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Quantitative Blut:Bestandteile\"\iZusammensetzung des Blutes (links), des darin enthaltenen Blutplasma:Zusammensetzung\"\iPlasmas (Mitte) sowie der Plasmaproteine:Zusammensetzung\"\iPlasmaproteine (rechts).

Verformbarkeit von Erythrozyten:Verformbarkeit\"\iErythrozyten und Viskosität:Blut\"\iBlut:Viskosität\"\iBlutviskosität. a Bei der Strömung durch englumige Gefäße verformen sich die Erythrozyten und nehmen eine typische Paraboloidform an, die eine optimale Anpassung an die lokalen Strömungsverhältnisse darstellt. Schon in geringfügig größeren Gefäßen führen Wechselwirkungen zwischen den strömenden Zellen zu ständigen Formveränderungen. b Fåhraeus-Lindqvist-Fåhraeus-Lindqvist-Effekt\"\iEffekt: Die apparente oder effektive Viskosität für Blut mit einem Hämatokrit von 0,45 in größeren Blutgefäßen (Durchmesser > 300 μm) beträgt etwa das 3-Fache des Wertes für Plasma. Mit abnehmendem Durchmesser sinkt dieser Wert erheblich ab und nimmt erst unterhalb von 5 μm wieder zu. c Abhängigkeit der Blutviskosität vom Hämatokrit. In Kapillaren:Blutviskosität\"\ikapillären Gefäßen (7 μm) steigt die Viskosität nur schwach und linear mit dem Hämatokrit an. In größeren Gefäßen (20 μm, 100 μm) ist der Anstieg viel ausgeprägter und wird mit zunehmendem Hämatokrit immer steiler.
[O633; 7.1]

Densitometrische Auswertung einer Plasmaproteine:Elektrophorese\"\iElektrophorese\"\iPlasmaproteinelektrophorese. Für die jeweiligen Fraktionen (Albumin:Elektrophorese\"\iAlbumin, α-<03B1>-Globulin:Elektrophorese\"\i bis γ-<03B3>-Globulin:Elektrophorese\"\i<03B2>-Globulin:Elektrophorese\"\iGlobuline) sind einzelne, besonders wichtige Proteine angegeben. Der kleine Gipfel zwischen β- und γ-Globulinen sind die Prä-β-Prä-<03B2>-Globulin:Elektrophorese\"\iGlobuline.

Erythrozyten:Größe\"\iErythrozytengröße und form. a Erythrogramm\"\iErythrogramm (schematisiert). Volumen und Hämoglobingehalt einzelner Erythrozyten sind als Streudiagramm dargestellt. Erythrozyten, die normozytär und normochrom sind, liegen in der Mitte des Diagramms. Einzelne mikrozytär-hypochrome Erythrozyten liegen unten links. Bei Betrachtung von MCV und MCH würden sie nicht auffallen, wohl aber im Erythrogramm. Im Normalfall soll ihr Anteil unter 2,5% liegen. b Bikonkave Form der Erythrozyten. Deutlich ist die etwas unterschiedliche Größe einzelner Erythrozyten zu erkennen.
[O633; 7.1]

Erythrozyten:Formen\"\iErythrozytenformen. a Normale bikonkave Form der Erythrozyten. Außerdem sind 2 Thrombozyten an ihrer kleineren, unregelmäßigen Form zu erkennen. b Erythrozyten:Stechapfelform\"\iStechapfelform der Erythrozyten (Echinozyten\"\iEchinozyten), wie sie in hypertonem Milieu entsteht. c Aggregation von Erythrozyten mit Geldrollenbildung\"\iGeldrollenbildung (Rouleaux). d Kugelform von Erythrozyten (Sphärozyten\"\iSphärozyten) und Bildung von Ghosts. In hypotonem Milieu strömt Wasser in die Zellen ein (Kugelform), diese schwellen an und platzen, Hämoglobin tritt ins Plasma aus. Die Reste der Erythrozyten, deren Membran sich wieder verschließen kann, bleiben zurück (Ghosts\"\iErythrozyten:Ghosts\"\iGhosts).
[O633; 7.1]

Hämatopoese:Schema\"\iHämatopoese (Schema). Den Differenzierungsschritten wurden wichtige Wachstumsfaktor:Hämatopoese\"\iWachstumsfaktoren und ZytokineZytokine:Hämatopoese\"\i zugeordnet. Um die Darstellung übersichtlich gestalten zu können, sind nicht alle Differenzierungsstufen, keine Rezeptoren und keine Transkriptionsfaktor:Hämatopoese\"\iTranskriptionsfaktoren eingefügt (s.a. Abb. 7.7); Leukozyten unterliegen beim Übergang ins Gewebe zum Teil einer weiteren Differenzierung: So entwickeln sich Monozyten zu Makrophagen (beispielhaft in der Abbildung gezeigt) oder zu dendritischen Zellen; CFU = Colony Forming Units, CSF = Colony Stimulating Factors, EPO = Erythropoetin, TPO = Thrombopoetin.

Erythropoese\"\iErythropoese im Knochenmark:Erythropoese\"\iKnochenmark (Schema). In den früheren Generationen führt Erythropoetin (EPO) zu verstärkter Proliferation und Differenzierung, in späteren (ab Pro-Erythroblast) zu vermehrter Hämoglobinbildung.

Normale Leukozyten:Anzahl\"\iLeukozytenzahl und Leukozytose\"\iLeukozytose. Relative Häufigkeit der verschiedenen neutrophilen Granulozyten und ihrer Vorläuferzellen im Knochenmark, im Blut und im Blut bei Produktionsleukozytose mit Linksverschiebung:Leukozytose\"\iLinksverschiebung.

Agglutination:AB0-System\"\iAgglutinationsreaktion bei Zugabe von Testseren mit verschiedenen Antikörpern zu Erythrozyten der 4 Gruppen des AB0-AB0-System:Agglutinationsreaktion\"\iSystems (Schema).

Thrombozyten:Adhäsion\"\iThrombozytenadhäsion und -Thrombozytenaggregation\"\iaggregation (molekulare Mechanismen). Plättchen können durch GP Ib/GP Ib/IX\"\iIX unter Vermittlung des Von-Willebrand-Von-Willebrand-Faktor\"\iFaktors (vWF) bei strömendem Blut an subendotheliales Kollagen adhärieren. Diese Adhäsion wird sodann über einen weiteren thrombozytären Kollagenrezeptor, GP Ia/GP Ia/IIa\"\iIIa, verstärkt. Weitere Plättchen binden sich mithilfe von GP IIb/GP IIb/IIIa\"\iIIIa über Fibrinogen an schon adhärierende Thrombozyten und aneinander (Aggregation).

Funktionen der Thrombozyten:Blutstillung\"\iBlutstillung:Thrombozyten\"\iThrombozyten bei der Blutstillung. Thrombozyten setzen viele verschiedene Inhaltsstoffe frei, nachdem sie durch Oberflächenkontakt mit subendothelialen Strukturen der Gefäßwand oder Fremdoberflächen (z.B. Gefäßprothesen, künstliche Herzklappen) und durch Faktoren des Gerinnungssystems aktiviert wurden. Die Inhaltsstoffe sind in den zahlreichen Organellen des Granulomers, vor allem den α-Granula, den elektronendichten Granula und den Lysosomen gespeichert und an allen Stufen der Blutstillung und Wundheilung beteiligt.

Blutgerinnung:in vivo\"\iGerinnungssystem Gerinnungssystem:in vivo\"\iin vivo. StartphaseHämostase:sekundäreBlutstillung:endgültige: Das Gerinnungssystem wird durch einen Komplex von TF (Tissue Tissue Factor\"\iFactor) und Faktor Faktor:VIIa\"\iVIIa an der Membran nichtvaskulärer Zellen (oder aktivierter Endothelzelle:Tissue Factor\"\iEndothelzellen, subendothelialer Zellen, Monozyten, Thrombozyten) aktiviert. Dieser Komplex aktiviert durch limitierte Proteolyse weiteren Faktor VII, Faktor IX und Faktor X. Faktor X wird ebenfalls durch Faktor IX aktiviert. VerstärkungsphaseHämostase:sekundäreBlutstillung:endgültige: Dieser Weg wird anschließend durch TFPI (Tissue Factor Pathway Inhibitor) blockiert. Die Fortsetzung der Gerinnung ist daher auf die Aktivierung der Faktoren VIII und V durch das schon gebildete Thrombin angewiesen. Thrombin aktiviert ebenfalls Faktor XIII, der das Fibrinpolymer stabilisiert.

Wirkorte therapeutisch einsetzbarer Pharmaka:Gerinnungshemmung\"\iGerinnungshemmung:Pharmaka\"\iBlutgerinnung:Hemmstoffe\"\iHemmstoffe der Gerinnung, z.B. von Heparinen, Hirudin, Cumarin-Derivaten und direkten Hemmstoffen der Faktoren IIa und Xa.

Fibrinolyse\"\iFibrinolyse (Schema). tPA = Tissue Plasminogen Activator, K = Kallikrein\"\iKallikrein, TAFI = thrombinaktivierter Fibrinolyseinhibitor.

Blutgerinnung in Blutgerinnung:in vitro\"\ivitro (Schema). Linien umschließen die Bereiche der Gerinnung, die mit den laborchemischen Tests PTT (grün; partielle Thromboplastinzeit) und Quick-Wert\"\iQuick (blau; Thromboplastinzeit) untersucht werden können. Aktivierende Faktoren sind rot gekennzeichnet. TF = Tissue Factor, HMWK = High Molecular Weight Kininogen, PK = Präkallikrein, K = Kallikrein, PL = Phospholipidoberflächen, überwiegend an aktivierten Thrombozyten. Thrombin aktiviert im Sinne einer positiven Rückkoppelung vorgeschaltete Faktoren, besonders V und VIII (gestrichelte Pfeile).

Wundheilung:Phasen\"\iPhasen der Wundheilung. Nach primärer Hämostase kommt es rasch zur Entzündung des Wundbereichs. In der innerhalb weniger Tage einsetzenden proliferativen Phase wird Granulationsgewebe gebildet und die Wunde reepithelialisiert. In der Umbau-, auch Reifungs- oder Maturationsphase genannt, bildet sich das Granulationsgewebe zurück und wird durch faserreiches Bindegewebe ersetzt, welches im Folgenden reorganisiert und schrumpft.

Wachstum von Gefäße:Angiogenese\"\iBlutgefäße:Angiogenese\"\iBlutgefäßen bei Erwachsenen. a Angiogenese\"\iAngiogenese: Durch Aussprossung aus Kapillaren entstehen neue Blutgefäße. Der Prozess wird vor allem durch lokalen Sauerstoffmangel stimuliert und durch den hypoxieabhängig gebildeten Gradienten an Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF) vermittelt. b Arteriogenese\"\iArteriogenese: Durch Zunahme des Blutflusses kommt es in präformierten Kapillaren, Arteriolen und Arterien zur Lumenvergrößerung und zum Remodeling. Besonders wichtig ist die Arteriogenese bei der Bildung von Kollateralkreisläufen, wenn z.B. eine koronare Herzerkrankung langsam Gefäße verengt. Distal einer vaskulären Stenose (orange) ist der Blutdruck reduziert. Somit strömt Blut entlang des entstehenden Druckgradienten verstärkt über vorbestehende kapilläre Anastomosen aus nicht stenosierten Gefäßabschnitten (gelb) ein. In den beteiligten Gefäßen steigt daher der Blutfluss und somit die vaskuläre Schubspannung stark an. Durch diesen Reiz zur Arteriogenese kommt es zur Aktivierung des Endothels, Monozyten wandern darauf an Stellen erhöhter Wandschubspannung in das perivaskuläre Bindegewebe, akkumulieren dort und dauen die vaskuläre Matrix ab. Dieser über Matrixmetalloproteinasen (MMPs) vermittelte Prozess führt zur Vergrößerung des Lumens.

