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978-3-437-43285-9
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Interaktion der Stammganglien (stark vereinfachte schematische Darstellung)

Antikonvulsiva mit Angabe ihres Wirkmechanismus und Indikation für die Behandlung fokaler Anfälle und/oder generalisierter Anfälle (jeweils durch „+“ symbolisiert)
Wirkstoff | Wirkmechanismus und Besonderheit | fokale Anfälle | generalisierte Anfälle | |
I | Carbamazepin | Hemmung spannungsabhängiger Na+-Kanäle; Cave: hohes Interaktionspotenzial | + | – |
Gabapentin | GABA-Synthese ↑, Hemmung spannungsabhängiger Ca2+-Kanäle | + | – | |
Lamotrigin | Hemmung spannungsabhängiger Na+-Kanäle; erste Wahl bei fokalen Anfällen | + | + | |
Levetiracetam | Hemmung von Ca2+-Kanälen, GABA- und Glycinfreisetzung ↑; erste Wahl bei fokalen Anfällen | + | + | |
Oxcarbazepin | Hemmung spannungsabhängiger Na+-Kanäle | + | – | |
Phenobarbital | Aktivierung des GABAA-Rezeptors; Cave: hohes Interaktionspotenzial | + | + | |
Phenytoin | Hemmung spannungsabhängiger Na+-Kanäle; Cave: hohes Interaktionspotenzial; Anwendung i. v. möglich | + | – | |
Topiramat | Antagonist am AMPA-Rezeptor, Hemmung spannungsabhängiger Na+-Kanäle, Aktivierung des GABAA-Rezeptors | + | + | |
Valproat | Hemmung des GABA-Abbaus, Hemmung spannungsabhängiger Na+-Kanäle; erste Wahl bei generalisierten Anfällen | + | + | |
Zonisamid | Hemmung spannungsabhängiger Na+-, Ca2+-Kanäle, Modulation der GABA-Wirkung, Carboanhydrasehemmer | + | – | |
II | Clobazam | Aktivierung des GABAA-Rezeptors | + | + |
Clonazepam | Aktivierung des GABAA-Rezeptors | + | + | |
Lorazepam | Aktivierung des GABAA-Rezeptors | Akuttherapie | ||
III | Ethosuximid | Hemmung spannungsabhängiger Ca2+-Kanäle | Monotherapie: nur Absencen | |
Felbamat | hemmt u. a. Glycinbindung an NMDA-Rezeptor | Monotherapie: nur LGS | ||
Rufinamid | Hemmung spannungsabhängiger Na+-Kanäle | Monotherapie: nur LGS | ||
Sultiam | Carboanhydrasehemmer | Rolando-Epilepsie |
Gruppe I: nur Substanzen, die für die Monotherapie geeignet sind und derzeit häufig eingesetzt werden. Gruppe II: Benzodiazepine, die eher bei der Akuttherapie eingesetzt werden. Gruppe III: Auswahl einiger Antiepileptika mit ganz speziellen Indikationen. Nicht aufgeführt sind Wirkstoffe, die ausschließlich add-on verwendet werden dürfen. Modifiziert nach der S1-Leitlinie „Erster epileptischer Anfall und Epilepsien im Erwachsenenalter” der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, 2012.
Zusammenfassung: Therapie verschiedener Epilepsieformen
Epilepsieform | Unterform | Therapie |
Generalisierte Epilepsie | Grand-mal-Epilepsie | Valproat (Lamotrigin, Topiramat) |
West-Syndrom: Blitz-Nick-Salaam (BNS)-Anfälle | Benzodiazepine, ACTH, Glukokortikoide | |
benigne myoklonische Epilepsie | Valproat (Ethosuximid, Barbiturate) | |
Absencen (Pyknolepsie) | Ethosuximid (Valproat) | |
juvenile myoklonische Epilepsie (Impulsiv-Petit-mal) | Valproat (Phenobarbital) | |
Fokale Epilepsie | Lamotrigin, Levetiracetam (Carbamazepin) | |
Status epilepticus | Lorazepam i. v., Diazepam rektal, Midazolam oder Lorazepam intranasal oder bukkal(Phenytoin, Valproat, Levetiracetam, Phenobarbital i. v.) |
Therapie der ersten Wahl in Fett markiert; Therapie der zweiten Wahl in Klammern.
