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10.1016/B978-3-437-41357-5.00021-1
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Weltrekordzeiten beim Marathonlauf\"\iMarathonlauf für Männer in Abhängigkeit vom Lebensalter.

Maximale Sauerstoffaufnahme:Altersabhängigkeit\"\iSauerstoffaufnahme bei Männern in Abhängigkeit vom Trainingszustand und Lebensalter. Die beiden unteren Kurven ergeben sich aus den Daten zweier verschiedener Studien mit untrainierten Personen.

Veränderungen von Herzgewicht, Alter\"\iHerzgewicht und Blutdruck:Alter\"\iBlutdruck im Alter. Das Herzgewicht und der mittlere arterielle Blutdruck (RR) nehmen bei Männern und Frauen in Abhängigkeit vom Lebensalter zu.Myokardinfarkt:ArterioskleroseHerzinfarkt:ArterioskleroseHerz:ArterioskleroseGehirn:ArterioskleroseClaudicatio intermittensArteriosklerose:AlterInfarkt:Herz

Molekulare Alterung:molekulare Mechanismen\"\iMechanismen der Alterung. Die drei wesentlichen Mechanismen der zellulären Alterung sind der IGF-Signalweg, DNA-Schädigungen und mitochondriale Aktivität. Rot sind jeweils alterungsfördernde und grün alterungshemmende Transkriptionsfaktoren und Enzyme (mTOR, p53, cJun, NF-κB, Sirtuine) bzw. Prozesse dargestellt (s. Text).

Apoptose:Mechanismen\"\iMechanismen der Apoptose. Der rezeptorabhängige Weg der Apoptose wird durch Aktivierung von Todes-Rezeptoren (z.B. Fas) angestoßen, während der rezeptorunabhängige Weg mit der Freisetzung von Cytochrom Cytochrom C:Apoptose\"\iC aus Mitochondrien beginnt. Die Caspasen 8 und 9 werden auch als Initiator-Caspasen bezeichnet, da sie die Aktivierung der Effektor-Caspase 3 vermitteln. Die proteolytische Aktivität der Caspase 3 führt schließlich zum Zelltod; IAP = „inhibitor of apoptosis protein“.

Diagnostik des Hirntodes.Hirntod:Diagnostik\b
Klinischer Zustand | Test/Methoden |
Koma | Untersuchung des Bewusstseinszustands:
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Hirnstammareflexie |
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Ausfall der Spontanatmung | Apnoetest |
Ergänzende klinische Untersuchungen | |
|
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Ergänzende apparative Untersuchungen | |
elektrophysiologische Methoden
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Darstellung der Hirndurchblutung
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Apoptose und Nekrose.Nekrose:ApoptosevergleichApoptose:Nekrosevergleich
Nekrose | Apoptose | |
Ursachen | Unterbrechung der Durchblutung, virale und bakterielle Infektionen, physiologische Erneuerungs-/Reifungsprozesse | Aktivierung des Todesrezeptors, Chemotherapeutika, Bestrahlung |
Merkmale | Schwellung der Zellen und von Zellorganellen, Vakuolisierung | Kernpyknose mit Margination des Kernchromatins, Zellschrumpfung |
Freisetzung von intrazellulären Bestandteilen (Enzymen) | Zerfall in membranumschlossene apoptotische Körperchen | |
Signaltransduktion:
|
||
unspezifischer DNA-Abbau | DNA-Abbau durch eine spezifische Endonuklease (Nachweis von „DNA-Leitern“) | |
Phagozytose der nekrotischen Zellen | Phagozytose durch Makrophagen oder Nachbarzellen | |
Entzündungsreaktion | keine Entzündungsreaktion | |
langsamer Ablauf innerhalb von Stunden bis Tagen | schneller Ablauf innerhalb von Minuten bis Stunden | |
Klinik | Ischämie (z.B. Herzinfarkt) | Krebserkrankungen |
Altern und Tod
Zur Orientierung
Altern und Sterben sind für den Menschen schwer begreifliche, aber unentrinnbare Fakten des Lebens. Im 20. Jahrhundert ist die mittlere Lebenserwartung von Männern von 45 auf 73 Jahre und von Frauen von 48 auf 79 Jahre gestiegen. Zu Anfang des 21. Jahrhunderts scheint sich dieser Trend weiter fortzusetzen. Dennoch blieb das maximal erreichbare Lebensalter praktisch gleich. So lebte z.B. in Schweden kein Mensch länger als 110 Jahre. Das bisher höchste – von einer Französin erreichte – Alter beträgt 122 Jahre. Auf der Ebene des Organismus kann Leben als interne Homöostase definiert werden. Wenn diese durch äußere Faktoren gestört wird, ermöglicht es die Organreserve, das Gleichgewicht wiederherzustellen. Diese Organreserve nimmt im Laufe des Lebens fast linear ab, und zwar bereits vom 30. Lebensjahr an. Schließlich kann selbst die kleinste Störung nicht mehr kompensiert werden. Dann tritt ohne eine wesentliche Krankheit der natürliche Tod ein.