Konzentration wichtiger Kationen und Anionen im Plasma und in der interstitiellen Flüssigkeit (Massenkonzentration in g Ionen pro l Lösung; molare Konzentration in mmol Ionen pro l). Referenzbereiche für Erwachsene sind in Klammern angegeben.Phosphat:BlutplasmaNatriumkonzentration:BlutplasmaMagnesiumkonzentration, BlutplasmaKalziumkonzentration:BlutplasmaKaliumkonzentration:BlutplasmaChloridkonzentration:BlutplasmaBikarbonat:Blutplasma
Plasma | Plasmawasser [mmol/l] | Interstitium [mmol/l] | ||
[g/l] | [mmol/l] | |||
Na+ | 3,25 | 142 (135–145) | 153 | 145 |
K+ | 0,16 | 4,4 (3,6–4,8) | 4,7 | 4,5 |
Ca2+ | 0,1 | 2,5 (2,20–2,65), gesamt | ||
1,2 (1,15–1,35), ionisiert | 1,3 (ionisiert) | 1,2 (ionisiert) | ||
Mg2+ | 0,02 | 0,9 (0,73–1,06), gesamt | ||
0,7 (0,54–0,79), ionisiert | 0,6 (ionisiert) | 0,55 (ionisiert) | ||
Cl– | 3,60 | 102 (95–105) | 110 | 115–120 |
HCO3– | 1,60 | 22 (21–26) | 24 | 28 |
PO42– | 0,04 | 1 (0,84–1,45) | 1,08 | 1,3 |
SO42– | 0,02 | 0,5 | 0,5 | 0,5 |
Protein– | 60–80 | ca. 2 | – | 10–30 g/l |
Proteinfraktionen im Blutplasma mit wesentlichen Proteinen.Transferrin:Proteinfraktionen im BlutTranscortin:Proteinfraktionen im BlutIgM (Immunglobulin M):Proteinfraktionen im BlutIgG (Immunglobulin G):Proteinfraktionen im BlutIgE (Immunglobulin E):Proteinfraktionen im BlutIgD (Immunglobulin D):Proteinfraktionen im BlutIgA (Immunglobulin A):Proteinfraktionen im BlutHaptoglobin:Proteinfraktionen im BlutCoeruloplasmin, Proteinfraktionen im BlutBlutplasma:PlasmaproteineAlbuminAlbumin:Proteinfraktionen im Blut<03B3>-Globulin<03B2>-Globulin<03B1>-Globulin<03B1>1-Antitrypsin:Proteinfraktionen im Blut
Proteinfraktion (elektrophoretisch) | Anteil im Serum [%] | Proteine (u.a.) (immunelektrophoretisch) | Konzentration [g/l] | Molekülmasse [Dalton] | Funktion |
Albumin | 60 | Präalbumin | 0,25 | 60.000 | Bindung von Thyroxin, Retinol |
Albumin | 40 | 67.000 | kolloidosmotischer Druck, Bindung und Transport kleiner Moleküle, Reserve-Eiweiß | ||
α1-Globuline | 4 | saures α1-Glykoprotein | 1 | 44.000 | Akute-Phase-Protein, Progesteronbindung |
α1-Lipoproteine (HDL) | > 0,35 | ca. 200.000 | Lipidtransport | ||
Transcortin | 54.000 | Hormontransport (Kortisol) | |||
α1-Antitrypsin | 0,9–2 | 45.000 | Proteasehemmer, Akute-Phase-Protein | ||
α2-Globuline | 8 | Coeruloplasmin | 0,3 | 160.000 | Kupferbindung, Oxidase |
α2-Haptoglobin | 1 | 100.000 | Bindung von freiem Hämoglobin | ||
α2-Makroglobulin | 1–3 | 725.000 | Proteinasehemmung (Plasmin, Thrombin) | ||
α2-Antithrombin | 0,17–0,3 | 65.000 | Gerinnungshemmung | ||
Fetuine | 0,5–1 | 62.000 | Hemmstoff der Kalzifizierung | ||
β-Globuline | 12 | Transferrin | 3 | 80.000 | Eisenbindung und transport |
β-Lipoproteine (LDL) | < 1,55 | ca. 2.500.000 | Lipidtransport | ||
Fibrinogen (nicht im Serum enthalten) | 3 | 340.000 | Blutgerinnung | ||
γ-Globuline | 16 | IgG | 11 | 150.000 | Antikörper; spätere Reaktion |
IgA | 2,5 | 160.000 (Monomer) | Antikörper; als Dimer von Schleimhäuten sezerniert | ||
IgM | 1,2 | 970.000 | Antikörper; frühe Reaktion | ||
IgD | 0,03 | 170.000 | Antikörper; B-Lymphozyten-Differenzierung | ||
IgE | 0,0003 | 190.000 | Antikörper; Allergie, Parasiten |
Rotes Blutbild. Die angegebenen Bereiche entsprechen ca. ± 1 Standardabweichung vom Mittelwert, d.h. etwa 67% der zu erwartenden Messwerte.Neugeborene:HämatokritMCV (mean corpuscular volume)MCH (mean corpuscular hemoglobin)Hämoglobin:NormalwerteHämatokrit:NormalwerteErythrozyten:AnzahlBlutbild:kleines
Parameter | Messwerte |
Erythrozytenzahl | |
Männer | 4,9–5,6 × 106/μl (= 1012/l) |
Frauen | 4,4–5,1 × 106/μl (= 1012/l) |
Retikulozyten 0,5–2% | |
Hämoglobin (Hb) | |
Männer | 150–170 g/l entspr. 9,3–10,5 mmol/l |
Frauen | 120–140 g/l entspr. 7,5–8,7 mmol/l |
Hämatokrit (Hk) | |
Neugeborene | 0,47–0,63 |
Männer | 0,44–0,50 |
Frauen | 0,37–0,43 |
MCV (mittleres korpuskuläres Volumen) = Hk/Erythrozytenzahl | |
80–96 fl | |
MCH (mittleres korpuskuläres Hämoglobin) = Färbekoeffizient = Hb/Erythrozytenzahl | |
1,7–2,1 fmol (Hb-Monomer) | |
28–34 pg (ältere Einheit) |
Leukozytendifferenzierung und häufigkeit.Zelle:zytotoxischeT-LymphozytenStabkernigeSegmentkernigeNeutrophileNatürliche-Killer-ZelleMonozytenLymphozytenLeukozyten:HäufigkeitLeukozyten:DifferenzierungHelferzelleGranulozytenGranulozyten:neutrophileGranulozyten:eosinophileGranulozyten:basophileEosinophileB-LymphozytenBasophile
Zelltyp | Häufigkeit [%] | Anzahl pro μl | |
Normalbereich | Median | ||
alle Leukozyten | |||
100 | 4.500–10.000 | 7.500 | |
Granulozyten | |||
Neutrophile | 50–65 | 1.800–7.500 | 4.000 |
|
5–10 | 100–1.500 | 500 |
|
45–60 | 1.000–6.000 | 4.000 |
Eosinophile | 2–4 | 100–1.000 | 150 |
Basophile | 0–1 | 0–700 | 400 |
Monozyten | |||
2–6 | 100–1.000 | 400 | |
Lymphozyten | |||
T-Lymphozyten (CD3+) | 20–35 | 850–2.500 | 1.700 |
|
15–30 | 550–1.600 | 1.200 |
|
5–15 | 250–850 | 500 |
B-Lymphozyten | 2–5 | 150–400 | 250 |
Natürliche-Killer-Zellen (NK-Zellen) | 3–10 | 200–800 | 500 |
Oberflächenantigene von Leukozyten (Auswahl); ALL/CLL = akute/chronisch lymphatische Leukämie.Oberflächenantigene, LeukozytenOberflächenantigene, LeukozytenOberflächenantigene, LeukozytenLeukozyten:OberflächenantigeneLeukozyten:OberflächenantigeneLeukozyten:OberflächenantigeneCD-SystemCD-SystemCD-System
Antigen | Zelle | Funktion |
CD1 | kortikale Thymozyten, antigenpräsentierende Zellen, andere |
|
CD2 | T-Zellen, Thymozyten, NK-Zellen, B-Zellen |
|
CD3 | T-Zellen, Thymozyten |
|
CD4 | T-Helferzellen, Monozyten, Makrophagen, Thymozyten |
|
CD8 | zytotoxische T-Zellen, einige Thymozyten, regulatorische T-Zellen in der Peripherie |
|
CD10 | B- und T-Vorläuferzellen, Stromazellen des Knochenmarks |
|
CD11a | alle Leukozyten |
|
CD11b | myeloide Zellen und NK-Zellen |
|
CD11c | myeloide Zellen |
|
CD11d | Leukozyten |
|
CD14 | Monozyten, Makrophagen, PMN (gering), B-Zellen |
|
CD15s | Leukozyten, Endothelzellen |
|
CD16 | Neutrophile, Makrophagen, NK-Zellen |
|
CD18 | alle Leukozyten | bildet zusammen mit CD11 heterodimere β2-Integrine der Leukozyten (s. CD11) |
CD19 | B-Zellen |
|
CD22 | B-Zellen |
|
CD23 | reife B-Zellen, aktivierte Makrophagen, Eosinophile, follikulär dendritische Zellen, Thrombozyten |
|
CD25 | aktivierte T-Zellen, regulatorische T-Zellen, B-Zellen, Monozyten | α-Kette des IL-2-Rezeptors |
CD26 | aktivierte T- und B-Zellen, Makrophagen |
|
CD28 | T-Zell-Subpopulationen, aktivierte B-Zellen |
|
CD31 | Thrombozyten, Endothelzellen, Granulozyten, T-Zell-Subpopulationen |
|
CD32 | Neutrophile, Monozyten/Makrophagen, B-Zellen, Eosinophile |
|
CD34 | hämatopoetische Vorläuferzellen, Endothelzellen der Kapillaren und hochendothelialen Venolen |
|
CD35 | Erythrozyten, B-Zellen, Monozyten, Neutrophile, Eosinophile, follikuläre dendritische Zellen |
|
CD36 | Thrombozyten, Phagozyten, Endothelzellen |
|
CD40 | B-Zellen, Makrophagen, dendritische Zellen, Endothelzellen |
|
CD41 | Thrombozyten, Megakaryozyten |
|
CD44 | Leukozyten (besonders aktivierte T-Zellen und T-Gedächtniszellen), Erythrozyten, Endothelzellen, Fibroblasten |
|
CD45 | alle hämatopoetischen Zellen, alle Lymphozyten |
|
CD55 | hämatopoetische Zellen und nicht hämatopoetische Zellen, Erythrozyten, Endothelzellen |
|
CD58 | aktivierte Lymphozyten |
|
CD62E | Endothelzellen |
|
CD62L | Leukozyten |
|
CD62P | Thrombozyten, Endothelzellen |
|
CD64 | Monozyten, Makrophagen |
|
CD95 | breites Vorkommen |
|
CD115 | Monozyten, Makrophagen | Rezeptor für den Monozyten-Kolonie-stimulierenden Faktor (G-CSF-Rezeptor) |
CD116 | Monozyten, neutrophile und eosinophile Granulozyten, Endothelzellen | Rezeptor (α-Kette) für den Granulozyten-Monozyten-Kolonie-stimulierenden Faktor (GM-CSF-Rezeptor) |
CD152 | aktivierte T-Zellen |
|
CD154 | aktivierte CD4+-T-Zellen (T-Helferzellen) |
|
CD178 | aktivierte zytotoxische T-Zellen |
|
CD235a | erythroide Zellen |
|
Wichtige Blutgruppensysteme des Menschen. Häufigkeiten sind nur für Blutgruppen angegeben, an denen starke Antigene (fett) beteiligt sind.Rhesus-SystemKell-SystemDuffy-SystemBlutgruppensysteme:HäufigkeitenAB0-System
System | Antigene | Häufigkeit der Phänotypen |
AB0 | A, B, (H) | A = 44%, AB = 4%, B = 10%, 0 = 42% |
Rhesus | D, C/c, E/e | Rh+ (D) = 85%, rh– (dd) = 15% |
Kell | K, k | K = 9%, k = 91% |
Duffy | Fya, Fyb | |
MNSsU | M, N, S, s, U |
Charakteristische Eigenschaften des AB0-Blutgruppensystems beim Erwachsenen.AB0-Blutgruppe:Eigenschaften
Blutgruppe Phänotyp | Genotyp | Antigene auf den Erythrozyten | Antikörper im Plasma | Häufigkeit in % (Mitteleuropa) |
A | AA, A0 | A | Anti-B | 44 (42–47) |
