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Bestandteile und Organisation des autonomen NervensystemsNervensystem:vegetatives. Der Parasympathikus\"\iParasympathikus:Kopfteil\"\iParasympathikus:Beckenteil\"\iParasympathikus (orange) entspringt aus Kerngebieten des Hirnstamms und des Sakralmarks und projiziert zu Ganglien, die sich organnah im Kopf-, Thorax- und Bauchraum befinden. Der Sympathikus\"\iSympathikus (dunkelgrün) entspringt mit seinen präganglionären Neuronen den thorakolumbalen Segmenten des Rückenmarks. Die paravertebralen sympathischen Ganglien:sympathische\"\iGanglien (hellgrün) befinden sich beidseits der Wirbelsäule. Die Neurone dieser Ganglien innervieren Kopf- und Brusteingeweide, vegetative Effektororgane der Haut und die Gefäße der Skelettmuskulatur. Die unpaaren prävertebralen Ganglien:prävertebrale\"\iGanglien (hellgrün) liegen an den Abgängen der großen Arterien von der Aorta. Die Neurone dieser Ganglien versorgen Blutgefäße und Organe des Bauchraums. Zum Sympathikus gehört das Nebennierenmark, das Adrenalin und Noradrenalin in die Zirkulation freisetzen kann. Der dritte Bestandteil des autonomen Nervensystems ist das enterische Nervensystem:enterisches\"\iNervensystem (blau), das sowohl vom Sympathikus als auch vom Parasympathikus beeinflusst wird.

Wichtigste Funktionen von Parasympathikus:Funktionen\"\iParasympathikus und Sympathikus:Funktionen\"\iSympathikus. Praktisch alle Organe des Körpers werden vom vegetativen Nervensystem versorgt. Im parasympathischen Nervensystem ist der Transmitter das Acetylcholin:Parasympathikus\"\iAcetylcholin. Noradrenalin:Sympathikus\"\iNoradrenalin und Adrenalin:Sympathikus\"\iAdrenalin sind die Transmitter:Sympathikus\"\iTransmitter:Parasympathikus\"\iTransmitter des sympathischen Nervensystems, und die Übertragung erfolgt über Subtypen der α- und β-Rezeptoren. Alle parasympathischen Wirkungen und die cholinergen Wirkungen des Sympathikus an Effektororganen werden durch muskarinische (M-)Rezeptoren vermittelt, die über G-Proteine in den Zellen Second-Messenger-Prozesse induzieren. Auf eine Unterteilung der M-Rezeptoren wird hier verzichtet (s. Text).

Sympathikus:Verschaltungen\"\iVerschaltungen des Sympathikus. Die präganglionären Sympathikus:präganglionäre Neurone\"\iNeurone (gelb) verlassen das Rückenmark durch die Vorderwurzel und verlaufen durch Spinalnerv und R. (communicans) albus zu einem paravertebralen Ganglion. Hier werden einige auf postganglionäre Neurone (in der Zeichnung rechts) umgeschaltet, deren Fasern über einen R. (communicans) griseus zum Spinalnerv zurückgelangen, um dann die autonomen Effektororgane des Rumpfs und der Extremitäten zu versorgen. Andere präganglionäre Neurone (links) durchqueren den Grenzstrang und erreichen über Nn. splanchnici die prävertebralen Ganglien, wo sie umgeschaltet werden. Die Axone dieser postganglionären Sympathikus:postganglionäre Neurone\"\iNeurone versorgen ausschließlich viszerale Organe. Die Axone der viszeralen Afferenzen (grün) durchqueren die para- und prävertebralen Ganglien, um ihr Zielorgan zu erreichen. Die somatischen Afferenzen sind blau dargestellt.

Transmitter:vegetatives Nervensystem\"\iNeurotransmitter:vegetatives Nervensystem\"\iNeurotransmittersysteme im autonomen Nervensystem. Im ParasympathikusParasympathikus:präganglionäre Neurone (links) und SympathikusSympathikus:präganglionäre Neurone (rechts) ist die Überträgersubstanz in den Ganglien Acetylcholin (ACh, oberer Bildteil). Acetylcholin bindet an nikotinempfindliche Rezeptoren und erregt Ganglienzellen. Die Transmitterwirkung wird durch das Enzym Acetylcholinesterase:präganglionäre Neurone\"\iAcetylcholinesterase (AChE) unterbrochen. Im Parasympathikus ist der Transmitter, der die Erregung vom postganglionären Axon auf das Effektororgan überträgt, ebenfalls AcetylcholinAcetylcholin:Transmitter (links unten). Im Gegensatz zur ganglionären Übertragung wird die Wirkung von Acetylcholin am Effektororgan über muskarinempfindliche Rezeptoren vermittelt. Im Sympathikus ist der wichtigste Neurotransmitter in den Sympathikus:postganglionäre Neurone\"\iParasympathikus:postganglionäre Neurone\"\ipostganglionären Axonen das Noradrenalin:postganglionäre Neurone\"\iNoradrenalin (NA). Nach seiner Freisetzung wirkt es auch auf adrenerge Rezeptoren (vom α- oder β-Subtyp). Die Wirkung von Noradrenalin wird durch eine Wiederaufnahme in die Endauftreibung des postganglionären Axons beendet. Neben Acetylcholin und Noradrenalin, den klassischen Überträgersubstanzen im autonomen Nervensystem, sind in den meisten Neuronen auch Neuropeptide enthalten, die besonders bei hochfrequenter Entladung der Neurone freigesetzt werden.

Innervation der Speicheldrüsen:Innervation\"\iSpeicheldrüsen durch Acetylcholin und Vasoactive Intestinal VIP (vasoaktives intestinales Peptid):Speicheldrüsen\"\iPolypeptide (VIP). Die parasympathischen Neurone, die die Speicheldrüsen innervieren, enthalten Acetylcholin und VIP. Die Aktivierung dieser Neurone (horizontale Striche unter den Koordinatensystemen) bewirkt, dass Sekretion und Durchblutung zunehmen. Die Sekretion wird durch die Blockade der muskarinempfindlichen Rezeptoren durch Atropin:Speichelsekretion\"\iAtropin vollständig verhindert. Hingegen steigt die Durchblutung der Speicheldrüsen auch nach Atropin insbesondere bei hoher Entladungsfrequenz noch an, was durch VIP vermittelt wird.
[19.1]

Ganglionäre Sympathikus:ganglionäre Übertragung\"\iParasympathikus:ganglionäre Übertragung\"\iÜbertragungNervensystem:vegetatives (Schema). Bei Erregung des präganglionären Axons wird Acetylcholin (ACh) aus den Vesikeln in den synaptischen Spalt freigesetzt. An Ganglienzellen bindet ACh an nikotinempfindliche AcetylcholinrezeptorenAcetylcholinrezeptor:nikotinischer, öffnet dadurch Ionenkanäle und bewirkt eine Erregung der Ganglienzelle. Die Wirkung von ACh wird durch Acetylcholinesterase:ganglionäre Übertragung\"\iAcetylcholinesterase (AChE) unterbrochen, die das Molekül in Acetat und Cholin spaltet. An den Acetylcholinrezeptoren der Ganglienzelle ist Nikotin ein Agonist und Hexamethonium:Ganglienzelle\"\iHexamethonium ein Antagonist (Ganglienblocker). CoA = Coenzym A.

Postganglionäre muskarinerge Parasympathikus:postganglionäre Übertragung\"\iÜbertragung. An der Effektorzelle bindet Acetylcholin (ACh) an muskarinempfindliche AcetylcholinrezeptorenAcetylcholinrezeptor:muskarinischer. Nach Reizung von M1-Rezeptoren und Aktivierung eines Gq/11-Proteins werden durch die Phospholipase CPhospholipase:C aus Phosphoinositoldiphosphat (PIP2), Diacylglycerol (DAG) und Inositoltrisphosphat:postganglionäre Übertragung\"\iInositoltrisphosphat gebildet (IP3), das die Proteinkinase C (PKC) aktiviert bzw. Ca2+ aus dem endoplasmatischen Retikulum freisetzt. Der M2-Rezeptor kann einerseits über die αi-Untereinheit inhibitorischer Gi-Proteine die Aktivität der Adenylatcyclase (AC) hemmen, die cAMP-Konzentration verringern und die Aktivität der Proteinkinase AProteinkinase:A (PKA) herabsetzen. Besonders am Herzen kann über die β/γ-Untereinheiten der G-Proteine auch direkt die Leitfähigkeit von Kaliumkanälen erhöht werden. Die Wirkung von Acetylcholin wird durch Acetylcholinesterase unterbrochen, die das Molekül in Acetat und Cholin spaltet. Wird das Enzym durch Physostigmin gehemmt, nimmt damit die Wirkung von Acetylcholin indirekt zu. Eine agonistische Wirkung besitzt Carbachol, das von der Acetylcholinesterase nur langsam gespalten werden kann. Atropin wirkt an allen muskarinempfindlichen Rezeptoren antagonistisch, während Pirenzepin selektiv den M1-Rezeptor blockt. PDE = Phosphodiesterase, CoA = Coenzym A.

Postganglionäre adrenerge Sympathikus:postganglionäre Übertragung\"\iÜbertragung. Nach der Synthese wird Noradrenalin (NA) zusammen mit ATP in Vesikeln gespeichert. Nach Aktivierung von α1-Rezeptoren durch NA werden nach Aktivierung eines Gq/11-Proteins durch die Phospholipase C (PLC) aus Phosphoinositoldiphosphat (PIP2) Diacylglycerol (DAG) und Inositoltrisphosphat:postganglionäre Übertragung\"\iInositoltrisphosphat gebildet (IP3), das die Proteinkinase C (PKC) aktiviert bzw. Ca2+ aus dem endoplasmatischen Retikulum freisetzt. Dadurch wird bei gleichzeitiger Hemmung der Myosin-Leichtketten-Phosphatase (MLCP) die glatte Muskelzelle zur Kontraktion gebracht. Aktivierung eines alternativen G12/13-Proteins durch denselben Rezeptor unterstützt diesen Prozess durch Aktivierung von Rho und Rho-Kinase. β-Rezeptoren werden durch Adrenalin (A) und mit geringerer Affinität durch Noradrenalin aktiviert und erhöhen über stimulierende G-Proteine (Gs) die Aktivität der Adenylatcyclase (AC), die cAMP-Konzentration und die Aktivität der Proteinkinase A (PKA). In glatten Muskelzellen wird durch Phosphorylierung der Myosin-Leichtketten-Kinase (MLCK) eine Relaxation erreicht. An der quergestreiften Herzmuskelzelle (rechts) führt die Akivierung von β1-Rezeptoren über denselben Signalweg und Phosphorylierung von spannungsaktiverten Kalziumkanälen (DHP-Rezeptoren vom Typ Cav1.2) zur Steigerung der Kontraktilität (positiv inotrope Wirkung). Im Sinusknoten bindet cAMP an den Schrittmacherkanal (HCN) und steigert die Spontandepolarisation und damit die Entladungsfrequenz (positiv chronotrope Wirkung).
Die Wirkung von Noradrenalin wird durch die Wiederaufnahme – zum größten Teil durch einen vesikulären Transporter (VMAT) – in die präsynaptische Varikosität beendet. Wird der neuronale Noradrenalintransporter (NET) durch Kokain gehemmt, nimmt die Wirkung von Noradrenalin indirekt zu. Auch präsynaptisch gibt es Rezeptoren für Noradrenalin und Adrenalin. Über die präsynaptischen α2-Rezeptoren wird die Freisetzung von Noradrenalin gehemmt (Autorezeptoren), über die präsynaptischen β-Rezeptoren dagegen gefördert. Agonistisch wirken am α1-Rezeptor Phenylephrin, an β-Rezeptoren Isoprenalin und selektiv am β2-Rezeptor Fenoterol. Antagonistisch wirken am α1-Rezeptor Prazosin, an β-Rezeptoren Propranolol und selektiv am β1-Rezeptor das Atenolol. PDE = Phosphodiesterase, MAO = Monoaminooxidase.

Relative Bedeutung von α- oder β-adrenerger Übertragung für die Skelettmuskulatur:Durchblutung\"\iNiere:Durchblutung\"\iHaut:Durchblutung\"\iGehirn:Durchblutung\"\iDurchblutung:Sympathikuseinfluss\"\iDurchblutung in unterschiedlichen Organgebieten. Die Säulen zeigen die maximal mögliche Abweichung von der Ruhedurchblutung an, die mit 100% angegeben wurde. Werte < 100 bedeuten eine Durchblutungsabnahme durch α-adrenerge Vasokonstriktion, Werte > 100 eine Durchblutungszunahme durch β-adrenerge Vasodilatation.

Supraspinale Kontrolle des Sympathikus:supraspinale Kontrolle\"\iSympathikusSympathikus:präganglionäre Neurone. Die sympathischen präganglionären Neurone unterliegen einer absteigenden Kontrolle durch Zellgruppen in der Medulla oblongata, dem Mittelhirn und dem Hypothalamus. Die Zellgruppen, die Adrenalin und Noradrenalin enthalten, werden als rostrale ventrolaterale Medulla zusammengefasst. Die Neuronengruppen A1, A5 und C1 werden im Text erläutert.

