren die Früh- und Spätmortalität, senken die Reinfarktrate, wirken antiarrhythmisch und sind besonders günstig bei gleichzeitig bestehender arterieller Hypertonie und chronischer Herzinsuffizienz.
•
Statine (HMG-CoA-Reduktasehemmer) reduzieren die Inzidenz und Mortalität weiterer koronarer Ereignisse, verzögern die Entwicklung der Atherosklerose.
•
Aldosteronrezeptorantagonisten reduzieren die Mortalität bei Postinfarktpatienten mit eingeschränkter linksventrikulärer Pumpfunktion.
Thrombozytenfunktionshemmer
ACE-Hemmer/Angiotensin-II-Rezeptorantagonist, β-Blocker und Aldosteronrezeptorantagonist
•
ACE-Hemmer (z. B. Enalapril, Ramipril) bzw. bei Unverträglichkeit Angiotensin-II-Rezeptorantagonisten (z. B. Telmisartan) sollen bei stabilen Patienten noch am ersten Tag der Aufnahme begonnen werden. Somit sollen frühzeitig die ungünstigen durch die Ischämie hervorgerufenen Remodelingprozesse gehemmt werden. Dieselbe Aufgabe hat der Aldosteronrezeptorantagonist (Spironolacton, Eplerenon), der bei allen Herzinfarktpatienten eingesetzt wird, die eine Herzinsuffizienz entwickelt haben.
•
Ein β-Blocker wird ebenfalls bei stabilen Patienten möglichst früh angewandt – er hemmt u. a. das Auftreten tachykarder Herzrhythmusstörungen und wirkt durch Senkung des kardialen O2-Verbrauchs der Entwicklung einer Herzinsuffizienz entgegen. Da β-Blocker jedoch negativ inotrop sind, ist Vorsicht geboten: möglichst nur orale Anwendung (nicht i. v.) und nur bei stabilen Patienten. Weitere Details zur Anwendung dieser Medikamente finden Sie in Kap. 27.2.3.
Statin
Cave
Möglichst keine CYP3A4-Hemmer (z. B. Erythromycin, Azolantimykotika, Verapamil, Amiodaron, Ciclosporin, Grapefruitsaft) gleichzeitig verordnen bei Atorvastatin, Lovastatin und Simvastatin, denn dadurch steigt das Myopathie- und Rhabdomyolyserisiko an. Alternativ Pravastatin (nicht CYP-abhängig metabolisiert) oder Rosuvastatin (nur gering über CYP2C9 metabolisiert) bevorzugen. Außerdem keine Kombination mit Gemfibrozil (einem Fibrat), da es den Transporter für die Aufnahme der Statine in die Leberzellen hemmt. Bei anderen Fibraten ist diese Interaktion geringer ausgeprägt – dennoch Vorsicht.
28.2.3
NSTEMI
28.2.3.1
Therapieprinzip
•
Es gibt Unterschiede hinsichtlich der Wahl des Antithrombotikums.
•
In der Akutphase werden antiischämische Wirkstoffe, z. B. Nitrate, eingesetzt. Nitrate helfen beim STEMI nicht, und werden dort allenfalls bei der Behandlung eines hypertensiven Lungenödems verwendet.
•
Keine Fibrinolyse. Das Management zur Durchführung der Herzkatheteruntersuchung unterscheidet sich beim NSTEMI und STEMI (was aber nicht Gegenstand dieses Buches sein soll).
•
Basismaßnahmen
•
Antikoagulation inkl. antithrombozytäre Therapie
•
Langzeittherapie und Sekundärprophylaxe
28.2.3.2
Basismaßnahmen
•
Sauerstoff (bei O2-Sättigung < 90 %)
•
Opioid (z. B. Morphin i. v. oder s. c.)