B | BB, B0 | B | Anti-A | 10 (8–12) |
AB | AB | A und B | – | 4 (3–5) |
0 | 00 | nur H | Anti-A und Anti-B | 42 (40–47) |
Thrombozytäre Adhäsionsmoleküle (Auswahl).Thrombozyten:AdhäsionsmoleküleGP VIGP IIb/IIIaGP Ib/IXGP Ia/IIaAdhäsionsmoleküle:Thrombozyten
Adhäsionsmolekül | Bindungspartner | Erkrankung bei Defekt |
GP Ia/IIa | Kollagen | |
GP IIb/IIIa | Fibrinogen (auch Kollagen, Fibronectin, Vitronectin, Von-Willebrand-Faktor, Thrombospondin) | Glanzmann-Thrombasthenie |
GP Ib/IX | Von-Willebrand-Faktor | Bernard-Soulier-Syndrom |
GP VI | Kollagen |
Blutgerinnungsfaktoren.Von-Willebrand-FaktorTissue FactorStuart-Prower-FaktorProthrombinProtein SProtein CProkonvertinProakzelerinPlasmathromboplastinHageman-FaktorGewebsthromboplastinGerinnungsfaktorenFibrinogenFaktor:XIIIFaktor:XIIFaktor:XIFaktor:XFaktor:VIIIFaktor:VIIFaktor:VIFaktor:VFaktor:IXFaktor:IVFaktor:IIIFaktor:IIFaktor:IFaktor:fibrinstabilisierenderFaktor:antihämophilerChristmas-FaktorBlutgerinnung:GerinnungsfaktorenKalzium:ionisiertes
Faktor | Namen | Funktion (aktiver Faktor) | Biologische Halbwertszeit | Hauptproduktionsort | Vitamin-K-abhängig | Mangelsyndrome (Auswahl) |
I | Fibrinogen | Faserprotein | ca. 5 d | Leber | Afibrinogenämie (angeboren oder bei Verbrauchskoagulopathie) | |
II | Prothrombin | Serinprotease | 2–3 d | Leber | ja | Hypoprothrombinämie (angeboren, Vitamin-K-Mangel oder bei Verbrauchskoagulopathie) |
III | Tissue Factor, TF, Gewebsthromboplastin | Kofaktor | kurz | verschiedene Zellsorten | ||
IV | ionales Kalzium | Komplexbildung | ||||
V | Proakzelerin | Kofaktor | ca. 1 d | LeberMegakaryozytenEndothel | Parahämophilie (angeboren) | |
VI | entspricht Va | |||||
VII | Prokonvertin | Serinprotease | 5 h | Leber | ja | Hypoprokonvertinämie (angeboren, Vitamin-K-Mangel) |
VIII | antihämophiler Faktor A | Kofaktor | 15 h | Leber? | Hämophilie A (angeboren, X-chromosomal rezessiv vererbt) | |
vWF | Von-Willebrand-Faktor | Trägerprotein für Faktor VIII; Thrombozytenadhäsion | 1 d | Endothel Megakaryozyten | Von-Willebrand-Syndrom (erworben oder autosomal dominant vererbt) | |
IX | antihämophiler Faktor B (Christmas-Faktor) | Serinprotease | 1 d | Leber | ja | Hämophilie B (angeboren, X-chromosomal rezessiv vererbt) |
X | Stuart-Prower-Faktor | Serinprotease | 2–5 d | Leber | ja | Faktor-X-Mangel (angeboren) |
XI | Plasmathromboplastin Antecedent (PTA) | Serinprotease | 2 d | Leber | PTA-Mangel (angeboren oder bei Verbrauchskoagulopathie) | |
XII | Hageman-Faktor | Serinprotease | 2 d | Leber | Hageman-Syndrom führt eher zu Störungen der Fibrinolyse (angeboren oder bei Verbrauchskoagulopathie) | |
XIII | fibrinstabilisierender Faktor | Transglutaminase | ca. 7 d | Megakaryozyten | Faktor-XIII-Mangel | |
PC | Protein C | Serinprotease (gerinnungshemmend, profibrinolytisch, entzündungshemmend) | 10 h | EndothelLeber | ja | Protein-C-Resistenz (durch Mutation an Faktor V oder Mangel an PC) |
PS | Protein S | Kofaktor für aPC | 2 d | MegakaryozytenEndothelLeber | ja | Protein-S-Mangel |
Blut
-
7.1
Zusammensetzung und Funktionen des Blutes297
-
7.2
Blutplasma301
-
7.3
Blutzellen305
-
7.4
Erythrozytenbesonderheiten: Hämoglobin und Blutgruppen317
-
7.5
Blutstillung, Blutgerinnung321
-
7.6
Wundheilung und Angiogenese331
7.1
Zusammensetzung und Funktionen des Blutes
Zur Orientierung
Die physiologische Bedeutung des Blutes Blutliegt darin, dass es über das verzweigte Gefäßsystem mit allen Organen und über die durchlässigen Gefäßwände mit sämtlichen Geweben des Körpers in sehr enger Beziehung steht: Die Ver- und Entsorgung von Zellen ebenso wie die Kommunikation zwischen Zellsystemen durch chemische Botenstoffe beruhen auf der unablässigen Zirkulation des Blutes. Die Untersuchung von Blut auf seine Bestandteile – eine der häufigsten diagnostischen Maßnahmen in der Medizin – gestattet einen Einblick in mögliche Funktionsstörungen auch solcher Gewebe, die einer direkten Analyse schwer zugänglich sind. Die Transportfunktionen des Blutes werden von verschiedenen Blutzellen und Bestandteilen des Blutplasmas wahrgenommen. Volumen und Zusammensetzung des Blutes werden sehr präzise reguliert, können aber bei bestimmten Krankheiten auch typische Veränderungen zeigen.
Blutbestandteile
•
Zellen, den Erythrozyten (rote Blutkörperchen), Leukozyten (weiße Blutkörperchen) und Thrombozyten (Blutplättchen), sowie
•
umgebender Flüssigkeit, dem Blutplasma.
Aufgaben des Blutes
•
Transport:BlutAtemfunktion: O2 wird von der Lunge in die peripheren Gewebe, CO2 vom Gewebe in die Lunge transportiert.
•
Nähr- und Spülfunktion: Im Blut gelöste oder an Blutbestandteile gebundene Substrate (z.B. Glukose) und Endprodukte (z.B. Kreatinin) des Zellstoffwechsels werden mit dem Blut dem Gewebe zu- und aus ihm abgeführt.
•
Pufferfunktion: Durch Freisetzung bzw. Aufnahme von H+-Ionen aus den Puffer:BlutPuffersystemen des Blutes können Änderungen des pH-Wertes gemildert werden.
•
Aufrechterhaltung von Isoionie und Isotonie: Durch Austausch zwischen dem Interstitium der Gewebe und dem Blutplasma sowie zwischen dem Blutplasma und dem in der Niere gebildeten Harn wird die ionale und osmotische Zusammensetzung der extrazellulären Flüssigkeit konstant gehalten. Zusammen mit der Pufferfunktion ist dies Teil der Homöostase des inneren Milieus.
•
Abwehrfunktion: Blutzellen sowie Bestandteile des Blutplasmas können Abwehrfunktion:Blutfremde Materialien oder Organismen als fremd erkennen und eliminieren (Kap. 8).
•
Wärmehaushalt: Transport von Wärme zwischen wärmeerzeugenden Wärmeregulation:BlutOrganen (z.B. arbeitende Muskulatur) und wärmeabgebenden Organen (z.B. Haut, Kap. 17.2.3).
•
Reparaturfunktion: Blutungen bei Gefäßverletzungen werden rasch gestillt (Hämostase) und die Wundheilung eingeleitet.
•
Koordinationsfunktion: Hormone (Botenstoffe) werden mit dem Blut von endokrinen Drüsen zu ihrem Wirkort gebracht. Dadurch werden Funktionen weit voneinander entfernter Organe koordiniert.
MERKE
Blut ist das flüssige Transportmedium des Organismus.
Klinik
Veränderung der PlasmabestandteileWerden bei der Blutentnahme durch zu starke Stauung der Entnahmevene oder zu starkes Aspirieren Erythrozyten zerstört, so werden anschließend im Plasma zu hohe Konzentrationen derjenigen Substanzen gemessen, die in Erythrozyten enthalten sind (z.B. Laktatdehydrogenase oder Kalium). Bei Änderung der Körperlage vom Liegen zum Stehen wird durch den gestiegenen hydrostatischen Druck in den unteren Körperpartien vermehrt Flüssigkeit ins Interstitium filtriert. Dadurch erhöht sich die Konzentration nicht filtrierbarer Plasmabestandteile um bis zu 10%.Blutentnahme
Hämatokrit
MERKE
Als Hämatokrit wird der relative Anteil zellulärer Elemente am Gesamtvolumen des Blutes bezeichnet (s.a. Tab. 7.3).
Werte
Beitrag der Erythrozyten
MERKE
Der Hämatokrit ändert sich im Wesentlichen mit der Erythrozytenkonzentration im Blut. Diese hängt einerseits von der Erythrozytenmenge, andererseits vom Plasmavolumen ab.
Klinik
Änderung des HämatokritDer Hämatokrit ändert sich, wenn die Erythrozytenmenge im Körper (Erythrozytenvolumen, s.u.) erhöht oder vermindert ist, z.B. als Folge einer gesteigerten bzw. verminderten Bildung roter Blutzellen (Erythropoese) oder ihres beschleunigten Abbaus (Hämolyse). Der Hämatokrit ändert sich aber auch bei vermindertem (bzw. erhöhtem) Flüssigkeitsbestand (Dehydratation bzw. Hyperhydratation) und daher reduziertem oder „kontrahiertem“ (bzw. vergrößertem oder „expandiertem“) Plasmavolumen. Ein Abfall des Hämatokritwerts durch Vergrößerung des Plasmavolumens (z.B. in der Schwangerschaft, während der zwar auch das gesamte Erythrozytenvolumen zunimmt, jedoch von der Volumenzunahme des Plasmas übertroffen wird) wird als Pseudoanämie bezeichnet. Bei einer Senkung von Hämatokrit (Hk), Hämoglobinkonzentration (Hb) oder Erythrozytenkonzentration (Erythrozytenzahl, Tab. 7.3) im Blut unter den jeweiligen Normwert spricht man von Anämie. Als Polyglobulie im engeren Sinne wird eine Erhöhung der Erythrozytenkonzentration bezeichnet. Der Begriff wird jedoch auch für Zunahmen von Hb und Hk benutzt. PseudoanämieHämolyse:HämatokritHämatokrit:ÄnderungenErythropoese:HämatokritHämoglobin:KonzentrationAnämie:HämatokritErythrozytenkonzentration, Hämatokrit
Beitrag von Leukozyten und Thrombozyten
Klinik
LeukozytoseUnter pathologischen Bedingungen kann bei exzessiver Vermehrung der Leukozyten (Leukozytose bei entzündlichen Erkrankungen, vor allem aber bei Leukämien) ein Leukokrit messbar werden, den man aus Gründen der Klarheit vom Erythrokrit unterscheidet. Buffy Coat
Blutvolumen
Werte
Bestimmung des Blutvolumens

