© 2022 by Elsevier GmbH
Bitte nutzen Sie das untenstehende Formular um uns Kritik, Fragen oder Anregungen zukommen zu lassen.
Willkommen
Mehr InformationenB978-3-437-41357-5.00003-X
10.1016/B978-3-437-41357-5.00003-X
978-3-437-41357-5
Elsevier GmbH
Entstehung des Ruhemembranpotenzial:Entstehung\"\iRuhemembranpotenzials an einer Neuron:Ruhemembranpotenzial\"\iNervenzelle:Ruhemembranpotenzial\"\iNervenzelle. Der Gesamtvorgang wurde in Teilprozesse zerlegt. Zur Registrierung des Membranpotenzials sind eine intrazelluläre Mikroelektrode und eine extrazelluläre Referenzelektrode mit einem Messinstrument verbunden. Im unteren Bildteil wird das in den oberen Bildteilen gemessene Membranpotenzial angezeigt. a Na+ und K+ sind gleichmäßig im Intra- und Extrazellulärraum verteilt. b Die Na+/K+-Pumpe (Kreissymbol) transportiert K+ in die Zelle hinein und Na+ hinaus. Dadurch entsteht eine ungleichmäßige Ionenverteilung, d.h. ein IonenkonzentrationsgradientIonenkonzentration:Gradient. Dieser Gradient bewirkt eine treibende Kraft (dicke Pfeile), die vom Ort der höheren zum Ort der niedrigeren Konzentration gerichtet ist. Die meist vorhandene Elektrogenität der Na+/K+-Pumpe ist hier nicht berücksichtigt. c Da die Zellmembran unter Ruhebedingungen für K+ durchlässig ist (dagegen praktisch nicht für Na+), folgen die Kaliumionen der treibenden Kraft des Konzentrationsgradienten und strömen aus der Zelle aus. Dadurch entsteht extrazellulär ein positives und intrazellulär ein negatives elektrisches Feld. d Die elektrischen Felder bilden eine zweite treibende Kraft, die die Kaliumionen wieder in die Zelle „zurücktreiben“. Schließlich entsteht ein Gleichgewicht, das sich als K+-Kaliumgleichgewichtspotenzial\"\iGleichgewichtspotenzial messen lässt.
[3.1]

Treibende Kräfte des Ruhemembranpotenzial:treibende Kräfte\"\iRuhemembranpotenzials, die für den Strom von K+ und Natrium:Nervenzellmembran\"\iNa+ durch die Kalium:Nervenzellmembran\"\iIonenstrom:Nervenzellmembran\"\iNervenzellmembran verantwortlich sind.
[3.1]

Registrierung von Ionenstrom:Registrierung\"\iIonenströmen durch Membrankanäle mit der Patch-Clamp-Patch-Clamp-Technik\"\iTechnik. Eine fein ausgezogene Kapillare und eine großflächige Referenzelektrode sind mit einem Gerät zur Konstanthaltung des Membranpotenzials (Voltage-Clamp-Voltage-Clamp-Verstärker\"\iVerstärker) und Registrierung des zur Spannungsklemme notwendigen Stroms verbunden. Befinden sich beide Elektroden weit von der Zelle entfernt im Extrazellulärraum, wird kein Strom registriert (unterer Bildteil links). Saugt man einen Membranfleck, in dem sich ein Kanal befindet, mit der Elektrode an, werden pulsförmige Ströme erfasst (unterer Bildteil rechts). Ö = Öffnung, S = Schließung des Kanals.
[3.2]

Registrierung des Membranpotenzials mit der Mikroelektrodentechnik. Wenn die Mikroelektrode im Intrazellulärraum:Mikroelektrode\"\iIntrazellulärraum liegt (rechter Bildteil), lässt sich das Membranpotenzial (MP) messen (unterer Bildteil rechts).

Veränderung des Membranpotenzial:Veränderung\"\iMembranpotenzials einer Nervenzelle bei erhöhter K+-Kalium:Ionenpermeabilität\"\iPermeabilität (PK+) je nach Ausgangswert des Membranpotenzials (MP). Mit einer Mikroelektrode (ME1) in der Nervenzelle wird das MP gemessen, mit einer anderen (ME2) wird der Ausgangswert des MP eingestellt. Für jeden dieser Ausgangswerte wird die K+-Permeabilität selektiv erhöht. Die Pfeile im rechten Bildteil symbolisieren die – gleichbleibende, von innen nach außen wirkende – Kraft durch die Konzentrationsdifferenz (1), die – sich ändernde, nach intrazellulär wirkende – Kraft durch die Potenzialdifferenz (2) und die Nettokraft (3). Stellt man das MP auf –40 mV ein (oben), ist das Zellinnere vergleichsweise positiv und die Potenzialdifferenz zwischen Intra- und Extrazellulärraum relativ klein. Im Ergebnis strömt K+ aus der Zelle aus. Bei –100 mV als Ausgangs-MP ist die Potenzialdifferenz dagegen sehr groß, sodass viel K+ in die Zelle einströmt.

Spannungsgesteuerte Ionenkanäle, Bau und FunktionIonenkanal:spannungsabhängiger. a Molekularer Aufbau eines Kaliumkanals. Oben links ist der Gesamtkanal mit seinen 4 Untereinheiten, oben rechts eine Untereinheit mit den Segmenten S1–S6 vergrößert dargestellt. In der unteren Reihe ist eine Untereinheit „aufgefaltet“. b Funktionszustände eines spannungsgesteuerten Ionenkanals.
[3.2]

Entstehung eines Aktionspotenzial:Entstehung\"\iAktionspotenzials. a Künstliche Depolarisation:Aktionspotenzial\"\iDepolarisation einer Nervenzelle mithilfe einer externen Stromquelle. Der Versuchsaufbau entspricht dem der Abb. 3.5; ME1 = Mikroelektrode zur Registrierung des Membranpotenzials (MP), ME2 = Mikroelektrode, die an den positiven Pol einer Stromquelle (I) angeschlossen ist. Je nach angelegtem Strom wird das MP mehr oder weniger kompensiert und dadurch vermindert. b Zeitverlauf des Natriumein- und Kaliumausstroms. c Aktionspotenzial, das durch die in b dargestellten Ionenströme entsteht; MS = Membranschwelle, EK+ = Gleichgewichtspotenzial für K+, ENa+ = Gleichgewichtspotenzial für Na+.

Öffnung und Schließung einzelner spannungsgesteuerter IonenkanäleIonenkanal:spannungsabhängiger bei Depolarisation eines Membranfleckens (Patch). a Messanordnung. Dem Patch wird eine rechteckige Depolarisation (Kommandopotenzial) aufgezwungen, und die dadurch ausgelösten Membranströme werden gemessen; Ö = Öffnung, S = Schließung des Kanals, MP = Membranpotenzial. b Messungen des Stroms durch 7 Natriumkanäle bei einem Kommandopotenzial. c Messungen des Stroms durch 7 Kaliumkanäle bei einem Kommandopotenzial. d Addition der Ströme durch die Natriumkanäle zu einem einwärts gerichteten Gesamtstrom. e Addition der Ströme durch die Kaliumkanäle zu einem auswärts gerichteten Gesamtstrom.
[3.2]

Aktivierbarkeit und Aktivierung von NatriumkanälenNatriumkanal:spannungsabhängiger. a Ist das Ruhemembranpotenzial länger anhaltend in negativer Richtung verschoben (verstärkt), nimmt die Aktivierbarkeit der Natriumkanäle zu, bei entsprechender Verschiebung in positiver Richtung nimmt sie ab. Diese Kurve wird auch Inaktivierungs-Inaktivierungskurve\"\i oder H-∞-H-<221E>-Kurve\"\iKurve genannt, da sich der Anteil der bereits inaktivierten Kanäle bei einer (unendlich) lang anhaltenden Membranpotenzialveränderung ablesen lässt. b Bei einem gegebenen Ruhemembranpotenzial hängt die Aktivierung der Natriumkanäle zunächst von der Höhe einer raschen Depolarisation (Membranpotenzial) ab. Bei niedriger extrazellulärer Kalziumkonzentration [Ca2+]a genügen bereits geringere Depolarisationen, um dasselbe Ausmaß an Aktivierung zu erreichen wie unter normaler [Ca2+]a (durchgezogene Linie). Bei erhöhter [Ca2+]a gilt das Umgekehrte.

Refraktärität:Aktionspotenzial\"\iRefraktärität eines Neuron:Refraktärität\"\iNeurons im Anschluss an ein Aktionspotenzial (MS = Membranschwelle, RMP = Ruhemembranpotenzial).
[3.3]

Erregungsauslösung bei intrazellulärer Erregungsauslösung:intrazelluläre Stromeinleitung\"\iStromeinleitung. Künstliche Depolarisation eines kugelförmigen und eines lang gestreckten neuronalen Elements über eine externe Stromquelle. Der Stromfluss wird jeweils rasch auf einen höheren Wert eingestellt. a Über die Mikroelektrode 2 (ME2) wird ein Strom (I) in die kugelförmige Zelle geleitet und gleichzeitig über die Mikroelektrode 1 (ME1) die resultierende Änderung des Membranpotenzials (MP) registriert. b Veränderungen des Membranpotenzials an verschiedenen Stellen (MP1–MP3) einer lang gestreckten neuronalen Struktur (z.B. einer Nervenfaser) während der Einleitung eines konstanten Stroms am linken Ende des Elements. Unterhalb der neuronalen Struktur ist das Ausmaß der resultierenden Membranpotenzialänderung (ΔMP) wiedergegeben. λ = Längskonstante.

Erregungsauslösung:extrazelluläre Stromapplikation\"\iErregungsauslösung bei extrazellulärer Stromapplikation. Änderungen des Membranpotenzials einer Nervenfaser bei extrazellulärer Applikation eines unterschwelligen Stroms langer Dauer über Ballelektroden (positive Anode und negative Kathode) an der Fasermembran. Durch den intra- und extrazellulären Stromfluss verschiebt sich das Membranpotenzial (ΔMP) sowohl zwischen den Strom führenden Polen (intrapolar) als auch außerhalb (extrapolar) der Pole. Diese Verschiebungen werden mit den Mikroelektroden ME1–ME6 abgegriffen und sind in der unteren Kurve wiedergegeben. Die Distanz, in der ΔMP auf den e-ten Teil der maximalen Membranpotenzialänderung (ΔMPmax) abgefallen ist, wird als Längskonstante λ bezeichnet.

Reizzeit-Stromstärke-Reizzeit-Stromstärke-Beziehung\"\iBeziehung für einen peripheren Nerv bei Rechteckreizung. Die Kurve gibt die Beziehungen zwischen Stärke I und Dauer t von Schwellenreizen an.
[3.3]

Lokale Erregung an einer Nervenzelle. a Versuchsaufbau: Über die Mikroelektrode ME1 wird das Membranpotenzial (MP) registriert und über die Mikroelektrode ME2 mithilfe einer externen Stromquelle (I) verändert. b, c Zeitgleiche Registrierung der eingeleiteten Ströme (I; b) und der resultierenden Änderungen des Membranpotenzials (MP; c). Hyperpolarisierende Ströme steigender Amplitude lösen im gesamten Bereich Zunahmen des MP aus. Depolarisierende Ströme steigender Amplitude führen zunächst zu einer entsprechenden Abnahme des MP, ohne dass ein Aktionspotenzial entsteht (unterschwelliger Reiz). Im schwellennahen Bereich bewirken sie eine überproportionale Verminderung des MP (dunkelblaue Fläche, lokale Erregung) und schließlich eine Abnahme des MP, die die Membranschwelle überschreitet und damit ein Aktionspotenzial auslöst (überschwelliger Reiz).