In praktisch allen Organen treten mit zunehmendem Alter Veränderungen auf. Im Herz-Kreislauf-System ist die Erhöhung des Blutdrucks mit Entwicklung einer altersphysiologischen Herzhypertrophie charakteristisch. An den Gelenken treten Verschleißerscheinungen auf (Arthrose). Besonders bei Frauen kommt es zur Osteoporose, die häufig zu Knochenbrüchen führt (Oberschenkelhalsfraktur). Das Alter selbst ist ein Risikofaktor. Die Zahl und die Schwere der Erkrankungen nehmen zu (Multimorbidität). Von den zahlreichen Theorien zum Alternsprozess kommt dem IGF-Signalweg, der Einwirkung von freien Sauerstoffradikalen und der DNA-Schädigung eine besondere Bedeutung zu.
21.1
Altern
21.1.1
Altersbedingte Veränderungen des Organismus
Allgemeine Leistungsfähigkeit
Kardiovaskuläres System
Morphologische Veränderungen
MERKE
Der Blutdruckanstieg:AlterBlutdruckanstieg ergibt sich aus mehreren altersphysiologischen und alterspathologischen Vorgängen, wird aber auch von psychosozialen Faktoren beeinflusst.
Klinik
ArterioskleroseUnter pathophysiologischen Bedingungen werden Alterungsprozesse beschleunigt, besonders dann, wenn bestimmte Risikofaktoren vorliegen. Dazu gehören der Bluthochdruck (essenzielle Hypertonie), die Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus), das Rauchen, Hyperlipidämie und Adipositas. Es kommt zur Arteriosklerose mit der Gefahr der Minderdurchblutung. Diese hat an verschiedenen Organen schwerwiegende Folgen:
•
Herz: Die Koronarsklerose führt bei Belastung zu Schmerzen im Brustbereich (Angina pectoris) und ist die häufigste Ursache für einen Herzinfarkt.
•
Gehirn: Die Zerebralsklerose kann sich als Schlaganfall mit peripheren Ausfällen (Apoplex) oder als Demenz (s.u.) bei Befall der kleinen Gefäße manifestieren.
•
Untere Extremität: Die Arteriosklerose der Becken- und Beingefäße zwingt den Patienten beim Gehen zu häufigen Pausen (Claudicatio intermittens).
•
Niere und Auge: An der Niere führt eine chronische Arteriopathie zum Nierenversagen (Urämie), am Auge zur Retinopathie.
MERKE
Eine arterielle Hypertonie (Blutdruck über 160/95 mmHg) beschleunigt die Entwicklung einer HerzhypertrophieHypertrophie:ventrikuläre, die schließlich in eine Herzinsuffizienz übergehen kann. Im Alter ist die Herzinsuffizienz:AlterHerzinsuffizienz eine der häufigsten Krankheiten. Die Mortalität ist sehr hoch und nimmt nach dem 65. Lebensjahr exponentiell zu.
Funktionsveränderungen
MERKE
Ein plötzlicher Herztod aufgrund von kardialen Arrhythmien ist daher bei älteren Personen nicht ungewöhnlich.
Atemwege
Morphologische Veränderungen
Klinik
Altersemphysem und BronchiektasenInsbesondere durch chronische Bronchitiden werden Alveolarsepten zerstört, sodass die Alveolen sich vergrößern und fusionieren. Es entsteht das Altersemphysem. Da diese Prozesse häufig nicht gleichmäßig in allen Lungenbereichen ablaufen, können sich lokale Emphysemblasen bilden. Spielen sich derartige, die elastischen und kollagenen Fasern zerstörende Prozesse in den Bronchialwänden ab, entstehen irreversible zylindrische, sackförmige oder variköse Erweiterungen der Bronchien (Bronchiektasen).AltersemphysemBronchiektasenEmphysem, Lunge:AlterLungenemphysem:Alter
MERKE
Im Alter von 80 Jahren ist die Lungenoberfläche um ca. 30% reduziert. Die Vitalkapazität:AlterVitalkapazität nimmt vom 20. bis zum 65. Lebensjahr um ca. 22% ab.