•
Nitrate (z. B. Glyzeroltrinitrat sublingual oder i. v.); Vorsicht bei Blutdruck < 90 mmHg
28.2.3.3
Antikoagulation
Antithrombozytäre Therapie
Wirkstoffe
-
•
ASS
-
•
ADP-Rezeptorantagonist: Prasugrel · Ticagrelor · Clopidogrel
-
•
Gegebenenfalls GPIIb/IIIa-Inhibitor: Abciximab · Eptifibatid · Tirofiban
Antikoagulanzien der plasmatischen Gerinnung
Wirkstoffe
Fondaparinux · unfraktioniertes Heparin · Enoxaparin (niedermolekulares Heparin) · Bivalirudin (direkter Thrombininhibitor)
28.2.3.4
Langfristige Therapie
Wirkstoffe
ASS · ADP-Rezeptorantagonist (für 1 Jahr nach NSTEMI) · ACE-Hemmer/Angiotensin-II-Rezeptorantagonist · β-Blocker · Statin · Aldosteronrezeptorantagonist (bei Herzinsuffizienz)
28.2.4
Instabile Angina pectoris
28.3
Stabile KHK
28.3.1
Therapieprinzip
Wirkstoffe
ASS · ACE-Hemmer/Angiotensin-II-Rezeptorantagonist · β-Blocker · Statin · Aldosteronrezeptorantagonist (bei Herzinsuffizienz) · Antianginosa
1.
Die Thrombozytenfunktionshemmung erfolgt „einfach“, bevorzugt mit ASS (bei ASS-Unverträglichkeit Clopidogrel).
2.
Bei stabiler Angina pectoris kommen antianginös wirkende Medikamente zum Einsatz.
Cave
Ausnahme: eine vorübergehende duale Thrombozytenfunktionshemmung erfolgt, wenn der Patient eine Koronarintervention hatte. Die Dauer dieser Maßnahme ist jedoch abhängig von der Art der Prozedur (angegeben in Kap. 6.3.2 unter Indikationen). Und natürlich immer bei einem akuten Koronarsyndrom für 1 Jahr – aber dann ist es ja keine stabile KHK mehr.
Praxistipp
Der Medikamentenplan für einen Patienten mit einer KHK – ohne weitere Erkrankungen und ohne Symptome – sollte so oder so ähnlich wie nachfolgendes Beispiel aussehen:
| 1–0–0 |
| 1–0–0 |
| 1–0–0 |
| 1–0–0 |
Anmerkung: Die meisten Statine werden abends eingenommen, da nachts die Cholesterinsynthese am höchsten ist. Rosuvastatin hat jedoch eine Halbwertszeit von ≥ 1 Tag und wirkt somit auch nachts, selbst, wenn es früh eingenommen wird.
28.3.2
Antianginosa
Wirkstoffe
β-Blocker · Nitrate · Molsidomin · Kalziumkanalblocker · Ranolazin · Ivabradin
•
Senkung des myokardialen O2-Verbrauchs durch Senkung der Herzfrequenz, Verminderung der myokardialen Kontraktilität und der Wandspannung
•
Verbesserung der O2-Versorgung des Myokards durch Verlängerung der Diastolendauer und Dilatation der Koronarien
28.3.2.1
β-Blocker
β-Blocker dienen der Anfallsprophylaxe (Langzeittherapie).
Cave
β-Blocker sind sowieso Bestandteil der Langzeittherapie, d. h. (fast) alle KHK-Patienten haben diesen Wirkstoff bereits auf dem Medikamentenplan. Normalerweise sollten Sie daher gar nicht in die Verlegenheit kommen, einem Patienten mit stabiler Angina pectoris einen β-Blocker als Antianginosum verordnen zu müssen, sondern müssen meist ein zusätzliches Medikament ansetzen, um die Beschwerden zu behandeln.
Anwendung
Praxistipp
Bei KHK-Patienten mit gleichzeitig bestehender pAVK sollten β-Blocker möglichst zurückhaltend verwendet werden und solche mit zusätzlicher vasodilatativer Komponente bevorzugt werden:
•
Carvedilol: zusätzliche α1-Blockade
•
Nebivolol: Stimulation der endothelialen NO-Freisetzung
28.3.2.2
Nitrate
Nitrate dienen der Akuttherapie (Behandlung eines pektanginösen Anfalls) und der Anfallsprophylaxe (Langzeittherapie).