Wichtige neuronale Verbindungen der Herz-Kreislauf-System:Regulation\"\iKreislaufregulationRegulation:KreislaufKreislauf:RegulationBlutkreislauf:Regulation. Parasympathikus:Kreislaufregulation\"\iParasympathische (grün) und Sympathikus:Kreislaufregulation\"\isympathische (rot) Neurone bilden den efferenten Schenkel wichtiger Kreislaufreflexe. Während parasympathische Efferenzen nur die Vorhöfe des Herzens innervieren, sind wichtige Angriffspunkte sympathischer Efferenzen das Herz, die Widerstandsgefäße, Kapazitätsgefäße und das Nebennierenmark. Die Aktivität dieser Neurone unterliegt einer vielfältigen afferenten Kontrolle. Einerseits projizieren Afferenzen über den N. vagus und N. glossopharyngeus (hellblau) zum Nucleus Nucleus:solitarius\"\isolitarius des Hirnstamms, andererseits verlaufen afferente Neurone, die Herz, Lunge und Koronarien innervieren, entlang den sympathischen Nerven zum Rückenmark (dunkelblau). Die Neurone des Nucleus solitarius beeinflussen einerseits die präganglionären parasympathischen Neurone im Nucleus Nucleus:ambiguus\"\iambiguus und im dorsalen Vaguskern, andererseits aber auch die Zellen der rostralen ventrolateralen Medulla. Diese Zellen sind eine wichtige Schaltstation von Kreislaufreflexen, da sie viele präganglionäre sympathische Neurone beeinflussen.

Kontrolle des vegetativen NervensystemsNervensystem:vegetatives durch das limbische SystemSystem:limbisches. Nutritive oder Angriffs- und Verteidigungsreaktionen lösen charakteristische Aktivierungsmuster des vegetativen Nervensystems aus. Das limbische System ist hellblau gekennzeichnet. Die Regionen des limbischen Systems, die an der Steuerung dieser Reaktionen beteiligt sind, sind beim Menschen noch nicht genau lokalisiert und deshalb nur schematisch dargestellt.

Sympathische Reflexreaktion, sympathische\"\iReflexreaktion auf einen schmerzhaften Hautreiz. Die Vasokonstriktion:sympathische Reflexreaktion\"\iVasokonstriktion in der Haut führt zur Abkühlung, was durch thermografische Bilder erfasst werden kann. Zum Zeitpunkt 0 wurde auf den linken Unterarm einer Versuchsperson eine schmerzhafte chemische Substanz (Senföl) aufgetragen. Die Reizstelle liegt außerhalb des thermografischen Bildes. Nach 2 Minuten haben sich beide Handflächen und Arme durch die Reflexvasokonstriktion stark abgekühlt. 10 Minuten später, nach Reizende, bildet sich zunächst die Reaktion der kontralateralen Hand zurück, während die Vasokonstriktion auf der Reizseite länger anhält.
[T487]

Valsalva-Valsalva-Manöver\"\iManöver und die wichtigsten dadurch ausgelösten kardiovaskulären Reaktionen. a Durch hohen Exspirationsdruck gegen die geschlossene Glottis oder gegen ein Manometer zur Druckmessung werden der intrathorakale Druck (Pit) erhöht und das intrathorakale Volumen (Vit) vermindert. b Veränderung von Blutdruck:Valsalva-Manöver\"\iBlutdruck und Herzfrequenz:Valsalva-Manöver\"\iHerzfrequenz während des Manövers. I–IV bezeichnen die 4 Phasen, die im Text erklärt sind. Der Balken und die Sekundenmarkierung geben die Zeit des Pressens an.
[19.2]

Kreislaufreaktionen und Aktivität des Muskelsympathikus bei einer neurovaskulären Synkope:neurovaskuläre\"\iSynkope. Bei einem Probanden wurden Herzfrequenz:Synkope\"\iHerzfrequenz, Blutdruck:Synkope\"\iBlutdruck, der Blutfluss durch die Extremitäten und die Aktivität des Muskelsympathikus während einer Synkope beobachtet. Die Aktivitätsabnahme im Muskelsympathikus bewirkt eine Erhöhung des Blutflusses durch die Extremitäten. Wegen der Umverteilung des Blutvolumens und des gleichzeitigen Abfalls der Pulsfrequenz kommt es zu einem starken Abfall des arteriellen Blutdrucks. Dieser Druckabfall ist so ausgeprägt, dass eine ausreichende Durchblutung des Gehirns nicht mehr gewährleistet ist und eine Ohnmacht ausgelöst wird.
[19.3]

Einfluss der Massage der Karotissinussyndrom\"\iKarotissinusmassage\"\iKarotissinusregion auf Herzfrequenz und Aktivität der sympathischen Vasokonstriktor-Efferenzen in einem Muskelnerv. Bei der Massage wird wechselnder Druck auf die Barorezeptoren ausgeübt. Das führt wegen der PD-Eigenschaften dieser Mechanosensoren zu einer kräftigen Erregung, die den Barosensorreflex:Synkope\"\iBarorezeptorreflex (Verlangsamung der Herzfrequenz, Abfall des Blutdrucks) auslöst. Bei einer Sklerosierung der Karotiswand (Karotissinussyndrom) kann der Druckabfall so stark sein, dass es zu einer Synkope kommt.

Aktivitätszunahme des Muskelsympathikus bei Herzinsuffizienz. Mikroneurografische Ableitung des Muskelsympathikus bei einem gesunden Mann (a) und bei einem Patienten ähnlichen Alters (b), der an Sympathikusaktivität:Muskulatur, Herzinsuffizienz\"\iHerzinsuffizienz:Sympathikusaktivität Muskulatur\"\iHerzinsuffizienz leidet. Die Aktivität im Muskelsympathikus ist hier als mittlere Frequenz der Aktionspotenziale in einer Gruppe von Vasokonstriktorneuronen dargestellt.
[19.4]

Organisation des enterischen NervensystemsNervensystem:enterisches. Ein einfacher Schaltkreis im enterischen Nervensystem besteht aus einem afferenten Neuron, mindestens einem Interneuron und einem efferenten Neuron. Während die Neurone des Plexus Plexus:myentericus\"\imyentericus (Auerbach-Plexus\"\iAuerbach) hauptsächlich die Motilität des Gastrointestinaltrakts steuern, regeln die Neurone des Plexus Plexus:submucosus\"\isubmucosus (Meissner-Plexus\"\iMeissner) die Durchblutung und Sekretion. Postganglionäre sympathische Neurone haben einen hemmenden Einfluss auf diese Schaltkreise, während postganglionäre parasympathische Neurone einen fördernden Einfluss ausüben. Andere sympathische Neurone innervieren die Gefäße des Gastrointestinaltrakts und können direkt eine Vasokonstriktion bewirken. Die prävertebralen Ganglien sind einfache Integrationszentren, die nicht nur von den präganglionären Neuronen auf die sympathische Ganglienzelle umschalten, sondern auch die Aktivität von afferenten Fasern verrechnen. Dabei können einerseits afferente Neurone des enterischen Nervensystems mit einer Axonkollaterale den Darm verlassen und zum prävertebralen Ganglion projizieren, andererseits können spinale Afferenzen, die den Gastrointestinaltrakt versorgen, beim Verlauf durch das prävertebrale Ganglion „en passant“ Synapsen ausbilden. Das Schwarz-Weiß-Bild zeigt ein Ganglion (Neurofilament-Färbung) aus dem menschlichen Plexus myentericus des Dünndarms. Sehr helle Zellen sind primär afferente (sensorische) Neuronen, die anderen „zotteligen“ rechts und unten sind Moto- und Interneurone (mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. Axel Brehmer, Institut für Anatomie I, Erlangen).
[L106/T488]

Neuronale Erbrechen:neuronale Mechanismen\"\iMechanismen des Erbrechens. Viele Reize können Erbrechen auslösen. Besondere Bedeutung hat die Erregung afferenter Neurone des N. vagus, die den Rachen oder den Magen versorgen. Eine Erregung dieser Neurone kann einen Brechreflex auslösen, an dem sowohl das motorische als auch das autonome Nervensystem mitwirken.

Nervale Steuerung von Kontinenz:Steuerung\"\iKontinenz und Miktion:Steuerung\"\iMiktion. Die meisten aufsteigenden afferenten Bahnen sind in der Grafik weggelassen. Zur besseren Übersicht auf dem Rückenmarkniveau sind Afferenzen (in der Zeichnung rechts) und Efferenzen (in der Zeichnung links) getrennt dargestellt. In Wirklichkeit ist die Innervation bilateral. Sympathisch efferente Neurone aus den Rückenmarksegmenten T11 bis L3 aktivieren die glatte Sphinktermuskulatur (Sympathikus:Kontinenz\"\iKontinenz:Sympathikus\"\iKontinenz). Parasympathikus:Kontinenz\"\iKontinenz:Parasympathikus\"\iParasympathisch efferente Neurone aus den Segmenten S2 bis S4 innervieren den Detrusormuskel (Parasympathikus:Miktion\"\iMiktion:Parasympathikus\"\iMiktion). Der M. sphincter externusMusculus:sphincter ani wird somatomotorisch durch Fasern innerviert, die im N. Nervus:pudendus\"\ipudendus verlaufen. Die spinalen Verschaltungen unterliegen der supraspinalen Kontrolle durch pontine Miktionszentren, die ihrerseits durch eine Vielzahl suprapontiner Strukturen beeinflusst werden. Bei Initiierung der Sympathikus:Miktion\"\iMiktion:Sympathikus\"\iMiktion durch das mediale Kontinenzzentrum werden die sympathischen Neurone und damit die Sphinktermuskulatur durch deszendierende Bahnen gehemmt, gleichzeitig kommt es zur Aktivierung parasympathischer Einflüsse auf die Detrusormuskulatur, zur Dehnung der beiden Sphinkteren und zur Miktion.

Kontinenz und Entleerung der Miktion\"\iKontinenz:Harnblase\"\iHarnblase:Kontinenz\"\iHarnblase:Entleerung\"\iHarnblase. Registrierung des intravesikalen Volumens und Drucks sowie der Muskelaktivität des quergestreiften äußeren Schließmuskels (M. sphincter Musculus:sphincter urethrae\"\iurethrae) bei Füllung der Blase über einen Katheter. In der Kontinenzphase steigt der intravesikale Druck trotz des ständig ansteigenden intravesikalen Volumens nur geringfügig. Die Blasenentleerung (Miktion\"\iMiktion) wird eingeleitet, indem die tonische Aktivität des Schließmuskulatur, Harnblase\"\iSchließmuskels gehemmt wird und präganglionäre parasympathische Neurone im Sakralmark aktiviert werden, die eine Kontraktion des Blasenwandmuskels auslösen. Nach der vollständigen Entleerung der Harnblase fällt der intravesikale Druck ab, und der Schließmuskel nimmt seine tonische Aktivität wieder auf.

Querschnittslähmung:Kreislaufregulation\"\iKreislaufregulationRegulation:KreislaufBlutkreislauf:RegulationKreislauf:RegulationBlutkreislauf:Regulation bei Patienten nach Querschnittslähmung. a Plötzliches Aufrichten (gestrichelte Linie) führt zum Blutdruckabfall und zur Steigerung der Herzfrequenz. Beim Gesunden wird der Blutdruckabfall je nach Barorezeptorreflex etwas unterschiedlich kompensiert (Linien a–c), die Herzfrequenz kehrt wieder auf den Ausgangswert zurück. b Nach kompletter Durchtrennung des Rückenmarks im unteren Zervikalmark kann der Blutdruck nach dem Aufrichten (linke gestrichelte Linie) dramatisch abfallen, weil die sympathisch ausgelöste Gegenregulation über den Barorezeptorreflex ausbleibt. Der Barorezeptorreflex ist zwar noch so weit intakt, dass er den Herzvagus hemmt und die Herzfrequenz dadurch kompensatorisch ansteigt, am Ende kommt es jedoch zum Kollaps.

Hormoneller Regelkreis:hormoneller\"\iHormone:Regelkreis\"\iRegelkreis und endokrine Achse:endokrine\"\iAchse.

Zellmembran:Rezeptor\"\iMembranrezeptor:Hormone\"\iHormonrezeptor:Membranrezeptor\"\iMembranrezeptoren und wichtige Mechanismen intrazellulärer Transduktion:intrazelluläre\"\iSignaltransduktion:intrazelluläre\"\iHormone:Signaltransduktion\"\iSignaltransduktion. Dargestellt sind Signaltransduktionsmoleküle, die an die intrazellulären Domänen der Rezeptoren binden. Außer den G-Protein-gekoppelten RezeptorenRezeptor:G-Protein-gekoppelter liegen alle Rezeptor-Tyrosinkinase\"\iRezeptor-Serin-Threonin-Kinase\"\iRezeptor:Tyrosinkinase-gekoppelter\"\iGuanylatcyclase-Membranrezeptor\"\iRezeptoren in ihrer aktiven Form als Dimere vor, die nach Bindung des Hormons gebildet werden. Eine Ausnahme bildet der Insulinrezeptor\"\iInsulinrezeptor, der schon vor Hormonbindung ein durch Disulfidbrücken verbundenes Heterotetramer bildet. Die angegebenen Hormone stehen stellvertretend für andere Hormone. Protein-P = Proteinphosphorylierung, G = G-Protein, SH2/SH3 = Src-(Rous Sarcoma viral oncogenic Protein-)Homologie-Domäne Typ 2 bzw. 3, Shc = Src and Collagen Homology Protein, IRS = Insulinrezeptor-Substratprotein, JAK = Janus-assoziierte Kinasen, STAT = Signal Transducer and Activator of Transcription, SMAD = Protein der Mad/smar-Familie, GTP = Guanosintriphosphat, cGMP = zyklisches Guanosinmonophosphat, AC = Adenylatcyclase, PDE = Phosphodiesterase, PKA = Proteinkinase A, IP3 = 1,4,5-Inositoltrisphosphat, IP4 = 1,3,4,5-Inositoltetrakisphosphat, PLC = Phospholipase C, PKC = Proteinkinase C, PIP2 = Phosphatidylinositol-4,5-Bisphosphat, DAG = 1,2-Diacylglycerol, PLA2 = Phospholipase A2, AA = Arachidonsäure, LOX = 5-Lipoxygenase, COX = Zyklooxygenase, LT = Leukotrien(e):Signaltransduktion\"\iLeukotriene, PG = Prostaglandine, GC = Guanylatcyclase, PKG = Proteinkinase G, CaM-K = Kalzium-Calmodulin-Kinase; Einzelheiten s. Text.