Funktionsveränderungen
Klinik
Bronchitis im AlterIm höheren Alter treten als Folge der verminderten Abwehrschwäche des Immunsystems (s.u.) häufiger ernstere Bronchitiden auf, die besonders dann gefährlich werden, wenn sie sich in den Bronchiolen abspielen.
Stimme
Immunsystem
Klinik
Relative ImmuninsuffizienzDie Depression von T-Zell-Funktionen könnte für die zunehmende Häufigkeit von Entzündungskrankheiten verantwortlich sein. Sie könnte auch für die mangelnde Eliminierung entarteter Zellen und damit für die Zunahme maligner Neubildungen eine Rolle spielen. Daher ist eine relative Immuninsuffizienz für den Alterungsprozess typisch.
Niere
Parenchymveränderungen
Funktionseinschränkungen
MERKE
Da viele Medikamente renal eliminiert werden, muss die Einschränkung der Nierenfunktion im Alter bei der Pharmakotherapie berücksichtigt werden.
Klinik
Regulation des DurstgefühlsDurst und Trinken werden durch den Hypothalamus reguliert. Hierbei regelt die Plasmaosmolalität die ADH-Freisetzung. Auch Angiotensin II ist am Durstgefühl beteiligt. Die reduzierte Ansprechbarkeit auf osmotische und sympathische Reize erklärt das bei älteren Menschen häufig beobachtete verminderte Durstgefühl.
Gastrointestinaltrakt
MERKE
Wegen der enormen Funktionsreserven des Magen-Darm-Trakts sind altersbedingte Ausfallerscheinungen relativ gering.
Klinik
DivertikelAls Folge der Obstipation, aber auch der Bewegungsarmut und einer ballaststoffarmen Ernährung kann eine Divertikulose entstehen, die bei 40% der über 70-Jährigen gefunden wird. Hierbei handelt es sich um Ausstülpungen der Darmwand in Dickdarmabschnitten mit hohem Innendruck, vor allem im Bereich des Colon descendens und des Colon sigmoideum. Als Komplikation kann z.B. infolge von Kotretention eine Entzündung (Divertikulitis) auftreten.
PolypenAuch Dickdarmpolypen finden sich mit zunehmendem Lebensalter häufiger. Bei über 40% der 70-Jährigen lässt sich ein adenomatöser Kolonpolyp nachweisen. Es besteht die Gefahr der malignen Entartung. Daher muss jeder Polyp des Darmtrakts vollständig abgetragen und histologisch untersucht werden.
Sexualfunktionen
Weibliche Gonadenfunktion
Männliche Gonadenfunktion
Bewegungsapparat und Haut
Bewegungsapparat
Klinik
OsteoporoseDie Osteoporose betrifft in erster Linie Wirbelsäule und Becken. Äußerlich ist sie an der Abnahme der Körpergröße mit zunehmender Rundrückenbildung (Brustkyphose) und am prominenten Abdomen zu erkennen.
ArthroseJenseits des 60. Lebensjahres weisen etwa 80% aller Menschen deutliche Verschleißprozesse an den Hüft- und Kniegelenken (Arthrose) auf. Hierfür sind zum Teil die Abnahme der Muskelkraft und der Kontraktionsgeschwindigkeit sowie die Herabsetzung der Nervenleitungsgeschwindigkeit verantwortlich. Diese Faktoren haben nämlich eine Stoßdämpfungsfunktion für die Gelenke.
Haut
Gehirn
Morphologische Veränderungen
Klinik
Veränderungen im GehirnEine Hirnatrophie betrifft vor allem den Frontallappen. Die Hirnwindungen werden schmaler, die Furchen sind verbreitert, die inneren und äußeren Liquorräume sind erweitert. Die Nervenzellen schrumpfen und lagern ein gelblich braunes „Abnutzungspigment“, das Lipofuscin, ein. Lipofuscin akkumuliert in Lysosomen und besteht u.a. aus ungesättigten oxidierten Fettsäuren, die entstehen, weil die zellulären antioxidativen Mechanismen versagen (Kap. 21.1.2).