Kontinuierliche und saltatorische ErregungsleitungErregungsleitung:Nerv an einer nicht myelinisierten (links) und myelinisierten (rechts) Nervenfaser. In derselben Zeiteinheit wird bei der kontinuierlichen Erregungsleitung der Weg 1, bei der saltatorischen Erregungsleitung der Weg 2 zurückgelegt. MP = Membranpotenzial, AP = Aktionspotenzial, MS = Membranschwelle. a An der linken Ableitungsstelle läuft ein AP ab, am restlichen Faserteil ist das Ruhemembranpotenzial nachzuweisen. Der rote Pfeil symbolisiert die transmembranösen Kationenströme. b An der Stelle, an der das AP abläuft, hat sich die Polung umgekehrt; somit ist eine Potenzialdifferenz entlang der Membran entstanden, der Ionenströme folgen (rote Pfeile). c An der rechten Elektrode entsteht durch die Ionenströme eine elektrotonische Depolarisation und, sobald die MS erreicht ist, ein AP.

Extrazelluläre PotenzialentstehungPotenzial:extrazelluläres bei der Erregungsleitung an einer Nervenfaser, an der an einem Ort eine extrazelluläre Elektrode (E) liegt. Einwärtsströme sind rot, resultierende Negativierungen im Extrazellulärraum blau und kapazitive Ströme und daraus erwachsene Positivierungen im Extrazellulärraum rot dargestellt. Bei einer aktiven Fortleitung des Aktionspotenzials entlang einer Faser bedingt ein Aktionspotenzial einen Einwärtsstrom, der zu intrazellulären Strömen und letztlich zu kapazitiven Auswärtsströmen führt. Kapazitive Auswärtsströme entstehen, weil die Membran technisch einen Kondensator darstellt, sodass eine Ladungsänderung auf der Innenseite dieser Membran zur Umladung des Kondensators und damit zum Stromfluss über den Kondensator führt, ohne dass hierzu ein Kanal geöffnet werden muss. Dies löst extrazelluläre Ströme auf die Stromsenke hinaus und schließt so den Stromkreis. In den Membranabschnitten, die das Aktionspotenzial bereits durchlaufen hat, gesellen sich zu den kapazitiven noch aktive Kaliumströme (K+) hinzu, da in diesen Bereichen die aktionspotenzialvermittelte Depolarisation auch spannungsabhängige KaliumkanäleKaliumkanal:spannungsabhängiger aktiviert hat. a Zum Zeitpunkt t = n registriert eine extrazelluläre Elektrode zunächst eine kleine Positivierung. b Zum Zeitpunkt t = n + 1 (die Natriumkanalöffnung findet nun genau „unter“ der Elektrode statt) kommt es zu einer steilen Negativierung. c Zum Zeitpunkt t = n + 2 liegt die Elektrode wieder im Bereich der kapazitiven Ströme, die nun durch Kaliumauswärtsströme ergänzt werden; hier zeigt sich wieder eine nunmehr größere Positivierung. Insgesamt ist das extrazellulär registrierte Faserpotenzial (FP) also triphasisch.

Extrazelluläre Aktionspotenzial:extrazelluläre Potenzialableitung\"\iPotenzialableitungPotenzial:extrazelluläres an einer Nervenfaser. St = Elektroden zur elektrischen Stimulation, E1, E2 = Ableitungselektroden, die mit einem Instrument zur Registrierung der elektrischen Spannung (U) verbunden sind. Die rote Fläche E entspricht der Erregungswelle (Aktionspotenzial = AP), die in Pfeilrichtung über die Nervenfaser läuft. Im rechten Bildteil sind die AP, die durch das Registrierinstrument angezeigt werden, als Funktion der Zeit dargestellt und dem aktuellen Verlauf der Erregungswelle im linken Bildteil zugeordnet. Die gestrichelte Senkrechte gibt den Zeitpunkt der Reizung an. a Registrierung von 2 monophasischen Potenzialen entgegengesetzter Polung, die das Bild eines diphasischen Potenzials ergeben (1–4). b Ist der Abstand der Ableitungselektroden kleiner als die räumliche Ausbreitung der Erregungswelle, wird die Erregung vorübergehend von beiden Elektroden erfasst (gestrichelte Potenziale im rechten Bildteil). Daraus resultiert in jedem Fall ein biphasisches Potenzial. c Bei Blockade der Erregungsleitung wird die Erregung nur noch durch eine Elektrode direkt abgeleitet. Es entsteht nur ein monophasisches Potenzial.

Synapsentypen. a Elektrische Synapse:elektrische\"\iSynapse: Connexine\"\iConnexine verbinden prä- und postsynaptische Anteile. b Chemische Synapse:chemische\"\iSynapse: Aus der präsynaptischen Faser wird ein Transmitter freigesetzt, der sich am postsynaptischen Neuron mit einem Rezeptor an einem Membrankanal verbindet. Der Transmitter-Rezeptor-Komplex steuert die Öffnung des Membrankanals.

Transmitter an einer chemischen SynapseSynapse:chemische. Der Transmitter wird in der präsynaptischen Faser synthetisiert, größtenteils in Vesikeln gespeichert und freigesetzt. Er bindet am spezifischen Rezeptor der postsynaptischen (subsynaptischen) Membran und wird schließlich durch Diffusion oder enzymatische Spaltung inaktiviert. Der Transmitter selbst oder seine Abbauprodukte werden teilweise in die präsynaptische Faser rücktransportiert.
[3.4]

Ligandengesteuerter Ionenkanal:ligandengesteuerter\"\iIonenkanal, Bau und Funktion (auch Abb. 3.6). a Molekularer Aufbau des postsynaptischen Anteils einer nikotinergen Acetylcholinsynapse\"\iAcetylcholin(ACh)-Synapse. Oben links ist der Gesamtkanal mit den Untereinheiten α bis δ dargestellt, oben rechts die Untereinheiten vergrößert mit den Segmenten M1 bis M4. In der unteren Zeile ist eine Untereinheit „aufgefaltet“. b Funktionszustände eines ligandengesteuerten Ionenkanals.
[3.5]

Wirkung eines Transmitter-Rezeptor-Transmitter-Rezeptor-Komplex\"\iKomplexes auf einen Membrankanal. G-Protein = guanosintriphosphatbindendes Protein. a Direkte Wirkung, der Rezeptor ist Bestandteil des Kanalproteins. b Indirekte Wirkung, die über cAMP (b1) oder Phosphoinositol (b2) vermittelt wird. Dabei hemmen Gi-Proteine die Adenylatcyclase, während Gs-Proteine sie aktivieren. Gq-Proteine aktivieren die Phospholipase C, die dann ihrerseits Inositoltrisphosphat:Transmitterwirkung\"\iInositoltrisphosphat generiert (auch Abb. 19.7, Abb. 19.8).

Typen von postsynaptischen PotenzialenPotenzial:postsynaptisches. Das Membranpotenzial (MP) des postsynaptischen Neurons wird mit einer Mikroelektrode registriert und ist im rechten Bildteil als Funktion der Zeit dargestellt. Zum Zeitpunkt t0 bindet der Transmitter an den Rezeptor; EPSC/IPSC = exzitatorischer/inhibitorischer postsynaptischer Strom („current“), EPSP/IPSP = exzitatorisches/inhibitorisches postsynaptisches Potenzial. a Ionenströme und Potenziale an einer exzitatorischen Synapse. b Ionenströme und Potenziale an einer inhibitorischen Synapse.

Bestimmung des Gesamtstroms an ligandengesteuerten Ionenkanälen. Ö = Öffnung, S = Schließung des Kanals. a Messanordnung. Einem Membranflecken (Patch) wird ein konstantes Membranpotenzial aufgezwungen. Dann wird ein Transmitter an die Außenseite appliziert, und die durch diese Applikation ausgelösten Membranströme werden gemessen. b Ströme durch 7 Kanäle, die durch den Transmitter geöffnet werden. c Addition der Ströme durch die 7 Kanäle zu einem einwärts gerichteten Gesamtstrom.
[3.5]

Mechanismus der präsynaptischen HemmungHemmung:präsynaptische durch präsynaptische Depolarisation. Die präsynaptischen Fasern 1 und 2 werden elektrisch stimuliert (St1, St2), gleichzeitig wird das Membranpotenzial aus den Endformationen der präsynaptischen Fasern (MP1 und MP2) sowie aus dem postsynaptischen Neuron (MP3) abgeleitet. a Die präsynaptische Faser 1 bildet eine Synapse am postsynaptischen Neuron, das eine Rezeptor-Kanal-Struktur enthält. Die präsynaptische Faser 2 bildet mit der Endformation der präsynaptischen Faser 1 ebenfalls einen synaptischen Kontakt („Synapse an Synapse“). b Eine isolierte Reizung der präsynaptischen Faser 1 (St1) löst in deren Endstruktur ein Aktionspotenzial (AP, MP1) aus, das im postsynaptischen Neuron ein exzitatorisches postsynaptisches Potenzial (EPSP) hervorruft (MP3). Eine isolierte Reizung der präsynaptischen Faser 2 (St2) löst in deren Endstruktur ein AP aus (MP2), das in der Endstruktur der präsynaptischen Faser 1 ein EPSP hervorruft (MP1), während im postsynaptischen Neuron jede Reaktion fehlt (MP3). Bei gekoppelter Reizung beider Fasern (erst Faser 2, dann Faser 1) kann aufgrund der Depolarisation (während des EPSP) in der Endformation der Faser 1 nur ein AP geringer Amplitude und Steilheit entstehen (MP1). Da das Ausmaß der Transmitterfreisetzung von der Änderung des Membranpotenzials abhängt, wird in diesem Fall von der Endformation der Faser 1 eine geringere Transmittermenge freigesetzt. Dementsprechend nimmt das EPSP im postsynaptischen Neuron ab (MP3). Die gekoppelte Aktivierung reduziert also die synaptische Exzitation des postsynaptischen Neurons, die über die Faser 1 vermittelt wird.

Summation und Interaktionen von EPSP und IPSP. Zeitliche und räumliche Summation von exzitatorischen (EPSP) und inhibitorischen postsynaptischen Potenzialen (IPSP) sowie Interaktionen von EPSP und IPSP. An einem postsynaptischen Neuron bilden die Fasern 1 und 2 exzitatorische, die Fasern 3 und 4 inhibitorische Synapsen. Die Aktionspotenziale, die sich über die Fasern 1–4 den zugehörigen Synapsen nähern, werden mithilfe von extrazellulären Elektroden abgeleitet.
[3.1]

Rückwärts-Rückwärtshemmung:Erregungsausbreitung\"\iErregungsausbreitung:Rückwärtshemmung\"\i und Vorwärtshemmung:Erregungsausbreitung\"\iErregungsausbreitung:Vorwärtshemmung\"\iVorwärtshemmung in Neuronennetzen. a Rückwärtshemmung: Eine Erregung des „Startneurons“ (1) resultiert über eine Aktivierung des nachfolgenden inhibitorischen Neurons (2) in einer Hemmung. b Vorwärtshemmung: Eine Erregung des „Startneurons“ (1) aktiviert das nachfolgende inhibitorische Neuron (4) und unterdrückt damit die Erregungsweiterleitung in der parallelen Neuronenkette, verhindert also, dass ein von 2 kommendes Aktionspotenzial in 3 ein Aktionspotenzial auslöst.
[3.1]

Kontrastbildung, laterale Hemmung\"\iKontrastbildung durch laterale Hemmung. Die Frequenz der Aktionspotenziale in den Neuronenketten ist durch die Anzahl der Querstriche auf den Fasern symbolisiert. Exzitatorische Neurone sind grün, inhibitorische Neurone rot dargestellt. a Neuronenketten ohne inhibitorische Neurone. Die Aktivierung der „Zielneurone“ (blaue Fläche unterhalb der Neuronenketten) entspricht derjenigen der Startneurone. b Neuronenketten mit inhibitorischen Neuronen. Durch die Hemmung der Neuronenketten neben der zentralen Kette entsteht ein Hemmungssaum direkt neben der zentralen Aktivierungszone.