Antiparkinsonmittel
Wirkstoffklasse und Vertreter | Wirkmechanismus | Kapitel |
L-Dopa | ersetzt zentralen Dopaminmangel | Kap. 22.2 |
Decarboxylasehemmer
Benserazid, Carbidopa |
hemmen peripheren Abbau von L-Dopa (nur und immer in Kombination mit L-Dopa) | Kap. 22.2 |
D
2
-Agonisten
Ergot-Derivate: Bromocriptin, Cabergolin, Lisurid, Pergolid Non-Ergot-Derivate: Pramipexol, Ropinirol, Rotigotin, Apomorphin |
stimulieren zentrale D2-Rezeptoren | Kap. 22.4 |
COMT-Hemmer
Entacapon, Tolcapon |
hemmen peripheren Abbau von L-Dopa (nur und immer in Kombination mit L-Dopa) | Kap. 22.3 |
MAO-B-Hemmer
Selegilin, Rasagilin |
hemmen zentralen Abbau von Dopamin | Kap. 22.5 |
Muskarinrezeptorantagonisten
Biperiden, Trihexiphenidyl |
hemmen striatale Aktivität | Kap. 22.7 |
NMDA-Antagonisten
Amantadin, Budipin |
hemmen striatale Aktivität | Kap. 22.6 |
Wirkungsspektrum verschiedener Antiparkinsonmittel++++ = starker Effekt, + = geringer Effekt
Substanz | AkineseMinussymptom | RigorPlussymptom | TremorPlussymptom |
L-Dopa, D2-Agonist | ++++ | ++ | + |
MAO-B-Hemmer | +++ | ++ | + |
Amantadin | +++ | ++ | + |
Muskarinrezeptorant-agonist | (+) | ++ | ++ |
Vergleich der Antiparkinsonmittel für die Ersteinstellung
Aus der S2-Leitlinie „Parkinson-Syndrome”: Diagnostik und Therapie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, 2012.
L-Dopa | D2-Agonisten | MAO-B-Hemmer | |
Wirkstärke | +++ | ++ | + |
Wirkungseintritt | +++ | ++ | + |
Nebenwirkungsrisiko | + | ++ | + |
Risiko motorische Komplikationen | ++ | + | – |
Neuropsychiatrische Komplikationen | + | ++ | – |
Einfache Titration und Dosierung | + | ++ | +++ |
+++ sehr gut geeignet, ++ gut geeignet, + mäßig gut geeignet, – nicht geeignet/unvorteilhaft.
Antispastische TolperisonTizanidinTetrazepamTetrahydrocannabinolDantrolenCBDCannabidiolWirkstoffe
Wirkstoff | Wirkmechanismus |
Baclofen | zentrales Muskelrelaxans, Agonist am GABAB-Rezeptor (Kap. 17.4.3) |
Tizanidin | zentraler α2-Agonist |
Tetrazepam | Benzodiazepin, Agonist am GABAA-Rezeptor (Kap. 18.3.1) |
Dantrolen | peripher wirksames Muskelrelaxans, Hemmung der Kalziumfreisetzung aus dem sarkoplasmatischem Retikulum (Kap. 17.4.3) |
Tolperison | zentral wirksamer Natriumkanalblocker (ähnliche Wirkung wie Lokalanästhetika) |
Tetrahydrocannabinol + Cannabidiol | Cannabinoide (Kap. 16.3.4.3) |
Botulinustoxin A | lokale Injektion; verhindert die Ausschüttung von Acetylcholin in den synaptischen Spalt → schlaffe Paralyse des Skelettmuskels |
Therapie neurologischer Erkrankungen
-
42.1
Wegweiser545
-
42.2
Epilepsie546
-
42.3
Idiopathisches Parkinson-Syndrom549
-
42.4
Restless-Legs-Syndrom555
-
42.5
Myasthenia gravis555
-
42.6
Spastik556
-
42.7
Multiple Sklerose (MS)557
-
42.8
Zu guter Letzt558
IMPP-Hits
Fragen wurden vom IMPP zu den beiden Themengebieten Epilepsie und Parkinson-Syndrom gleich häufig gestellt. Restless-Legs-Syndrom und Mysthenia gravis wurden zwar deutlich seltener gefragt, allerdings standen sie gerade in den letzten Jahren mehr „auf der Agenda“. Gleiches gilt für die Therapie der Multiplen Sklerose: „hochaktuell“ aber besonders selten.