Hinsichtlich der globalen Durchblutung und des globalen Stoffwechsels des Gehirns scheint es zwischen dem 3. und 7. Lebensjahrzehnt keine altersbedingten Veränderungen zu geben. Erst nach dem 80. Lebensjahr nimmt die Hirndurchblutung ab und der zerebrale Gefäßwiderstand deutlich zu. Dann sind auch globaler Sauerstoff- und Glukoseverbrauch vermindert.
Integrative Funktionen
MERKE
Auch im hohen Alter sind Lernkapazität und Intelligenz noch relativ gut erhalten, die Leistungsgrenze wird allerdings früher erreicht. Ältere Menschen benötigen mehr Zeit in Erinnerungstests. Allerdings können schlechteres Selbstbild, geringes Selbstvertrauen, Unsicherheit und Ängstlichkeit bei älteren Menschen nicht nur die Aufnahme, sondern auch das Abrufen von Informationen beeinträchtigen.
Demenz
Klinik
DemenzAbzugrenzen vom physiologischen Altern des Gehirns sind Krankheitsprozesse, die zu deutlichen bzw. schweren Einbußen der Hirnleistung führen. Von einer Demenz spricht man, wenn mehrere höhere kortikale Funktionen beeinträchtigt sind. Nach der 10. Revision der internationalen Klassifikation psychischer Störungen (ICD-10) gelten folgende Demenz-Kriterien:Morbus:AlzheimerInfarkt:GehirnMorbus:ParkinsonAlzheimer-Krankheit:Demenz
•
Abnahme des Gedächtnisses und mindestens einer weiteren intellektuellen Funktion (z.B. Urteilsvermögen und Denken) in einem alltagsrelevanten Ausmaß
•
Störung der Affektkontrolle und des Sozialverhaltens
•
Ausschluss eines vorübergehenden Verwirrtheitszustands
•
Mindestdauer der Symptome von 6 Monaten
Alzheimer-Krankheit (AK)Die häufigste Ursache einer Demenz im Alter ist die AK. Ihr Anteil an der Gesamtzahl der Demenzen beträgt in Europa etwa 50%, kann aber im hohen Alter bis zu 80% betragen. Die Häufigkeit der AK bei über 65-Jährigen wird auf 7% geschätzt.
•
Symptome: Die Erkrankung beginnt schleichend und verläuft progredient. Frühsymptome sind Gedächtnisstörungen, nachlassende räumliche und zeitliche Orientierung, eine Abnahme des Wortschatzes, begleitet von Schwierigkeiten beim Benennen, sowie emotionale Defizite wie Antriebs- und Interessenverlust. Im weiteren Krankheitsverlauf kommen nachlassendes Denk- und Urteilsvermögen hinzu. Der Erkrankte kann sich nicht mehr selbst versorgen. Im fortgeschrittenen Stadium ist keine relevante sprachliche Verständigung mit dem voll pflegebedürftigen Patienten mehr möglich. Innerhalb von durchschnittlich 8–9 Jahren tritt der Tod ein.
•
Ätiologie und Pathogenese: Es scheinen unterschiedliche Ätiologien in eine relativ einheitliche pathogenetische Endstrecke einzumünden. Neuropathologische Marker des Krankheitsprozesses sind extrazelluläre amyloide Plaques aus β-Amyloid (Aβ) bzw. „amyloid β precursor protein“ (APP), aber ein lösliches APP-Fragment (N-APP), sowie Neurofibrillen aus tau-Protein, die ihrerseits Mikrotubuli zerstören, neuronale und synaptische Dysfunktion und letztlich Verlust von Neuronen und Synapsen. Die pathogenetischen Zusammenhänge zwischen diesen Markern sind nicht ganz geklärt. Anscheinend können Zellverluste sogar lokal unabhängig von den neurotoxischen amyloiden Plaques, die mit neuronalen Zelluntergängen assoziiert sind, auftreten. Familären Formen liegen genetische Mutationen im Amyloidvorläuferprotein-Gen auf Chromosom 21 und in den Presenilin-1- und 2-Genen auf den Chromosomen 14 und 1 zugrunde, die letztlich zu einer erhöhten Freisetzung und Aggregation von β-Amyloid führen. Diese Mutationen sind jedoch nur für weniger als 1% der AK verantwortlich. Für die sporadischen Formen werden ebenfalls multiple Krankheitsursachen angenommen. Als gesicherte Risikofaktoren gelten Alter, familiäre Belastung und das Vorliegen des ε4-Gens des Apolipoprotein E4, dessen Genort auf Chromosom 19 liegt. Als protektive Faktoren werden die Reduktion kardiovaskulärer Risikofaktoren (Körpergewicht, Rauchen, Bluthochdruck), intellektuelle Aktivität und Antiphlogistika diskutiert, die die lokale Entzündungsreaktion hemmen.