Neuronenverband:Hemmung\"\iHemmung:Neuronenverband\"\iHemmung und Neuronenverband:Bahnung\"\iBahnung:Neuronenverband\"\iBahnung. Im linken Bildteil ist eine Neuronenkette aus den exzitatorischen Neuronen 3 und 4 dargestellt. Dem Neuron 3 sind das exzitatorische Neuron 1 und das inhibitorische Neuron 2 vorgeschaltet. Im rechten Bildteil ist für das Neuron 1 eine Daueraktivität aufgezeichnet, d.h., das Neuron 3 erhält einen regelmäßigen exzitatorischen Zustrom. Entladungen des Neurons 2 lösen im Neuron 3 dagegen inhibitorische postsynaptische Potenziale aus, wodurch das Membranpotenzial über den Ruhewert von –70 mV ansteigt und keine neuen Aktionspotenziale mehr entstehen (Inhibition). In der Folge erhält das Neuron 4 keine bahnenden Impulse mehr, wodurch das Membranpotenzial bis zum Ruhewert von –70 mV ansteigt und ebenfalls keine Aktionspotenziale mehr entstehen (Neuronenverband:Disfazilitation\"\iDisfazilitation:Neuronenverband\"\iDisfazilitation). Beendet das inhibitorische Neuron 2 seine Aktivität, überwiegen wieder die exzitatorischen Einflüsse des Neurons 1, und somit wird das Neuron 3 enthemmt (Neuronenverband:Disinhibition\"\iDisinhibition:Neuronenverband\"\iDisinhibition). Die vom Neuron 3 wieder gebildeten Aktionspotenziale führen im Neuron 4 zu einer Bahnung (Fazilitation) und dadurch dazu, dass auch hier wieder Aktionspotenziale gebildet werden.
[3.6]

Neuronenverband:Erregungsspeicherung\"\iNeuronenverband zur Erregungsspeicherung\"\iErregungsspeicherung. Exzitatorische Neurone sind grün, inhibitorische Neurone rot dargestellt. Durch eine einmalige Aktivierung des exzitatorischen Neurons 1 über den Eingang E1 kann in dem Neuronenkreis (Neurone 1–6) bei hinreichender Bahnung eine Erregung gespeichert werden, die über das Neuron 7 immer wieder einem Effektor zufließt. Durch eine Aktivierung des inhibitorischen Neurons 8 über den Eingang E2 kann das Neuron 7 gehemmt und der Zufluss zum Effektor unterbunden werden. Die Erregungsspeicherung im Neuronenkreis bleibt dabei erhalten. Eine Aktivierung des inhibitorischen Neurons 9 über den Eingang E3 hemmt das Neuron 3 und unterdrückt damit die kreisende Erregung (Löschung des Erregungsspeichers).
[3.1]

Abhängigkeit des Membranpotenzial:Gliazellen\"\iGliazellmembranpotenzials von der neuronalen Erregung. Ein Anstieg der extrazellulären K+-KonzentrationKaliumkonzentration:extrazelluläre, wie sie bei anhaltender neuronaler Erregung vorkommt, führt zur Depolarisation des Gliazellmembranpotenzials. Im jeweils linken Bildteil sind die Ableitungsanordnungen mit intrazellulären Mikroelektroden, im rechten Bildteil die entsprechenden Registrierungen wiedergegeben. a Die extrazelluläre Applikation von K+ führt zu einer durchgehenden Depolarisation der Gliazelle. b Das Aktionspotenzial im Neuron entsteht, indem Na+ ein- und K+ ausströmt. c Bei einer Serie von Aktionspotenzialen in einem Neuron steigt die extrazelluläre K+-Konzentration deutlich an. In benachbarten Gliazellen kommt es dadurch zur durchgehenden Depolarisation.

Räumliche K+-Pufferung durch Gliazellen. Kaliumpufferung\"\iGliazelle:Kaliumpufferung\"\iEin Neuron befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft zum Ende einer Kette von Gliazellen. Das Membranpotenzial (MP) des Neurons wird mit einer Mikroelektrode registriert und ist als Funktion der Zeit wiedergegeben. Das MP der Gliazellen ist in Zuordnung zur gesamten Ausdehnung der Zellkette dargestellt. Bei einer Serie von Aktionspotenzialen im Neuron steigt die extrazelluläre K+-KonzentrationKaliumkonzentration:extrazelluläre und bewirkt eine Depolarisation der benachbarten Gliazelle. Diese Depolarisation breitet sich elektrotonisch auf die übrige Gliazellkette aus. In der Nähe des Neurons ist das K+-Kaliumgleichgewichtspotenzial:Gliazellen\"\iGleichgewichtspotenzial (EK+) der Gliazelle weniger negativ als das MP, sodass K+ in die Gliazelle einströmt. Am anderen Ende der Gliazellkette ist das MP weniger negativ als das EK+, sodass K+ aus der Gliazelle ausströmt. Auf diese Weise wird K+ – in Abhängigkeit von der neuronalen Aktivität – im Gewebe umverteilt.

Aufbau der Blut-Hirn-Blut-Hirn-Schranke:Aufbau\"\iSchranke. Anatomisches Substrat der Blut-Hirn-Schranke sind die Endothelzelle:Blut-Hirn-Schranke\"\iEndothelzellen der Hirnkapillaren, zwischen den Astrozyten verbleiben dagegen so große Spalten, dass auch große Moleküle hindurchtreten können. a Räumliche Anordnung. b Querschnitt.

Regional gesteigerte Durchblutung beim Sprechen. Die beim Sprechen aktivierten Hirnregionen werden stärker durchblutet. Solche regionalen Steigerungen der Durchblutung sind sensitive Indikatoren für funktionelle Aktivierungen des Gehirns. Rot = Anstieg der Durchblutung auf Werte über 20% des Ausgangswertes, gelb = Anstieg auf Werte unter 20%.

Regulierende Faktoren der Hirndurchblutung:Regulation\"\iHirndurchblutungGehirn:Durchblutung. Die neurogene Regulation hat ihren Schwerpunkt an den in der Pia mater gelegenen Arterien (große Gefäße), die funktionsabhängige und metabolische Regulation wird dagegen eher an den Arteriolen im Gewebe wirksam.

Autoregulation der Hirndurchblutung:Autoregulation\"\iGehirn:Autoregulation\"\iHirndurchblutungGehirn:DurchblutungAutoregulation:Durchblutung. Im autoregulierten Bereich wird die Durchblutung bei wechselndem Perfusionsdruck weitgehend konstant gehalten. Wegen des niedrigen intrakranialen Drucks kann der Perfusionsdruck in erster Näherung mit dem arteriellen BlutdruckBlutdruck:arterieller gleichgesetzt werden. Bei hohen Perfusionsdrücken können die Hirngefäße gegen den Innendruck keine ausreichende Gegenkraft entwickeln: Sie werden aufgedehnt, ihr Widerstand sinkt, und die Hirndurchblutung steigt stärker an, als durch die Druckerhöhung zu erwarten ist. Bei niedrigem Perfusionsdruck reicht die Dilatation der Hirngefäße nicht aus, um die Durchblutung aufrechtzuerhalten. Bei extrem niedrigem Druck (Herzstillstand) verengen sich die Gefäße durch ihre elastischen Rückstellkräfte.

Zentralnervöse Veränderungen bei akutem Durchblutungsstopp des Gehirns.