42.1
Wegweiser
42.2
Epilepsie
42.2.1
Definition und Einteilung
•
Fokale (partielle) Anfälle sind lokalisationsbezogen, entstehen also in definierten Regionen des Gehirns. Ein fokaler Anfall kann sich ausbreiten und sich somit zu einem sekundär generalisierten (fokal eingeleiteten) Anfall ausbilden. Man unterscheidet:
–
komplexe fokale Anfälle: mit Bewusstseinsstörungen.
–
einfach fokale Anfälle (Jackson-Anfall): ohne Bewusstseinsstörungen.
•
Primär generalisierte Anfälle betreffen von Anfang an die Hirnrinde beider Großhirnhemisphären. Dennoch können sie sich sehr unterschiedlich präsentieren: als Absencen (Pyknolepsie) mit wenigen Sekunden dauernden Aussetzern, über Abläufe mit Zuckungen einer Extremität (myoklonische Epilepsie) bis hin zu komplexeren Bewegungs- und Bewusstseinsphänomenen und zu den klassischen tonisch-klonischen Anfällen (Grand-mal-Epilepsie).
42.2.2
Therapieprinzip
Praxistipp
„Ein Anfall ist kein Anfall.“
Dieser Leitspruch trifft im Prinzip immer noch zu und bedeutet, dass die medikamentöse Therapie üblicherweise nach dem zweiten Anfall eingeleitet wird. Nichts ist ohne Ausnahme: bei erhöhter Epileptogenität kann bereits nach dem ersten Anfall eine antiepileptische Therapie erfolgen.
42.2.2.1
Antikonvulsiva
Merke
Enzyminduktoren sind Carbamazepin, Phenytoin und Phenobarbital und für die Dauertherapie aus folgenden Gründen problematisch:
•
Entwicklung einer Anämie durch gesteigerten Folsäuremetabolismus
•
Entwicklung einer Osteomalazie durch gesteigerten Vitamin-D-Abbau
•
Potenzial für viele Medikamenteninteraktionen: z. B. beschleunigter Abbau von Cumarinen, Digitoxin, Theophyllin, Kontrazeptiva mit entsprechend verminderter Wirksamkeit dieser Wirkstoffe und Verkürzung der eigenen Halbwertszeit (insbes. bei Carbamazepin)
42.2.2.2
Generalisierte Epilepsie
Wirkstoffe
Grand-mal- Grand-mal-Anfall Anfall:
-
•
erste Wahl: ValproatValproat
-
•
zweite Wahl: TopiramatTopiramat · LamotriginLamotrigin
Absence- Absence-Epilepsie Epilepsie:
-
•
erste Wahl: Ethosuximid:Ethosuximid
-
•
zweite Wahl: Valproat
Lerntipp
Vom IMPP wurde noch Valproat als Mittel der ersten Wahl bei Absencen abgefragt – die Fragen dazu sind allerdings schon etwas älter.
42.2.2.3
Fokale Epilepsie
Wirkstoffe
-
•
erste Wahl: LamotriginLamotrigin · gleichwertig: LevetiracetamLevetiracetam
-
•
zweite Wahl: CarbamazepinCarbamazepin
42.2.2.4
Status epilepticus
Wirkstoffe
-
•
erste Wahl: LorazepamLorazepam i. v. · Diazepam rektal · Midazolam oder Lorazepam intranasal oder bukkal
-
•
zweite Wahl: Phenytoin i. v. · Valproat i. v. · Levetiracetam i. v. · Phenobarbital i. v.
•
intranasale oder bukkale Gabe von MidazolamMidazolam oder Lorazepam
•
rektale Gabe von DiazepamDiazepam
42.2.2.5
Weitere Epilepsieformen
Lerntipp
Als Faustregel kann man sich merken: Valproat ist bei den meisten Epilepsieformen (noch) Mittel der ersten Wahl. Aber nichts ist ohne Ausnahme:
•
fokale Epilepsie: Lamotrigin, Levetiracetam, zweite Wahl Carbamazepin
•
Absencen: Seit Kurzem hat Ethosuximid wegen besserer Verträglichkeit Valproat als Mittel der ersten Wahl abgelöst.
•
BNS-Krämpfe: Benzodiazepin
•
Status: Benzodiazepin
42.2.2.6
Besonderheiten
Kontrazeption und Schwangerschaft
Generika
Therapieende
Lerntipp
Bezüglich der Epilepsien fragt das IMPP ganz oft nach der Therapie der Wahl bei verschiedenen Epilepsieformen (80 % aller Fragen waren darauf ausgerichtet).