Wirkmechanismus intrazellulärer HormonrezeptorenRezeptor:intrazellulärerHormonrezeptor:intrazellulärer. HSP = Hitzeschockprotein, HRE = hormonresponsive Elemente; Einzelheiten s. Text.

Aufbau der Hypophyse:Aufbau\"\iHypophyse. In den magnozellulären Kernen des Hypothalamus:Hormonbildung\"\iHypothalamus (1) (Nucleus Nucleus:supraopticus\"\isupraopticus und Nucleus Nucleus:paraventricularis\"\iparaventricularis) werden ADH und Oxytozin gebildet und durch axonalen Transport in den Hypophysenhinterlappen\"\iHypophysenhinterlappen (HHL) gebracht. Dort werden sie durch Neurohypophyse\"\iNeurosekretion ans Blut abgegeben. Aus den hormonproduzierenden Zellen der Adenohypophyse\"\iAdenohypophyse (2) werden glandotrope und nichtglandotrope Hormone ans Blut abgegeben. Glandotrope Hormone:glandotrope\"\iHormone (Tropine) wirken auf periphere Hormondrüsen, nichtglandotrope Hormone:nichtglandotrope\"\iHormone wirken direkt an ihren Zielzellen. Die Hormone der Adenohypophyse stehen unter der Kontrolle von Releasing-Hormonen (Liberine) und teilweise von Inhibiting-Hormonen (Statine), die in parvozellulären neuroendokrinen Kernen des Hypothalamus (3) gebildet und in das primäre Kapillarnetz des hypophysären Pfortadersystem:Hypophyse\"\iPfortadersystems sezerniert werden. Sie gelangen über die Portalvenen in den Hypophysenvorderlappen (HVL). Die parvozellulären Kerne stehen ihrerseits unter der Kontrolle von hypothalamischen Neuronen (4). ADH kann über querverbindende Axone auch den Portalkreislauf, Adenohypophyse\"\iAdenohypophyse:Portalkreislauf\"\iPortalkreislauf der Adenohypophyse erreichen (5).

Regulation und Wirkungen von GH und IGF-1. Einzelheiten siehe Text.

Prolaktin:Wirkungen\"\iProlaktinwirkungen und Regulation. PRL = Prolaktin, H1-R = H1-Rezeptoren, H2-R = H2-Rezeptoren, GnRH = Gonadotropin-Releasing Hormone.

Biosynthese von Thyroxin (T4)Thyroxin (T4):Biosynthese\"\iT4:Biosynthese\"\i und Trijodthyronin (T3)Trijodthyronin (T3):Biosynthese\"\iT3:Biosynthese\"\i. Die Follikelzellen der Schilddrüse synthetisieren im Golgi-Apparat Thyreoglobulin\"\iThyreoglobulin (TG), ein Protein, das reich an der Aminosäure Tyrosin, Thyreoglobulin\"\iTyrosin ist (1). TG wird in das Lumen der Follikel, das Schilddrüse:Kolloid\"\iKolloid\"\iKolloid, sezerniert (2). Dort wird Jod an Tyrosin gekoppelt (3). Das dazu notwendige Jod muss zunächst in Form von Jodidionen aus dem Blut aufgenommen (4, Na+-gekoppelter Transport), zum Lumen transportiert und durch die Thyreoidea-Peroxidase oxidiert werden (5). Nun wird ein jodiertes Tyrosin an ein zweites jodiertes Tyrosin gekoppelt (6). Durch Abspaltung von TG werden Thyroxin (T4) und Trijodthyronin (T3) gebildet (7). Die Schilddrüse bildet hauptsächlich das wenig wirksame T4. In der Peripherie wird T4 durch Dejodinasen zum wirksameren T3 dejodiert (8).

Szintigrafie:Schilddrüse\"\iSchilddrüse:Szintigrafie\"\iSchilddrüsenszintigrafie (Bilder: Prof. Dr. Roy Moncayo, Medizinische Universität Innsbruck). a 99mTc-Szintigrafie einer normalen Schilddrüse. b Bild einer diffus vergrößerten Schilddrüse bei Struma multinodosa mit kaltem Knoten rechts lateral (Kreis). Die Aktivitätsanreicherung am Zungengrund (oben im Bild) stammt von den Speicheldrüsen. c Starke Anreicherung von 99mTc (heißer Knoten) bei einem autonomen Adenom:Schilddrüse\"\iAdenom. Die Aktivitätsanreicherung kommt durch eine gesteigerte, von den Regulationsmechanismen abgekoppelte Hormonbildung zustande. Durch die hohe Konzentration an T3 und T4 wird die Hormonproduktion im umgebenden gesunden Gewebe durch negative Rückkoppelung unterdrückt.
[T515]

Steroidhormone:Biosynthese\"\iSteroidbiosynthese. In der Zona glomerulosa werden Mineralokortikosteroide:Steroidbiosynthese\"\iMineralokortikosteroide gebildet, in der Zona fasciculata Glukokortikosteroide:Steroidbiosynthese\"\iGlukokortikosteroide, und in der Zona reticularis entstehen Androgene:Steroidbiosynthese\"\iAndrogene. ACTH:Steroidbiosynthese\"\iACTH vermag alle Zonen der NNR zu stimulieren, Angiotensin II (AT-II) und Kalium (Hyperkaliämie:Steroidbiosynthese\"\iHyperkaliämie) stimulieren ausschließlich die Zona glomerulosa. Dehydroepiandrosteron und Androstendion haben nur schwache androgene Wirksamkeit. Sie werden in der Peripherie zu Sexualhormonen umgewandelt. Die NNR synthetisiert selbst normalerweise nur sehr geringe Konzentrationen an Testosteron und Östradiol. Enzyme (neuere Enzymbezeichnungen in Klammern): 1 = 20,22-Desmolase (Side-Chain-Cleavage-Enzym; P-450SCC; CYP11A1); 2 = 3-β-Hydroxysteroid-Dehydrogenase (3-β-HSD); 3 = 21-β-Hydroxylase (P-450C21; CYP21B); 4 = 11-β-Hydroxylase (P-450C11; CYPB11B1); 5 = 18-Hydroxylase (Aldosteronsynthase; P-450aldo; CYP11B2); 6 = 18-Oxidase (Aldosteronsynthase; P-450aldo; CYPB11B2); 7 = 17-α-Hydroxylase (P-450C17; CYP17); 8 = 17,20-Lyase (P-450C17; CYP17); 9 = 17-β-Reduktase (17-β-HSD3); HSD = Hydroxysteroid-Dehydrogenase, CYP = Enzym aus der Cytochrom-P-450-Gruppe.

Regulation der Regulation:Kortisolsekretion\"\iKortisol:Sekretion\"\iKortisolsekretion. Kortisol hemmt die hypothalamische CRH-Expression und unterdrückt in der Hypophyse die Expression von POMC und CRH-1-Rezeptoren. Gleichzeitig fördert es die Bildung von CRH-Binding-Protein (CRH-BP), welches CRH bindet und dessen Wirkung an den POMC-Zellen verhindert. Kortisol steuert die Expression der genannten Proteine durch mittelfristige genomische WirkungenWirkung:genomische, gleichzeitig unterdrückt es die ACTH-Ausschüttung kurzfristig durch eine nichtgenomische WirkungWirkung:nichtgenomische über das Protein Annexin 1 (früher Lipocortin-I). Eine separate Rückkoppelung ergibt sich unter Einbeziehung des Immunsystems: Von Monozyten gebildetes Interleukin-1β fördert über vermehrte CRH-Bildung die Kortisolfreisetzung. Kortisol seinerseits unterdrückt die Interleukin-1β-Bildung. Kortisol stimuliert auch die Bildung von neutrophilen Granulozyten. Diese setzen Corticostatin frei, ein Peptid, das als ACTH-Rezeptor-Antagonist wirkt.

Renin-Angiotensin-Aldosteron-System und sein Zusammenwirken mit anderen Hormonen und dem autonomen Nervensystem zur Regulation des Salz-Wasser-Haushalts; RBF = renaler Blutfluss; GFR = glomeruläre Filtrationsrate; NaClMacula densa = luminales NaCl-Angebot an der Macula densa; ANP = atriales (A-Typ) natriuretisches Peptid; ACE = Angiotensin-Converting-Enzym; ADH = Adiuretin; K+EZR = extrazelluläre K+-Konzentration; Na+EZR = extrazelluläre Na+-Konzentration; H2O EZR = extrazelluläres bzw. intravasales Volumen.

Insulin:Sekretion\"\iSekretion, Transduktion:Insulin\"\iSignaltransduktion:Insulin\"\iInsulin:Signaltransduktion\"\iSignaltransduktion und zelluläre Wirkmechanismen von Insulin. Die linke Zelle stellt den Vorgang der metabolischen Koppelung in einer pankreatischen β-Zelle dar. Glukose wird durch den Glukosetransporter Glukosetransporter:GLUT2\"\iGLUT2 in die Zelle aufgenommen und oxidiert. Es wird vermehrt ATP gebildet, das an die SUR-Untereinheit eines Kaliumkanals bindet und diesen verschließt. Dadurch depolarisiert das Zellmembranpotenzial, was wiederum zum Öffnen von spannungsabhängigen Kalziumkanälen führt. Durch den Anstieg des intrazellulären KalziumsKalziumkonzentration:intrazelluläre wird die Exozytose der insulinhaltigen Granula ausgelöst und die Neusynthese von Insulin stimuliert. Die rechte Zelle symbolisiert eine Zielzelle für Insulin. Nach Bindung an den Insulinrezeptor löst das Hormon eine Signaltransduktionskaskade und entsprechende zelluläre Wirkungen aus. Die wesentlichen Schritte der intrazellulären Signalweiterleitung sind in Kap. 19.2.1 (enzymgekoppelte Membranrezeptoren) beschrieben; IRS = Insulin-Receptor-Substrate, Grb-2 = Growth-Factor-Receptor-Binding-Protein Typ 2, sos = „son of sevenless“, ras = Rat-Sarcoma-Protein, MEK = MAP/ERK-Kinase, ERK = „extracellular-signal-regulated-kinase“ (= MAPK), PI-3K = Phosphatidylinositol-3‘-Kinase, PBK = Proteinkinase B (= AKT), FRAP = FKBP-Rapamycin-Associated-Protein, P70S6-Kinase = Protein-70-kDa-S6-Ribosomal-Subunit-Kinase, GLUT4 = Glukosetransporter:GLUT4\"\iGlukosetransporter Typ 4.

Wirkungen von Wachstumshormon:Wirkungen\"\iTrijodthyronin (T3):Wirkungen\"\iThyroxin (T4):Wirkungen\"\iT4:Wirkungen\"\iT3:Wirkungen\"\iKortisol:Wirkungen\"\iKatecholamine:Wirkungen\"\iInsulin:Wirkungen\"\iIGF (Insulin-Like Growth Factor):Wirkungen\"\iHormone:Wirkungen\"\iGrowth Hormone:Wirkungen\"\iGlukagon:Wirkungen\"\iHormonen auf die Energiesubstrate im Körper. Glc = Glukose, As = Aminosäuren, FFS = freie Fettsäuren, KK = Ketonkörper, Glg = Glykogen, Pr = Proteine, TG = Triglyzeride.

Zusammenhang zwischen der Sekretion von Parathormon:Kalziumaktivität\"\iParathyrin bzw. Kalzitonin:Kalziumaktivität\"\iKalzitonin und der extrazellulären Kalziumaktivität:extrazelluläre\"\iKalziumaktivität, also der Konzentration an freiem, ionisiertem extrazellulärem KalziumKalzium:ionisiertesKalzium:ionisiertes. Durch die annähernd spiegelbildliche Abhängigkeit der jeweiligen Hormonsekretion von der extrazellulären Kalziumaktivität wird diese in engen Schranken konstant gehalten.

Kalzitriol:Synthese\"\i1,25-Dihydroxycholecalciferol:Synthese\"\iKalzitriolsynthese. Cholecalciferol wird unter UV-Einwirkung in der Haut gebildet und mit der Nahrung zugeführt. In der Leber entsteht durch die Wirkung der 25-Hydroxylase 25-Hydroxycholecalciferol (Calcidiol) und in der Niere durch die 1α-Hydroxylase das biologisch aktive 1,25-Dihydroxycholecalciferol (Kalzitriol). Die Synthese wird durch stimulierende Faktoren (grüne Pfeile) angeregt und ist unter pathologischen Bedingungen (rot) gehemmt.