Gehirn:InfarktIonenkonzentrationen von K+, Na+ und Cl– im Intra- und Extrazellulärraum von erregbaren Zellen (Nervenzellen, Skelett- und Herzmuskelfasern) bei Warmblütern. Die Werte schwanken stark je nach Untersuchungsverfahren und untersuchtem Gewebe.Ionenkonzentration:IntrazellulärraumIonenkonzentration:ExtrazellulärraumIntrazellulärraum:IonenkonzentrationenExtrazellulärraum:Ionenkonzentrationen
Ion | Intrazellulärraum | Extrazellulärraum |
K+ | 120–150 mmol/l | 4–5 mmol/l |
Na+ | 5–15 mmol/l | 140–150 mmol/l |
Cl– | 4–5 mmol/l | 120–150 mmol/l |
Einteilung der Nervenfasern nach Erlanger und Gasser.
[3.3]
Faserdurchmesser | Fasergruppe | Leitungsgeschwindigkeit (etwa) | Funktion |
3–20 μm | Aα | 80–120 m/s | motorische Impulse, afferente Impulse von Muskelspindeln und Sehnenorganen |
β | 60 m/s | Berührungsimpulse der Haut | |
γ | 40 m/s | efferente Impulse zu den kontraktilen Abschnitten der intrafusalen Muskelfasern | |
δ | 20 m/s | Impulse von Mechanorezeptoren, Kalt-, Warm- und Schmerzrezeptoren der Haut (rasche Schmerzfasern) | |
1–3 μm | B | 10 m/s | präganglionäre vegetative Fasern |
1 μm (marklos) | C | 1 m/s | postganglionäre vegetative Fasern und afferente Fasern des Grenzstrangs, Impulse von Mechano-, Kalt- und Warmrezeptoren, langsame Schmerzfasern |
Einteilung der Nervenfasern nach Lloyd und Hunt.
Faserdurchmesser | Fasergruppe | Leitungsgeschwindigkeit (etwa) | Funktion |
13 μm | I | 80–120 m/s | Ia: afferente Impulse von MuskelspindelnIb: afferente Impulse von Sehnenorganen |
9 μm | II | 60 m/s | Berührungsimpulse der Haut |
3 μm | III | 15 m/s | afferente Impulse von tiefen Mechanorezeptoren des Muskels |
1 μm (marklos) | IV | 1 m/s | langsame Schmerzfasern |
Rezeptortypen für Glutamat und GABA mit einigen ihrer wichtigsten Agonisten und Antagonisten sowie ihrer Wirkung auf Ionenströme und Zellmetabolismus (metabotrope Wirkung).Rezeptor:GlutamatRezeptor:GABANMDA-Rezeptor:GlutamatrezeptorenKainat-RezeptorGlutamat:WirkungenGlutamat:RezeptorenGABA:WirkungenGABA:RezeptorenAntagonist:GlutaminAntagonist:GABAAMPA-Rezeptor
Transmitter | Rezeptortypen | Wirkung | Agonist | Antagonist | |
Ionenströme | Gesamtwirkung | ||||
Glutamat | NMDA-Rezeptor | ↑ für Na+, K+, Ca2+ | depolarisierend (exzitatorisch) | N-Methyl-D-Aspartat | APV |
AMPA-Rezeptor | ↑ für Na+, K+, (Ca2+) | AMPA | CNQX | ||
Kainat-Rezeptor | ↑ für Na+, K+ | Kainat | CNQX | ||
metabotroper Glutamatrezeptor | Metabolismus | tACPD | MCPG | ||
GABA | GABAA-Rezeptor | ↑ für Cl– | hyperpolarisierend (inhibitorisch) | Muscimol | Bicucullin, Picrotoxin |
GABAB-Rezeptor | ↑ für K+ | Baclofen | Saclofen | ||
GABAC-Rezeptor | ↑ für Cl– | CACA | TPMPA, Picrotoxin |
AMPA = α-Amino-3-Hydroxy-5-Methylisoxazol-4-Propionsäure; tACPD = trans-(±)-1-Amino-1,3-Cyclopentandicarbonsäure; APV = 2-Amino-5-Phosphovaleriansäure; CNQX = 6-Cyano-7-Nitroquinoxalin-2,3-Dion; MCPG = α-Amino-4-Carboxy-α-Methylphenylessigsäure; CACA = cis-4-Aminocrotonsäure; TPMPA = (1,2,5,6-Tetrahydropyridin-4-yl) Methylphosphinsäure
Zusammensetzung von Blutplasma und Liquor.Proteine:LiquorProteine:BlutplasmaNatrium:LiquorNatrium:BlutplasmaLiquor cerebrospinalis:ZusammensetzungKalzium:LiquorKalzium:BlutplasmaKalium:LiquorKalium:BlutplasmaGlukose:LiquorGlukose:BlutplasmaChlorid:LiquorChlorid:Blutplasma
Substanz | Blutplasma | Liquor |
Natrium | 145 mmol/l | 147 mmol/l |
Kalium | 4,6 mmol/ll | 3 mmol/l |
Kalzium | 2,5 mmol/ll | 1,2 mmol/l |
Chlorid | 102 mmol/ll | 120 mmol/l |
Glukose | 5 mmol/ll | 3,3 mmol/l |
Proteine | 75 g/ll | 0,2 g/l |
Allgemeine Neurophysiologie
-
3.1
Ruhemembranpotenzial16
-
3.2
Aktionspotenzial22
-
3.3
Erregungsleitung30
-
3.4
Erregungsübertragung35
-
3.5
Erregungsausbreitung im Neuronenverband43
-
3.6
Physiologie der Gliazellen46
-
3.7
Blut-Hirn-Schranke, Liquor cerebrospinalis48
-
3.8
Hirndurchblutung50
Zur Orientierung
Die zentrale Aufgabe des Nervensystems besteht darin, Informationen aufzunehmen, weiterzuleiten, zu verarbeiten und (wieder) abzugeben. Zur Erfüllung dieser Aufgabe werden im Wesentlichen elektrische Signale benutzt. Folgende Nervensystem:GrundmechanismenGrundmechanismen können beobachtet werden:
•
Entwicklung von Bioelektrizität an den Membranen einzelner Neurone (Ruhemembranpotenzial)
•
Änderungen der bioelektrischen Aktivität zur Verschlüsselung von Informationen (Aktionspotenziale)
•
Weiterleitung der Aktivitätsänderungen (Erregungsleitung)
•
Übertragung der Bioelektrizität auf andere Neurone (Erregungsübertragung und ausbreitung im Neuronenverband)
•
Einstellung des neuronalen Mikromilieus als Voraussetzung für die Entstehung bioelektrischer Signale (Physiologie der Gliazellen)
3.1
Ruhemembranpotenzial
Zur Orientierung
Über der Membran einer Nervenzelle – wie über fast allen anderen Zellmembranen des Organismus – besteht ein elektrisches Potenzial. Dieses Membranpotenzial oder Ruhemembranpotenzial entsteht nach den Regeln der allgemeinen Elektrizitätslehre durch einen Ionenstrom. Das Membranpotenzial bildet die Grundlage für eine bioelektrische Aktivität, die zur Codierung und Weiterleitung von Informationen dient.
3.1.1
Elektrolyte im Intra- und Extrazellulärraum
•
Natrium- und Kaliumionen haben eine positive Ladung (Na+, K+). Deshalb werden sie durch den negativen Pol eines elektrischen Felds (Kathode) angezogen und dementsprechend als KationenKationen bezeichnet.
•
Chloridionen sind negativ geladen (Cl–) und heißen AnionenAnionen, da sie zum positiven Pol eines elektrischen Felds (Anode) wandern. Neben den Chloridionen kommen besonders im Intrazellulärraum auch große, nur schwer bewegliche Anionen, die Proteine, vor.
3.1.2
Treibende Kräfte des Ruhemembranpotenzials
Natrium-Kalium-Pumpe
MERKE
Na+ und K+ werden Ischämie:GehirnInfarkt:GehirnHirntod:FeststellungHirntod:DefinitionHirndrucksteigerungGehirn:DrucksteigerungjeweilsHirntod:Diagnostik vom Ort der niedrigeren zum Ort der höheren Konzentration transportiert.
Ionenkonzentrationsgradienten als erste treibende Kraft
MERKE
Aus den Konzentrationsgradienten für die Ionen resultiert eine erste treibende, d.h. auf eine Bewegung hinzielende Kraft (dicke Pfeile in Abb. 3.1). Sie ist vom Ort der höheren Konzentration zum Ort der niedrigeren Konzentration gerichtet, d.h., sie treibt K+ aus der Zelle heraus und Na+ umgekehrt in die Zelle hinein (Abb. 3.2 oben).
•
IonenselektivitätIonenselektivitätZellmembran:IonenkanalIonenkanal:Membran: Die Kanäle lassen nur bestimmte Ionen passieren, was einerseits auf der Größe der hydratisierten Ionen im Verhältnis zum Kanaldurchmesser beruht, während andererseits „Energiehürden“ in den Kanälen eine Rolle spielen, die sich u.a. aus der Bindungsaffinität des hindurchtretenden Ions im Kanal ergeben.
•
Wechsel der Membran:IonenkanalKonformationZellmembran:Ionenkanal (Abb. 3.6b): Ionenkanäle nehmen unterschiedliche Konformationszustände an. Sie können für die betreffenden Ionen durchlässig (offen, aktiviert) oder undurchlässig (geschlossen, inaktiviert) sein.
Das elektrische Feld als zweite treibende Kraft und das Kaliumgleichgewichtspotenzial
MERKE
Die zweite treibende Kraft, die aus dem elektrischen Feld resultiert und K+ in das Zellinnere hineinzieht, wirkt der ersten treibenden Kraft entgegen. Daher ist der K+-Ausstrom begrenzt. Er sistiert, sobald beide Kräfte im Gleichgewicht stehen.
MERKE
Das K+-Gleichgewichtspotenzial liegt bei den meisten Warmblüterneuronen zwischen –80 und –90 mV. Der Intrazellulärraum:KaliumgleichgewichtspotenzialIntrazellulärraum ist dabei gegen den Extrazellulärraum:KaliumgleichgewichtspotenzialExtrazellulärraum negativ geladen.