Rheologie des Blutes
Erythrozytenaggregation
Blutviskosität
Fåhraeus-Lindqvist-Effekt
MERKE
Der Fåhraeus-Lindqvist-Effekt ist eine Ursache dafür, dass die effektive (apparente) Blutviskosität in den englumigen Gefäßen der Kreislaufperipherie deutlich niedriger ist als in großkalibrigen Gefäßen. Darüber hinaus steigt die Blutviskosität bei steigendem Hämatokrit und fällt bei steigender Strömungsgeschwindigkeit des Blutes.
Klinik
Blut(körperchen)senkungsgeschwindigkeit (BSG)2 ml ungerinnbar gemachten Blutes werden in eine standardisierte, senkrecht aufgestellte Pipette eingefüllt. Nach 1 und 2 Stunden wird die Höhe der durch Sedimentation der Erythrozyten entstehenden Plasmasäule abgelesen (Normwerte bei Männern 3–8 mm, 5–18 mm, bei Frauen 6–11 mm, 6–20 mm). Die BSG ist ein unspezifischer Suchtest besonders für entzündliche Vorgänge und Karzinome (BSG beschleunigt, d.h. Werte nach 1 und 2 Stunden erhöht).
Risiko kardiovaskulärer ErkrankungenMessgrößen des Blutes, die im Zusammenhang mit der Blutviskosität stehen, insbesondere Plasmaviskosität, Hämatokrit und Fibrinogengehalt des Plasmas, geben bedeutsame Hinweise auf das Risiko kardiovaskulärer Erkrankungen (z.B. Herzinfarkt). Ihre Vorhersagekraft soll vergleichbar zu den „klassischen“ Risikofaktoren wie Plasmacholesterinspiegel, Hypertonie oder Übergewicht sein.
7.2
Blutplasma
Zur Orientierung
Die extrazelluläre Flüssigkeit des Blutes, das BlutplasmaPlasma, ist eine eiweißreiche Flüssigkeit. Ihre Zusammensetzung entspricht – bis auf die Proteinkonzentration – weitgehend der interstitiellen Flüssigkeit. Dies beruht darauf, dass die Wand der Blutkapillaren für Wasser und kleinmolekulare Substanzen (z.B. Elektrolyte, Glukose) sehr gut, für Proteine aber nur bedingt durchlässig ist. Mit einer Konzentrationsbestimmung niedermolekularer Substanzen im Plasma werden daher praktisch auch deren Konzentrationen in der interstitiellen Flüssigkeit ermittelt. Die Osmolalität des Plasmas (etwa 290 mosmol/kg H2O) beruht überwiegend auf dem Gehalt an Elektrolyten, vorwiegend Na+ und Cl–. Die Plasmaproteine bestehen aus verschiedenen Fraktionen, die z.B. als Transportvehikel, Antikörper oder Gerinnungsfaktoren wirken. Die Proteinkonzentration im Plasma (etwa 60–80 g/l) ist höher als im Interstitium. Blutplasma ist als physiologische Flüssigkeit von Blutserum zu unterscheiden. Serum ist der Blutserumflüssige Bestandteil einer Blutprobe, in der nach Blutabnahme die Serum siehe BlutserumGerinnung vollständig abgelaufen ist. Serum enthält daher v.a. kaum Fibrinogen (Kap. 7.5).
7.2.1
Elektrolyte und Osmolalität
Werte
MERKE
Die ionale Zusammensetzung des Plasmas entspricht weitgehend der interstitiellen Flüssigkeit. Na+ und Cl– sind die im Plasma mengenmäßig dominierenden Elektrolyte. Daher kann das Blutplasma in erster Näherung als eine Lösung von Kochsalz angesehen werden (9 g auf 1 l oder in alter Schreibweise „0,9%“; sog. physiologische Kochsalzlösung, physiologischeKochsalzlösung).
Osmotischer Druck
MERKE
Plasmaproteine besitzen trotz ihres geringen Anteils an der osmotischen Gesamtkonzentration einen dominierenden Einfluss auf die Wasserverteilung zwischen intravasalem und extravasalem Flüssigkeitsraum, weil sie die Kapillarwand nicht frei passieren können und daher an dieser einen onkotischen bzw. kolloidosmotischen Druck von ca. 25 mmHg erzeugen.
Plasmaersatzflüssigkeiten
Klinik
PlasmaersatzDie einfachste denkbare Plasmaersatzlösung ist die physiologische Kochsalzlösung. Lösungen mit differenzierteren Rezepten enthalten auch andere Ionen oder kleinmolekulare organische Substanzen (z.B. Glukose als Stoffwechselsubstrat oder Puffersubstanzen). Solche Lösungen gehen aus dem Gefäßsystem jedoch relativ schnell wieder ins Interstitium verloren, da sie keinen kolloidosmotischen Druck erzeugen.
PlasmaexpanderZur anhaltenden Volumensubstitution brauchbare Plasmaersatzlösungen müssen daher auch Kolloide (z.B. Albumine oder Dextrane) enthalten. Bei den Plasmaexpandern ist die Kolloidkonzentration so groß, dass der kolloidosmotische Druck den des Plasmas deutlich übersteigt. Das verlorene intravasale Volumen wird durch einen zusätzlichen Flüssigkeitseinstrom aus dem Interstitium besonders rasch ergänzt. Plasmaexpander ermöglichen daher einen schnellen Blutersatz, z.B. beim Kreislaufschock infolge Blutverlusts (hämorrhagischer Schock).
Tonizität
MERKE
Isoosmolal = Lösungen haben die gleiche osmotische Konzentration, isoton = Lösungen erzeugen den gleichen osmotischen Druck an einer semipermeablen Membran.
7.2.2
Plasmaproteine
Werte
Synthese
Auftrennung der Proteine
Klinik
AtherogeneseDie Plasmakonzentration der Lipoproteine ist im Zusammenhang mit der Arteriosklerose von Bedeutung: Bei hoher LDL- und niedriger HDL-Konzentration (für den Pathomechanismus entscheidend ist die Konzentration des oxidierten LDL, oxLDL, die jedoch nicht routinemäßig bestimmt wird) kommt es zunächst zur Fetteinlagerung (Atheromatose) und anschließend zur arteriosklerotischen Veränderung der Arterienwand (Plaquebildung). Diese kann z.B. in den Koronararterien oder den Karotiden eine erhebliche Verengung des Lumens (Stenose) zur Folge haben. Dadurch erhöht sich der Widerstand des Gefäßes, und das perfundierte Gewebe wird mit weniger Sauerstoff versorgt. Besonders gefährlich ist das Einreißen der luminalen Deckschichten von arteriosklerotischen Plaques. Dies führt meist zu einer zusätzlichen lokalen Blutgerinnung und Thrombenbildung. Ein plötzlicher Gefäßverschluss und damit eine kritische Mangelversorgung des Gewebes mit Zelltod durch Nekrose (Herz- oder Hirninfarkt) kann die Folge sein.
Funktionen
•
Transportfunktion: Plasmaproteine:AufgabenVor allem die Albumine und spezialisierte Transportfunktion, PlasmaproteineGlobuline dienen als Transportvehikel für niedrig molekulare Bestandteile des Albumin:TransportfunktionPlasmas, Hormone, Nährstoffe (z.B. Lipide), Stoffwechselprodukte, Vitamine, Elektrolyte, aber auch Medikamente und Giftstoffe. Diese Substanzen wären sonst entweder nicht wasserlöslich (Fette, Lipidhormone, Schwermetalle) oder ganz anders im Körper verteilt. Ionen (z.B. Ca2+) würden ohne Anwesenheit bestimmter Proteine (z.B. Fetuin) Salze bilden und ausfallen.
•
Blutgerinnung: Als Bestandteile Blutgerinnung:Plasmaproteinedes Gerinnungs- oder Fibrinolysesystems schützen bestimmte Plasmaproteine:BlutgerinnungPlasmaproteine vor Blutverlusten oder Blutgefäßverschlüssen durch Blutgerinnsel.
•
Pufferfunktion: Eine für den Säure-Basen-Haushalt wichtige Eigenschaft der Plasmaproteine ist Puffer:Plasmaproteineihre Fähigkeit, H+-Ionen je nach dem aktuellen pH-Wert des Plasmas aufzunehmen bzw. abzudissoziieren und damit zur Pufferung des Blutes beizutragen (Kap. 12.2). Dabei verändert sich die Zahl der positiven bzw. negativen Ladungen der Proteinmoleküle und beeinflusst deren Kapazität, freie An- bzw. Kationen zu binden.
•
Abwehrfunktion: Immunglobuline, Komplementfaktoren, Lysozym, antivirale Interferone und Abwehrfunktion:PlasmaproteineAkute-Phase-Proteine bilden den löslichen (humoralen) Teil der Abwehr von Fremdkörpern wie z.B. Bakterien.
MERKE
Unter den verschiedenen Proteinfraktionen machen Albumine mit etwa 60% den größten Anteil aller Plasmaproteine aus. Die Fraktionen der Globuline (α1 4%, α2 8%, β 12% und γ 16%) enthalten spezialisierte Proteine für Transport, Blutgerinnung, Fibrinolyse und Abwehr. Alle Plasmaproteine tragen zur Pufferung des Blutes bei.
7.3
Blutzellen
Zur Orientierung
Blutplasma:ZellenDie Ahnenreihe der Blutzellen beginnt im Knochenmark Blutzellemit den Stammzellen. Aus ihnen differenzieren sich die zahlreichen Zellgenerationen der Erythropoese, Leukopoese und Thrombopoese. Hauptfunktion reifer Erythrozyten ist der Atemgastransport, reifer Leukozyten die Abwehr und reifer Thrombozyten die Blutstillung. Die Hämatopoese steht unter dem Einfluss von Wachstumsfaktoren, von denen einige als Hormone fern von ihrem Wirkort, einige als lokale Mediatoren von benachbarten Zellsystemen gebildet werden. Obwohl fortwährend neue Zellen gebildet werden und andere sterben, ist die Zusammensetzung des peripheren Blutes beim gesunden Menschen im Allgemeinen ziemlich konstant. Ein stabiler Funktionspool von Blutzellen setzt eine Kontrolle nicht nur von Wachstum und Differenzierung, sondern auch des physiologischen Zelltodes (Apoptose) voraus. Änderungen des sog. Blutbildes, d.h. der Konzentration verschiedener Blutzellen im peripheren Blut, sind entweder auf veränderte Anforderungen (z.B. Infektabwehr, Höhenaufenthalt) oder auf Krankheiten zurückzuführen. Dies wird in der Diagnostik ausgenutzt.
7.3.1
Zellarten
Erythrozyten
Werte
Größe, Form, Verformbarkeit
Klinik
Veränderung der VerformbarkeitVeränderungen der Zellbestandteile oder des lokalen Milieus (z.B. bei Azidose, hämolytischen Anämien, Diabetes mellitus) können zu deutlicher Versteifung der Erythrozyten führen. Die Verformbarkeit der Zelle wird ferner von der Viskosität der intrazellulären Flüssigkeit bestimmt, die bei Vorliegen pathologischer Hämoglobine (z.B. bei Sichelzellenanämie) erhöht sein kann. Hämolytische Anämien sind u.U. die Folge.
Klinik
Defekte einzelner Komponenten des membranassoziierten Zytoskeletts können die Verformbarkeit oder mechanische Stabilität von Erythrozyten beeinträchtigen und hämolytische Anämien verursachen. So geht die sog. Kugelzellenanämie (hereditäre Sphärozytose) auf einen Defekt im Spektrin- oder Ankyrinmolekül zurück. Die entstehenden kugelförmigen Erythrozyten werden schon nach einer mittleren Lebensdauer von 10 Tagen in der Milz aus dem fließenden Blut selektiert und abgebaut. Beim Defekt des Bande-4.1-Proteins kommt es dagegen zu einer Elliptozytose. Lebensdauer:Erythrozyten
Formveränderungen
•
Nimmt die extrazelluläre Osmolalität ab, schwellen die Erythrozyten zunächst zur Kugelform an (Sphärozyten, Abb. 7.5d) und beginnen dann, unter etwa 180 mosmol/kg H2O, zu platzen (osmotische Hämolyse, die unter etwa Sphärozyten100 mosmol/kg H2O praktisch vollständig ist). Die osmotische Resistenz der Zellen ist unterschiedlichHämolyse:osmotische, sie kann außerdem bei bestimmten Krankheiten wie der Kugelzellenanämie vermindert sein.
•