Zusammenstellung der endokrinen Teilsysteme.
[19.5]

Leptin:AdipositasPlasmaproteine für Hormontransport.Vitamin A:TransportproteineTransthyretinTransportprotein:HormoneTranscortinTranscalciferinTBPA (thyroxinbindendes Präalbumin)TBG (thyroxinbindendes Globulin)SHBG (sexualhormonbindendes Globulin)RGB (retinolbindendes Globulin)IGFBP (Insulin-Like Growth Factor bindendes Protein)Hormone:TransportproteineGlobulin:retinolbindendesGHBP (Growth Hormone bindendes Protein)DBP (Vitamin-D-bindendes Globulin)CBG (Kortikosteroid-Bindungsglobulin)Albumin:HormontransportAGP (<03B1>1-saures Glykoprotein)Adipositas:AdiponektinAdiponektin:Adipositas
Protein | Transportsubstanz |
RGB = retinolbindendes Globulin | Vitamin A |
TBPA = thyroxinbindendes Präalbumin (Transthyretin) | T3, T4 |
TBG = thyroxinbindendes Globulin | T3, T4 |
CBG = Kortikosteroid-Bindungsglobulin (Transcortin) | Kortisol, Aldosteron, Progesteron |
SHBG = sexualhormonbindendes Globulin | Androgene, Östrogene |
DBP = Vitamin-D-bindendes Globulin (Transcalciferin) | Kalzitriol |
AGP = α1-saures Glykoprotein | Melatonin, Progesteron |
Albumin | Steroidhormone, T3, T4, Kalzitriol |
IGFBP = Insulin-Like Growth Factor bindendes Protein | IGF-1 |
GHBP = Growth Hormone bindendes Protein | GH |
Proteinbindung und Halbwertszeiten einiger Hormone.Wachstumshormon:HalbwertszeitTSH (thyreoideastimulierendes Hormon):HalbwertszeitTrijodthyronin (T3):ProteinbindungTrijodthyronin (T3):HalbwertszeitThyroxin (T4):ProteinbindungThyroxin (T4):HalbwertszeitTestosteron:ProteinbindungTestosteron:HalbwertszeitT4:ProteinbindungT4:HalbwertszeitT3:ProteinbindungT3:HalbwertszeitProlaktin:HalbwertszeitOxytozin:HalbwertszeitÖstrogene:ProteinbindungÖstrogene:HalbwertszeitLH (luteinisierendes Hormon):HalbwertszeitKortisol:ProteinbindungKortisol:HalbwertszeitKalzitonin:HalbwertszeitInsulin:ProteinbindungInsulin:HalbwertszeithCG (humanes Choriongonadotropin):HalbwertszeitGlukagon:HalbwertszeitFSH (follikelstimulierendes Hormon):HalbwertszeitBradykinin:HalbwertszeitAldosteron:ProteinbindungAldosteron:HalbwertszeitAdrenalin:HalbwertszeitADH (antidiuretisches Hormon):ProteinbindungADH (antidiuretisches Hormon):HalbwertszeitACTH:HalbwertszeitHormon:follikelstimulierendesHormon:luteiniserendes
Hormon | Proteinbindung (in %) | Halbwertszeit (in Minuten) |
T4 | > 99 | ≈ 10.000 (7 Tage) |
T3 | > 99 | ≈ 1.140 (19 Stunden) |
hCG | 500 | |
FSH | 200 | |
TSH | 60–100 | |
PRL | 30 | |
GH | 25 | |
Kortisol | 90 | 90 |
Aldosteron | 60 | 20 |
LH | 20 | |
Kalzitonin | 20 | |
Testosteron | 98 | 15 |
ACTH | 10 | |
Glukagon | < 10 | |
Östrogene, Progesteron | > 95 | > 10 |
ADH | < 1 | 6 |
Releasing/Inhibiting-Hormone | 5 | |
Insulin | < 1 | 3–5 |
Oxytozin | 5–10 | |
Adrenalin | < 2 | |
Bradykinin | < 1 |
Zellen der Langerhans-Inseln und dort synthetisierte Hormone.Somatostatin:<03B4>-ZellenPP-ZellePolypeptid, pankreatischesPankreas:<03B4>-ZellenPankreas:<03B2>-ZellenPankreas:<03B1>-ZellenPankreas:PP-ZellenLangerhans-Inseln:ZellenInsulin:<03B2>-ZellenGlukagon:<03B1>-ZellenBauchspeicheldrüse:<03B4>-ZellenBauchspeicheldrüse:<03B2>-ZellenBauchspeicheldrüse:<03B1>-ZellenBauchspeicheldrüse:PP-Zellen<03B4>-Zelle<03B2>-Zelle<03B1>-Zelle
Zellen | Lage | Hauptprodukt | Nebenprodukte |
α-Zellen | peripher | Glukagon | Proglukagon, GLP-1 und GLP-2 |
β-Zellen | zentral | Insulin | Proinsulin, C-Peptid, Amylin, GABA, PTHrP und TRH |
δ-Zellen | peripher | Somatostatin | |
PP-Zellen | peripher | pankreatisches Polypeptid |
Koordination spezieller Organfunktionen
-
19.1
Vegetatives Nervensystem663
-
19.2
Hormone691
19.2.1
Prinzipien der endokrinen Regulation691
19.2.2
Hypothalamisch-hypophysäres System701
19.2.3
Hormone der Adenohypophyse704
19.2.4
Hormone der Neurohypophyse707
19.2.5
Hormone der Schilddrüse710
19.2.6
Hormone der Nebennierenrinde716
19.2.7
Natriuretische Peptide725
19.2.8
Hormone der Bauchspeicheldrüse und Blutzuckerregulation726
19.2.9
Hormone, die den Kalzium- und Phosphathaushalt regulieren734
19.2.10
Hormone des Fettgewebes739
Zur Orientierung
Im Sinne der Gesamtfunktion des Organismus müssen die Einzelfunktionen der verschiedenen spezialisierten Organe aufeinander abgestimmt und an die aktuelle Tätigkeitslage des Organismus angepasst werden. Diese Koordinationsfunktionen werden durch das vegetative Nervensystem und das endokrine System erbracht.
Das vegetative Nervensystem kann die Organaktivitäten über Nervenimpulse schnell umstellen. Es erfüllt seine Aufgaben, ohne das Bewusstsein einzuschalten. Das endokrine System besitzt die Fähigkeit, über spezielle Moleküle (Hormone) die Tätigkeit der Organe langfristig zu beeinflussen. Die Hormone werden in endokrinen Drüsen und Geweben gebildet. Regelkreise kontrollieren ihre Freisetzung in das Blut.
19.1
Vegetatives Nervensystem
Zur Orientierung
Das vegetative Nervensystem dient der Regelung vieler Körperfunktionen und hilft damit, die Homöostase unter den wechselnden Anforderungen der Umwelt aufrechtzuerhalten. Beispielsweise passt es Herzfrequenz, Blutdruck und Muskeldurchblutungen an die gesteigerten Anforderungen bei körperlicher Arbeit an oder steigert die Hautdurchblutung und Schweißsekretion bei erhöhter Körpertemperatur. Da diese Regelprozesse kaum einer willkürlichen Kontrolle unterliegen, wird das vegetative Nervensystem auch als autonomes Nervensystem bezeichnet.
Die Neurone des vegetativen Nervensystems setzen wichtige Transmittersubstanzen frei, v.a. Acetylcholin und Katecholamine. Die Mechanismen der cholinergen (durch Acetylcholin vermittelten) und adrenergen (durch Noradrenalin und Adrenalin vermittelten) synaptischen Übertragung wurden in diesem System zuerst entdeckt. Neuerdings wurde zusätzlich die Bedeutung der Synthese und Freisetzung von Neuropeptiden durch sympathische, parasympathische und enterische Neurone erkannt.
19.1.1
Allgemeine Physiologie des vegetativen Nervensystems
Bauplan
Einteilung und Zielorgane
•
sympathisches Nervensystem
•
parasympathisches Nervensystem
•
enterisches Nervensystem
Prä- und postganglionäre Neurone
MERKE
Grundbaustein des sympathischen und des parasympathischen Nervensystems ist eine Kette von 2 hintereinander geschalteten Neuronen.
MERKE
Präganglionäre Neurone: Zellkörper im ZNS, Axone dünn myelinisiert; postganglionäre Neurone: Zellkörper in den Ganglien, Axone nicht myelinisiert.
•
Ein Teil der präganglionären Neurone wird in den paravertebralen Ganglien des Grenzstrangs umgeschaltet. Die meisten postganglionären Axone kehren dann über den segmentalen R. communicans Ramus:communicans griseusgriseus (grauer Ramus genannt, da er nicht myelinisierte Axone enthält) zum Spinalnerv zurück und gelangen in einem peripheren somatischen Nerv zu ihren Zielorganen, den Blutgefäßen, Schweißdrüsen oder der glatten Muskulatur an den Haarbälgen.
•
Die übrigen – noch nicht umgeschalteten – Sympathikusaxone aus dem Grenzstrang verlaufen in viszeralen Nerven (Nn. cardiaci, Nn. splanchnici) zu den Brust- und Baucheingeweiden.
MERKE
Die Zellkörper „postganglionärer“ sympathischer Neurone, die Kopf, Brustorgane, Rumpf und Extremitäten versorgen, liegen im Grenzstrang, während solche, die Becken- und Baucheingeweide versorgen, entweder im Grenzstrang oder in den prävertebralen Ganglien zu finden sind. In den Nn. splanchnici gibt es somit prä- und postganglionäre Axone, aber auch sensorische Nervenfasern.
Viszerale Afferenzen
•
mechanosensitive Sensor:mechanosensitiverSensoren (mit nicht myelinisierten oder dünn myelinisierten Axonen), die Blutdruckschwankungen oder die Dehnung der Hohlorgane registrieren,
•
chemosensitive Sensor:chemosensitiverSensoren, die die CO2-Kohlendioxidkonzentration:ChemosensorenKonzentration des Blutes oder die Osmolarität und Glukosekonzentration im Darm registrieren und daher eine wichtige Rolle bei vegetativen Reflexen und somit für die Regelfunktionen des autonomen Nervensystems spielen.
MERKE
Der Schmerz der Viszera wird ausschließlich durch Afferenzen über Spinalnerven ausgelöst.
Klinik
Schmerzübertragung in Head-ZonenKlinisch relevant ist, dass bei Erkrankung innerer Organe der Schmerz in charakteristische Hautareale, sog. Head-Zonen (Kap. 4.2), übertragen wird. So strahlt der Schmerz eines Herzinfarkts typischerweise in die linke Thoraxhälfte und den linken Arm aus. Dieses Phänomen beruht darauf, dass die Afferenzen der Viszera und der korrespondierenden Hautareale aus demselben spinalen Segment stammen und gemeinsame spinale Neurone erregen.Myokardinfarkt:SchmerzübertragungHerzinfarkt:SchmerzübertragungHead-Zonen:HerzinfarktInfarkt:Herz
Funktionsprinzipien
Entwicklung
Funktioneller Antagonismus von Sympathikus und Parasympathikus
MERKE
Die Zunahme der Schlagfrequenz wird sowohl durch Steigerung der sympathischen als auch durch Drosselung der parasympathischen Aktivität erzielt.
•
Unter Indifferenzbedingungen entladen beide Neuronentypen spontan, was zu einer basalen Schweißsekretion (Perspiratio insensibilis) und einer mittleren Hautdurchblutung führt.
•
Bei einer Wärmebelastung Wärme:Schweißdrüseninnervationdes Organismus wird die Aktivität von Sudomotoneuronen gesteigert (was zum Schwitzen führt), während gleichzeitig die Aktivität in den Vasokonstriktorneuronen abnimmt (was die Durchblutung der Haut steigert). Genau das umgekehrte Reaktionsmuster findet sich bei Kälteexposition. Kälte:SchweißdrüseninnervationVerschiedene sympathische Systeme werden also entgegengesetzt (antagonistisch) aktiviert und gehemmt.
•
Andererseits werden aber bei emotionalem Stress oder in einem Schockzustand beide Systeme auch gleichsinnig (synergistisch) aktiviert, was zu den allgemein bekannten kaltschweißigen Händen führt.
MERKE
Sympathikus und Parasympathikus können von übergeordneten Zentren des Hirns sowohl synergistisch als auch antagonistisch eingesetzt werden. Das Gleiche gilt auch für deren Teilsysteme.
Ganglionäre Organisation
MERKE
Divergenz und Konvergenz sind in den Grenzstrangganglien eher weniger, in den prävertebralen Ganglien des Bauchraums jedoch stärker ausgeprägt.
Neurotransmitter und Rezeptoren
Neurotransmitter
MERKE
Pharmakologisch betrachtet besteht das parasympathische System aus einer Kette von 2 cholinergen Neuronen, während das sympathische Nervensystem überwiegend aus einer Kette von einem cholinergen und einem noradrenergen Neuron besteht.
Klinik
Pharmaka mit Wirkung auf das vegetative NervensystemDas Verständnis der Neurotransmittersysteme des vegetativen Nervensystems ist klinisch relevant, da ihre Rezeptoren Angriffspunkte vieler Pharmaka sind. Man unterscheidet dabei Pharmaka, die die synaptische Übertragung imitieren (Agonisten), von solchen, die sie hemmen (Antagonisten). Oft wird dafür das Begriffspaar mimetika und lytika verwendet, z.B. Sympathikomimetika und Sympathikolytika.
Neuropeptide
MERKE
Neuropeptide werden aus postganglionären Axonen erst bei relativ hoher Reizfrequenz – also nur bei besonderer Beanspruchung – freigesetzt. Sie modulieren vermutlich die schnelle Informationsübertragung durch Acetylcholin und Noradrenalin.
Rezeptoren und postsynaptische Strukturen
Ganglionäre Übertragung
Acetylcholin
Rezeptoren
Klinik
Membranrezeptoren im vegetativen NervensystemDie Rezeptoren im vegetativen Nervensystem werden von den Pharmakologen in Klassen eingeteilt. Traditionell beruhte diese Einteilung auf der Wirkung von Agonisten und Antagonisten an Organen, die vom vegetativen Nervensystem innerviert werden. Bei manchen Rezeptoren wirkt zwar derselbe Agonist, aber verschiedene Antagonisten. So kann z.B. die nikotinische Wirkung an der motorischen Endplatte durch Curare antagonisiert werden (Kap. 5.2.2), während Curare die nikotinische Übertragung an vegetativen Ganglien nicht beeinflusst. Umgekehrt kann z.B. Hexamethonium in vegetativen Ganglien als Antagonist der synaptischen Übertragung wirken, während es an der neuromuskulären Endplatte unwirksam ist. Man unterscheidet daher zwischen nikotinischen Rezeptortypen NM an den motorischen Endplatten des Skelettmuskels und NN an den vegetativen Ganglienzellen. Durch Klonierung, also molekularbiologische Identifizierung der Rezeptorproteine, stellte sich heraus, dass an vielen Organen in den Zellmembranen unterschiedliche Subtypen von Rezeptoren existieren, die ähnliche Effekte vermitteln, aber eine unterschiedliche molekulare Struktur haben.Curare:ganglionäre ÜbertragungHexamethonium:Ganglienzelle