Weitere Einflüsse auf das Ruhemembranpotenzial

MERKE
Membranpotenziale an Nerven- und Muskelzellen entstehen durch die ungleiche Verteilung der verschiedenen Ionensorten im Intra- und Extrazellulärraum und die selektive Permeabilität der neuronalen Membran. Der Ionenstrom, der schließlich das Membranpotenzial aufbaut, wird durch die Kräfte bestimmt, die sich aus dem ionalen Konzentrationsgradienten und dem elektrischen Feld ergeben.
3.1.3
Änderungen des Ruhemembranpotenzials
MERKE
Depolarisation = Abschwächung des Membranpotenzials, d.h. Verschiebung zur positiven Seite.
Hyperpolarisation = Verstärkung des Membranpotenzials, d.h. Verschiebung zur negativen Seite.
Änderungen der Ionenkonzentrationsgradienten
Klinik
Künstlicher HerzstillstandEin chirurgischer Eingriff am Herzen (Bypass, Herzklappenersatz, Korrektur angeborener Herzfehler) erfordert eine reversible Stilllegung des Organs. Ein solcher künstlicher Herzstillstand wird erreicht, indem die Aorta abgeklemmt wird und Lösungen mit hoher K+-Konzentration (> 20 mM) für die Perfusion der Koronararterien und des Myokards verwendet werden (sog. kardioplege Lösungen). Wird zusätzlich zur Erhöhung der K+-Konzentration die Na+-Konzentration gesenkt und damit eine ähnliche Ionenverteilung wie im Intrazellulärraum hergestellt, spricht man in der Klinik von einer „intrazellulären“ Lösung. Auch Blut kann als Vehikel für die Kardioplegie benutzt werden, indem man Kaliumionen zusetzt. Durch die hohen K+-Konzentrationen werden Depolarisationen der Herzmuskelfasern hervorgerufen. Sie führen schließlich dazu, dass der Herzmuskel unerregbar wird (Abb. 3.9a) und aufhört zu schlagen. Damit wird das Herz in einem diastolischen (schlaffen) Zustand einer sicheren Operation zugänglich.
Dieser Abschnitt wurde unter klinischer Beratung von H. H. Scheld, Münster, erstellt.
Änderungen der Ionenpermeabilitäten
•
Wird die Durchlässigkeit der Membran für Na+ Natrium:Ionenpermeabilitätbei gegebener Konzentrationsdifferenz erhöht, strömt mehr Na+ pro Zeiteinheit in die Zelle und führt zu einer Depolarisation.
•
Eine Permeabilitätssteigerung Kalium:Ionenpermeabilitätfür K+ bewirkt bei einem Ruhemembranpotenzial von etwa –60 mV eine Hyperpolarisation der Membran bis hin zum K+-Gleichgewichtspotenzial.
MERKE
Das Membranpotenzial wird durch eine Steigerung der K+-Permeabilität:
•
negativer (Hyperpolarisation:KaliumpermeabilitätHyperpolarisation), wenn das Ausgangspotenzial positiver ist als das K+-Gleichgewichtspotenzial,
•
positiver (Depolarisation:KaliumpermeabilitätDepolarisation), wenn das Ausgangspotenzial negativer ist als das K+-Gleichgewichtspotenzial und
•
dies jeweils umso mehr, je weiter sich das Ausgangspotenzial vom K+-Gleichgewichtspotenzial entfernt.
Entsprechende Gesetzmäßigkeiten ergeben sich für Verschiebungen des Membranpotenzials, die durch selektive Änderungen der Na+- und Cl–-Permeabilitäten ausgelöst werden.
ZUSAMMENFASSUNG
Nervenzellmembran und Elektrolyte
Treibende Kräfte des Ruhemembranpotenzials
Änderungen des Ruhemembranpotenzials
3.2
Aktionspotenzial
Zur Orientierung
Zur Erzeugung und Weiterleitung von Signalen (Information) muss sich das Membranpotenzial ändern. Diese Änderungen werden durch kurz dauernde Ionenströme über die Zellmembran erzielt. Die dabei entstehenden impulsförmigen Membranpotenzialschwankungen charakterisieren den Aktivitätszustand einer Nervenzelle; sie werden als neuronale Erregungen oder Aktionspotenziale bezeichnet.
3.2.1
Spannungsabhängige Ionenkanäle
Aktionspotenziale als Informationsträger
MERKE
Die Variationen des Membranpotenzials werden als Aktionspotenziale bezeichnet und eignen sich zur Verschlüsselung (Codierung) von Informationen. Die Aktionspotenziale verschiedener Zelltypen können sich in ihrer Form erheblich unterscheiden. Sie spiegeln insgesamt die durch eine Depolarisation:AktionspotenzialDepolarisation ausgelöste neuronale Entladung wider und werden daher als neuronale Erregungen dem Ruhemembranpotenzial gegenübergestellt.
Aufbau und Funktion spannungsgesteuerter Ionenkanäle
•
Geschlossen und aktivierbar: Die Kanäle sind in Ruhe geschlossen und können durch eine Depolarisation aktiviert, d.h. geöffnet, werden.
•
Geöffnet: Die Kanäle wurden durch eine Depolarisation aktiviert und sind geöffnet. Beim Öffnen wird das Kanalmolekül umgelagert. Die dabei auftretenden Ladungsverschiebungen sind als sog. Torströme (Gating Currents) messbar.
•
Inaktiviert: Die geöffneten Kanäle inaktivieren sich noch während der Depolarisation. Eine Depolarisation kann sie in diesem Zustand der Inaktivierung („sekundäre“ Geschlossenheit) nicht aktivieren und öffnen. Erst eine Repolarisation der Membran kann die Kanäle wieder aktivierbar machen.Ionenkanal:spannungsabhängiger
Klinik
Pharmakaeinfluss auf IonenkanälePharmaka können die Funktionen spannungsgesteuerter Ionenkanäle beeinflussen: Tetrodotoxin (TTX) und verschiedene Lokalanästhetika (z.B. Lidocain) blockieren z.B. die Öffnung von Natriumkanälen, Tetraethylammonium (TEA) die Öffnung von Kaliumkanälen und anorganische zweiwertige Ionen (z.B. Cd2+), biologische Toxine oder sog. organische Kalziumantagonisten (Diphenylalkylamine, Dihydropyridine; Kap. 9.2, Kap. 11.3.3) die Öffnung von Kalziumkanälen. Die Inaktivierung des Natriumkanals ist durch Veratridin blockierbar.
3.2.2
Ablauf des Aktionspotenzials
Membranschwelle
Entstehung von Aktionspotenzialen: Natriumeinwärtsstrom
•
Die Natriumkanäle schließen sich nach kurzer Zeit (bei Nervenzellen nach ca. 1 ms) selbstständig (Inaktivierung; Abb. 3.6b).
•
Das Membranpotenzial nähert sich dem Na+-Gleichgewichtspotenzial, das im positiven Bereich liegt (Abb. 3.7c); während des Overshoots ist die treibende Kraft für Na+, die sich aus dem elektrischen Feld ergibt, in ihrer Richtung bereits umgekehrt: Na+ wird durch die Positivität des Zellinneren abgestoßen.
MERKE
Entstehung von Aktionspotenzial:EntstehungAktionspotenzialen: Die Natriumkanäle öffnen sich, es strömt unter positiver Rückkoppelung so viel Na+ ein, dass sich das Membranpotenzial umkehrt und ein Overshoot entsteht. Durch die Positivität des Zellinneren wird Na+ jetzt abgestoßen, gleichzeitig werden die Natriumkanäle inaktiviert, sodass die Depolarisation des Neurons abgeschlossen ist.
Beendigung von Aktionspotenzialen: Kaliumauswärtsstrom
MERKE
Beendigung von Aktionspotenzial:BeendigungAktionspotenzialen: Die Kaliumkanäle öffnen sich kurz nach den Natriumkanälen, der gesteigerte K+-Ausstrom baut das Membranpotenzial wieder auf und beendet das Aktionspotenzial (Abb. 3.7c), die Kaliumkanäle schließen sich dann wieder.
Öffnung und Schließung spannungsgesteuerter Ionenkanäle
Nachpotenziale
3.2.3
Charakteristika des Aktionspotenzials
MERKE
Die Alles-oder-nichts-Regel besagt nicht, dass die Amplitude von Aktionspotenzialen unter allen Bedingungen konstant ist.
MERKE
Kalzium wirkt stabilisierend auf erregbare Membranen.
Klinik
TetanieSinkt die Ca2+-Konzentration im Blut (Hypokalzämie), steht eine Übererregbarkeit des Nervensystems im Vordergrund der klinischen Erscheinungen (Tetanie). Charakteristisch sind unkontrollierte Kontraktionen der Skelettmuskulatur, z.B. die Pfötchenstellung der Hände und Streckkrämpfe der Beine, sog. Karpopedalspasmen. Auch bei der glatten Muskulatur (z.B. der Bronchien) sind Spasmen zu beobachten. Kribbelparästhesien der Hände und Perioralregion sind Zeichen dafür, dass auch das sensorische System übererregt ist.
Die Ca2+-Konzentration kann zu niedrig sein, wenn über längere Zeit zu wenig Kalzium mit der Nahrung zugeführt, zu wenig Kalzium im Darm resorbiert oder zu wenig Parathormon bzw. zu viel Kalzitonin freigesetzt wird (Kap. 19.2.9). Auch ein alkalischer pH-Wert des Blutes, z.B. bei Hyperventilation oder bei häufigem Erbrechen, senkt die Ca2+-Konzentration, weil Ca2+ vermehrt an Proteine gebunden wird.
Eine niedrige Ca2+-Konzentration ist in der Regel leicht korrigierbar, indem Kalzium verabreicht und der pH-Wert im Blut zur azidotischen Seite (Hypoventilation oder CO2-Rückatmung aus einem Beutel) verschoben wird.
Dieser Abschnitt wurde unter klinischer Beratung von E. B. Ringelstein, Münster, erstellt.
MERKE
Die neuronale Membran verhält sich während des Ablaufs einer Erregung gegenüber weiteren induzierten Depolarisationen Depolarisation:Refraktäritätrefraktär.
MERKE
Die zur Auslösung eines weiteren Aktionspotenzials notwendige Depolarisation muss umso größer sein, je früher sie sich an das vorangehende Aktionspotenzial anschließt. Amplitude und Steilheit der folgenden Aktionspotenziale sind zunächst erheblich reduziert und nähern sich erst mit weiterem Abstand zum vorangegangenen Aktionspotenzial wieder dem Ausgangswert (Abb. 3.10).
•
In der absoluten Refraktärphase, die an Refraktärität:absoluteNervenzellen etwa die Dauer des Aktionspotenzials umfasst, ist auch durch induzierte Depolarisationen höchster Amplitude kein weiteres Aktionspotenzial auslösbar.
•
An die absolute schließt sich die relative Refraktärphase an. Während Refraktärität:relativedieser Periode können zwar wieder Aktionspotenziale hervorgerufen werden, jedoch sind dazu höhere Depolarisationsamplituden als zur Auslösung des vorangehenden Aktionspotenzials erforderlich.
3.2.4
Reiz und Erregungsauslösung
Reize
MERKE
Jeder äußere Einfluss, der in der Lage ist, eine erregbare Struktur bis zur Membranschwelle:ReizMembranschwelle zu depolarisieren, wird als Reiz:DefinitionReiz bezeichnet.
Erregungsauslösung bei intrazellulärer Stromeinleitung
MERKE
Diese durch einen injizierten Strom ausgelöste Änderung des Membranpotenzial:intrazelluläre StromeinleitungMembranpotenzials wird als elektrotonisches Potenzial:elektrotonischesPotenzial oder ElektrotonusElektrotonus bezeichnet.
•
Am Ort der Stromzufuhr steigt das elektrotonische Potenzial steil an. Die Steilheit der Depolarisation nimmt mit der Entfernung von der stromzuführenden Elektrode ab. Das ist darauf zurückzuführen, dass der depolarisierende Strom den Widerstand des Intrazellulärraums überwinden muss.
•
Auch der Endwert der elektrotonischen Depolarisation nimmt mit der Entfernung vom Ort der Strominjektion ab (Abb. 3.11b).
Extrazelluläre Stromapplikation
Klinik