•
Therapie: Eine kausale Therapie ist nicht bekannt. Symptomatisch wird mit Cholinesterasehemmern (Frühstadien; Acetylcholinkonzentrationsanhebung bei nachgewiesenem Verlust cholinerger Neurone) und NMDA-Rezeptorblockern (Spätstadien; Verringerung der Glutamat-vermittelten Neurotoxizität) behandelt.
Vaskuläre DemenzenVaskuläre Demenzen (VD) sind mit ca. 20% die zweithäufigste Ursache der Demenz im Alter. Sie sind der pathophysiologische Endpunkt von ischämischen und hämorrhagischen Infarkten. Der intellektuelle Abbau bei VD ist entsprechend der unterschiedlichen Lokalisation und Größe der Läsionen nicht einheitlich. Im Allgemeinen wird ein schrittweiser kognitiver Leistungsabbau beobachtet.
•
Krankheitsbilder: Unter dem Begriff VD werden verschiedene Krankheitsbilder subsumiert. Die häufigsten Vertreter sind:
–
vaskuläre Demenz mit akutem Beginn: schnelle Demenzentwicklung nach mehreren Infarkten; Ursachen sind z.B. Thrombembolien, Blutungen, hypoxische Schädigung nach Reanimation
–
Multiinfarkt-Demenz (MID): vorwiegend kortikale Infarkte infolge von Embolien und Gerinnungsstörungen, langsame Demenzentwicklung
–
subkortikale vaskuläre Demenzen: meist kleine runde Infarkte (Lakunen) vor allem in den Stammganglien, der inneren Kapsel, im Thalamus und Hirnstamm; es kommt zu einem progredienten intellektuellen Abbau
•
Ätiologie und Pathogenese: Neben den makroangiopathisch bedingten thrombembolischen Ursachen ist die Mikroangiopathie quantitativ bedeutsam für die VD. Sie entwickelt sich auf dem Boden einer chronischen Hypoxie bei Strömungseinengungen in den größeren Gefäßen. Risikofaktoren sind wie bei AK familiäre genetische Belastung und das Vorliegen des ε4-Gens für Apolipoprotein E4. Erhöhte Cholesterinwerte, Hypertonie und Arteriosklerose stellen weitere Risikofaktoren dar.
•
Therapie: Die Behandlung der Risikofaktoren steht im Vordergrund. Eine symptomatische Behandllung der kognitiven und Verhaltensstörungen ist begrenzt möglich.
BasalganglienerkrankungenKlinische Leitsymptome der Lewy-Körperchen-Erkrankung sind die deutlichen Fluktuationen der kognitiven Symptome, psychiatrische Symptome und ein akinetisches, rigides Parkinson-Syndrom. Neuropathologisch ist die Erkrankung durch eosinophile, zytoplasmatische Einschlüsse, die sog. Lewy-Körperchen, im Hirnstamm, Kortex und Neokortex charakterisiert. Die Pathogenese dieser Einschlüsse ist nicht bekannt. Ebenso ist eine kausale Therapie nicht verfügbar. Im Vordergrund des Morbus Parkinson stehen die neurologischen Kardinalsymptome Tremor, Rigor und Akinese. Bei durchschnittlich 40% der Parkinson-Patienten entwickelt sich eine Demenz. Die Demenzinzidenz liegt 6-fach höher als bei gesunden Kontrollpersonen. Die kognitiven Störungen betreffen vor allem die räumlich-visuelle Orientierung und das Problemlösen. Deutlich werden diese kognitiven Störungen meist erst im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung. Pathogenetisch findet sich ein Untergang von dopaminergen Neuronen in der Substantia nigra, der für die motorische Symptomatik verantwortlich ist. Bei demenzieller Symptomatik werden gehäuft im neokortikalen und limbischen System Lewy-Körperchen gefunden, weshalb Beziehungen zur Lewy-Körperchen-Erkrankung diskutiert werden. Der naheliegende Zusammenhang zwischen Lewy-Körperchen und Demenz wird allerdings kontrovers diskutiert. Im Gegensatz zur motorischen Symptomatik ist die Demenzsymptomatik therapeutisch kaum zu beeinflussen.