Praxistipp
Auch wenn Nitrate nicht die Prognose bessern, dem Patienten ist natürlich sehr geholfen, wenn der Thoraxschmerz schnell besser wird. Und für diese Indikation ist Glyzeroltrinitrat s.l. Mittel der ersten Wahl mit einem Wirkungseintritt innerhalb der ersten Minute.
Was Usain Bolt auf der 100-m-Bahn (Stand 2013), ist GTN bei den Koronarien – unschlagbar schnell am Ziel.
•
Zur Behandlung des pektanginösen Anfalls wird Glyzeroltrinitrat Glyzeroltrinitrat:K∗HK∗s.l. verwendet. Auch ISDN s.l. kann zum Kupieren eines Anfalls verwendet werden, wirkt aber etwas langsamer, dafür etwas länger als Glyzeroltrinitrat.
•
Lang wirksame Präparate (ISDN ret., ISMN) dienen der Anfallsprophylaxe. Sie werden dann eingesetzt, wenn z. B. durch die alleinige Gabe von β-Blockern keine andauernde Beschwerdefreiheit erreicht werden kann.
Anwendung
Cave
Aufgrund der Toleranzbildung muss eine NitratpauseNitratpause von 8–12 h eingehalten werden. Am besten erfolgt die Pause nachts, da in der Ruhephase seltener pektanginöse Beschwerden auftreten. Sollten auch nachts Beschwerden bestehen, so kann zur Überbrückung der Nitratpause Molsidomin verwendet werden.
28.3.2.3
Molsidomin
Molsidomin dient der Anfallsprophylaxe (Langzeittherapie), die Wirkung tritt langsam ein (20 min). Es wird z. B. zur Überbrückung der Nitratpause bei nächtlichen pektanginösen Beschwerden verwendet, nicht jedoch zur Anfallstherapie. Eine Toleranzentwicklung wie bei den Nitraten tritt nicht auf.
28.3.2.4
Kalziumkanalblocker
Kalziumkanalblocker werden zur Anfallsprophylaxe (Langzeittherapie) bei stabiler KHK als Mittel der zweiten Wahl verwendet, da sie nicht wie die β-Blocker prognosebessernd sind. Vorteilhaft ist ihre Anwendung bei einer spastischen Angina, da sie relaxierend auf die glatte Muskulatur wirken.
Nifedipin kann bei instabiler Angina pectoris den Übergang in einen akuten Myokardinfarkt fördern. Dieser Effekt scheint durch die sympathische Gegenregulation bedingt zu sein. Da Nifedipin am Herzen keine eigene Wirkung erzielt (keine negative Chronotropie), steigert der Sympathikus reflektorisch die Herzfrequenz und den myokardialen O2-Verbrauch.
Merke
Aus diesem Grund gilt: Keine Anwendung von Nifedipin und anderen Dihydropyridinen beim akuten Koronarsyndrom (instabile Angina pectoris, NSTEMI, STEMI).
28.3.2.5
Ivabradin
Ivabradin wird zur Anfallsprophylaxe (Langzeittherapie) eingesetzt, wenn β-Blocker kontraindiziert sind oder nicht ausreichend wirken. Als unzureichend wirksam bezeichnet man einen β-Blocker bei der stabilen KHK, wenn pektanginöse Beschwerden bestehen und die Herzfrequenz nicht unter 60/min liegt. Therapieziel bei der Kombination von Ivabradin mit β-Blocker bei der KHK ist eine Herzfrequenz von 50–60/min (Anmerkung: die „Zielfrequenz“ ist bei der KHK [50–60/min] und Herzinsuffizienz [< 70–75/min; Kap. 27.2.3.3] etwas unterschiedlich und spiegelt verschiedene Studienergebnisse wider).
28.3.2.6
Ranolazin
Ranolazin dient der Anfallsprophylaxe, wenn β-Blocker oder Kalziumkanalblocker nicht ausreichend wirken oder kontraindiziert sind (sozusagen derzeit noch Medikament der dritten Wahl).