Bestimmung der NervenleitungsgeschwindigkeitBei der Nervenreizung zur Bestimmung der Nervenleitungsgeschwindigkeit (Kap. 3.3.3) werden die zu untersuchenden Nervenfasern über Elektroden gereizt, die an entsprechenden Hautstellen angelegt werden. Um örtlich eine möglichst hohe Stromdichte zu erzeugen, ist eine der Elektroden kleinflächig ausgebildet. Sie wird als differente Elektrode möglichst nahe an den zu prüfenden Nerv herangebracht und gegen eine großflächige, indifferente Elektrode geschaltet. Beim Einschalten des Stroms (= Schließen des Stromkreises) entsteht an der Kathode eine Depolarisation (Abb. 3.12). Beim Ausschalten (= Öffnen des Stromkreises) bildet sich an der Anode die Hyperpolarisation zurück, d.h., das Membranpotenzial bewegt sich ebenfalls in Richtung Depolarisation. Beide Vorgänge können Aktionspotenziale auslösen, die – entsprechend ihrer Entstehung – als Kathodenschließungserregung oder als Anodenöffnungserregung bezeichnet werden. Die Entstehung der Anodenöffnungserregung wird noch dadurch unterstützt, dass durch die vorausgehende Hyperpolarisation die Aktivierbarkeit der Natriumkanäle zugenommen hat (s.a. Abb. 3.9a).
Reizung
MERKE
Zur Erregungsauslösung sind eine ausreichende Amplitude und eine ausreichende Dauer des Reizstroms notwendig (sog. überschwelliger Reiz). Dabei kann die Verkürzung der Reizdauer in einem beschränkten Rahmen durch eine Erhöhung der Reizamplitude kompensiert werden.
Klinik
DiathermieBei Wechselstromfrequenzen von 106 Hz und mehr treten Reizwirkungen auf Nervenzellen und Muskelfasern auch unter Einwirkung hoher Stromstärken nicht mehr auf. Solche Wechselströme werden zur Erwärmung tiefer liegender Gewebe mithilfe der sog. Diathermie herangezogen. Diese Verfahrensweise beruht darauf, dass ein Strom, der durch einen Widerstand fließt, Wärme erzeugt. Die Wärmemenge, die dabei entsteht, nimmt mit der Größe des Widerstands, mit dem Quadrat der Stromstärke und der Dauer des Stromflusses zu.
Elektrosmog∗Elektrogeräte erzeugen durch ihre Stromversorgung elektrische und magnetische Felder, die man umgangssprachlich als „Elektrosmog“ bezeichnet. Prinzipiell können energiereiche elektrische Felder bei niederfrequenter Anwendung Nervenzellen und Muskelfasern stimulieren und bei hochfrequenter Anwendung zur Wärmebildung führen (s. Diathermie). Ebenso lassen sich magnetische Felder zur Reizung von Nervenzellen heranziehen, wenn z.B. ein sich rasch änderndes Magnetfeld, das außerhalb des Kopfes erzeugt wird, im Hirngewebe einen Stromfluss induziert, der seinerseits Aktionspotenziale auslöst. Im Fall des Elektrosmogs sind die magnetischen Felder allerdings sehr inhomogen und fallen mit zunehmender Entfernung von der Quelle stark ab. Es gibt bisher keinen eindeutigen Nachweis, dass Elektrosmog das menschliche Hirngewebe beeinflusst.
∗
Dieser Abschnitt wurde unter klinischer Beratung von C. E. Elger, Bonn, erstellt.
Lokale Erregung
ZUSAMMENFASSUNG
Spannungsgesteuerte Ionenkanäle
Aktionspotenzial
3.3
Erregungsleitung
Zur Orientierung
Die Aktionspotenziale der Nervenzellen sind ein bioelektrisches Ereignis, das der Verschlüsselung und Weiterleitung von Informationen dient. Den Transport der codierten Information leisten die Nervenfasern, die mithilfe von Ionenströmen entlang der Fasermembran in der Lage sind, Aktionspotenziale weiterzuleiten.
3.3.1
Typen der Erregungsleitung
Kontinuierliche Erregungsleitung
MERKE
Nervenfasern ohne Myelinscheide:ErregungsleitungMyelinscheide: kontinuierliche Erregungsleitung, Nervenfasern mit Myelinscheide: saltatorische Erregungsleitung.
Saltatorische Erregungsleitung
Klinik
Multiple Sklerose (MS)Bei der MS handelt es sich um einen multilokulären und bevorzugt um die Hirnventrikel auftretenden Zerfall der Myelinscheiden im ZNS (Entmarkungserkrankung des ZNS). Als Ursache werden viral getriggerte Immunprozesse angenommen, die die körpereigenen Markscheiden zerstören (Autoaggressionskrankheit). Durch den Myelinscheidenzerfall wird die Erregungsleitung verzögert (Abb. 3.15) und zum Teil sogar unterbrochen. Als Folge sind Störungen in allen Teilen des Nervensystems möglich (Visusstörung, Augenmuskellähmungen, spastische Lähmungen der Extremitäten, Ataxie, Blasenstörungen, Demenz). Als ein Leitsymptom gilt die Latenzverlängerung der visuell evozierten Potenziale, die Folge der Retrobulbärneuritis des N. opticus ist (Kap. 6.1.1).
Dieser Abschnitt wurde unter klinischer Beratung von E. B. Ringelstein, Münster, erstellt.
3.3.2
Extrazelluläre Potenziale
Extrazelluläre Potenzialentstehung
•
Zunächst tritt der dem Aktionspotenzial vorauseilende elektrotonische Längsstrom auf, der sich wie ein Längsstrom, elektrotonischerAuswärtsstrom positiver Ionen verhält (Abb. 3.16a).
•
Darauf folgt der Einwärtsstrom von Na+ während des Aktionspotenzials (Abb. 3.16b).
•
Die Folge wird durch einen weiteren Auswärtsstrom beschlossen. Er besteht wiederum in einem elektrotonischen Längsstrom von der bereits repolarisierten zur erregten Membranstelle (Abb. 3.16c).
Extrazelluläre Registrierung der Erregung: bipolare und unipolare Ableitung
•
Befinden sich die beiden Ableitungselektroden E1 und E2 an 2 unerregten Stellen der Nervenfaser, ist keine Potenzialdifferenz nachweisbar.
•
Wird das eine Ende der Faser durch einen elektrischen Reiz (St) erregt, läuft das ausgelöste Aktionspotenzial (AP) über die gesamte Faser.
•
Wenn es an der Elektrode E1 vorbeiläuft, zeigt das Registrierinstrument eine Potenzialdifferenz an (1 in Abb. 3.17a), die sich wieder zurückbildet, wenn sich das AP zwischen den beiden Ableitungselektroden befindet (2 in Abb. 3.17a).
•
Sobald die Erregungswelle den Faseranteil unter der Elektrode E2 durchläuft, ergibt sich erneut eine Potenzialdifferenz zur inzwischen wieder unerregten Stelle unter der Elektrode E1.
•
Aufgrund der Polung des Registrierinstruments hat der Ausschlag in der Registrierung die Richtung gewechselt (3 in Abb. 3.17a).
3.3.3
Leitungsgeschwindigkeit von Nervenfasern
MERKE
Ein Aktionspotenzial breitet sich umso schneller über eine Nervenfaser aus (die elektrotonische Depolarisation ist umso schneller und die Faserlängskonstante Längskonstante <03BB>:Nervenleitungsgeschwindigkeitλ umso größer), je
•
mehr Na+ in die Faser einströmt, d.h., je größer der Strom zur Depolarisation benachbarter Membranabschnitte ist,
•
dicker die Faser ist, d.h., je geringer der intrazelluläre Widerstand,
•
höher der Membranwiderstand ist, d.h., je schlechter der Strom über die Membran fließen kann.
3.3.4
Stofftransport in Nervenfasern (intraaxonaler Transport)
•
Der schnelle anterograde Transport erreicht eine Stofftransport:anterograderGeschwindigkeit von bis zu 40 cm pro Tag. Als Transportmedium dienen Vesikel und Ribosomen, die an Vesikel, StofftransportTubuli und Ribosomen:StofftransportFilamenten entlang transportiert werden. Dabei wird ATP verbraucht.
•
Der langsame anterograde Transport bewegt Komponenten des Stofftransport:anterograderZellskeletts sowie Enzyme mit einer Geschwindigkeit von 0,1–0,5 cm/d.
•
Der retrograde Transport (bis zu 20 cm/d) ist in Stofftransport:retrogradernoch nicht endgültig geklärter Weise für die Aufrechterhaltung der Eiweißsynthese im Zellkörper von Bedeutung.
Klinik
Störungen des intraaxonalen TransportsDurch Schadstoffe und durch Stoffwechselstörungen kann der intraaxonale Transport eingeschränkt werden. Dadurch sind viele unterschiedliche Erkrankungen des Nervensystems möglich:
•
Ist der schnelle anterograde Transport blockiert, treten v.a. in der Skelettmuskulatur denervationsähnliche Veränderungen auf. Dazu gehören unwillkürliche Kontraktionen einzelner Faserbündel eines Muskels (faszikuläre Zuckungen). Gleichzeitig werden die betroffenen Muskelfasern auch außerhalb der Endplattenregion gegenüber Acetylcholin empfindlich.
•
Fällt der retrograde Transport aus, fehlen Stoffe, die für die Aufrechterhaltung von Struktur und Funktion der Neurone von Bedeutung sind. Von der Peripherie her fallen die Axone aus und gehen schließlich unter (sog. „dying back“). Dadurch sind die Funktionen des sensorischen, motorischen und vegetativen Nervensystems gestört (Polyneuropathie). Die Symptome beginnen distal und schreiten langsam nach proximal fort.
Krankheitserreger im intraaxonalen TransportViren können offensichtlich intraaxonal transportiert werden. Gelangt z.B. das Herpes-simplex-Virus in die Haut, wird es von Nervenfasern aufgenommen und in ihnen zum ZNS transportiert. So kann der retrograde Transport eine Rolle bei der Entstehung entzündlicher Neuropathien spielen. Vermutlich gelangt das die Poliomyelitis („Kinderlähmung“) auslösende Poliovirus über Nervenfasern in das ZNS, bewirkt dort den Untergang von Neuronen und führt so schließlich zu ausgeprägten Lähmungen. In ähnlicher Weise soll das Toxin des Tetanusbazillus über Nervenfasern in das Vorderhorn des Rückenmarks gelangen, wo es Hemmungsprozesse an den α-Motoneuronen unterdrückt. Dadurch kommt es zu einer exzessiv gesteigerten Grundspannung der Skelettmuskulatur.
Dieser Abschnitt wurde unter klinischer Beratung von E. B. Ringelstein, Münster, erstellt.
ZUSAMMENFASSUNG
Aktionspotenziale, die der Verschlüsselung und Weiterleitung von Informationen dienen, werden mithilfe von Ionenströmen (Kationen) entlang der Nervenfasermembran weitergeleitet. Die Kationen folgen dabei elektrischen Feldern – im Intrazellulärraum und Extrazellulärraum in entgegengesetzter Richtung – und führen bei Erreichen der Membranschwelle zu einer Fortleitung des Aktionspotenzials entlang der Faser.
Typen der Erregungsleitung
Leitungsgeschwindigkeit
3.4
Erregungsübertragung
Zur Orientierung
Informationen werden im Nervensystem in Sequenzen von Aktionspotenzialen verschlüsselt und über Nervenfasern weitergeleitet. Zur Verarbeitung müssen die Informationen auf andere Neurone und Effektorzellen übertragen werden. Bei der Erregungsübertragung sind verschiedene Mechanismen möglich. Meist setzen ankommende Aktionspotenziale aus den Endstrukturen der vorgeschalteten Nervenfasern sog. Überträgerstoffe (Transmitter) frei, wodurch in den nachgeschalteten Zellen Ionenströme über die Zellmembran und damit Membranpotenzialänderungen ausgelöst werden.
3.4.1
Formen der Erregungsübertragung
•
Homomere Hemiconnexone stellen eine im Wesentlichen ohmsche elektrische Verbindung zwischen Zellen dar; elektrische Signale werden entsprechend dem ohmschen Gesetz reduziert, wobei sich Spannungsänderungen auf 1–20% des Ausgangswertes verringern.
•
Heteromere Hemiconnexone können auch gleichrichtende Eigenschaften haben und so Strom nur in eine Richtung leiten (Reizleitungssystem des Herzens).
3.4.2
Transmitter und Transmitter-Rezeptor-Komplex
Synthese, Freisetzung und Inaktivierung von Transmittern
•
als Reservepool frei im synaptischen Endknopf und
•
als unmittelbar freisetzbare Vesikel („readily releasable pool“) unmittelbar mit der präsynaptischen Membran verbunden (an der sog. aktiven Zone) vor.
Wirkungen des Transmitter-Rezeptor-Komplexes auf assoziierte Ionenkanäle
MERKE
Ligandengesteuerte Ionenkanäle weisen eine hohe Spezifität für Transmitter sowie eine hohe Selektivität für die durch den geöffneten Kanal hindurchströmenden Ionen auf. Kanäle dieses Typs erhalten ihre Bezeichnung nach ihrem Hauptliganden (z.B. Glutamat- oder GABA-Kanal; Tab. 3.4).