42.3
Idiopathisches Parkinson-Syndrom
42.3.1
Definition
Zu den Medikamenten, die ein medikamentöses Parkinson-SyndromParkinson-Syndrom hervorrufen können, zählen:
•
klassische Neuroleptika, Antiemetika (z. B. Metoclopramid), Reserpin
•
Lithium
•
Kalziumantagonisten (Flunarizin)
•
Valproat
•
Der Kortex aktiviert das Striatum; Transmitter ist Glutamat.
•
Das Striatum hemmt das Pallidum; Transmitter ist GABA. Im Striatum liegen exzitatorische cholinerge Interneurone, die die Aktivität des efferenten (inhibitorischen) Neurons vom Striatum steigern und somit die Hemmung zum Pallidum verstärken.
•
Dopamin von der nigrostriatalen Bahn bindet an D2-Rezeptoren und hemmt die Aktivität dieser Interneurone und die efferente Bahn, sodass die Hemmung zum Pallidum vermindert wird.
•
Die Substantia nigra produziert Dopamin, das über die nigrostriatale Bahn zum Striatum gelangt und die striatale Aktivität mindert. Der Dopaminabbau erfolgt durch MAO-B und COMT (Abb. 22.1).
•
Das Pallidum hemmt den Thalamus und den Nucleus subthalamicus; Transmitter ist GABA.
•
Der Thalamus aktiviert den Kortex; Transmitter ist Glutamat.
•
Der Nucleus subthalamicus aktiviert die Substantia nigra und das Pallidum; Transmitter ist Glutamat.
•
Dopamin ↓ und Acetylcholin im Striatum ↑ → Striatumaktivität ↑ (Muskeltonus ↑) → Pallidumaktivität ↓ (Kinese ↓): hypokinetisch-hypertones Syndrom
•
MinussymptomeMinussymptome: Akinese (überwiegend durch den Dopaminmangel)
•
PlussymptomePlussymptome: Rigor, Tremor (überwiegend durch die hohe Acetylcholinkonzentration)
42.3.2
Therapieprinzip
42.3.2.1
Antiparkinsonmittel
Wirkstoffe
-
•
Erhöhung der zentralen Dopaminkonzentration: L-Dopa · MAO-B-Hemmer · COMT-Hemmer
-
•
Stimulation von D2-Rezeptoren: D2-Agonisten
-
•
Hemmung der striatalen cholinergen Aktivität: Muskarinrezeptorantagonisten
-
•
Hemmung striataler NMDA-Rezeptoren: Amantadin
L-Dopa
Cave
Nach einer mehrjährigen Therapie kommt es bei vielen Patienten zu Wirkungsfluktuationen von L-Dopa und zum Auftreten von Langzeitkomplikationen (Dyskinesien); ▸ Kap. 42.2.3.3 und ▸ Kap. 42.2.3.4.
An Nebenwirkungen kommt es zur orthostatischen Hypotonie, Übelkeit, Erbrechen, Tagesmüdigkeit, Psychose (Halluzinationen) und Impulskontrollstörungen.
D2-Agonisten
Die Nebenwirkungen sind wie bei L-Dopa, außer weniger Dyskinesien, allerdings mehr Impulskontrollstörungen (Spiel-, Esssucht, Hypersexualität, Kaufsucht). Bei den Ergot-Derivaten muss an die Fibrosen (Raynaud-Phänomene, Lungen-, Retroperitoneal-, Herzklappenfibrose) gedacht werden.
COMT-Hemmer
MAO-B-Hemmer
NMDA-Angatonisten
Anticholinergika
Lerntipp
Beliebte IMPP-Frage: was gut und was nicht gut gegen die Minussymptomatik hilft. Der Blick auf Tab. 42.4 verrät es: Muskarinrezeptorantagonisten (z. B. Biperiden) sind nicht für die Behandlung von Minussymptomen geeignet. L-Dopa und D2-Agonisten hingegen sehr gut. Andererseits kann man mit Biperiden Rigor und Tremor behandeln.