Schrumpfen die Erythrozyten in einer hyperosmolalen Lösung, kommt es zu Volumenverlust und Bildung sog. Stechapfelformen (Echinozyten, Abb. 7.5b). ATP-Verarmung, Erhöhung der intrazellulären Ca2+-Konzentration und die Einwirkung bestimmter EchinozytenSubstanzen (z.B. Medikamente) bewirken ebenfalls eine Echinozytenbildung. Die Ursachen dieser Effekte sind nicht in allen Fällen geklärt. Sie hängen mit der Struktur des submembranären Zytoskeletts und seiner Verankerung in der Lipidmembran zusammen.
Lebensdauer
Sequestration
Klinik
Intravasale HämolyseSie entsteht durch eingeschränkte Verformbarkeit der Erythrozyten durch Substanzen, die Bestandteile der Zellmembran angreifen (z.B. oberflächenaktive Substanzen [Seifen], Gifte oder lysierende Antikörper). Sie ist aber auch durch übermäßigen osmotischen Wassereinstrom (nach versehentlicher Infusion hypoosmolaler Flüssigkeiten), oder mechanisch z.B. an künstlichen Herzklappen möglich. Das austretende Hämoglobin wird zum Teil von Haptoglobin, einem Plasmaprotein der α2-Globulin-Fraktion, gebunden und dadurch besser phagozytiert und wiederverwertet (laboranalytisch sinkt die Serumkonzentration von Haptoglobin). Bei plötzlicher Freisetzung größerer Mengen bleibt das Hämoglobin meist nicht als Tetramer erhalten, sondern zerfällt in Di- oder Monomere. Diese können die Filtrationsbarriere der Nierenglomeruli passieren, Tubuli verlegen und so gravierende Nierenschäden verursachen.
Leukozyten
Leukozytenarten und Laborwerte
MERKE
Leukozyten können in Granulozyten, Lymphozyten und Monozyten unterschieden werden, die ihrerseits weiter differenziert werden.
Leukozytenfunktion
•
T-Lymphozyten, etwa 80% aller Lymphozyten im peripheren Blut, vermitteln zelluläre Immunreaktionen.
•
B-Lymphozyten, etwa 12–15%T-Lymphozyten\b der Blutlymphozyten, wandeln sich nach Aktivierung durch Antigene zu Plasmazellen um und B-Lymphozyten\bproduzieren spezifische Antikörper (humorale Immunreaktion).
•
Zu einer dritten Gruppe von Lymphozyten (Null-Zellen) gehören die NK- oder Natürliche-Killer-Zellen, die an der antikörperabhängigen Zytotoxizität beteiligt sind.
MERKE
Neutrophile Granulozyten und Monozyten sind professionelle Phagozyten. Eosinophile Granulozyten können durch Antigen-IgE-Komplexe aktiviert werden und dienen der Abwehr von Parasiten. Basophile Granulozyten setzen den Entzündungsmediator Histamin frei und sind dadurch wichtige Koordinatoren der Entzündungsreaktion, insbesondere auch bei Allergien. Lymphozyten sind Träger der spezifischen Immunreaktion.
Thrombozyten
Form und Größe
Funktion
7.3.2
Hämatopoese
Zellbildung
Ort und Ablauf der Zellbildung
MERKE
Die undeterminierten, multipotenten Stammzellen des Knochenmarks (CFU-GEMML) differenzieren zu erythroiden Vorläuferzellen der Erythrozyten (CFU-E) in der Erythropoese, zu myeloischen bzw. monozytären Vorläuferzellen der Granulozyten und Monozyten (CFU-GM) in der Granulozyto- und Monozytopoese sowie zu lymphatischen Vorläuferzellen (CFU-L), aus denen die Lymphozyten durch Lymphopoese hervorgehen.
Determination und Differenzierung
MERKE
Differenzierung und Proliferation der CFU werden durch unterschiedliche CSF induziert.
Regulation und „Pools“
Zellarten
Erythropoese
MERKE
Durch die hypoxieinduzierte Expression von Erythropoetin in der Nierenrinde wird die Erythropoese bedarfsgerecht reguliert. Bei Bedarf kann die Erythropoese um das 5–10-Fache gesteigert werden.
Klinik
Hypoxie, Polyglobulie, renale AnämieBei einer allgemeinen Hypoxie (z.B. Aufenthalt in großen Höhen, eingeschränkte Lungenfunktion, bestimmte Herzfehler) wird die Erythropoese stimuliert und führt zur Polyglobulie. Andererseits führt eine verminderte EPO-Bildung bei chronischen Nierenerkrankungen zur Entwicklung einer Anämie. Renale Anämien können in fast allen Fällen mit gentechnisch hergestelltem rekombinantem EPO effektiv therapiert werden. Die Wirkung von EPO auf die Erythropoese setzt allerdings die Verfügbarkeit von Eisen, Vitamin B12 und Folsäure und damit eine entsprechende Ernährung oder Substitution voraus.
Granulozytopoese
Monozytopoese
Lymphopoese
•
T-Lymphozyten werden unter Organe:lymphatische, primäredem Einfluss Thymus, Lymphopoeseverschiedener Wachstumsfaktoren (Thymopoetin, IL-2 und IL-7) im Thymus (daher T-) geprägt.
•
B-T-Lymphozyten:ThymusLymphozyten differenzieren im Knochenmark (Bone Marrow).
Klinik
PseudoleukozytoseDie Häufigkeit der verschiedenen Leukozytenpopulationen im peripheren Blut kann beim Gesunden stark variieren. In der Blutbahn finden sich 2 Populationen (Pools) von Leukozyten, deren Zirkulationszeiten deutlich verschieden sind: ein marginierter und ein zirkulierender Pool. Die Bezeichnungen beruhen auf der Vorstellung, dass einige Zellen (vor allem Granulozyten) reversibel an der Gefäßwand, besonders in der Lunge, haften und dadurch wesentlich langsamer zirkulieren. Der marginierte Pool kann leicht zugunsten des zirkulierenden „rekrutiert“ werden, z.B. bei Ausschüttung von Katecholaminen. Die im peripheren Blut gemessene Leukozytenkonzentration kann daher z.B. bei körperlicher Arbeit oder durch Rauchen deutlich ansteigen (Pseudoleukozytose).
ProduktionsleukozytoseSie entsteht bei akuten Entzündungen und ist meist mit einer Granulozytose und einer relativen Vermehrung junger Zellen im peripheren Blut verbunden. Diese Linksverschiebung, d.h. die relative Vermehrung der stabkernigen gegenüber den segmentkernigen Neutrophilen, wird als Ausdruck der Rekrutierung des Reservespeichers im Knochenmark gewertet (Abb. 7.8). Da alle Leukozyten in irgendeiner Form an den spezifischen oder unspezifischen Vorgängen der Infekt- und Immunabwehr beteiligt sind, finden sich charakteristische Veränderungen des Differenzialblutbildes insbesondere bei verstärkten Abwehrreaktionen.
LeukämieBei Leukämien finden sich abhängig vom Stadium oft exzessiv hohe Leukozytenzahlen im peripheren Blut (Vorsicht: es gibt auch aleukämische Verläufe). Sie sind auf eine maligne Entartung von Zellen der Myelopoese oder der Lymphopoese zurückzuführen. Abhängig vom Zelltyp, aus dem die malignen Zellen hervorgegangen sind, können daher myeloische und lymphatische Leukämien unterschieden werden. Klinisch lassen sich chronische und akute Verlaufsformen beobachten, sodass akute lymphatische Leukämie (ALL, am häufigsten im Kindesalter), akute myeloische Leukämie (AML, am häufigsten im Erwachsenenalter), chronisch lymphatische Leukämie (CLL, am häufigsten im höheren Lebensalter) und chronisch myeloische Leukämie (CML, am häufigsten im mittleren Lebensalter) unterschieden werden können. Zur gezielten Therapie werden sehr viel weiter reichende Untertypisierungen, u.a. mittels der CD-Typisierung (Tab. 7.5), vorgenommen.
Leukopenie, AgranulozytoseDie Leukozytenzahlen im peripheren Blut können auch signifikant vermindert sein (Leukopenie bzw. Agranulozytose). Dies ist im Allgemeinen auf Störungen der Leukozytenproduktion im Knochenmark zurückzuführen und kann u.a. durch Medikamente (z.B. Zytostatika) oder radioaktive Strahlung ausgelöst werden. Je nach dem Ausmaß der Störung kann das Fehlen funktionsfähiger Leukozyten, insbesondere der Neutrophilen, zu einer lebensbedrohlichen Abwehrschwäche führen.
Thrombopoese
Apoptose
MERKE
Nicht mehr teilungsfähige, fehlentwickelte oder aus irgendwelchen Gründen „ungeeignete“ und funktionsunfähige, aber auch nicht mehr benötigte Zellen werden durch Apoptose, den kontrollierten Zelltod, eliminiert. Die Apoptose muss deutlich von der „nicht programmierten“ Form des Zelltodes, der Nekrose, unterschieden werden (Kap. 21.2.2).
Klinik
Mögliche Bedeutung der ApoptoseDie Mechanismen, die zur Apoptose führen, sind von höchstem Interesse, weil sie u.U. therapeutisch beeinflusst werden könnten. Erkrankungen der Blutbildung, z.B. verschiedene Leukämien, könnten behandelt und Krebszellen durch gezielte Ansteuerung in den programmierten Zelltod „geschickt“ werden.
7.4
Erythrozytenbesonderheiten: Hämoglobin und Blutgruppen
Zur Orientierung
Dass Erythrozyten Hämoglobin enthalten, macht sie zu Transporteuren für Sauerstoff und Kohlendioxid und ermöglicht damit ihre wichtigste Funktion. Pathologische Veränderungen des Hämoglobingehalts bzw. der Hämoglobinstruktur sind für einige klinisch wichtige Erkrankungen verantwortlich.
Erythrozyten enthalten – an ihrer Oberfläche – verschiedene erbliche Antigene, die zahlreiche Blutgruppensysteme definieren. Antikörper gegen diese Antigene können schon bald nach der Geburt gebildet werden (AB0-System) oder erst nach Sensibilisierung durch einen Erstkontakt auftreten (Rhesus-System). Vor Bluttransfusionen ist die genaue Bestimmung der Blutgruppen von Spender und Empfänger wichtig, weil es bei Inkompatibilität zur Agglutination und/oder Hämolyse der Erythrozyten mit tödlichen Folgen kommen kann.
7.4.1
Hämoglobin, der rote Blutfarbstoff
Werte
Struktur des Hämoglobinmoleküls
Klinik
EisenmangelanämieBei chronischen Blutverlusten (z.B. Menstruation, Magengeschwüre), während des Wachstums und bei Schwangerschaft steigt der Eisenbedarf stark an, und es kann zu einem Eisenmangel kommen. Eisenmangel ist ebenso möglich, wenn die Eisenresorption im Darm gestört ist, also zu wenig Eisen aufgenommen wird. Ein länger bestehender Eisenmangel kann zu einer Eisenmangelanämie (s.u.) führen.
Hinweise auf einen Eisenmangel finden sich bei ca. 4% aller erwachsenen Männer und bei ca. 18% der menstruierenden Frauen in Westeuropa. Bei Vegetariern ist Eisenmangel häufiger, da Fleisch eine besonders hohe Eisenverfügbarkeit aufweist. Etwa 25% der Weltbevölkerung leiden durch Mangelernährung unter einer Eisenmangelanämie.
Klinik
AnämienEine pathologische Verminderung der Hämoglobin- oder Erythrozytenkonzentration im Blut bzw. des Hämatokrit bezeichnet man als Anämie, eine Erhöhung über die Norm als Polyglobulie oder Polyzythämie. Anämien können normochrom, hypochrom oder hyperchrom sein, je nachdem, ob der mittlere Hämoglobingehalt der Erythrozyten (MCH, „mean corpuscular hemoglobin“) normal, vermindert oder erhöht ist. Der Normalwert des MCH liegt bei etwa 1,7–2,1 fmol (28–34 pg):
•
Hypochrom-mikrozytäre Anämien (ca. 70% aller Anämien) beruhen in der Regel auf einer primären Störung der Hämoglobinsynthese (hypochrom) und werden meist durch einen Eisenmangel verursacht (s.o.), dabei ist zugleich das Erythrozytenvolumen (MCV, „mean corpuscular volume“) vermindert (mikrozytär).
•
Normochrom-normozytäre Anämien finden sich bei Mangel an EPO als Folge einer chronischen Niereninsuffizienz oder einer verminderten Aktivität des Knochenmarks (aplastische Anämie). Sie können aber auch unmittelbar nach einem Blutverlust auftreten, wenn die intravasale Flüssigkeit schneller ersetzt wurde als die Erythrozyten, oder Begleiterscheinung einer chronischen Entzündung oder eines Karzinoms sein.