•
Geschlossen und aktivierbar: Die Kanäle sind geschlossen und können durch die Bindung eines Transmitters aktiviert, d.h. geöffnet werden.
•
Geöffnet: Die Kanäle wurden durch die Bindung eines Transmitters geöffnet.
•
Desensitisiert: Die Kanäle werden während der Bindung eines Transmitters wieder geschlossen und sind dann nicht wieder aktivierbar, also dem Transmitter gegenüber unempfindlich.
Mechanismen der Kanalöffnung durch einen Transmitter-Rezeptor-Komplex
•
Direkte Wirkung (Abb. 3.21a): Der Rezeptor ist Bestandteil des Kanalproteins (ionotroper Rezeptor). Im Moment der Rezeptor:ionotroperTransmitterbindung ändert sich die Konformation der Kanalproteine und der Membrankanal öffnet sich. Löst sich der Transmitter vom Rezeptor, ist der Membrankanal sofort wieder verschlossen. So wirkt z.B. GABA, wenn es sich mit dem GABAA-Rezeptor verbindet.
•
Indirekte Wirkung (Abb. 3.21b): Der Transmitter-Rezeptor-Komplex (metabotroper Rezeptor) aktiviert in einem ersten Rezeptor:metabotroperSchritt ein guanosintriphosphatbindendes Protein (G-ProteinG-Protein:Rezeptor). Über intrazelluläre Botenstoffe (sog. Second Messenger) werden spezifische Second Messenger:metabotroper RezeptorPhosphorylierungsvorgänge stimuliert, die schließlich zur Kanalöffnung führen.
MERKE
Die Kontrolle von Membrankanälen über Second-Messenger-Systeme trägt entscheidend zur funktionellen Plastizität des Nervensystems bei.
3.4.3
Postsynaptische Potenziale
Exzitatorische und inhibitorische postsynaptische Potenziale
MERKE
Das veränderte Membranpotenzial der postsynaptischen Membran wird als postsynaptisches Potenzial bezeichnet.
•
exzitatorische (erregende) postsynaptische Potenziale (EPSP)
•
inhibitorische (EPSP (exzitatorisches postsynaptisches Potenzial)hemmende) postsynaptische Potenziale (IPSP)
MERKE
Synaptische Depolarisation:synaptischeDepolarisationen werden als exzitatorische postsynaptische Potenziale (EPSP) bezeichnet, synaptische Hyperpolarisation:synaptischeHyperpolarisationen als inhibitorische postsynaptische Potenziale (IPSP).
Gesamtströme bei ligandengesteuerten Ionenkanälen
Abhängigkeit der EPSP und IPSP vom Membranpotenzial
•
Das EPSP wird umso kleiner, je näher das MembranpotenzialPotenzial:postsynaptisches bei 0 mV liegt; bei ca. −10 mV kehrt sich die Polarität der EPSP-Amplitude um (EPSP-Gleichgewichtspotenzial, EEPSP).
•
Das IPSPPotenzial:postsynaptisches wird umso kleiner, je weiter das Membranpotenzial von 0 mV entfernt ist; bei ca. −70 mV kehrt sich die Polarität der IPSP-Amplitude um (IPSP-Gleichgewichtspotenzial, EIPSP; auch Abb. 3.5).
Abhängigkeit der EPSP und IPSP vom Transmitter
MERKE
Die Polarität postsynaptischer Potenziale wird durch die Kombination von Transmitter-Rezeptor-Komplex und Ionenselektivität der assoziierten Membrankanäle bestimmt.
Klinik
Exzitotoxizität bei EpilepsieBei einer exzessiven Steigerung der Erregung im Neuronenverband, wie sie z.B. bei großen und lang anhaltenden epileptischen Anfällen vorkommt, können Nervenzellen untergehen. Dieser toxische Effekt einer „Übererregung“ ist offensichtlich auf die Wirkung exzitatorischer Transmitter (Exzitotoxizität) zurückzuführen.
GlutamatIn den Neuronennetzen des ZNS gehört Glutamat zu den wichtigsten exzitatorischen Transmittern. Wenn die Konzentration von Glutamat im Extrazellulärraum und damit die Aktivierung der entsprechenden Rezeptoren (Tab. 3.4) einen kritischen Wert überschreitet, gehen die Nervenzellen unter. Dabei kann die Glutamatkonzentration nicht nur bei einer Übererregung ansteigen, sondern auch, wenn die Gliazellen weniger Glutamat aufnehmen (Kap. 3.6), z.B. bei einer metabolischen Erschöpfung oder wenn die extrazelluläre K+-Konzentration infolge einer zerebralen Durchblutungsstörung (Hirnischämie) oder einer Hirnblutung ansteigt.
NMDA-Rezeptor und KalziumFür die zellschädigende Wirkung von Glutamat ist in erster Linie der NMDA-Rezeptor verantwortlich. Wird er aktiviert, diffundiert neben Na+ auch Ca2+ in die Zelle (Tab. 3.4). Eine hohe Glutamatkonzentration führt also letztlich zur Ca2+-Überladung in der Zelle. Dadurch werden Kaskaden enzymatischer Reaktionen angestoßen, die u.a. zum Abbau von Strukturproteinen und zur Auflösung der Zellmembran führen.
Dieser Abschnitt wurde unter klinischer Beratung von O.W. Witte, Jena, erstellt.
3.4.4
Aspekte der Erregungsübertragung
Synapsenlokalisation
•
Membrankanäle, die für die Generierung von Aktionspotenzialen verantwortlich sind, befinden sich überwiegend an Soma und Axon.
•
Aufgrund des elektrotonischen Potenzialabfalls (Abb. 3.11b) nimmt die funktionelle Wirkung der Synapsen mit der Entfernung vom Soma ab.
MERKE
Somanahe Synapsen haben im Hinblick auf die Auslösung von Aktionspotenzialen die größte Effizienz. Synapsen in entfernten Dendriten beeinflussen dagegen die Auslösung neuronaler Erregungen nur geringfügig.
Post- und präsynaptische Hemmung
Zeitliche und räumliche Summation von EPSP und IPSP
MERKE
In der Regel liegen an einem postsynaptischen Neuron simultan zeitliche und räumliche Summationen vor. Summationen lassen sich sowohl für EPSP als auch für IPSP nachweisen. Durch eine Summation von IPSP kann das Membranpotenzial natürlich nur bis zum Gleichgewichtspotenzial dieser postsynaptischen Potenziale (EIPSP) zunehmen.
Interaktionen von EPSP und IPSP
ZUSAMMENFASSUNG
Formen der Erregungsübertragung
•
Bei elektrischen Synapsen (Gap Junctions) sind prä- und postsynaptische Seite durch Proteine (Connexine) direkt miteinander verbunden. Die Connexine bilden tunnelartige Strukturen, durch die Ionen und niedermolekulare Substanzen von einer Zelle in die andere gelangen. Ihren Namen haben elektrische Synapsen erhalten, weil die Erregung bei diesen Synapsen durch elektrotonische Ströme übertragen wird.
•
Bei chemischen Synapsen sind Prä- und Postsynapse durch einen Spalt voneinander getrennt. Die Erregung wird durch chemische Substanzen (Transmitter) übertragen, die in der präsynaptischen Endigung gespeichert sind. In chemischen Synapsen wird die in der präsynaptischen Endigung einlaufende Erregung in ein chemisches Signal transformiert.
Transmitter und Transmitter-Rezeptor-Komplex
•
Bindet der Transmitter an einen ionotropen Rezeptor, ändert sich die Konformation des Kanalproteins, was zur – fast sofortigen – Öffnung des Kanals führt. Bereits während der Bindung des Transmitters kann der Rezeptor aber wieder in einen geschlossenen, nicht aktivierbaren Zustand übergehen (Desensitisierung). Beispiele für einen solchen Mechanismus sind die Aktivierung von Chloridkanälen durch den Transmitter GABA oder die Aktivierung bestimmter Kationenkanäle durch den Neurotransmitter Glutamat.
•
Bindet der Transmitter an einen Rezeptor, der nicht identisch mit einem Kanalprotein ist, kommt es zur Aktivierung von G-Proteinen und in weiteren Schritten zur Wirkung auf Membrankanäle. Beispiel hierfür ist die Wirkung des Neurotransmitters Dopamin.
Postsynaptische Potenziale
Verschaltungen von Neuronen
3.5
Erregungsausbreitung im Neuronenverband
Zur Orientierung
Durch die Mechanismen der Erregungsübertragung ergeben sich an Neuronen vielfältige Möglichkeiten der Informationsverarbeitung. Von diesen Möglichkeiten wird Gebrauch gemacht, wenn einzelne Neurone zu einem Verband zusammengeschaltet sind. Dabei lassen sich einige Grundschaltungen differenzieren, in denen divergierende und konvergierende Erregungsausbreitungen, rückwärts und vorwärts gerichtete Hemmungsprozesse, Kontrastbildungen sowie zirkuläre Erregungsflüsse zur Informationsspeicherung stattfinden.
3.5.1
Prinzipien der Erregungsausbreitung
Divergenz- und Konvergenzprinzip
MERKE
Nicht jedes Aktionspotenzial wird im Nervenzellverband fortgeleitet, vielmehr kann die Erregung selektiert werden. Bei der Erregungsausbreitung im ZNS sind Divergenz und Konvergenz meist eng miteinander vernetzt.
Rückwärts- und Vorwärtshemmung
Kontrastbildung durch laterale Hemmung
MERKE
Durch laterale Hemmungen nimmt die „Abbildungsschärfe“ eines peripher wirksamen Aktivierungsmusters in übergeordneten Strukturen des ZNS zu.
Disinhibition (Enthemmung) und Disfazilitation (Entbahnung)
MERKE
Bei der Erregungsausbreitung im Neuronenverband verschieben Inhibition bzw. Disfazilitation das Membranpotenzial in Richtung Hyperpolarisation und Fazilitation bzw. Disinhibition in Richtung Depolarisation.
Klinik
Entladungsmuster bei EpilepsienBei normaler Funktion des ZNS weisen die Nervenzellen eines Verbandes asynchrone Entladungsmuster auf, die in der Regel aus einzelnen Aktionspotenzialen oder aus Zweier- oder Dreiergruppen von Aktionspotenzialen bestehen. Dagegen sind bei epileptischen Anfällen kurze, hochfrequente Serien von Aktionspotenzialen nachzuweisen, die in allen Neuronen eines Verbandes zur gleichen Zeit, also hochsynchronisiert, auftreten und durch Depolarisationen hoher Amplitude („paroxysmal depolarization shifts“) ausgelöst werden. Dieser Zustand „höchster funktioneller Ordnung“ ist nicht mit einer normalen Funktion des Nervensystems vereinbar.
SymptomatikAls Epilepsien bezeichnet man Krankheiten, bei denen es aufgrund einer Fehlleistung des Gehirns wiederholt zu plötzlich auftretenden, vorübergehenden Funktionsstörungen des Organismus kommt. Dabei können sowohl das motorische (z.B. Muskelzuckungen, Stürze) als auch das sensorische System (Empfindungen, Wahrnehmungen, vegetative Störungen, z.B. der Herz-Kreislauf-Funktion) betroffen sein.
AnfallstypenBei einigen der vielfältigen epileptischen Anfälle deuten die klinischen und elektroenzephalografischen Veränderungen (Kap. 6.1) an, dass zumindest im Anfang nur ein begrenzter Teil einer Hirnhemisphäre epileptische Aktivität zeigt (Partialanfälle, fokale oder lokale Anfälle). Bei anderen deuten die ersten klinischen Zeichen bereits darauf hin, dass sich die epileptische Aktivität auf beide Hirnhemisphären erstreckt (generalisierte Anfälle).
Dieser Abschnitt wurde unter klinischer Beratung von P. Wolf, Bielefeld/Bethel, erstellt.
3.5.2
Erregungsspeicherung im Neuronenverband
MERKE
Das Grundelement von Verschaltungen zur Erregungsspeicherung ist also eine kreisförmige Anordnung exzitatorischer Neuron:exzitatorisches, ErregungsspeicherungNeurone. Die einmalige Aktivierung des Eingangs genügt dabei, um bei ausreichender Bahnung die Erregung kreisen zu lassen.
3.6
Physiologie der Gliazellen
Zur Orientierung