Postganglionäre parasympathische Übertragung
Acetylcholin
Rezeptoren
Klinik
Subtypen des muskarinischen RezeptorsFür die Subtypen des muskarinischen Rezeptors konnten selektive Liganden entwickelt werden, die am Sinusknoten die Herzfrequenz verlangsamen, aber die Magensaftproduktion nicht beeinflussen und umgekehrt. Ein Beispiel ist Pirenzepin, das besonders stark die M-Rezeptoren im Magen und damit die Salzsäuresekretion hemmt, ohne größere Nebenwirkungen am Herzen zu entfalten.
•
Neben dem Muskarin, das medizinisch keine Bedeutung besitzt, wurden verschiedene Pharmaka entwickelt, die relativ spezifisch die Wirkung des Acetylcholins an diesen Rezeptoren imitieren.
•
Andererseits wird die Wirkung von Acetylcholin an diesem Rezeptortyp durch Atropin, das Gift Atropin:muskarinischer Rezeptorder Tollkirsche, blockiert. Da Atropin an den muskarinergen Rezeptoren der Effektorzellen bindet, verdrängt es Acetylcholin oder dessen Agonisten (z.B. Muskarin) aus diesen Bindungen. Es ist ein kompetitiver Antagonist. Auf nikotinempfindliche Rezeptoren wirkt diese Substanz hingegen nicht.
•
Substanzen wie das Physostigmin hemmen die Physostigmin, muskarinerge ÜbertragungAcetylcholinesterase und verzögern somit den Abbau von Acetylcholin. Damit können sie indirekt eine parasympathische Wirkung verstärken. Diese Acetylcholinesterasehemmer greifen zwar auch an nikotinartigen Synapsen der vegetativen Ganglien und an der neuromuskulären Endplatte an, die Wirkung an den postganglionären cholinergen Neuronen steht aber im Vordergrund.
MERKE
Atropin ist kompetitiver Antagonist von Acetylcholin am postganglionären parasympathischen Neuron.
Postganglionäre sympathische Übertragung
MERKE
Eine Ausnahme unter den postganglionären Neuronen des Sympathikus bilden Sudomotoneurone zu den Schweißdrüsen, die cholinerg sind.
Dabei ist die Übertragung von den Axonen auf die Drüsenzelle muskarinerg. Deshalb verhalten sich diese Neurone in ihren pharmakologischen Eigenschaften wie postganglionäre parasympathische Neurone.
Noradrenalin
Klinik
WiederaufnahmehemmerSubstanzen wie das Kokain verhindern die Wiederaufnahme und verstärken damit indirekt die Wirkung des Noradrenalins.
Rezeptoren
Klinik
VasokonstriktionZusätzlich zu der durch α-Rezeptoren vermittelten Vasokonstriktion existieren an bestimmten Arteriolen weitere Mechanismen, durch die sympathische Neurone eine Kontraktion der glatten Muskelzellen auslösen können. Hierbei soll ein anderer Transmittermechanismus die glatten Muskelzellen depolarisieren, wodurch über spannungsabhängige Kalziumkanäle ein Ca2+-Einstrom aus dem Extrazellulärraum einsetzt, der eine Kontraktion der glatten Muskelzellen bewirkt (Abb. 19.8). Ein solcher Transmitter ist das Neuropeptid Y. Möglicherweise wirkt auch Adenosintriphosphat (ATP) als Kotransmitter, das zusammen mit Noradrenalin in den Vesikeln der sympathischen Varikositäten gespeichert und ausgeschüttet wird.
•
Am Herzen bewirkt der Sympathikus eine Steigerung der Schlagkraft und Schlagfrequenz. Der Rezeptorsubtyp an den Herzmuskelzellen wird β1-Rezeptor genannt. Diese <03B2>1-RezeptorRezeptoren werden gleichermaßen von Noradrenalin und Adrenalin aktiviert.
•
Die glatte Muskulatur anderer Organe, z.B. von Gefäßen und Bronchien, ist mit β2-Rezeptoren ausgestattet, die <03B2>2-Rezeptorvorwiegend von zirkulierendem Adrenalin aus dem Nebennierenmark und weniger von Noradrenalin aus den sympathischen Nervenendigungen beeinflusst werden. Diese Rezeptoren bewirken über die Hemmung der Myosin-Leichtketten-Kinase (MLCK) eine Erschlaffung der glatten Muskulatur.
Klinik
β-RezeptorenblockerWährend bestimmte β-Blocker wie das Propranolol unspezifisch alle β-Rezeptoren beeinflussen, wirken andere β-Blocker wie das Atenolol selektiv auf die Rezeptoren des Herzens. So führt die Gabe eines β1-Blockers zur Herabsetzung der Schlagfrequenz und Kontraktilität des Herzens, ohne wesentlich auf die glatte Bronchialmuskulatur zu wirken.
Autonome Kerngebiete des Gehirns
•
Noradrenalin in der A5-Neuronengruppe
•
Serotonin in den Raphekernen
•
Noradrenalin und Adrenalin in den Zellgruppen A1 und C1 der ventrolateralen Medulla oblongata
Einflüsse der Medulla oblongata
MERKE
Die medullären Neuronengruppen tragen zur tonischen Aktivierung der sympathischen kardiovaskulären Efferenzen bei. Ihre Aktivität wird durch endogene Rhythmen (s.u.) und durch Afferenzen wie z.B. die Barosensorafferenzen beeinflusst.
Supramedulläre Einflüsse
•
Die Skelettmuskulatur wird besser (Vasodilatation), die Gefäße der Haut, der Viszera und der Nieren werden schlechter durchblutet (Vasokonstriktion).
•
Die Herzfrequenz erhöht sich (positiv chronotrope Wirkung), die Kontraktionskraft des Herzmuskels nimmt zu (positiv inotrope Wirkung).
•
Die Pupillen erweitern sich.
•
Die Körperhaare sträuben sich (Piloarrektion).
MERKE
Die vegetativen Reaktionen werden nicht als Folge der Verhaltensänderungen ausgelöst, sondern gleichzeitig mit ihnen. Sie sind Teil der Verhaltensänderungen.
19.1.2
Spezielle Physiologie des vegetativen Nervensystems
Generalisierte Einflüsse auf das vegetative Nervensystem
Schlaf
Klinik
Blutdruck während des SchlafsBei der Untersuchung des Blutdrucks eines Patienten muss man die vielfältigen Einflüsse beachten, denen ein momentaner Blutdruckwert unterliegt. Eine einmalige Messung ist daher nicht sehr aussagekräftig. Deshalb wird zur Diagnose einer Hypertonie mit einer elektronisch gesteuerten Manschette der Blutdruck in regelmäßigen Abständen über 24 h gemessen. Diese Messung muss auch während der Schlafperiode weitergeführt werden, da es für die Beurteilung einer Hypertonie wichtig ist, ob der erhöhte Blutdruck während des Schlafs abfällt.
Aktivierungsreaktion
•
die Herzfrequenz steigt,
•
die Hautdurchblutung abnimmt – bedingt durch Vasokonstriktion – und
•
die Schweißdrüsenaktivierung zunimmt.
MERKE
Die Aktivierungsreaktion schwächt sich bei wiederholter Einwirkung des aktivierenden Reizes (z.B. eines lauten Geräuschs) und bei längerer Reizdauer rasch ab, sie dient ja der Reaktion des Organismus auf unerwartete und bedrohliche Reize. Dieser Habituation entspricht eine sich abschwächende Erregung der Hirnstammneurone, welche vermutlich die Reaktion auslösen.
Schmerz
Klinik
Schmerzaktivierung während NarkoseBei einem operativen Eingriff, z.B. im Bauchraum, gibt es Phasen, in denen Nozizeptoren besonders gereizt werden, z.B. wenn der Chirurg Zug auf das Peritoneum ausüben muss. Das führt zum reflektorischen Blutdruckanstieg. Der Anästhesist wird daraufhin bei einer Inhalationsnarkose die Konzentration des Narkotikums erhöhen, um die Narkose für diese Operationsphase zu vertiefen.
Herz- und Kreislaufreflexe
•
das Hochdrucksystem (Kap. 9.2.3)
•
das Niederdrucksystem (Kap. 9.2.5)
•
die Mikrozirkulation (Kap. 9.2.4)
Blutdruckkontrolle
•
Steigt die Impulsfrequenz in den Afferenzen der Barosensoren an, werden der Herzvagus erregt und der Parasympathikus:PressorezeptorenHerzsympathikus gehemmt. Dies hat eine Sympathikus:Pressorezeptorennegativ chronotrope und negativ inotrope Wirkung. Gleichzeitig werden die Vasokonstriktionsneurone des Sympathikus gehemmt, wodurch der periphere Gefäßwiderstand sinkt. Insgesamt führen diese Reflexe zu einer Blutdrucksenkung.
•
Sinkt umgekehrt die Impulsfrequenz der Barosensoren, hemmt dies den Herzvagus und erregt den Herzsympathikus und die Vasokonstriktorneurone, was zu einem Blutdruckanstieg führt.
MERKE
Im normalen Blutdruckbereich von 80–120 mmHg führen bereits leichte Druckänderungen zu starken vegetativen Reflexen, während diese Baroreflexe bei sehr hohen oder niedrigen Drücken weniger effizient sind. Hinzu kommt, dass die Barosensoren bei dauerndem Hochdruck adaptieren und somit weniger empfindlich werden. Man hat dieses Phänomen als „resetting“ bezeichnet. Der BarosensorreflexBarosensorreflex (oder einfach „BaroreflexBaroreflex“) dient daher weniger der Langzeitregelung des Blutdrucks als der Anpassung an kurzfristige Schwankungen.
•
Bei gesunden Probanden kommt es in Phase I dieses Manövers zu einem mechanisch bedingten Druckanstieg, da das Schlagvolumen durch den erhöhten intrathorakalen Druck zunächst erhöht ist. Dieser Druckanstieg führt über den Baroreflex zu einer Verlangsamung der Herzfrequenz.
•
In Phase II vermindert der erhöhte intrathorakale Druck den venösen Rückstrom und damit das Schlagvolumen, was über den Baroreflex zu einem Anstieg der Herzfrequenz führt. Weil die Barosensoren weniger stark erregt sind, werden die Vasokonstriktoren verstärkt aktiviert, was den peripheren Widerstand erhöht. Dadurch steigt während dieser Phase der Blutdruck nach initialem Abfall an.
•
Bei Beendigung des Manövers steigt der Blutdruck zunächst aus mechanischen Gründen kurzzeitig an, die Herzfrequenz sinkt ab (Phase III).
•
Danach normalisieren sich Herzfrequenz und Druck wieder (Phase IV).
Klinik
Valsalva-Manöver bei Störungen des vegetativen NervensystemsBeim relativ seltenen Shy-Drager-Syndrom ist die Reflexantwort beim Valsalva-Manöver nicht auslösbar. Sehr viel häufiger ist die autonome Neuropathie, ein Verlust der vegetativen Efferenzen zu Herz und Eingeweiden, z.B. als Folge eines Diabetes mellitus. Zur Diagnose kann eine Prüfung der Valsalva-Reaktion beitragen.
Klinik
Störungen der BlutdruckregelungUnter pathologischen Bedingungen kann die neurale Blutdruckkontrolle entgleisen und extreme Blutdruckanstiege oder abfälle auslösen.
SynkopeFällt der Blutdruck dramatisch ab, kommt es zu einer verminderten Hirndurchblutung, was innerhalb von Sekunden eine Synkope (Ohnmacht, begleitet vom Tonusverlust der Skelettmuskulatur) auslöst. Für die Durchblutung eines Gewebes ist die Druckdifferenz zwischen arteriellem und venösem Schenkel des Kreislaufs entscheidend. Der geringe orthostatische Druck im Hirn des stehenden Menschen wird allerdings teilweise durch den negativen Druck in der Schädelkapsel kompensiert (s.a. Kap. 3.8).
Neurovaskuläre SynkopeBei empfänglichen Personen kann bei emotionaler Erregung eine neurovaskuläre Synkope eintreten, der ein interessantes vegetatives Erregungsmuster zugrunde liegt. Wenn man der Roman- und Dramenliteratur glauben darf, trat diese Reaktion früher häufig bei jungen Frauen auf. In der medizinischen Praxis sieht man sie hingegen öfter bei jungen Männern, bei denen ein harmloser Eingriff, etwa eine Blutentnahme, vorgenommen wird. In der medizinischen Literatur spricht man von „vasovagaler Synkope“. Dieser Begriff ist aber irreführend, da nicht nur der Vagus an der Reaktion beteiligt ist. Am Beginn steht häufig eine Verlangsamung der Herzfrequenz durch den Einfluss des Parasympathikus. Gleichzeitig nimmt aber der Blutfluss in den Extremitäten stark zu, da die sympathischen Efferenzen gehemmt sind. Die Reaktion führt zum „Versacken“ größerer Mengen Blutes in den Extremitäten und zum Blutdruckabfall. Durch den Abfall des arteriellen Blutdrucks im Gehirn kommt es zur Synkope, die allerdings meist rasch abklingt, wenn die Hirndurchblutung durch die liegende Position und Anheben der Beine verbessert wird (Abb. 19.15).
KarotissinussyndromEine mögliche Ursache von plötzlichen Blutdruckabfällen und damit von Synkopen ist auch die Überempfindlichkeit der Barosensoren. Da es bei deren Erregung auf transmurale Druckänderungen an der Arterienwand ankommt, können diese Sensoren auch erregt werden, wenn von außen wechselnder Druck auf den Karotissinus einwirkt. Das kann besonders bei älteren Patienten mit sklerosierter (verhärteter) Wand der A. carotis vorkommen. Abb. 19.16 zeigt die Abnahme der Aktivität in Vasokonstriktorneuronen und die Erniedrigung der Herzfrequenz bei einem gesunden Probanden, bei dem die Karotissinusregion massiert wurde. Besonders wirkungsvoll ist wechselnder Druck wegen der PD-Eigenschaften der Barosensoren. Wenn die Arterienwand sklerosiert ist, kann die Übertragung externer Drücke auf die Barosensoren abnorm verstärkt sein. Dann kann schon die Druckänderung, die durch Rückwärtsneigen des Kopfs oder durch leichte Massage der Karotissinusregion erzeugt wird, reflektorisch zu einer Bradykardie und zum Blutdruckabfall führen, die im Extremfall eine Synkope auslösen.