•
Hyperchrom-makrozytäre Anämien sind durch eine Bildungsstörung der Erythrozyten bedingt. Sie entstehen z.B. bei ungenügender Zufuhr (meist bei rein vegetarischer Ernährung) oder verringerter Resorption (Fehlen von Intrinsic Factor im Magensaft: perniziöse Anämie) von Vitamin B12 oder bei Mangel an Folsäure (häufigste Ursache: Alkoholismus), dabei ist zugleich das MCV erhöht (makrozytär).
Hämolytische AnämienDie sehr unterschiedlich verursachten hämolytischen Anämien (ca. 10% aller Anämien) können sowohl normochrom-normozytär als auch hyperchrom-makrozytär und in seltenen Fällen hypochrom-mikrozytär sein. Ihnen allen ist die verkürzte Lebensdauer der Erythrozyten gemeinsam. Diese wird (fast immer) durch eine verstärkte Erythropoese teilkompensiert. Als Folge der verstärkten Erythropoese treten mehr Retikulozyten aus dem Knochenmark ins periphere Blut über. Die erhöhte Retikulozytenzahl im peripheren Blut kennzeichnet also die hämolytischen Anämien als hyperregeneratorische Anämien im Unterschied zu den aregeneratorischen Anämien mit verminderter oder normaler Retikulozytenzahl.
SichelzellenanämieGendefekte können die Struktur des Hämoglobins verändern, z.B. bei Sichelzellenanämie oder bei Thalassämie. In dem bei Sichelzellenanämie gebildeten HbS ist nur eine einzige Aminosäure (Glu) der β-Kette durch eine „falsche“ (Val) ersetzt. Im Unterschied zu HbA bildet HbS bei pH-Abfall irreversible Polymere, die die Verformbarkeit des Erythrozyten behindern und zu seiner Sichelform führen. Als Folge derartiger Veränderungen treten Hämolyse und Anämie auf.
PolyglobuliePolyglobulien mit Hämoglobinkonzentrationen über 200 g/l treten infolge einer gesteigerten Produktion von Erythropoetin (EPO) bei chronisch vermindertem arteriellem O2-Partialdruck oder Nierentumoren auf. Sie können auch durch maligne Entartungen multipotenter Stammzellen des Knochenmarks verursacht werden (Polycythaemia vera), wobei die Plasmaspiegel von EPO typischerweise vermindert sind.
Abgesehen von der direkten Folge solcher Veränderungen für die O2-Transportkapazität des Blutes stellen Anämien und Polyglobulien wegen der veränderten Blutviskosität auch eine Kreislaufbelastung dar. Die niedrige Viskosität bei Anämie begünstigt die kompensatorische Erhöhung des Herzminutenvolumens, während bei Polyglobulie der periphere Strömungswiderstand erhöht ist.
7.4.2
Blutgruppen
MERKE
Gemeinsam vererbte antigene Oberflächenmerkmale von Erythrozyten werden als Blutgruppensysteme bezeichnet.
Klinik
Klinische BedeutungNur sehr wenige der Blutgruppenantigene können gefährliche Reaktionen bei Bluttransfusionen oder im Rahmen einer Schwangerschaft auslösen. Von großer klinischer Bedeutung sind die Antigene A und B des AB0-Systems und das Antigen D des Rhesus-Systems. Unter besonderen Bedingungen (z.B. Sensibilisierung, multiple Transfusionen) sind auch Reaktionen auf andere Antigene möglich und müssen berücksichtigt werden. Bei Transfusionen wird in der Regel Blut verwendet, das gleiche AB0- und Rhesus-Merkmale hat. In extremen Notfällen können jedoch ohne Prüfung der Blutgruppe des Empfängers Erythrozyten der Blutgruppe 0, rh-negativ transfundiert werden, da diese keine starken Antigene besitzen.
AB0-System
Eigenschaften
Rhesus-System
MERKE
Die stärksten Antigene sind die Oberflächenmerkmale A und B aus dem AB0-System sowie D aus dem Rhesus-System. Bei Bluttransfusionen muss daher sorgfältigst auf die Übereinstimmung dieser 3 Merkmale geachtet werden.
Klinik
Rhesus-InkompatibilitätVon großer Bedeutung ist die Inkompatibilität zwischen einer rh-negativen Schwangeren und ihrem Rh-positiven Fetus. Gegen Ende der Schwangerschaft, vor allem während der Geburt, aber auch bei Eingriffen wie der Amniozentese oder einer äußeren Wendung, können fetale Erythrozyten in das mütterliche Blut gelangen (fetomaternale Transfusion). Auf die Rh-positiven Erythrozyten des Fetus reagiert die Mutter mit der Bildung von Anti-D-Immunglobulinen (Sensibilisierung).
Wird die in der ersten Schwangerschaft sensibilisierte Mutter erneut mit einem Rh-positiven Kind schwanger, kann dieses schwer geschädigt werden (Morbus haemolyticus neonatorum): Die Anti-D-Antikörper vom Typ IgG werden (im Unterschied zu IgM) aktiv über die Plazentabarriere transportiert und können eine Hämolyse des kindlichen Blutes mit schweren, meist tödlichen Folgen für das Kind verursachen.
Die Folgen einer Rhesus-Inkompatibilität können durch eine Anti-D-Behandlung der noch nicht sensibilisierten Mutter unmittelbar nach Ende einer Schwangerschaft mit einem Rh-positiven Fetus verhindert werden. Das injizierte Anti-D-Immunglobulin bindet an die antigenen Epitope der in den mütterlichen Kreislauf gelangten fetalen Erythrozyten. Diese werden so maskiert und beseitigt, ohne das mütterliche Immunsystem zu sensibilisieren (s.a. Kap. 8.2.6, Sekundärantwort).
7.4.3
Blutgruppenbestimmung
•
Erythrozyten der Blutkonserve werden mit Plasma des Kreuzprobevorgesehenen Empfängers gemischt (Major-Test).
•
Erythrozyten des Empfängers werden mit Plasma der Konserve gemischt (Minor-Test). Blutgruppensysteme:Kreuzprobe
Klinik
TransfusionszwischenfallBei Transfusion eines AB0-inkompatiblen Erythrozytenkonzentrats, z.B. der Blutgruppe A in einen Patienten mit der Blutgruppe B, reagieren die Anti-A-IgM-Antikörper im Plasma des Empfängers mit dem A-Antigen auf der Oberfläche der Spendererythrozyten und führen zuderen Agglutination. Benachbarte Erythrozytenmembranen werden durch die Antikörper fest miteinander verbunden. Die Agglutinate sind mechanisch so fest, dass sie den Strömungskräften im Gefäßsystem widerstehen und in den kleinen Gefäßen stecken bleiben. Die Erythrozyten können durch Zerreißung von Zellmembranen hämolysieren.
Eine akute intravasale Hämolyse, die ggf. zu einer Rotfärbung von Plasma und Urin, Fieber und Schüttelfrost führt, beruht hauptsächlich auf der Aktivierung des Komplementsystems durch IgM-Antigen-Komplexe und der Bildung von Membranangriffskomplexen (Kap. 8.2.2, Komplementsystem, Lyse). In dieser Situation ist der Patient durch den sich entwickelnden anaphylaktischen Schock akut lebensgefährdet.AB0-Blutgruppe:Bedside-Test
7.5
Blutstillung, Blutgerinnung
Zur Orientierung
BlutgerinnungDie Fähigkeit des Organismus, eine Blutung zu Blutstillungstillen, heißt Hämostase. Dabei führen HämostaseVasokonstriktion und Bildung eines aus Thrombozyten bestehenden weißen Thrombus innerhalb von 1–3 Minuten zu einer vorläufigen Blutstillung, die als primäre Hämostase bezeichnet wird. Aus im Plasma befindlichen Profaktoren aktivierte Gerinnungsfaktoren führen innerhalb von 6–9 Minuten durch Bildung eines gemischten Thrombus aus einem Fibringerüst und darin gefangenen Blutzellen zur endgültigen Blutstillung, die als sekundäre Hämostase bezeichnet wird. Thromben können durch Fibrinolyse wieder aufgelöst werden. Ein Mangel an Hämostase führt zu Blutungen, ein Zuviel zu Blutgefäßverschlüssen. Daher sind das Verständnis der Hämostase, ihrer Regulation und ihrer therapeutischen Beeinflussung von großer klinischer Bedeutung.
7.5.1
Primäre Hämostase oder „vorläufige“ Blutstillung
Vasokonstriktion
Thrombozytenfunktionen
Thrombozytenadhäsion
MERKE
Hauptträger der primären Hämostase sind die Thrombozyten. Sie werden aktiviert, wenn sie auf nichtendotheliale, adhäsive Oberflächen, insbesondere subendotheliales Kollagen treffen.
Thrombozytenaktivierung
Thrombozytenaggregation und degranulation
MERKE
Der thrombozytäre Fibrinogenrezeptor GP IIb/GP IIb/IIIaIIIa ist wesentlich für die Bildung größerer Thrombozytenaggregate.
MERKE
Positive Rückkoppelungsmechanismen über Freisetzung von ADP u.a. sowie Synthese von Thromboxan A2 führen in ihrer Summe zur irreversiblen Aggregation.
Klinik
Glanzmann-ThrombasthenieDie funktionelle Bedeutung des Glykoproteins GP IIb/IIIa wird aus der Symptomatik der sog. Glanzmann-Thrombasthenie deutlich. Bei dieser Erkrankung, die der häufigste angeborene Thrombozytendefekt ist, fehlt GP IIb/IIIa auf der Thrombozytenoberfläche, sodass die fibrinogenvermittelte Aggregation nicht möglich ist. Die Patienten neigen zu Blutungen, besonders der Schleimhäute. Sie haben aber normale Thrombozytenzahlen und eine unauffällige Blutgerinnung.
Von-Willebrand-SyndromEin ähnliches klinisches Bild mit petechialen Blutungen und erhöhter Blutungsneigung besonders der Schleimhäute (bei normaler Thrombozytenzahl) entsteht, wenn zu wenig oder gar kein vWF vorhanden oder er verändert ist. Weil vWF darüber hinaus den Gerinnungsfaktor VIII bindet und dadurch vor Abbau schützt, ist beim Von-Willebrand-Syndrom evtl. die PTT etwas verlängert. Während die Glanzmann-Thrombasthenie eine seltene Erkrankung ist, ist das Von-Willebrand-Syndrom mit einer Prävalenz von 1% recht häufig.
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die Ausbildung von Pseudopodien („shape change“ als Ausdruck der gesteigerten Adhäsivität, reversibel)
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die Degranulierung (mit Freisetzung des Inhalts der Granula)
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die Membranverschmelzung der Thrombozyten (irreversibel)
Klinik
Hemmung der ThrombozytenaggregationAcetylsalicylsäure (ASS) blockiert irreversibel die Zyklooxygenase und damit die Bildung von Thromboxan A2. Die Thrombozytenaggregation wird gehemmt. ASS kann daher bei sehr niedriger Dosierung (50–100 mg/d) sinnvoll sein, um das Risiko arterieller Thrombosen zu vermindern. Die hierdurch leicht verlängerte Blutungszeit ist im Normalfall bedeutungslos. Ebenso wird die Thrombozytenaggregation gehemmt, indem die thrombozytären ADP-Rezeptoren von GP IIb/IIIa oder von Thrombinrezeptoren pharmakologisch blockiert werden. Eine Woche vor Operationen oder Zahnextraktionen sollten diese Medikamente abgesetzt werden, um ein verlängertes Nachbluten zu verhindern.
Vorsicht: Nach Absetzen insbesondere der als Zweierkombination gegebenen Thrombozytenhemmer ist das thrombembolische Risiko erhöht (Rebound-Phänomen). Diese Phase muss evtl. mit reversibler GP-IIb/IIIa-Blockade überbrückt werden. Das „bridging“ mit niedermolekularem Heparin hat auf Thrombozyten keinen Effekt!
Weißer Thrombus
Klinik