Sowohl bei der Entstehung und Leitung von Aktionspotenzialen als auch bei der Erregungsübertragung von einer Zelle auf die nächste fließt K+ aus dem Zellinneren heraus. Eine extrazelluläre K+-Ansammlung würde das Ruhemembranpotenzial vermindern und schließlich die Erregungsentstehung beeinträchtigen. Die Gliazellen sorgen jedoch für eine Umverteilung von K+ und tragen damit entscheidend zur Einstellung des extrazellulären ionalen Mikromilieus während neuronaler Aktivität bei. Daneben spielen Gliazellen eine wichtige Rolle bei der synaptischen Übertragung, da sie Transmitter aufnehmen, um- und abbauen.
3.6.1
Beeinflussung des Mikromilieus
MERKE
Gliazellen können weder Aktionspotenziale noch postsynaptische Potenziale generieren – dazu sind die Ströme, die insgesamt durch die Membrankanäle fließen, im Verhältnis zur hohen K+-Permeabilität zu klein. Gliazellen kommen damit als informationsverarbeitende Elemente nicht – zumindest nicht direkt – in Betracht.
MERKE
Bei einer Folge von neuronalen Aktionspotenzialen steigt die extraneuronale K+-Konzentration an, und es kommt zu einer anhaltenden Depolarisation:GliazellenDepolarisation der benachbarten Gliazellen.
•
Sie verhindert eine hohe extrazelluläre K+-Konzentration im neuronalen „Aktivitätsherd“. Das neuronale Ruhemembranpotenzial wird damit nicht kritisch vermindert und die Erregungsentstehung ist nicht beeinträchtigt.
•
In Gewebearealen, die entfernt vom neuronalen „Aktivitätsherd“ liegen, steigt die extrazelluläre K+-Konzentration infolge der weiten Verzweigung der Gliazellen nur geringfügig. Diese Veränderung kann dennoch dazu führen, dass das Membranpotenzial in diesen Arealen etwas vermindert ist und die Nervenzellen damit leichter erregbar sind. Das hat unter extremen Bedingungen, z.B. bei epileptischen Anfällen, möglicherweise eine Bedeutung für die neuronale Synchronisierung (Kap. 3.5).
3.6.2
Funktionen bei der synaptischen Übertragung
•
Gliazellen verhindern durch ihre räumliche Anordnung eine Ausbreitung des freigesetzten Transmitters.
•
Gliazellen können Transmitter aufnehmen, Transmitter:Gliazellensie haben z.B. sehr effektive Transportsysteme für die Transmitter GABA und Glutamat (Kap. 3.4.2). Daneben nehmen sie GABA:Gliazellenauch Glutamat:GliazellenSerotonin (5-HT), Noradrenalin, Dopamin (Transporter hemmbar u.aSerotonin:Gliazellen. durch KokainNoradrenalin:Gliazellen und Dopamin:GliazellenAmphetamine), Adenosin und Histamin auf.
•
Gliazellen bauen GABA unterAdenosin:Gliazellen Mitwirkung derHistamin:Gliazellen GABA-Transaminase vollständig ab und formen Glutamat durch die Glutaminsynthetase zu Glutamin um.
•
Gliazellen setzen Glutamin frei, das dann von den Neuronen aufgenommen und wieder zu Glutamat umgebaut wird.
3.7
Blut-Hirn-Schranke, Liquor cerebrospinalis
Zur Orientierung
Im gesamten Organismus sind die Zellen der einzelnen Organe von einer Extrazellulärflüssigkeit umgeben, deren Zusammensetzung in engen Grenzen reguliert wird. Das ZNS ist gegenüber Schwankungen in der Zusammensetzung der umgebenden Flüssigkeit besonders geschützt: Zum einen sind die Zellen im ZNS vom Liquor cerebrospinalis umgeben, der über die Plexus choroidei in seiner Zusammensetzung reguliert und konstant gehalten wird; zum anderen sind die Kapillaren, die das Gehirn und das Rückenmark versorgen, durch die Blut-Hirn-Schranke so abgedichtet, dass nur ein selektiver Transport von Stoffwechselsubstraten abläuft, während andererseits die Atemgase aufgrund ihrer Lipidlöslichkeit frei diffundieren können.
3.7.1
Blut-Hirn-Schranke
Anatomie und Schrankenfunktion
•
Tight Junctions verschließen die Räume zwischen den Tight Junctions:Blut-Hirn-SchrankeEndothelzellen vollständig. Eine Passage ist also nur durch die Endothelzellen selbst möglich.
•
Die lipidhaltige Membran der Endothelzellen ist für wasserlösliche Moleküle nur wenig durchlässig.
•
Enzyme in den Endothelzellen können Transmitter inaktivieren; Adrenalin, das aus dem Transmitter:Blut-Hirn-SchrankeNebennierenmark freigesetzt wird Adrenalin:Blut-Hirn-Schrankeund im Blut zirkuliert, erreicht das Gehirn in veränderter Form. Umgekehrt kann aber auch Adrenalin, das aus Neuronen im Gehirn stammt, nicht unverändert ins Blut gelangen.
Austauschfunktion der Blut-Hirn-Schranke
3.7.2
Blut-Liquor-Schranke und Liquor cerebrospinalis
MERKE
Die Blut-Liquor-Schranke hat andere Permeabilitätscharakteristika als die Blut-Hirn-Schranke.
ZUSAMMENFASSUNG
Die Blut-Hirn-Schranke im Kapillarendothel und in den Tight Junctions verhindert den Eintritt zahlreicher wasserlöslicher Substanzen aus dem Blut in das Gehirn. Sie ermöglicht mithilfe unterschiedlicher Carrier auch den Transfer von Nährstoffen in das Gehirn und den selektiven Austransport auch körperfremder Substanzen. Außerdem können lipidlösliche Verbindungen, insbesondere die Atemgase, die Blut-Hirn-Schranke frei passieren.
3.8
Hirndurchblutung
Zur Orientierung
Die Gehirndurchblutung ist eng an den Funktionszustand des Gehirngewebes gekoppelt. Mittler der lokalen Koppelung sind Signalstoffe, die funktions- (K+) und stoffwechselabhängig (H+, Adenosin) vom Hirngewebe freigesetzt werden und hierdurch die Widerstandsgefäße des Gehirns beeinflussen. Neben dieser Vasomotorik verfügen die Hirngefäße über eine Autoregulation, welche die Durchblutung konstant hält, wenn sich die Perfusionsdrücke ändern. Die Ischämie des Gehirns hat innerhalb von Sekunden Funktionsausfälle zur Folge, die je nach dem Ausmaß der Ischämie schon nach wenigen Minuten irreversibel werden können.
3.8.1
Werte in Ruhe und bei Aktivierung
Normalwerte
MERKE
Durchblutung und O2-Verbrauch des Gehirns sind regional unterschiedlich hoch, wobei in der grauen Substanz 3–4-fach höhere Werte als in der weißen Substanz zu finden sind.
Hirndurchblutung bei funktioneller Aktivierung
Nachweismethoden
3.8.2
Regulation
Regulierende Faktoren
•
Eine sympathische Innervation kann eine tonisierende konstriktorische Wirkung auf Blutgefäße ausüben, die allerdings im Vergleich zu anderen Organen – wie Haut oder Skelettmuskel – von geringer Bedeutung ist.
•
Eine gegengerichtete, mäßig dilatierende Wirkung übt das Endothel auf die glatte Gefäßmuskulatur über die Freisetzung von Stickstoffmonoxid (NO) und Derivaten der Arachidonsäure aus.
•
Zusätzlich kann die Abscherung des Gefäßendothels durch das vorbeiströmende Blut eine weitere Dilatation vorgeschalteter Blutgefäße verursachen (durchblutungsabhängige Dilatation). Hierdurch wird die Durchblutungszunahme optimiert.
•
Wird das Blut zähflüssiger (Viskositätsanstieg), sinkt die Durchblutung. Unter physiologischen Bedingungen wird eine solche Durchblutungsabnahme durch eine Vasodilatation verhindert, die es ermöglicht, dass die Hirndurchblutung und damit der Sauerstoff- und Glukosetransport zum Gehirn unverändert bleiben.
Autoregulation
Klinik
HirndrucksteigerungUnter pathophysiologischen Bedingungen, z.B. beim Hirnödem, kann der intrakraniale Druck so stark ansteigen, dass der Perfusionsdruck für eine adäquate Gewebeversorgung nicht mehr ausreicht: Die Grenzen des Autoregulationsbereichs sind dann erreicht.
Ischämie des GehirnsTypischerweise entsteht eine Ischämie (Mangeldurchblutung) im Gehirn durch einen Gefäßverschluss. Klinisch äußert sich das als Schlaganfall, beispielsweise mit neurologischen Ausfallerscheinungen (z.B. Lähmungen, sensorische Defekte), weil das nicht mehr oder nur noch schlecht durchblutete Hirngewebe zu wenig O2 und Substrate erhält. Kann das Gefäß nicht wieder eröffnet werden (therapeutisch oder spontan), geht Gehirngewebe schon nach Minuten irreversibel zugrunde (Hirninfarkt), und die Ausfallerscheinungen bleiben bestehen. Ein vollständiger Durchblutungsstopp, z.B. als Folge eines Herzstillstands, kann die Hirnfunktion in ihrer Gesamtheit lähmen (Abb. 3.36).
Feststellung des Hirntods∗Das Erlöschen der Hirnfunktion führt in wenigen Sekunden zum Atemstillstand und damit zum Tod. Durch die Entwicklung der Medizintechnik und der Intensivmedizin, etwa bei der künstlichen Beatmung, ist es möglich, dass Organe eines Patienten für einen begrenzten Zeitraum überleben können, auch wenn die Hirnfunktion nicht mehr vorhanden ist. Diese Situation führte zu einer veränderten Definition des Todes. Es wird zwischen dem Hirntod und dem biologischen Tod unterschieden (dissoziierter Hirntod).
∗
Dieser Abschnitt wurde unter klinischer Beratung von K. van Ackern, Mannheim, verfasst.
Der Hirntod wird als der Tod des Menschen bestimmt, weil das Gehirn als das Zentrum des personalen Lebens gilt. Er wird definiert als Zustand des irreversiblen Erloschenseins der Gesamtfunktion des Gehirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms, bei einer durch kontrollierte Beatmung noch aufrechterhaltenen Herz-Kreislauf-Funktion. Die Feststellung des Hirntods entbindet den Arzt von der weiteren Behandlung.
Die Hirntoddiagnostik stützt sich in der Bundesrepublik Deutschland auf die Empfehlungen der Bundesärztekammer. Diese Empfehlung lautet:
•
Vorliegen einer akuten schweren primären oder sekundären Hirnschädigung, Ausschluss von Intoxikationen, neuromuskulärer Blockade, Unterkühlung, Kreislaufschock, endokrinem oder metabolischem Koma als Ursache für den Ausfall der Hirnfunktion
•
Feststellung der klinischen Symptome von Koma, Hirnstammareflexie (u.a. Korneal-, Husten-, Schluckreflex) und Atemstillstand
•
Nachweis der Irreversibilität des Hirnfunktionsverlustes
Diese Befunde müssen übereinstimmend von 2 Ärzten festgestellt und dokumentiert werden. Beide Ärzte müssen über mehrjährige Erfahrung in der Intensivbehandlung von Patienten mit schwerer Hirnschädigung verfügen.
Bei einer beabsichtigten Organentnahme zur Transplantation müssen beide Ärzte unabhängig von einem Transplantationsteam sein. Die Kriterien zur Feststellung des Hirntods sind grundsätzlich so angelegt, dass sie durch rein klinische Beobachtungen mit der notwendigen Sicherheit möglich sind. Die Feststellung des Hirntods nach den von der Bundesärztekammer vorgegebenen Kriterien gilt auch für eine mögliche Organentnahme.
Dieser Abschnitt wurde unter klinischer Beratung von K. van Ackern, Mannheim, verfasst.
ZUSAMMENFASSUNG
Die Prinzipien, nach denen die Durchblutung des Gehirns reguliert wird, sind von denen anderer Organe weniger verschieden, als früher angenommen wurde. Es finden sich eher quantitative als qualitative Unterschiede. So spielt im Gehirn das Kalium eine wichtige Rolle im Rahmen der lokalen Koppelung zwischen neuronaler Aktivität und Durchblutung. Auch die Autoregulation (= weitgehende Konstanz der Durchblutung bei wechselndem Perfusionsdruck) hat eine ähnliche Bedeutung wie an anderen Organen. Im Gegensatz zu anderen Organen muss beim Perfusionsdruck des Gehirns neben dem arteriellen Blutdruck auch der intrakraniale Druck berücksichtigt werden, der unter pathophysiologischen Bedingungen ansteigen und zu Hirndrucksymptomen führen kann.