28.3.3
Zusammenfassung antianginöse Therapie
-
1.
Der akute Angina-pectoris-Anfall wird mit Glyzeroltrinitrat (oder ISDN) sublingual behandelt.
-
2.
Zur Anfallsprophylaxe sind β-Blocker Mittel der ersten Wahl. Wenn diese nicht ausreichend wirken oder kontraindiziert sind, können verschiedene Substanzen eingesetzt werden: länger wirksame Nitrate (z. B. ISMN, ISDN ret.), Molsidomin, Kalziumkanalblocker, Ivabradin, Ranolazin.
-
3.
Zur Behandlung der spastischen Angina (Prinzmetal-PrinzmetalanginaAngina) eignen sich Koronardilatatoren: Kalziumkanalblocker (Nifidipin-Zerbeißkapsel) oder Nitrate sublingual zur Akuttherapie und jeweils lang wirksame Präparate davon zur Langzeittherapie.
Merke
-
•
Keine Kombination von β-Blockern mit den Kalziumkanalblockern Verapamil, Gallopamil oder Diltiazem – sie wirken alle negativ inotrop, chronotrop, dromotrop. Alle anderen Kalziumkanalblocker (Dihydropyridine) können mit β-Blockern kombiniert werden.
-
•
Keine β-Blocker bei der spastischen Angina, da sie selbst Koronarspasmen hervorrufen können.
28.4
Verbotene Medikamente
28.5
Zu guter Letzt
Klinischer Fall
-
1.
Sie werden als Notarzt von den Rettungssanitätern zu einem Patienten mit sehr starken Brustschmerzen gerufen, bei dem diese im EKG typische ST-Streckenhebungen gesehen haben. Der Blutdruck ist 140/70 mmHg, die Herzfrequenz regelmäßig bei 90/min. Welche Medikamente verabreichen Sie dem Patienten?
-
2.
Sortieren Sie den Medikamentenplan dieses Patienten: Herzinfarkt vor 2 Jahren, kardial beschwerdefrei und sehr gut belastbar, Hypertonus (RR 160/85 mmHg), LDL-Cholesterin 3,1 mmol/l (120 mg/dl), Kalium und Kreatinin normal; er erhält: ASS 1 × 100 mg, Clopidogrel 1 × 75 mg, Simvastatin 1 × 20 mg, Enalapril 2 × 20 mg (Maximaldosis), Nebivolol 1 × 10 mg (Maximaldosis), ISDN ret. 1 × 40 mg.
Antworten:
-
1.
ASS (p. o., 300 mg), Clopidogrel (p. o., loading dose; Prasugrel würde man bevorzugen, war aber im Notarztwagen nicht verfügbar), Heparinbolus i. v., Morphin (3–5 mg i. v.). Wenn eine Herzkatheteruntersuchung innerhalb von 2 h möglich ist, wird keine Fibrinolyse durchgeführt und direkt in das entsprechende Krankenhaus gefahren. Ansonsten sollte man bereits als Notarzt eine Fibrinolyse z. B. mit Tenecteplase i. v. beginnen.
-
2.
Clopidogrel absetzen (duale Thrombozytenfunktionshemmung für 1 Jahr nach Akutereignis ausreichend), Simvastatin erhöhen (LDL-Cholesterinziel ist nicht erreicht), weiteres Antihypertensivum zur besseren Blutdruckeinstellung. Am ehesten würde sich ein Thiaziddiuretikum eignen, z. B. HCT, sozusagen als drittes Antihypertensivum zum ACE-Hemmer und β-Blocker dazu; alternativ wäre auch ein lang wirksames Dihydropyridin (z. B. Amlodipin) möglich. Die Notwendigkeit von ISDN muss man mit dem Patienten diskutieren: Wurde es wegen Angina pectoris bei Belastung angesetzt (die dann damit weggegangen ist)? Dann würde man ISDN eher weitergeben. Wenn der Patient nach dem Herzinfarkt hingegen immer beschwerdefrei war, könnte man es auch absetzen.