Sinnesorgane
Auge
Gehör
Geruch und Geschmack
MERKE
Das Alter ist nicht nur gekennzeichnet durch die Reduktion des Adaptationsvermögens, es ist selbst auch ein Risikofaktor für bestimmte Erkrankungen wie Bluthochdruck, Arteriosklerose, koronare Herzkrankheit, Diabetes mellitus, Alzheimer-Krankheit und maligne Tumoren.
21.1.2
Hypothesen zum Alterungsprozess
Alterung durch Evolutionsdruck
Alterung durch Telomerverkürzung
Molekulare Mechanismen
•
IGF-1: Insulinähnliche Wachstumsfaktoren (Alterung:zelluläreInsulin-Like Growth Factor; IGF-1) aktivieren über ihren IGF (Insulin-Like Growth Factor):zelluläre AlterungTyrosinkinaserezeptor den MAPK- und den PI-3K-Signalweg (MAPK = mitogenaktivierte-Proteinkinase, PI-3K = Phosphoinositol-3-Kinase) (Abb. 21.4, s.a. Abb. 1.2). Zum einen werden dadurch über verschiedene Transkriptionsfaktoren (cFos, TIF1a, CREB, Stat) anabole Stoffwechselveränderungen ausgelöst, die insgesamt Proliferation und Wachstum fördern, jedoch für die Alterung offenbar weniger von Bedeutung sind. Zum anderen jedoch werden über den MAPK-Weg und Faktoren wie NF-κB oder cJun letztlich Entzündungsreaktionen unterstützt, die einen Faktor der Alterung darstellen. Daneben wird über den PI-3K-Weg das Protein mTOR („mammalian target of rapamycin“) aktiviert. Zwar fördert mTOR die ProteinsynthesemTOR (mammalian target of rapamycin):zelluläre Alterung, dies geschieht allerdings unter Stoffwechselsteigerung und damit der Bildung freier Sauerstoffradikale, die als hochoxidative Substanzen einen weiterenSauerstoffradikale:zelluläre Alterung Faktor zellulärer Alterung darstellen. Gleichzeitig wird die Autophagie defekter Zellen und Proteinaggregate durch mTOR Autophagie, zelluläre Alterunggehemmt, was ebenfalls zur Alterung beiträgt. Sogenannte Forkhead-Transkriptionsfaktoren (FOXO) werden über diesen Signalweg gehemmt, Forkhead-Transkriptionsfaktorwodurch FOXO-abhängige Apoptose (Zelltod) sowie die Expression von Superoxiddismutasen (SOD) und Catalase reduziert werden. Dadurch kommt der FOXO-Hemmung eine ambivalente Rolle zu: Die Apoptosehemmung begünstigt zwar das Überleben von Zellen, aber auch das Tumorwachstum und kann so letztlich auch eine lebensverkürzende Rolle spielen. Der Catalase-/SOD-Expressionsverlust allerdings wirkt wieder alterungsfördernd: Er verstärkt die Wirkung freier Sauerstoffradikale, weil diese nicht mehr durch SOD und Catalase neutralisiert werden. Insgesamt dürfte also auch die FOXO-Hemmung letztlich zu Alterung führen.
•
DNA-Schädigung: Ein weiterer Faktor ist die direkte Schädigung Alterung:DNA-Schädigungvon DNA z.B. durch ionisierende Strahlung oder mutagene Substanzen (Abb. 21.4). Hierdurch wird der Transkriptionsfaktor p53 aktiviert, der Apoptose (über den Faktor Bax, p53:zelluläre Alterungdarauffolgende Freisetzung von Cytochrom C aus den Mitochondrien und daraus resultierende Aktivierung von Caspasen; Abb. 21.5), Zellzyklusarrest und zelluläre Alterung einleitet. Hier gibt es auch eine Querverbindung zum IGF-1-Signalweg, da MAPK ebenfalls p53 aktiviert.