HirnstammdurchblutungsstörungNicht nur die Barosensoren vermitteln dem ZNS Informationen über einen Blutdruckabfall. Fällt der arterielle Blutdruck im Schädel so weit ab, dass die Durchblutung des Hirnstamms gestört ist, reagieren die Neurone in den „Pressor-Arealen“ direkt mit erhöhter Aktivität, was zu einer massiven Erregung sympathischer Vasokonstriktorneurone führt. Diese Notfallreaktion soll verhindern, dass der Blutdruck und damit die Hirndurchblutung weiter absinken. Eine pathologisch gestörte Hirnstammdurchblutung wegen eines erhöhten intrakranialen Drucks kann eine ähnliche Reaktion auslösen. Dies kann zu extremem Blutdruckanstieg führen.
MERKE
Häufig wird die emotional bedingte neurovaskuläre Synkope durch Schweißausbruch und Erblassen eingeleitet, also durch Zeichen der Sympathikusaktivierung. Danach kommt es zu einem raschen Blutdruckabfall durch Erregung des Herzvagus (Verlangsamung des Herzschlags) und Hemmung der sympathischen Vasokonstriktorneurone.
Anpassung an Muskelarbeit
Blutvolumenkontrolle
Klinik
Chronische HerzinsuffizienzBei chronischer Herzinsuffizienz kommt es generell zu einer erhöhten Vasokonstriktoraktivität, die offenbar mit dem kardialen Füllungsdruck korreliert ist (Abb. 19.17). Möglicherweise wird diese Reaktion durch die erhöhte Erregung der Dehnungssensoren im Niederdrucksystem bei erhöhter Vorlast ausgelöst. Die Reaktion könnte aber auch dadurch bedingt sein, dass die Steilheit der Pulswelle wegen der verringerten Kraft des insuffizienten Herzens vermindert ist und daher die arteriellen Barosensoren weniger erregt werden.
Nahrungsaufnahme und Verdauung
Enterisches Nervensystem
Klinik
Morbus HirschsprungDie Bedeutung des ENS für die regelrechte Funktion des Darms verdeutlicht der Morbus Hirschsprung, eine angeborene Störung bei Neugeborenen. Bei dieser Erkrankung wird das ENS in einigen Darmabschnitten in der Ontogenese nicht oder nur unvollständig von Neuralleistenzellen besiedelt. Das Fehlen der enterischen Neurone und der Defekt des Propulsionsreflexes bewirken oral des betroffenen Darmabschnitts einen Stau von Darminhalt. Wird das Syndrom nach der Geburt nicht bald erkannt, kommt es zum Ileus (Darmverschluss) und zum Tod des Neugeborenen.
Neuronale Mechanismen des Erbrechens
MERKE
Besonders relevant ist die Elimination schädigender Substanzen nach deren Eintreffen im Magen. Toxine, Medikamente oder Schleimhautschädigung (z.B. Alkoholintoxikation) können Afferenzen im N. vagusNervus:vagus erregen, die dann Erbrechen auslösen.
Kontinenz- und Entleerungsreflexe
MERKE
Die Defäkation und die Miktion können beim gesunden Erwachsenen willkürlich initiiert werden. Das setzt voraus, dass die somatischen und parasympathischen Neurone des Sakralmarks deszendierenden supraspinalen Einflüssen unterliegen. Die supraspinalen Einflüsse entwickeln sich innerhalb der ersten Lebensjahre.
Darmkontinenz und Defäkation
Blasenkontinenz und Miktion
Klinik
DetrusorhyperreflexiePathophysiologisch wichtig sind die häufigen funktionellen Störungen der Blasenfunktion, die sich z.B. als Detrusorhyperreflexie äußern. Man versteht darunter häufigen, meist quälenden Harndrang bei nur gering gefüllter Harnblase. Dieser verstärkte Miktionsdrang kann durch eine Entzündung der Blasenmukosa bedingt sein, die zu einer Sensibilisierung von Rezeptoren (Nozizeptoren) und dadurch zu verstärkter afferenter Erregung und Reflexaktivität führt. Er kann aber auch ausschließlich durch eine zentralnervös bedingte Bahnung der Miktionsreflexe ohne erkennbare Entzündungszeichen in der Harnblase hervorgerufen werden. Diese Bahnung hat nicht selten psychische Ursachen.
19.1.3
Querschnittslähmung
Akute Phase
Klinik
Spinaler SchockDie Inaktivierung der glatten Muskulatur in der Harnblase (Detrusormuskel) führt zur Harnretention, die nach Überdehnung der Blase und Überschreiten des Fassungsvermögens in eine Inkontinenz mündet (sog. Überlaufblase). Die Lähmung der Mastdarmmuskulatur führt zur Inkontinenz.
Chronische Phase
MERKE
Die Plastizität des Rückenmarks unterhalb einer Läsion ermöglicht einerseits die teilweise Wiederherstellung bestimmter vegetativer Funktionen, bedingt andererseits aber auch das Auftreten von Fehlfunktionen und damit von Komplikationen.
ZUSAMMENFASSUNG
Das vegetative Nervensystem dient der Regelung vieler Körperfunktionen und des Zusammenwirkens der Organe unter den wechselnden Anforderungen der Umwelt.
BestandteileDas System besteht aus Neuronengruppen im ZNS, den präganglionären Neuronen und den von diesen innervierten Ganglienzellen, die in den vegetativen Ganglien außerhalb des ZNS liegen. Es sind 2 Subsysteme zu unterscheiden, das sympathische und das parasympathische System.
Prä- und postganglionäre NeuroneDie präganglionären Neurone des parasympathischen Systems liegen im Hirnstamm und Sakralmark, die des sympathischen im Seitenhorn des thorakalen und lumbalen Rückenmarks. Beim sympathischen wie auch beim parasympathischen System erfolgt die synaptische Übertragung von präganglionären Axonen auf die Ganglienzellen über cholinerge, ionotrope Synapsen, die nach dem Agonisten Nikotin als nikotinerg bezeichnet werden.
Die postganglionären Axone der vegetativen Ganglienzellen sezernieren bei Erregung Acetylcholin oder Katecholamine (Adrenalin und Noradrenalin). Für diese Überträgerstoffe besitzen die Erfolgsorgane G-Protein-gekoppelte Membranrezeptoren. Katecholamine werden von den meisten postganglionären sympathischen Nervenfasern freigesetzt und binden an α- und β-Rezeptoren, die postganglionären parasympathischen Neurone sezernieren Acetylcholin, das an muskarinerge (M-)Rezeptoren bindet.
Wirkung auf die OrganeDas vegetative Nervensystem regelt vor allem die Funktionen von Herz und Kreislauf und die Funktionen innerer Organe. Bei vielen dieser Organsysteme sind Sympathikus und Parasympathikus antagonistisch wirksam; so wirkt z.B. beim Herzen der Sympathikus positiv inotrop (Kontraktionskraft verstärkend) und positiv chronotrop (Herzfrequenz steigernd), der Parasympathikus negativ chronotrop (Herzfrequenz senkend). Da eine Steigerung der Herzleistung die Leistungsfähigkeit des Organismus steigert, nennt man die sympathische Wirkung ergotrop. Die parasympathische Wirkung fördert die Erholung und wird daher als trophotrop bezeichnet. Ähnliche Antagonismen gibt es beim Darm: Der Parasympathikus steigert die Peristaltik und hemmt die Sphinkteren, der Sympathikus hemmt die Peristaltik und steigert den Tonus der Sphinktermuskulatur. Bei der Innervation der Arteriolen, der Widerstandsgefäße im Kreislauf, gibt es hingegen einen Antagonismus innerhalb des sympathischen Systems, auf der Effektorseite: Aktivierung von β-adrenergen Rezeptoren durch Adrenalin führt zur Vasodilatation, Aktivierung von α-Rezeptoren führt zur Vasokonstriktion.
Enterisches NervensystemIn der Wand des Magen-Darm-Trakts findet sich ein weiteres, rein peripheres Nervensystem, das enterische Nervensystem. Dieses besteht aus etwa gleich vielen Neuronen wie das Rückenmark. Viele dieser Neurone sind peptiderg, d.h., sie synthetisieren Neuropeptide und setzen sie aus ihren Axonen frei. Das enterische System steuert weitgehend autonom die Magen-Darm-Motilität und Sekretionsvorgänge im Darm. Enterische Neurone werden aber von sympathischen und parasympathischen Neuronen aktiviert bzw. gehemmt. Das vegetative Nervensystem übt somit eine gewisse Kontrolle über das enterische Nervensystem aus.
StörungenStörungen im vegetativen Nervensystem treten z.B. bei Neuropathien auf, bei denen dünne Nervenfasern und damit auch die vegetativen postganglionären Axone geschädigt werden. Traumatische Läsionen des Rückenmarks haben charakteristische Störungen der vegetativen Funktionen zur Folge. Eine Durchtrennung des Rückenmarks führt zur Abtrennung der unterhalb der Läsion liegenden präganglionären spinalen Neurone von der Steuerung durch Zentren in Hirnstamm, Hypothalamus, limbischem System und Neokortex. Ein Teil der Funktionen dieser dezentralisierten präganglionären Neurone kann zwar durch spinale Reflexe aufrechterhalten werden, das Fehlen einer zentralnervösen Koordination führt aber zu charakteristischen Fehlfunktionen.
19.2
Hormone
Zur Orientierung
Hormone sind chemische Signalmoleküle, welche die Leistungen der Organe und Gewebe aufeinander abstimmen und an die aktuellen Erfordernisse anpassen. Synthese und Sekretion unterliegen der Kontrolle durch komplexe Regelkreise. Hormone werden von speziellen Zellen gebildet, sezerniert und im Blut und/oder in anderen Körperflüssigkeiten zu ihren Zielzellen transportiert. Lipophile Hormone benötigen dazu Transportproteine. Hormone wirken über spezifische Rezeptoren, die das Hormonsignal an die Zielzelle weiterleiten. Durch die Mechanismen der intrazellulären Signaltransduktion werden die spezifischen Zellantworten ausgelöst. Störungen können auf allen Ebenen des endokrinen Systems auftreten und zu Krankheit führen.Hormone
19.2.1
Prinzipien der endokrinen Regulation
MERKE
Hormone sind Signalüberträger im endokrinen System, chemische Botenstoffe, die von spezialisierten Zellen des Körpers gebildet werden und an definierten Zielzellen Wirkungen entfalten, Adipositas:Leptinindem sie deren Leistungen im Sinne einer bedarfsgerechten Anpassung verändern.
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Endokrine Signalübertragung:endokrineSignalübertragung: Die Hormone:SignalübertragungZielzellen des Hormons liegen von dessen Produktionsort entfernt und werden durch Transport des Hormons über die Blutbahn erreicht.
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Parakrine Signalübertragung:parakrineSignalübertragung: Die Hormone:SignalübertragungZielzellen werden durch Diffusion erreicht, weil sie in unmittelbarer Nachbarschaft des Syntheseorts liegen.
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Autokrine Signalübertragung:autokrineSignalübertragung: Die Hormone:Signalübertragunghormonproduzierende Zelle ist selbst Ziel des von ihr synthetisierten Hormons.
Stoffwechsel von Hormonen
Chemische Natur und Synthese der Hormone
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Hydrophile Hormone können in sekretorischen Hormone:hydrophileVesikeln gespeichert und nach Exozytose in freier Form im Plasma transportiert werden. Sie haben meist eine kurze Halbwertszeit und wirken über membranständige Rezeptoren. Die Zellantworten erfolgen meist rasch.
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Lipophile Hormone können intrazellulär Hormone:lipophilenicht gespeichert werden und müssen im Plasma an Transportproteine gebunden werden. Sie haben eine lange Halbwertszeit und binden in der Regel an intrazelluläre Rezeptoren. Die Zellantworten erfolgen meist langsam.
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C-21-Steroide (Progesteron, Progesteron:SteroidhormoneMineralokortikosteroide und Mineralokortikosteroide:SteroidhormoneGlukokortikosteroide)
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Glukokortikosteroide:SteroidhormoneC-19-Steroide (Androgene)
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C-Androgene:Steroidhormone18-Steroide (Östrogene)
Sekretion der Hormone
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Gonadotropin-Releasing Hormone:rhythmische SekretionGnRH (Gonadotropin-Releasing Hormone):rhythmische SekretionGnRH wird z.B. periodisch etwa alle 90 Minuten vom Hypothalamus sezerniert und erzwingt einen ebensolchen Rhythmus in der Freisetzung von LH. Dieser Rhythmus ist notwendig, um die Gonadenfunktion steuern zu können, und muss auch berücksichtigt werden, wenn im Fall eines Mangels das Hormon substituiert wird.
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Kortisol oder Kortisol:rhythmische SekretionMelatonin weisen Melatonin:rhythmische Sekretioneinen morgendlichen bzw. mitternächtlichen Konzentrationsgipfel auf.
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Einem etwa 28 Tage dauernden Rhythmus folgen die periodischen Änderungen der weiblichen Sexualhormone im Rahmen des Menstruationszyklus.
Transport, Halbwertszeit und Inaktivierung der Hormone
MERKE
Eine Änderung der Konzentration des Transportproteins kann auch eine Änderung der Konzentration an freiem Hormon bewirken.
MERKE
Lipophile Hormone benötigen für ihren Transport im Plasma Transportproteine, welche die biologischen Eigenschaften des Hormons wesentlich mit bestimmen (Halbwertszeit).
Hormonelle Regelkreise