Bei einem Mangel (Thrombozytopenie) kann es wie bei einer Funktionsschwäche (Thrombozytopathie) der Thrombozyten spontan zu meist punktförmigen Blutungen in die Haut (Petechien) oder Schleimhaut (Nasenbluten, vaginale Schmierblutung) sowie zu gestörter Blutstillung nach Verletzungen (hämorrhagische Diathese) kommen. Die normale Thrombozytenzahl bei Erwachsenen hat einen Referenzbereich von 177.000 bis 406.000/μl (± 2 Standardabweichungen) und hängt ab von Lebensalter, Geschlecht und Messmethode. Eine Thrombozytopenie ist definiert als Thrombozytenzahl < 150.000/μl. Bei weniger als 60.000 Thrombozyten pro Mikroliter treten verstärkte Blutungen nach Verletzungen und Operationen auf, bei weniger als 10.000 kommt es zu spontanen Blutungen. Thrombozytenzahlen über 500.000/μl sind als Thrombozytose definiert. Sie entsteht sekundär in Begleitung anderer Erkrankungen wie Infektionen oder malignen Tumoren, aber auch bei körperlicher Anstrengung oder als primäre Thrombozytose bei Stammzelldefekten. Primäre Thrombozytosen können zu Funktionsstörungen der Thrombozyten führen mit Blutungen und/oder Thrombosen und sind maligne Erkrankungen.
Verhinderung der Thrombozytenaktivierung in intakten Gefäßen
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Negative Oberflächenladungen und Heparansulfate in der endothelialen Blutgefäße:Verhinderung der ThrombozytenaktivierungGlykokalix verhindern eine Adhäsion von Thrombozyten. Gefäße:Verhinderung der Thrombozytenaktivierung
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Die vom Endothel gebildeten Autakoide EDRF (Endothelium-Derived Relaxing Factor, NO) und Prostazyklin (PGI2) erhöhen die Konzentration von cGMP und cAMP in den Thrombozyten, senken die Konzentration des freien intrazellulären Kalziums und verhindern außerordentlich effektiv die Aktivierung der Thrombozyten.
MERKE
Intaktes Endothel verhindert die Thrombozytenaktivierung durch Freisetzung von Substanzen wie NO und Prostazyklin.
7.5.2
Sekundäre Hämostase oder „endgültige“ Blutstillung
In vivo
Startphase
Verstärkungsphase
MERKE
Die Blutgerinnung wird in vivo durch den TF (Tissue Factor) gestartet und bezieht alle Gerinnungsfaktoren ein – mit Ausnahme des Kontaktaktivierungssystems (Faktor XII, Präkallikrein, Kallikrein, hochmolekulares Kininogen).
Verschlussphase/Produktionsphase
MERKE
Thrombin aktiviert die Faktoren VIII und V, aber auch XI im Sinne einer positiven Rückkoppelung (Verstärkungsphase), bildet aus Fibrinogen das polymerisierende Fibrin und stabilisiert das Polymer durch Aktivierung von Faktor XIII (Verschlussphase).
Wechselbeziehungen zur Thrombozytenaktivierung
Klinik
Vitamin-K-MangelDie Synthese der Faktoren II, VII, IX, X, Protein C und Protein S in der Leber ist von Vitamin K als Kofaktor der γ-Carboxylierung abhängig, denn ohne zusätzliche Carboxylgruppen können diese Faktoren keine Komplexe mit Ca2+ bilden und sind für die Gerinnung unbrauchbar. Bei Leberversagen, Vitamin-K-Mangelernährung, parenteraler Ernährung, Schädigung der Vitamin-K-produzierenden Darmflora durch Antibiose, Fettresorptionsstörungen (Vitamin K ist fettlöslich), therapeutischem Einsatz von Vitamin-K-Antagonisten sowie bei Neugeborenen können daher Gerinnungsstörungen mit Blutungsneigung auftreten.
FaktormangelDer Mangel an Gerinnungsfaktoren kommt in vielen Varianten (hereditär, erworben) und Kombinationen vor, ist jedoch vergleichsweise selten. Einige Beispiele:
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Patienten, denen Komponenten des Kontaktaktivierungssystems (Faktor XII, HMWK, PK) fehlen, zeigen keine Blutungsneigung (aber eine stark verlängerte aPTT).
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Ein Mangel an Faktor XI führt kaum zu spontaner Blutungsneigung, jedoch zu evtl. heftigen postoperativen Blutungen.
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Mangel der Faktoren VIII und IX führt zu ausgeprägten Gerinnungsstörungen, die als Hämophilie A (VIII-Mangel) und B (IX-Mangel) bezeichnet werden. Die Blutungszeit ist normal, es kommt jedoch zu Nachblutungen, die besonders in dehnbaren Geweben (z.B. Unterhaut) und präformierten Räumen (z.B. Gelenkhöhlen) ein erhebliches Ausmaß annehmen können. Der Erbgang ist X-chromosomal rezessiv.
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Die Blutungsneigung durch Mangel an Faktor X korreliert recht gut mit dem Ausmaß des Faktormangels, sie ist geringer ausgeprägt als bei den Hämophilien.
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Bei Mangel an Faktor V ist die Blutungsneigung im Wesentlichen vom Faktor-V-Gehalt der Thrombozyten (nicht des Plasmas) abhängig. Dieser Faktormangel scheint nicht vor venösen Thrombosen zu schützen.
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Die Blutungsneigung durch Mangel an Faktor II korreliert recht gut mit dem Ausmaß des Faktormangels.
Körpereigene Gerinnungshemmung
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Tissue Factor Pathway Inhibitor (TFPI) wird von Endothelzellen synthetisiert und an das Plasma abgegeben, wobei jedoch ein Teil an der luminalen Endotheloberfläche TFPI (Tissue Factor Pathway Inhibitor):Gerinnungshemmungadsorbiert wird. TFPI bildet mit TF/VIIa und Xa einen quartären Komplex, in dem die beiden Tissue Factor Pathway InhibitorSerinproteasen inhibiert sind. Auf nicht stimuliertem Endothel ist immer mehr TFPI als TF vorhanden. Selbst nach einer geeigneten Stimulation liegt das Übergewicht nur vorübergehend (wenige Minuten) bei TF. Die physiologische Bedeutung von TFPI scheint also die zeitliche und räumliche Begrenzung der Startphase der Gerinnung zu sein.
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Protein C und Thrombomodulin: Das Endothel exprimiert an seiner luminalen Oberfläche Thrombomodulin (TM), an welches das gegen Ende der Verschlussphase im Protein C:GerinnungshemmungÜberschuss vorliegende Thrombin gebunden werden kann. Gebundenes Thrombin spaltet bevorzugtThrombomodulin, Gerinnungshemmung Protein C (PC). Das dadurch aktivierte Protein C (aPC) degradiert durch Proteolyse die Gerinnungsfaktoren Va und VIIIa und fördert die Fibrinolyse, indem es Plasminogenaktivator-Inhibitor-1 (PAI-1) hemmt. Die Wirkung von aPC wird durch Bindung an Protein S („S“ steht für „Seattle“, den Ort der Erstbeschreibung) erhöht. Der Komplex aus aPC und Protein S wird an einen Protein-S-Rezeptor gebunden, der sich auf Plasminogenaktivator-Inhibitor-1:Protein CThrombozytenmembranen befindet, und so im Bereich von Thromben konzentriert. Die physiologische Bedeutung von PC ist offenbar die Beendigung von Verstärkungs- und Verschluss-/Produktionsphase und die Vorbereitung der Fibrinolyse.
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Antithrombin (AT) wird in der Leber synthetisiert und in das Blutplasma abgegeben. Ein Teil wird auf der luminalen Endotheloberfläche an Heparansulfat gebunden. Es hemmt alle Serinproteasen des Gerinnungssystems, besonders wirksam die Antithrombin, GerinnungshemmungFaktoren IIa und Xa. AT ist ein Serinproteaseninhibitor (SERPIN) und erzielt seine Hemmwirkung als Suizidsubstrat. AT inhibiert vergleichsweise langsam insbesondere frei im Plasma vorliegende, nicht gebundene, aktivierte Gerinnungsfaktoren. Seine physiologische Bedeutung liegt darin, eine Ausbreitung der Gerinnung über das Plasma zu verhindern. Damit ist AT der wahrscheinlich wichtigste Schutzmechanismus gegen Thrombosen.Faktor:VFaktor:IIa
Klinik
ThrombophilieThrombosen entstehen vor allem in den großen Beinvenen (besonders in Varizen). Löst sich ein Thrombus von der Gefäßwand, kann er nachfolgende kleinere Gefäße (z.B. in der Lunge) verstopfen (Embolie). Die Virchow-Trias beschreibt die Faktoren, die klassischerweise eine Thrombose begünstigen: Veränderungen der Gefäßwand, erhöhte Gerinnungsneigung des Blutes und Strömungsverlangsamung, bei der wirksame Konzentrationen von Gerinnungsfaktoren leichter entstehen können. So kommt es z.B. durch die bei Vorhofflimmern gestörte Strömung zur Bildung von Thromben in den Herzohren. Umgekehrt ist eine schnelle Blutströmung antithrombogen. Der häufigste angeborene Risikofaktor für eine Thrombophilie ist die Protein-C-Resistenz (aPC-Resistenz), bei welcher der Abbau von Faktor Va durch aPC nicht stattfindet. In Nordwesteuropa sind etwa 5% (!) der Bevölkerung betroffen. Davon ist in 95% der Fälle die aPC-Resistenz durch eine Punktmutation an Faktor V (Faktor V Leiden [Eigenname nach einer Stadt in Holland]) verursacht, welche die Bindung an aPC verhindert. Die restlichen 5% werden durch Mangel an oder Defekte von PC verursacht.
ThromboseprophylaxeEine Verdünnung des Blutplasmas durch Infusionen wirkt ebenso als Thromboseprophylaxe wie aktive oder passive Bewegung der betroffenen Extremitäten (z.B. durch Krankengymnastik). Pharmakologisch einsetzbare Hemmstoffe der Gerinnung sind (Abb. 7.13):
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Heparine erhöhen die Wirkung von im Plasma vorhandenem Antithrombin etwa 1.000-fach (Überwachung mit der aPTT [s.u.], Antidot Protamin), Hirudin hemmt die enzymatische Wirkung von Thrombin direkt (Überwachung mit der aPTT, kein Antidot).
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Cumarin-Derivate blockieren als Vitamin-K-Antagonisten die γ-Carboxylierung in der Leber. Entsprechend der biologischen Halbwertszeit der betroffenen Gerinnungsfaktoren und weil Protein C und S betroffen sind, ist der Wirkungseintritt der Antikoagulation verzögert (Überwachung mit dem Quick-Test, Antidot ist Vitamin K). Die Dosierung der Cumarin-Derivate kann schwierig sein, weil der Vitamin-K-Gehalt in den Nahrungsmitteln sehr unterschiedlich ist (z.B. im Grünkohl sehr hoch).
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Direkte Hemmstoffe von Faktor IIa (Dabigatran) und Xa (Rivaroxaban u.a.) sind erst kürzlich zugelassen worden. Ihre Wirkung ist nicht ernährungsabhängig.
Fibrinolyse
Klinik
FibrinolyseaktivitätIn einigen Geweben, so z.B. in der Uterusmuskulatur, ist die Fibrinolyseaktivität außergewöhnlich hoch. Gewebsaktivatoren der Fibrinolyse werden auch bei Mangeldurchblutung, O2-Mangel, Stress oder unter der Wirkung von Entzündungsmediatoren (Histamin, Bradykinin) freigesetzt.