42.3.2.2
Praktische Therapie
•
L-Dopa (+ Decarboxylasehemmer)
•
D2-Agonisten
•
MAO-B-Hemmer
Merke
Therapie bei Patienten < 70 Jahre (biologisches Alter) ohne wesentliche Komorbidität:
•
erste Wahl: Monotherapie mit einem D2-Agonisten (Non-Ergot-Derivat)
•
alternativ bei milder Symptomatik: Monotherapie mit MAO-B-Hemmer
•
Erhaltungstherapie: Fortführung der Therapie mit dem Dopamin-Agonisten, meist für mehrere Jahre erfolgreich. Bei Wirkungsverlust: Kombination mit LDopa (in möglichst niedriger Dosierung).
Therapie bei Patienten > 70 Jahre (biologisches Alter) oder multimorbiden Patienten jeder Altersgruppe:
•
erste Wahl: Monotherapie mit L-Dopa
•
alternativ bei milder Symptomatik: Monotherapie mit MAO-B-Hemmer
•
Erhaltungstherapie: L-Dopa, solange keine Wirkungsfluktuationen auftreten
Praxistipp
Bei allen Antiparkinsonmitteln gilt: niemals abruptes Absetzen, sonst droht das Auftreten einer akinetischen Krise nach 1–2 Tagen.
42.3.2.3
Wirkungsfluktuationen
•
Die End-of-dose-AkineseEnd-of-dose-Akinese ist die häufigste und im Verlauf am frühesten auftretende Wirkungsfluktuation mit Nachlassen der Medikamentenwirkung ca. 4–6 h nach Einnahme.
•
Als On-Off-PhänomenOn-Off-Phänomen bezeichnet man einen sehr raschen Wirkungsverlust (mit oder ohne Zusammenhang mit der Medikamenteneinnahme). Die Beweglichkeit kann ebenso schnell wieder einsetzen.
Bei der End-of-dose-Akinese (Hypokinese) wird therapeutisch versucht, möglichst gleichbleibende Dopaminspiegel zu erreichen durch:
•
Aufteilen der Tagesdosis auf viele Einzeldosen, Retardpräparate verwenden
•
Medikamenteneinnahme 60 min vor dem Essen (bessere Resorption) und proteinärmere Kost (Konkurrenz um den Aminosäurecarrier)
•
Kombination mit D2-Agonisten, Selegilin oder COMT-Hemmer
Das On-Off-Phänomen (Hypokinese) wird wie die End-of-dose-Akinese behandelt, ggf. kommt Apomorphin s. c. noch zum Einsatz.
42.3.2.4
Dyskinesie
•
On-Dyskinesien: meist choreatisch und nicht schmerzhaft
•
Off-Dyskinesien: meist als schmerzhafte Dystonien
Es handelt sich bei beiden um hyperkinetische Störungen. Die Therapie ist jedoch unterschiedlich.
Bei der On-Dyskinesie wird versucht, die dopaminerge Stimulation zu vermindern, was jedoch die Gefahr der Akinese mit sich bringt, die die Patienten nicht so gut tolerieren. Unbehandelt kann aber die Dyskinesie progredient zunehmen, sodass therapeutisch versucht werden sollte, die Symptomatik zu bessern durch: Dosisreduktion von L-Dopa und zusätzliche Gabe von D2-Agonisten, Amantadin oder eines COMT-Hemmers; ggf. Absetzen von MAO-B-Hemmern.
Bei der Dystonie (Off-Dyskinesie) hingegen wird therapeutisch die dopaminerge Stimulation gesteigert und zusätzlich zu L-Dopa kommen D2-Agonisten, Amantadin, COMT-Hemmer, Muskarinrezeptorantagonisten oder Apomorphin s. c. zum Einsatz.
42.3.2.5
Tremor
RuhetremorRuhetremor:
•
Muskarinrezeptorantagonisten (Cave: Nebenwirkungen insbesondere bei älteren Patienten)
•
NMDA-Antagonisten (Budipin; Cave: QT-Zeit-Verlängerung), β-Blocker (Propranolol), ggf. trizyklische Antidepressiva (bei gleichzeitiger Depression)
•
bei Therapieresistenz: Clozapin (Cave: Agranulozytose)
Ruhe- und HaltetremorHaltetremor: β-Blocker (Propranolol), Primidon (Neuroleptikum)
42.3.2.6
Akinetische Krise
Merke
Therapie der akinetischen Krise:
•
symptomatisch: intensivmedizinische Betreuung und u. a. Flüssigkeits-, Elektrolytausgleich, Fiebersenkung
•
Durchbrechung der Akinese: Amantadin i. v., Apomorphin s. c.