•
Mitochondriale Aktivität: Die Zufuhr von Glukose führt letztlich zur ATP-Aktivität:mitochondriale, zelluläre AlterungSynthese in den Mitochondrien, wie sie auch für die Proteinbiosynthese oder die Bereitstellung von NAD+ benötigt wird. An den Enzymen der Atmungskette entstehen dadurch die schon erwähnten freien Sauerstoffradikale, die Moleküle in ihrer Umgebung (also auch mitochondriale und Kern-DNA) oxidieren und damit schädigen können.
MERKE
Die Aktivierung des IGF-Signalweges, DNA-Schädigungen und eine Steigerung des Glukosemetabolismus sind wesentlich für zelluläre Alterungsprozesse. Sie werden über freie Sauerstoffradikale, Entzündungsreaktionen und Zellzyklusarrest vermittelt.
21.2
Tod
21.2.1
Individualtod
Atem- und Kreislaufstillstand
Hirntod
MERKE
Heute wird der Hirntod als der Tod des Individuums durch völligen und endgültigen Hirnausfall definiert.
•
Bei der primären Hirnschädigung hat das schädigende Ereignis das Gehirn selbst und Hirnschädigung:primäreunmittelbar betroffen. Hierzu zählen Durchblutungsstörungen, Blutungen, Tumoren und Entzündungen sowie schwere Schädel-Hirn-Traumen. Hierbei wird zwischen supratentoriellen Läsionen, welche primär das Großhirn betreffen, und infratentoriellen Läsionen, die besonders das Kleinhirn und den Hirnstamm betreffen, unterschieden.
•
Sekundäre Hirnschädigungen entstehen indirekt durch Sauerstoffmangel des Hirnschädigung:sekundäreGehirns als Folge schwerer Funktionsstörungen des Herz-Kreislauf-Systems (z.B. Herzinfarkt) und der Lunge (Ersticken, Ertrinken) sowie bei Vergiftungen und Stoffwechselstörungen (z.B. Coma diabeticum).
•
Koma: Im Koma reagiert der Patient nicht auf Atmung:Hirntodäußere Koma:HirntodReize („non-responsiveness“). Er kann keine spontanen Laute äußern und keine gezielten Bewegungsabläufe durchführen.
•
Hirnstammareflexie: Zum Nachweis der Hirnstammareflexie dienen Hirnstamm:Areflexieverschiedene Reflexe: Die Pupillen verengen sich nach Belichtung nicht mehr prompt und seitengleich (Pupillenreaktion). Die Augäpfel bleiben – wie bei einer Puppe – starr in der Ausgangsstellung unabhängig von jeder Kopfbewegung (okulozephaler Reflex). Der Kornealreflex kann nicht mehr ausgelöst werden. Es treten keinerlei Abwehrreaktionen bei Schmerzreizen im Gesicht auf. Der Würgereflex ist nicht mehr auslösbar.
•
Apnoetest: Der Apnoetest wird erst dann durchgeführt, wenn die ApnoetestHirnstammreflexe ausgefallen sind. Unter Beatmung mit 100% Sauerstoff wird das Ventilationsvolumen auf ein Viertel des Ausgangswertes reduziert, bis der arterielle PCO2 auf 60 mmHg angestiegen ist (hyperoxische Hypoventilation). Dadurch wird normalerweise das Atemzentrum Hypoventilation, hyperoxischeoptimal aktiviert. Unter Zuführung von Sauerstoff in den Endotrachealtubus wird das Beatmungsgerät abgeschaltet (apnoische Oxygenation). Wenn innerhalb von 30 Sekunden keine spontane Oxygenation, apnoischeAtemtätigkeit einsetzt, liegt definitiv eine Apnoe vor.
•
Durch den Bulbovagalreflex tritt bei Druck auf die Augäpfel normalerweise eine vorübergehende Pulsverlangsamung ein (okulokardialer Reflex). Beim Hirntoten bleibt diese Reaktion aus.
•
Reflex:okulokardialer, HirntodBei Spülung des Gehörgangs mit kaltem Wasser (kalorische Prüfung) kommt es beim Hirntoten nicht zu der typischen Prüfung, kalorische, Hirntodschnellen Augenbewegung zur Gegenseite (vestibulookulärer ReflexReflex:vestibulookulärer).
•
Schließlich führt eine intravenöse Atropingabe beim Hirntoten nicht zu Tachykardie (Atropin-Test).