Regelkreisprinzip und negative Rückkoppelung
MERKE
Für einen hormonellen Regelkreis gilt: Regelgröße = Stoffwechselparameter, z.B. Blutzuckerspiegel, Istwert = aktueller Wert der Regelgröße, z.B. aktueller Blutzuckerwert, Sollwert = einzustellender Wert der Regelgröße, z.B. Normwert des Blutzuckerspiegels.
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So kann etwa die Empfindlichkeit einer Hormondrüse gegenüber dem Stoffwechselparameter durch steuernde Einflüsse verändert werden. Beispielsweise hemmt Noradrenalin im Stress die Insulinausschüttung und unterstützt so den Anstieg des Blutzuckerspiegels, während einige gastrointestinale Hormone die Insulinausschüttung fördern.
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Ein Hormon ist zudem meist auch Teil anderer Regelkreise und somit an der Regulation mehrerer Stoffwechselparameter beteiligt. Insulin reguliert z.B. nicht nur den Blutzuckerspiegel, sondern auch die Konzentration an freien Fettsäuren und Aminosäuren (von denen einige wiederum die Ausschüttung von Insulin stimulieren).
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Die Zielzellen eines Hormons stehen meist auch unter der Kontrolle durch andere Hormone. In den Leberzellen wird etwa die Glykogensynthese nicht nur durch Insulin, sondern auch durch Glukagon geregelt.
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Ein Stoffwechselparameter kann auch unabhängig von der Wirkung des betreffenden Hormons reguliert werden. Beispielsweise verbrauchen Nervenzellen Glukose unabhängig von Insulin.
MERKE
Hormonsynthese und Sekretion unterliegen meist der Kontrolle durch negative Rückkoppelung.
Positive Rückkoppelung
Interaktionen der Regelkreise
Hormonrezeptoren und intrazelluläre Signalweiterleitung
Bindung an Hormonrezeptoren
MERKE
Intrazelluläre Signaltransduktion ist die Bezeichnung für die Gesamtheit aller Vorgänge, die das Signal eines Hormons nach dessen Bindung an seinen Rezeptor in der Zelle weiterleiten, modulieren, verstärken oder hemmen.
Klinik
Bindung an HormonrezeptorenIm Zuge von sog. Autoimmunerkrankungen kann es zur Bildung von Antikörpern kommen, die sich gegen Bestandteile eines Hormonrezeptors richten. Solche Autoantikörper können sowohl hemmend als auch stimulierend wirken. Ein Beispiel ist der TSH-Rezeptor der Schilddrüsenzellen. Bilden sich gegen ihn hemmende Antikörper aus, kann TSH nicht wirksam werden und es entwickelt sich eine Schilddrüsenunterfunktion, wie dies beispielsweise bei der Hashimoto-Thyreoiditis der Fall sein kann. Stimulierende Autoantikörper gegen die TSH-Rezeptoren finden sich hingegen beim Morbus Basedow und haben eine Schilddrüsenüberfunktion zur Folge.
Eine Reihe von Pharmaka hat eine große klinische Bedeutung, weil sie entweder als Agonisten oder Antagonisten von Hormonen an deren Rezeptoren binden und in der Behandlung verschiedener Erkrankungen eingesetzt werden können. Beispiele für Hormonantagonisten sind Angiotensin-II-Rezeptorenblocker (z.B. Losartan) oder Aldosteronantagonisten (z.B. Spironolacton) zur Behandlung des Bluthochdrucks. Breiten Einsatz als Hormonagonist findet z.B. Kortison, das bei zahlreichen entzündlichen Erkrankungen eingesetzt wird.
Hormonrezeptortypen
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Membranrezeptoren: Membranrezeptor:HormoneSie Hormonrezeptor:Membranrezeptorfinden sich an der Zelloberfläche und sind Rezeptoren für hydrophile Hormone (Peptid- und Hormone:hydrophileProteinhormone), welche die Zellmembran nicht passieren können.
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Intrazelluläre RezeptorenRezeptor:intrazellulärer: Hormonrezeptor:intrazellulärer RezeptorDie Rezeptoren für lipophile Hormone (Steroidhormone und Schilddrüsenhormone) finden sich hingegen im Intrazellulärraum.
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für die Hormonbindung zuständigen extrazellulären Domäne(n),
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transmembranären Domäne(n) und
•
intrazellulären Domäne(n), welche die intrazelluläre(n) Signaltransduktionskaskade(n) aktivieren.
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G-Protein-gekoppelte Rezeptoren
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enzymgekoppelte Rezeptoren
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ionenkanalgekoppelte Rezeptoren
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Rezeptoren für Transportproteine
G-Protein-gekoppelte Membranrezeptoren
Klinik
Störungen der SignaltransduktionDas Toxin des Choleraerregers Vibrio cholerae (Choleratoxin) führt zu einer permanenten Aktivierung von Gαs und somit zu einer Erhöhung der cAMP-Konzentration. An den Epithelzellen des Darms führt dies durch dauerhafte Aktivierung von Chloridkanälen zu einer massiven Chloridsekretion, die lebensbedrohliche Durchfälle nach sich zieht. Ähnlich führt das Toxin des Keuchhustenerregers Bordetella pertussis (Pertussistoxin) zu einer permanenten Hemmung von Gαi und zu intrazellulärer cAMP-Erhöhung. Selten kann es durch Mutationen von Gαs (Gain-of-Function-Mutation) zur permanenten Aktivierung des G-Proteins kommen, wie z.B. bei der fibrösen Dysplasie (McCune-Albright-Syndrom), einem Syndrom mit mehrfachen endokrinen Erkrankungen und Knochendeformationen.Transduktion:StörungenSignaltransduktion:StörungenG-Protein:PertussistoxinG-Protein:Gain-of-Function-MutationGain-of-Function-Mutation:G-ProteinDysplasie:fibröse
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1,4,5-IP3 setzt Kalzium aus intrazellulären Speichern frei. Diese verfügen über den Kalziumsensor STIM1, der durch die Kalziumentladung aktiviert wird. STIM1 aktiviert daraufhin die ORAI-Untereinheit der sog. CRAC-Kanäle („Ca2+ release-activated Ca2+ channels“), deren CRAC-Kanal (Ca2+ release-activated Ca2+ channels)Öffnung den Kalziumeinstrom in die Zellen stimuliert (Kalzium:Signaltransduktionkapazitativer Kalziumeinstrom). Die Kalziumionen wirken selbst als bedeutsame Second Messenger und lösen eine Vielzahl von zellulären Wirkungen aus, u.a. die Steuerung der Aktivität von Enzymen, Ionenkanälen, Transportproteinen und des Zytoskeletts. Kalzium bindet auch an ein spezielles Bindungsprotein, nämlich Calmodulin. Der Kalzium-Calmodulin:SignaltransduktionCalmodulin-Komplex Kalzium-Calmodulin-Komplex:Signaltransduktionaktiviert seinerseits Calmodulin-abhängige Proteinkinasen (CaM-Kinasen), die durch Serin- und Threoninphosphorylierung wiederum Effektorproteine steuern.
•
DAG, das auch aus DAG (Diacylglycerol), SignaltransduktionPhosphatidylcholin (durch die PLCPC) oder aus Phosphatidsäure (Phospholipase D) gebildet werden kann, aktiviert die Proteinkinase C (PKC). Die PKC Proteinkinase:Ckommt in verschiedenen Isoformen vor, von denen einige zur Entfaltung ihrer Aktivität einen Anstieg des intrazellulären Kalziums benötigen. Sie reguliert durch Phosphorylierung von Serin- und Threoninresten bestimmter Effektorproteine deren biologische Aktivität. Zu den zahlreichen Substraten der PKC gehören u.a. Ionenkanäle, Ionentransporter und Enzyme, welche die Transkription regulieren.
Enzymgekoppelte Membranrezeptoren
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Phosphatidylinositol-3-phosphat (PI(3)P)
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Phosphatidylinositol-(3,4)-bisphosphat (PI(3,4)P2)
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Phosphatidylinositol-(3,5)-bisphosphat (PI(3,5)P2)
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Phosphatidylinositol-(3,4,5)-trisphosphat (PI(3,4,5)P3)
Ionenkanalgekoppelte Membranrezeptoren
Membranrezeptoren für Transportproteine
Intrazelluläre Rezeptoren
Rezeptorregulation
Hormonelle Störungen
Hormonüberfunktion
Hormonmangel
19.2.2
Hypothalamisch-hypophysäres System
Organisation und Architektur
Funktion von Hypothalamus und Hypophyse
Aufbau der Hypophyse
Hormone
•
Abkömmlinge des Proopiomelanokortins (POMC): Sie entstehen in den basophilen kortikotropen Zellen. Wichtigstes Produkt ist ACTH.
•
Glykoproteinhormone: Dies sind TSH und dieTSH (thyreoideastimulierendes Hormon):Hypophysenhormone gonadotropen Hormone (Gonadotropine) FSH und LH. Sie werden Gonadotropine:Hypophysenhormonein den basophilen thyreotropen und gonadotropen Zellen gebildet. Eng verwandt mit LH ist das in der Plazenta gebildete β-HCG. TSH, FSH, LH und β-HCG sind heterodimere Glykoproteine, die alle aus einer einheitlichen α-Untereinheit und einer hormonspezifischen β-Untereinheit aufgebaut sind.
•
Somatomammotrope (laktogene) Hormone:Hormone:somatomammotrope Zu ihnen zählen Prolaktin und das Hormone:laktogeneWachstumshormon (GH). Sie entstehen in den azidophilen laktotropen und somatotropen Zellen. GH ist verwandt mit dem in der Plazenta gebildeten humanen Chorionsomatomammotropin (HCS). Prolaktin, GH und HCS bilden somit eine Hormonfamilie.
•
Corticotropin-Releasing Hormone (CRH), CRH (Corticotropin-Releasing Hormone)das in der Corticotropin-Releasing HormoneHypophyse die Bildung und Freisetzung der POMC-Hormone steuert (insbesondere ACTH),
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Thyrotropin-Releasing Hormone (TRH), TRH (Thyrotropin-Releasing Hormone)das die Thyrotropin-Releasing Hormonethyreotropen Zellen steuert,
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Gonadotropin-Releasing Hormone (GnRH),GnRH (Gonadotropin-Releasing Hormone) das die Gonadotropin-Releasing Hormonegonadotropen Zellen reguliert,
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Growth-Hormone-Releasing Hormone (GHRH) GHRH (Growth-Hormone-Releasing Hormone)und Growth-Hormon-Growth-Hormone-Releasing HormoneRelease-Inhibiting Hormone (GHRIH, GHIH, Somatostatin), die auf die somatotropen Zellen wirken.
Endokrine Achse
MERKE
Eine endokrine Achse ist ein hormoneller Regelkreis, in dem die Konzentration eines bestimmten Hormons innerhalb bestimmter Grenzen gehalten werden soll.
Hormonsteuerung
Funktionstests
•
Stimulationstests werden bei Verdacht auf eine Stimulationstest, HypophyseUnterfunktion der Hormondrüse durchgeführt. Die Stimulation kann durch Gabe von Releasing-Hormonen erreicht werden. Sie bewirken bei intakter Hypophyse einen Anstieg der zugehörigen hypophysären Hormone und bei intakter peripherer Hormondrüse auch einen Anstieg der jeweiligen peripheren Hormone. Auch der Entzug des peripheren Hormons wird durch den Wegfall der Rückkoppelungshemmung zu einem Anstieg des zugehörigen hypophysären Hormons führen (z.B. Metopirontest; Kap. 19.2.6). Die Hormonausschüttung aus der Hypophyse kann auch stimuliert werden, indem man die Stoffwechselparameter verändert, die durch das jeweilige Hormon reguliert werden. Eine starke Erniedrigung des Blutzuckers (Hypoglykämie) bedeutet für den Körper Stress und wird mit der Ausschüttung der Stresshormone GH, Prolaktin, ACTH und Kortisol beantwortet. Diesen Zusammenhang macht man sich beim Insulinhypoglykämietest zunutze. Beim Insulinhypoglykämietest:Adenohypophysekombinierten Releasing-Hormon-Test werden zugleich GHRH, TRH, GnRH und CRH verabreicht. Die Plasmakonzentrationen von GH, Prolaktin, TSH, LH, FSH, ACTH und Kortisol werden vor und zu definierten Zeitpunkten nach Verabreichung des Hormon-„Cocktails“ gemessen. Sind die Regelkreise intakt, steigt die Konzentration dieser Hormone an. Ist die Hypophysenfunktion gestört, sind die Hormonsekretionsmuster dagegen in typischer Weise verändert.
•
Suppressionstests werden bei Verdacht auf eine Suppressionstest, HypophyseÜberfunktion der Hormondrüse durchgeführt. Dies kann durch Gabe von peripherem Hormon (oder einem Analogon; z.B. Dexamethason-Suppressionstest; Kap. 19.2.6) oder von Inhibiting-Hormon erreicht werden.
MERKE
Stimulationstests werden bei Verdacht auf eine Drüsenunterfunktion, Suppressionstests bei Verdacht auf eine Überfunktion durchgeführt.
Rückmeldungen an den Hypothalamus
Klinik