42.3.2.7
Verbotene Medikamente bei Parkinson-Syndrom
Merke
Nachfolgend genannte Medikamente dürfen bei Morbus Morbus Parkinson:kontraindizierte MedikamenteParkinson nicht angewandt werden, da sie extrapyramidal-motorische Störungen auslösen bzw. verstärken.
•
Antiemetikum Metoclopramid: zentraler und peripherer D2-Rezeptorantagonist. Als Antiemetikum darf Domperidon bei Morbus Parkinson gegeben werden (wirkt nur an peripheren D2-Rezeptoren, Kap. 15.3.4).
•
Reserpin, α-Methyldopa: Antisympathotonika (Kap. 2.4.5)
•
klassische Neuroleptika wie Haloperidol: zentrale D2-Rezeptorantagonisten (Kap. 19.3).
Cave
Das Auftreten von Psychosen ist eine mögliche Nebenwirkung der dopaminergen Antiparkinsontherapie. Als Neuroleptikum darf bei Parkinson-Patienten ClozapinClozapin verwendet werden (Kap. 19.4.1).
Lerntipp
Was prüfte das IMPP bislang zum idiopathischen Parkinson-Syndrom? Es gab Fälle, in denen nach der Therapie der Wahl in Abhängigkeit vom Alter des Patienten gefragt wurde. Häufiger allerdings wurden die motorischen Komplikationen einer dopaminergen Therapie gefragt (Fluktuationen, Dyskinesien), nach der Behandlung von Minus- und Plussymptomen, nach der Behandlung von Psychosen (Clozapin) und den Medikamenten, die ein Parkinson-Syndrom auslösen können.
42.4
Restless-Legs-Syndrom
42.4.1
Definition
42.4.2
Therapieprinzip
Wirkstoffe
-
•
erste Wahl: L-L-Dopa:Restless-Legs-SyndromDopa mit Benserazid · Pramipexol:Restless-Legs-SyndromPramipexol · Ropinirol:Restless-Legs-SyndromRopinirol · Rotigotin:Restless-Legs-SyndromRotigotin
-
•
zweite Wahl: Opioidanalgetika (Oxycodon, Tramadol) · Antikonvulsiva (Pregabalin, Gabapentin)
In Deutschland sind L-Dopa (mit Benserazid) und die Non-Ergot-D2-Agonisten Pramipexol, Ropinirol und Rotigotin zur Behandlung des Restless-Legs-Syndroms zugelassen.
42.4.3
Verbotene Medikamente bei Restless-Legs-Syndrom
Folgende Medikamente können ein Restless-Legs-Syndrom verursachen bzw. verstärken und sollten daher bei entsprechenden Patienten, wenn möglich, gemieden werden: Neuroleptika, Antidepressiva, Lithium, Koffein, L-Thyroxin, Östrogene.
Lerntipp
Zum Restless-Legs-Syndrom fragte das IMPP bislang nur nach der Therapie der Wahl – allerdings genau nach den Namen der D2-Agonisten. Sie sollten also alle Wirkstoffe dieser Wirkstoffklasse parat haben.
42.5
Myasthenia gravis
42.5.1
Definition
42.5.2
Therapieprinzip
Wirkstoffe
Acetylcholinesterasehemmer · Glukokortikoide · Immunsuppressiva · Plasmaaustauschbehandlung · Thymektomie
Cave
In der Frühphase der Glukokortikoidtherapie (meist innerhalb der ersten Woche) können sich die myasthenen Beschwerden passager verschlechtern! Gegebenenfalls muss daher die Therapie unter stationären Bedingungen erfolgen.
42.5.3
Verbotene Medikamente bei Myasthenia gravis
•
Muskelrelaxanzien (erhöhte Empfindlichkeit auf Curarepräparate; Suxamethonium soll gar nicht eingesetzt werden, da die Wirkung nicht antagonisierbar ist, Kap. 17.4.2)
•
β-Blocker (alle Vertreter, z. B. Propranolol, Timolol; auch bei Anwendung als Augentropfen)
•
Antikonvulsiva (Benzodiazepine, Carbamazepin)
•
Analgetika (Flupirtin, Opioidanalgetika)
•
Antiarrhythmika (Chinidin, Ajmalin, Procainamid)
•
Antibiotika (Aminoglykoside, Makrolide, Lincomycine, Fluorchinolone, Tetrazykline, Penicilline in hoher Dosierung)
•
Antidepressiva (Amitriptylin)
•
Kalziumkanalblocker (Verapamil, Diltiazem, Nifedipin & Co.)