Therapeutische ThrombolyseUrokinase (aus dem Harn gewonnen), Streptokinase (aus Streptokokken) und tPA (gentechnisch hergestellt, sog. zweite Generation der Fibrinolytika) werden zur therapeutischen Thrombolyse verwendet. Sie hat bei der Behandlung von Herzinfarkten und Hirninfarkten sowie bei akuten arteriellen thrombembolischen Verschlüssen erhebliche klinische Bedeutung gewonnen. Eine „Lyse“ hat nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn sie möglichst schnell nach dem Auftreten des Thrombus begonnen wird. Ist das Gerinnsel erst verfestigt und womöglich durch Zelleinwanderung organisiert, sind die Chancen einer Wiedereröffnung des Gefäßes deutlich geringer.
In vitro
Endogener Weg
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Der Faktor XII wird durch Kontakt mit fremden Oberflächen im Komplex mit hochmolekularem Kininogen (HMWK, High Gerinnungssystem:endogener WegMolecular Weight Kininogen)Faktor:XII, Präkallikrein (PK) und Kallikrein (K) aktiviert (Kontaktaktivierungssystem, Abb. 7.15). Dies kann an kollagenen Oberflächen (in vivoHMWK (High Molecular Weight Kininogen)) oder an Glas (in vitro) geschehen.
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Der Faktor XIIa stimuliert Präkallikreinseinerseits proteolytisch den Faktor XI und dieser den Faktor IX.
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Kallikrein:endogener WegFaktor IXa bildet mit aktiviertem Faktor VIII, Phospholipiden (PL) aus der Membran aktivierter Thrombozyten („Faktor:XIPlättchenfaktor 3“, PF3) und Ca2+ einen Komplex (Faktor-X-Aktivatorkomplex oder endogene Tenase), der den Faktor X zu Xa aktiviert. Damit ist der gemeinsame Weg der Blutgerinnung erreicht.
MERKE
Endogener Weg: Kontaktaktivierung; Faktoren XII, XI, IX, VIII, Überprüfung durch die aPTT.
Klinik
KontaktaktivierungssystemDie funktionelle Rolle des Kontaktaktivierungssystems in vivo ist nicht eindeutig geklärt. Es kann Fibrinolyse, Wundheilung, Synthese von Bradykinin und das Komplementsystem aktivieren. An künstlichen Oberflächen (wie künstlichen Herzklappen oder extrakorporalen Zirkulationssystemen) werden daher Gerinnung, Fibrinolyse und Entzündungsreaktionen ausgelöst. Auch in pathophysiologischen Situationen kann die Gerinnung bei Faktor XII beginnen.
Exogener Weg
MERKE
Exogener Weg: Aktivierung von Faktor VII durch TF, Überprüfung durch den Quick-Test.
Gemeinsamer Weg
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ThromboplastinzeitFaktor Xa bildet Prothrombinzeiteinen Komplex mit Ca2+ auf Phospholipidoberflächen. Anlagerung von Faktor Va erhöhtFaktor:X Gerinnungssystem:gemeinsamer Wegdie Aktivität des Komplexes dramatisch. Der gesamte wirksame Komplex aus aktivierten Gerinnungsfaktoren wird auch als Thromboplastin oder als Prothrombinaktivator bezeichnet.
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Thromboplastin spaltet Prothrombin (Faktor II) zu Thrombin (IIa).
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Thrombin aktiviert wiederum die Faktoren XI, IX, VIII und V und fördert damit seine eigene Bildung aus Prothrombin (Rückkoppelungsverstärkung, gestrichelte Pfeile in Abb. 7.15).
Klinik
VerbrauchskoagulopathieBei der Verbrauchskoagulopathie (DIC = disseminierte intravasale Gerinnung) führt eine übermäßig hohe Gerinnungsaktivität zu einem oft viele Faktoren betreffenden Mangelzustand und zu starken Blutungen. Ursache ist häufig (z.B. im Verlauf einer Sepsis) die Expression von TF auf aktivierten, im peripheren Blut zirkulierenden Monozyten. Damit ist die Initiierung der Gerinnung nicht mehr lokalisiert, sondern disseminiert. Hinzu kommt, dass von aktivierten Monozyten gebildeter Tumornekrosefaktor-α (TNFα) Endothelzellen so stimuliert, dass sie ihrerseits TF und PAI-1, jedoch weniger TFPI und Thrombomodulin auf ihrer Oberfläche exprimieren. Dadurch wird Thrombin im Überschuss im Plasma produziert und es entsteht eine DIC. Zur Inaktivierung von Thrombin wird Antithrombin zunehmend verbraucht. Die überschießende und im Gefäßsystem disseminierte Gerinnungsaktivität wird durch Aktivierung der Fibrinolyse teilweise kompensiert.
Laborchemisch lässt sich eine DIC nur durch Verlaufsbeobachtung verifizieren: Thrombozyten, Fibrinogen und Antithrombin werden verbraucht, dagegen steigt die Konzentration von Fibrinopeptid A, Thrombin-Antithrombin-Komplex und Fibrinmonomeren an. Solange noch keine Blutungen bestehen, muss die überschießende Gerinnungsneigung bei diesem lebensbedrohlichen Zustand z.B. mit Heparin behandelt werden, welches nicht nur die Aktivität von Antithrombin erhöht, sondern auch die Expression eines löslichen TFPI induziert. Außerdem müssen die verbrauchten Gerinnungsfaktoren sowie die Gerinnungshemmer aPC und Antithrombin durch Infusion ersetzt werden.
7.5.3
Gerinnungstests
Gerinnungshemmung in vitro
Rekalzifizierungszeit
Quick-Test
Aktivierte partielle Thromboplastinzeit (aPTT)
Protein-C-Aktivierungszeit
MERKE
Mit dem Quick-Test wird der exogene Weg des Gerinnungssystems und eine Cumarintherapie, mit der aPTT der endogene Weg des Gerinnungssystems und eine Heparintherapie oder die Substitution mit Antihämophilie-Faktoren kontrolliert. Der gemeinsame Weg wird durch beide Tests erfasst.
Thrombinzeit
7.6
Wundheilung und Angiogenese
Zur Orientierung
Verletzungen sind alltägliche Ereignisse, weshalb die Fibrinolyse:ThrombinzeitWundheilung einen wesentlichen Anteil am Selbsterhalt des Organismus hat. Der Prozess durchläuft mehrere Phasen bis zur kompletten Heilung: Blutstillung, Entzündung, Proliferation und Umbau. Die Proliferationsphase zeichnet sich dabei u.a. durch Angiogenese aus, die Neubildung von Blutgefäßen.
7.6.1
Wundheilung
7.6.2
Angiogenese
ZUSAMMENFASSUNG
TransportfunktionBlut zirkuliert als Flüssigkeit durch den ganzen Organismus. Es dient als universelles Transportmedium. Substanzen werden entweder im Plasma gelöst transportiert (z.B. Glukose) oder, wenn sie toxisch (z.B. Schwermetalle wie Kupfer und Eisen) bzw. nicht wasserlöslich sind (z.B. Fette), an Plasmaproteine gebunden.
PlasmaproteinePlasmaproteine bestehen zu 60% aus Albuminen und zu 40% aus Globulinen. Sie dienen neben ihrer Transportfunktion der Pufferung, der Abwehr (z.B. Komplementfaktoren und Immunglobuline), der Blutgerinnung und haben Nährfunktion. Der durch Proteine (vorwiegend Albumine) verursachte osmotische Druck, der sog. kolloidosmotische oder onkotische Druck von etwa 25 mmHg, ist für die Flüssigkeitsverteilung zwischen Intra- und Extravasalraum entscheidend, weil er an der Gefäßwand wirksam ist. Die Elektrolytkonzentrationen des Plasmas entsprechen etwa denen des Interstitiums. Bei normaler Osmolytenkonzentration von etwa 290 mosmol/kg H2O ist Plasma an Zellmembranen isoton, d.h., es kommt zu keinem Flüssigkeitsaustausch über die Membran. Plasmaexpander als Plasmaersatzlösungen haben 2 Eigenschaften: Sie sind isoton, damit sie keine Hämolyse verursachen, und sie sind hyperonkotisch, sodass sie zusätzliches Flüssigkeitsvolumen in den Intravasalraum rekrutieren.
Hämatokrit, BlutviskositätDer relative Volumenanteil der Blutzellen am gesamten Blutvolumen wird als Hämatokrit bezeichnet. Er besteht weit überwiegend aus dem von Erythrozyten eingenommenen Volumen. Der Hämatokrit erlaubt daher die Diagnose von Polyglobulie (Hämatokrit erhöht) und Anämie (Hämatokrit gesenkt). Mit steigendem Hämatokrit steigt die Blutviskosität überproportional. In sehr kleinen Blutgefäßen ist die Blutviskosität erniedrigt (Fåhraeus-Lindqvist-Effekt), bei sehr langsamer Strömungsgeschwindigkeit steigt sie an (Geldrollenbildung der Erythrozyten).ErythropoeseFür den Transport der Atemgase O2 und CO2 sind die Erythrozyten und das in ihnen enthaltene Hämoglobin entscheidend. Beim Erwachsenen werden Erythrozyten im Knochenmark aus multipotenten Vorläuferzellen durch Erythropoese gebildet. Die Erythropoese kann bei sinkendem Sauerstoffpartialdruck durch Erythropoetin aus der Nierenrinde um das 8–10-Fache gesteigert werden. Nach Verlust ihres Zellkerns treten die Erythrozyten als Retikulozyten aus dem Knochenmark in das periphere Blut über. Daher ist die Retikulozytenkonzentration im Blut bei kompensatorisch gesteigerter Erythropoese, z.B. bei hämolytischen Anämien, erhöht. Ist die Erythropoese dagegen z.B. durch Eisenmangel (mikrozytär-hypochrome Anämie), Vitamin-B12- oder Folsäuremangel (makrozytär-hyperchrome Anämie) vermindert, so ist die Retikulozytenkonzentration erniedrigt.
BlutgruppenmerkmaleErythrozyten tragen antigene Oberflächenmerkmale. Diese werden zu Blutgruppensystemen zusammengefasst. Bei Bluttransfusionen muss blutgruppengleiches Blut verwendet werden, um Hämolyse durch Abwehrreaktionen zu vermeiden. Hierfür sind die starken Antigene A und B aus dem AB0-System sowie D aus dem Rhesus-System entscheidend.
HämostaseBlutaustritt aus Blutgefäßen wird durch Hämostase verhindert. Die primäre Hämostase wird überwiegend durch Thrombozyten bewirkt. Thrombozyten werden durch immobilisierten vWF und subendotheliales Kollagen aktiviert, adhärieren, degranulieren und aktivieren weitere Thrombozyten, mit denen sie aggregieren und schließlich zu einem Thrombozytenpfropf verschmelzen. Die Thrombozytenaktivierung kann durch Prostazyklin und NO aus intaktem Endothel gehemmt werden. Die sekundäre Hämostase (Blutgerinnung) wird durch die Serinprotease Thrombin, die Fibrinogen zu Fibrin spaltet, welches stabile Polymere und damit einen stabilen, roten Thrombus bildet, bewirkt. Gestartet wird die sekundäre Hämostase in vivo durch den Tissue Factor (TF, Faktor III, Gewebsthromboplastin) über den Tissue Factor Pathway. Nach Aktivierung von Thrombin wird die Blutgerinnung durch mehrere Rückkoppelungsschleifen verstärkt. Für die In-vitro-Analyse der Gerinnung werden 2 alternative Aktivierungsmechanismen unterschieden, der mit Kontaktaktivierung startende endogene Weg und der durch TF aktivierte exogene Weg. Der endogene Weg wird mittels PTT getestet. Diese ist bei Hämophilie und Heparintherapie verlängert. Der exogene Weg wird mittels Quick-Test getestet und ist insbesondere bei Cumarintherapie früher als der endogene Weg verzögert.
FibrinolyseÜberschießende Blutgerinnung oder Thrombenbildung ohne Vorliegen einer Blutungsquelle wird in vivo durch Fibrinolyse vermieden. Plasmin spaltet dabei Fibrinpolymere, wodurch Thromben lysiert werden. Plasmin kann durch den Tissue Plasminogen Activator (tPA) aus Endothel oder über das Kontaktaktivierungssystem des endogenen Wegs der Blutgerinnung aktiviert werden. Bei einer disseminierten intravasalen Koagulation (DIC) sind sowohl die Blutgerinnung wie die Fibrinolyse aktiv, bis die Gerinnungsfaktoren aufgebraucht sind. Therapeutisch kann eine Lysetherapie zur Behandlung des Herzinfarkts wie des Hirninfarkts genutzt werden.