21.2.2
Zelltod
•
Bei vielen Tumoren führt ein Ungleichgewicht zwischen den „Lebenssignalen“ undTumor:Zelltod „Todessignalen“ zum unkontrollierten Wachstum der Tumorzellen.
•
Bestimmte Viren und Bakterien verhindern den Zelltod ihrer Wirtszellen, um so ihre ungehemmte Vermehrung sicherzustellen. Die Folge sind Infektionskrankheiten. Hat der Körper eine Infektionskrankheit überwunden, müssen die dabei in großer Zahl gebildeten Abwehrzellen (Granulozyten, Lymphozyten) wieder beseitigt werden. Auch dabei ist der Zelltod als homöostatischer Vorgang erforderlich. Ein Persistieren der Abwehrzellen könnte Autoimmunerkrankungen zur Folge haben. Umgekehrt setzt die Reifung von Makrophagen voraus, dass die Todessignale gehemmt werden, die normalerweise die Lebensdauer von Monozyten auf wenige Tage begrenzen.
Apoptose
•
die Fragmentierung von Zellkern und DNA
•
Zellschrumpfung
•
das Nach-außen-Kehren von Bestandteilen der Plasmamembran wie z.B. Phosphatidylserin
MERKE
Eine apoptotisch sterbende Zelle hinterlässt keine Spuren. Sie löst im Gegensatz zur nekrotisch sterbenden Zelle keine Entzündungsreaktion aus.
•
Die „Todes-Rezeptoren“ (z.B. Fas = CD95) gehören zur Familie der TNF-Apoptose:Todes-RezeptorenRezeptoren, Todes-Rezeptordie eine wichtige Rolle in der Homöostase des Immunsystems spielen. Nach Aktivierung der Todes-Rezeptoren lagern sich an deren intrazellulärer Seite weitere Moleküle an, um einen Signalkomplex zu bilden, der in der wissenschaftlichen Literatur als „death-inducing signalling complex“ (DISC) bezeichnet wird und Voraussetzung für die Aktivierung von Caspasen (s.u.) ist.
•
Die rezeptorunabhängige Apoptose wird z.B. durch zytotoxische Substanzen ausgelöstApoptose:rezeptorunabhängige, die das Membranpotenzial der Mitochondrien verändern. Als Folge davon kann Cytochrom C aus den Mitochondrien austreten und über Zwischenschritte Caspasen (s.u.) aktivieren und den Zelltod einleiten.
Klinik
Mutationen der Fas-Rezeptoren und ihrer Liganden, FasL, wurden als Ursache von lymphoproliferativen Syndromen identifiziert. Bei diesen Patienten akkumulieren wegen der Unfähigkeit zu Fas-vermittelter Apoptose aktivierte T-Lymphozyten in Lymphknoten und Milz, sodass diese massiv anschwellen.
MERKE
Die Apoptose ist ein Vorgang, der durch ein ganzes Netz von extrazellulären Signalen/Zytokinen und intrazellulären Effektoren äußerst fein auf die jeweiligen Erfordernisse abgestimmt werden kann. Diese Komplexität unterstreicht einerseits die große Bedeutung der Apoptose als homöostatischer Mechanismus und bietet andererseits die Möglichkeit seiner pharmakologischen Beeinflussung.
Klinik
Viele Tumoren weisen Fehler in den Signalwegen der Apoptose auf, sodass sich das Entstehen eines Tumorleidens als Ungleichgewicht zwischen Lebens- und Todessignalen beschreiben lässt. Der Erfolg zytotoxischer Chemotherapeutika bei der Behandlung von Tumoren beruht auf der Tatsache, dass viele dieser Substanzen die Apoptose der Tumorzellen auslösen. Es wird zurzeit versucht, die Wirkung der „klassischen“ Chemotherapeutika durch die gleichzeitige Gabe von spezifischen Modulatoren von apoptoserelevanten Proteinen zu verstärken. Eines dieser Proteine ist TRAIL (= „TNF-related apoptosis-inducing ligand“). Es kann durch Bindung an seine Rezeptoren bei einigen Tumoren tumorzellspezifisch die Apoptose einleiten, ohne die gesunden Gewebezellen zu beeinträchtigen.
Nekrose
ZUSAMMENFASSUNG
Altern ist ein Prozess, dem niemand entrinnen kann und der alle Organsysteme betrifft. Da die Lebenserwartung kontinuierlich gestiegen ist, ergeben sich zunehmend soziale und medizinische Probleme.