•
Botulinustoxin, Lithium, Magnesium, Statine
Lerntipp
Bezüglich der Myasthenia gravis fragte das IMPP hauptsächlich nach den Medikamenten, die man bei der Erkrankung nicht geben sollte, aber auch nach der Therapie (Basistherapie mit Pyridostigmin, Glukokortikoid, Azathioprin) und deren Nebenwirkungen.
42.6
Spastik
•
Die lokale Botulinustoxin-A-Therapie ist gut geeignet für die Behandlung fokaler, multifokaler oder segmentaler Verteilung der Spastik.
•
Die orale antispastische Therapie hingegen ist bei generalisierter Spastizität von immobilen Patienten zur Verminderung der Spasmen und Pflegeerleichterung indiziert.
•
Bei schwerer generalisierter Spastik kann Baclofen Baclofen:Spastikmittels Pumpen intrathekal infundiert werden.
42.7
Multiple Sklerose (MS)
42.7.1
Definition
42.7.2
Therapieprinzip
Wirkstoffe
-
•
akuter Schub: GlukokortikoidestoßtherapieGlukokortikoidstoßtherapie
-
•
Basistherapie: Interferon β · Glatirameracetat
-
•
Eskalationstherapie: Mitoxantron · Natalizumab · Fingolimod
•
Mitoxantron: Mitoxantronbewirkt eine Interkalierung der DNA und DNA-Einzel- und Doppelstrangbrüche. Bei der MS kommt es in der Folge zu einer verminderten Antikörperbildung durch B-Lymphozyten und Abnahme der Myelin-Zerstörung durch Makrophagen. Mitoxantron ist kardiotoxisch und erhöht das Risiko für eine Herzinsuffizienz.
•
Natalizumab: Natalizumabist ein Antikörper gegen leukozytäre Oberflächenantigene (und zwar gegen das Alpha-4-Integrin), sodass Immunzellen nicht mehr die Blut-Hirn-Schranke überwinden und somit im ZNS nicht mehr am Entzündungsprozess teilnehmen können. Es besteht ein erhöhtes Risiko für Infekte und die Entwicklung einer progressiven multifokalen Leukoenzephalopathie.
•
Fingolimod: Fingolimodunterdrückt den Austritt aktivierter T-Lymphozyten aus dem Lymphknoten in die Blutbahn. Die Therapie ist nebenwirkungsreich (Lymphopenie, Sehstörungen [Makulaödem], Bradykardie).
•
Spastik: z. B. Baclofen, Tetrahydrocannabinol + Cannabidiol, Botulinustoxin A
•
neuropathische Schmerzen: Amitriptylin, Gabapentin
•
Blasenfunktionsstörung: Anticholinergika (z. B. Oxybutynin)
•
Gehstörung: Fampridin (neuronaler Kalziumkanalblocker, der die Aktionspotenzialbildung in demyelinisierten Axonen verbessern soll; kann die Gehfähigkeit verbessern)
42.8
Zu guter Letzt
Klinischer Fall
-
1.
Ein 58-jähriger Patient mit neu festgestelltem Morbus Parkinson soll von Ihnen medikamentös behandelt werden. Was verordnen Sie?
-
2.
Nennen Sie das Mittel der Wahl für folgende Erkrankungen: Absencen, fokale Anfälle bei Metastasen, Restless-Legs-Syndrom, Grand-mal-Status, Myasthenia gravis, juvenile myoklonische Epilepsie, Rigor und Tremor unter einer Neuroleptikatherapie, Basistherapie der Multiplen Sklerose bei schubförmigem Verlauf.
Antworten:
-
1.
Therapie der Wahl sind D2-Agonisten (z. B. Ropinirol).
-
2.
Absencen – Ethosuximid, fokale Anfälle bei Metastasen – Lamotrigin, Restless-Legs-Syndrom – L-Dopa, D2-Agonisten, Grand-mal-Status – Lorazepam i. v., Myasthenia gravis – Pyridostigmin + Prednisolon + Azathioprin, juvenile myoklonische Epilepsie – Valproat, Rigor und Tremor unter einer Neuroleptikatherapie – Biperiden, Basistherapie der Multiplen Sklerose bei schubförmigem Verlauf – Interferon β, Glatirameracetat.