Mangel und Überproduktion von HypophysenhormonenKommt es durch Schädigung der Hypophyse (z.B. Tumoren, Durchblutungsstörungen, Entzündungen, Stoffwechselerkrankungen, Verletzungen, genetischer Defekt) zum Hormonausfall (Panhypopituitarismus), wird dies als Hypophysenvorderlappeninsuffizienz (HVL-Insuffizienz) bezeichnet. Das klinische Bild bei Ausfall aller HVL-Hormone ist vielfältig. Im Einzelnen ist es durch das Ausmaß des Ausfalls an peripheren Hormonen und durch den Zeitpunkt der Entstehung zu erklären:Riesenwuchs:HypophysenadenomPubertas praecoxMorbus:CushingHypothyreose:HypophysenvorderlappeninsuffizienzHypoprolaktinämie, HypophysenvorderlappeninsuffizienzHypophysenvorderlappeninsuffizienzHypophyse:SchädigungenHypogonadismus, HypophysenvorderlappeninsuffizienzHyperprolaktinämie:HypophysenvorderlappeninsuffizienzAdenom:HypophyseDiabetes:insipidusAkromegalie:HypophysenadenomGalaktorrhö:HypophysenadenomHyperthyreose:TSH-Überproduktion
•
sekundäre Hypothyreose (TSH-Mangel; ungenügende Bildung der Schilddrüsenhormone)
•
sekundäre Nebennierenrindeninsuffizienz (ACTH-Mangel; ungenügende Kortisolbildung)
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sekundärer Hypogonadismus (GnRH-Mangel; ungenügende Bildung an Sexualhormonen)
•
Hypo- oder Hyperprolaktinämie (die Bildung von Prolaktin kann entweder vermindert oder durch das Ausbleiben der hypothalamischen Hemmung gesteigert sein)
Entsteht die HVL-Insuffizienz im Erwachsenenalter, kommt es bei Frauen zu einem Mangel an Östrogenen und einer Amenorrhö, bei Männern verursacht der Androgenmangel Libidoverlust und Potenzstörungen. Die Sekundärbehaarung verschwindet. Besteht die HVL-Insuffizienz schon im Kindesalter, führt das Fehlen von GH zu Zwergwuchs. Ein Ausfall von hypophysären Hormonen kann auch isoliert auftreten.
Eine Überproduktion von hypophysären Hormonen kann das Ergebnis eines Tumors oder autonomen hormonproduzierenden Adenoms der Hypophyse sein. Letzteres entsteht meist durch Mutationen in den hormonbildenden Zellen, gelegentlich jedoch auch durch eine über lange Zeit bestehende Stimulation der hypophysären Zellen durch das entsprechende Releasing-Hormon. Klinische Auswirkungen sind:
•
Morbus Cushing (durch die vermehrte Sekretion von ACTH)
•
Pubertas praecox (vorzeitige Pubertät; durch eine Überproduktion von Gonadotropinen in der Kindheit)
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Riesenwuchs oder Akromegalie (durch die Überproduktion von GH in der Kindheit bzw. im Erwachsenenalter)
•
Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion; durch TSH-Überproduktion)
•
Milchfluss (Galaktorrhö) und Sexualfunktionsstörungen, bei Frauen Amenorrhö (durch die vermehrte Sekretion von Prolaktin)
Bei Ausfall der Neurohypophyse kommt es durch Wegfall der ADH-Wirkung zu massiver Harnflut (Diabetes insipidus).
19.2.3
Hormone der Adenohypophyse
Wachstumshormon (GH) und Insulin-Like Growth Factor-1 (IGF-1)
Charakteristika von GH und IGF-1
MERKE
GH wirkt an seinen Zielzellen teils direkt, teils vermittelt es seine Wirkung über IGF-1, dessen Synthese es stimuliert.
Regulation der Sekretion
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GHRH ist ein hypothalamisches PeptidGHRH (Growth-Hormone-Releasing Hormone):GH-Sekretion, das es in 2 Varianten (40 und 44 Aminosäuren) gibt. Es führt in den somatotropen Zellen zur cAMP-Bildung und Aktivierung des Pit-1-Gens.
•
Ghrelin (endogenes GH-Pit-1-GenSekretagog, GHS) ist ein Peptid aus 28 Ghrelin:GH-SekretionAminosäuren und wird im Hypothalamus (aber auch im Magen, dem Pankreas und in den Nieren) gebildet. Es Hypothalamus:Ghrelinwirkt synergistisch mit GHRH und fördert auch dessen Freisetzung, während es die von Somatostatin hemmt. Ghrelin wirkt über eigene Rezeptoren und stimuliert die Phospholipase C.
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Hypoglykämie (Hunger) ist einer der stärksten Stimulatoren der GH-Hypoglykämie:GH-SekretionAusschüttung. Fördernd wirken außerdem niedrige Spiegel an freien Fettsäuren (Fasten) und erhöhte KonzentrationenFettsäuren:freie an Aminosäuren (postprandial).
•
Außerdem stimulieren akuter Stress, körperliche Belastung, Schmerz, Sexualsteroide (Pubertät), Dopamin, Stimulation von α2-Rezeptoren, Acetylcholin, β-Endorphin, Galanin und Serotonin die GH-Sekretion.
•
Somatostatin ist Somatostatin:GH-Hemmungein Peptid mit 14 Aminosäuren und hemmt die Sekretion, nicht jedoch die Synthese von GH. Es wird auch in den δ-Zellen des Pankreas gebildet. Eine lange Variante von Somatostatin (28 Aminosäuren) wird im Gastrointestinaltrakt gebildet. Beide Varianten binden an den gleichen Rezeptor und hemmen die cAMP-Bildung. Es hemmt auch die TSH- und die Prolaktinsekretion.
•
Die Freisetzung von GH unterliegt negativer Rückkoppelung. Durch Rückkoppelung:negativeautokrine Wirkung hemmt GH die eigene Sekretion. IGF-1 hemmt im Hypothalamus GHRH und stimuliert Somatostatin. In der Hypophyse hemmt es die Bildung von GH.
•
Hyperglykämie, eine Erhöhung der freien Fettsäuren und niedrige Hyperglykämie:GH-HemmungPlasmakonzentrationen an Aminosäuren (insbesondere Arginin) hemmen die GH-Sekretion.
•
Hemmend wirken außerdem Kälte, chronischer Stress, Adipositas, Progesteron, Mangel an Schilddrüsenhormonen, Mangel oder Überschuss an Kortisol und Stimulation von β2-Rezeptoren.
MERKE
Synthese und Sekretion von GH werden durch GHRH und Ghrelin gefördert, die GH-Sekretion wird durch Somatostatin gehemmt. Durch das Zusammenspiel von GHRH und Somatostatin wird GH episodisch ausgeschüttet.
Klinik
Beeinflussung der GH-SekretionDie GH-Sekretion kann durch Hypoglykämie (Insulinhypoglykämietest), durch Gabe von Arginin oder GHRH provoziert und durch Hyperglykämie (oraler Glukosetoleranztest mit GH-Bestimmung) gehemmt werden.
Wirkungen
MERKE
GH ist ein Stresshormon, Growth HormoneStresshormon. Es wirkt zum Teil über IGF-1. GH/IGF-1 wirkt hyperglykämisch und lipolytisch (insulinantagonistische Wirkung) sowie anabol (insulinsynergistische Wirkung). GH/IGF-1 ist für das normale Knochenwachstum unverzichtbar.
Klinik
GH-MangelUrsachen können ein absoluter Mangel des Hormons, Defekte der GH-Rezeptoren, mangelnde IGF-1-Bildung oder Defekte der IGF-1-Rezeptoren sein. Der GH-Mangel kann durch hypothalamische Störungen, gestörte GHRH-Sekretion, einen GHRH-Rezeptordefekt sowie durch fehlende hypophysäre Bildung oder Sekretion bedingt sein. Entscheidend für das klinische Bild ist in jedem Fall das Fehlen der IGF-1-Wirkung. Beim Kind resultiert ein hypophysärer (proportionierter) Zwergwuchs. Ein Defekt der GH-Rezeptoren führt zum Bild des Laron-Zwerges (dysproportionierter Zwergwuchs), ein Ausbleiben der vermehrten IGF-1-Produktion in der Pubertät ist Ursache für den Zwergwuchs der Pygmäen. Ein isolierter Mangel an GH im Erwachsenenalter führt zu metabolischen Störungen (Somatopause).
GH-ÜberschussHäufigste Ursache ist ein GH-produzierendes Adenom der Hypophyse. Tritt der Hormonüberschuss vor Abschluss der Epiphysenfugen auf, führt er zum akromegalen Riesenwuchs (Gigantismus). Ist das Längenwachstum bereits abgeschlossen, entwickelt sich das klinische Bild der Akromegalie, das durch das Dickenwachstum von Knochen und die übermäßig stimulierte Proliferation von Bindegewebe und anderen Geweben zustande kommt. Bei den Betroffenen sind die Akren unproportional vergrößert, d.h., das Kinn ist prominent, Nase, Supraorbitalregion und Ohren sind vergrößert und Hände und Füße verbreitert. Zudem ist die Haut meist verdickt, und die Patienten schwitzen exzessiv. Im Bereich der Handgelenke ist der Karpaltunnel häufig eingeengt, sodass der N. medianus komprimiert wird (Karpaltunnelsyndrom mit Gefühlsstörungen und Schmerzen der Hände). Das Wachstum der inneren Organe führt zu Organomegalie (Vergrößerung von Zunge, Herz und anderen Organen). Meist besteht ein Bluthochdruck. Die Stoffwechselwirkungen bewirken Hyperglykämie und können zu Diabetes mellitus führen. Durch die hohen GH-Spiegel kann es zur Erregung der Prolaktinrezeptoren kommen. Dies führt zu Milchausfluss (Galaktorrhö) und beim Mann zu Brustwachstum (Gynäkomastie). Außerdem wird dadurch die Gonadenfunktion unterdrückt, was wiederum – trotz vermehrten Knochenwachstums – zur Ursache für eine herabgesetzte Knochendichte (Osteoporose) wird.Zwergwuchs:WachstumshormonAdenom:HypophyseNervus:medianusDiabetes:mellitus
Prolaktin
Struktur und Synthese
Regulation der Sekretion
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Als Prolaktin-Inhibiting-Hormon (PIH) wirkt Dopamin. Es hemmt sowohl Synthese als Prolaktin-Inhibiting-Hormon\bauch Freisetzung des Hormons. Dopamin:ProlaktinsekretionProlaktin stimuliert seinerseits die Prolaktin:negative RückkoppelungdopaminergenRückkoppelung:negative Neurone des Hypothalamus und hemmt somit die eigene Freisetzung. Der in Summe hemmende hypothalamische Einfluss erklärt, warum bei Schädigungen des Hypothalamus oder des Hypophysenstiels der Prolaktinspiegel erhöht ist und nicht wie der anderer hypophysärer Hormone sinkt.
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Hemmend wirken außerdem Somatostatin, Endothelin-1, Kalzitonin und TGF-β.
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Während der Stillzeit wird die Prolaktinsekretion durch erhöhte Plasmaosmolarität unterdrückt. Stillzeit, ProlaktinsekretionDurch diesen Mechanismus soll die Entstehung einer hypertonen Dehydratation während der Stillperiode Dehydratation:hypertoneverhindert werden. Die Bildung und die Abgabe der natriumarmen Milch bergen die Gefahr eines Flüssigkeitsverlusts bei gleichzeitigem Ansteigen der Osmolarität im Plasma. Allerdings steuern ADH und Angiotensin II dieser Gefahr entgegen.
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Als Prolactin Releasing Hormone wirkt vermutlich ein hypothalamisches PRL-freisetzendes Peptid (ProlactinProlactin Releasing Hormone Releasing Peptide; PrRP).
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VIP, TRH, Oxytozin, Angiotensin II, Serotonin, Prolactin Releasing PeptideAdrenalin und Endorphine wirken ebenfalls sekretionsfördernd.
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Östrogene können das Dopaminsystem unterdrücken und wirken dadurch als Förderer derÖstrogene:Prolaktinsekretion Prolaktinsekretion.
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Während der Schwangerschaft sind Prolaktinbildung und ausschüttung gesteigert. Der wichtigste physiologische Stimulus für die Prolaktinsekretion während der Laktationsphase ist die taktile Stimulation der Brustwarze der stillenden Mutter durch den trinkenden Säugling. Die Höhe der Prolaktinausschüttung hängt in entscheidendem Maße von der Häufigkeit des Stillens ab.
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Histamin kann über H1-Rezeptoren die Prolaktinausschüttung Histamin:Prolaktinsekretionstimulieren, über H2-Rezeptoren hingegen hemmen.
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Ein weiterer wichtiger Stimulus für die Prolaktinausschüttung ist Stress.
Wirkungen
Klinik
ProlaktinüberschussUrsachen sind hormonproduzierende Adenome der Adenohypophyse (Prolaktinom), Schädigungen des Hypophysenstiels oder des Hypothalamus (Wegfall der dopaminergen Hemmung) oder übermäßige TRH-Stimulation (bei Unterfunktion der Schilddrüse), Stress und Medikamente (Dopaminantagonisten, Neuroleptika, Antidepressiva, Histaminantagonisten). Auch Östrogene (orale Kontrazeptiva, „Pille“) stimulieren die Prolaktinausschüttung. Die Folgen der Hyperprolaktinämie sind Milchfluss (Galaktorrhö) und Störungen der Sexualfunktionen. Beim Mann kommt es zu Libidoverlust und Impotenz, bei Frauen zu Störungen des Menstruationszyklus. Ursache hierfür ist, dass erhöhte Prolaktinspiegel die GnRH-Sekretion hemmen und somit die Freisetzung von FSH und LH aus der Hypophyse unterdrücken. Dopaminagonisten (z.B. Bromocriptin) hemmen die Prolaktinsekretion und werden zur Therapie der Hyperprolaktinämie sowie zur Beendigung der Laktation (Abstillen) verwendet.
ProlaktinmangelUrsache ist eine Schädigung oder Zerstörung der hormonproduzierenden Zellen oder eine übermäßige Unterdrückung der Hormonsekretion. Eine Hypoprolaktinämie bleibt klinisch meist ohne Folgen. Während der Laktationsphase kann ein Prolaktinmangel allerdings zur Stillunfähigkeit führen. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass Stress zwar ein Stimulus für die Prolaktinausschüttung ist, diese während der Stillzeit jedoch unterdrückt.
19.2.4
Hormone der Neurohypophyse
Antidiuretisches Hormon (ADH, Adiuretin, Arginin-Vasopressin)
Struktur und Synthese
Regulation der Sekretion
MERKE
Die wichtigsten Stimuli für die ADH-Sekretion sind eine Zunahme der Plasmaosmolarität und eine Abnahme des Plasmavolumens. Bei gleichzeitigem Volumenverlust und Hypoosmolarität überwiegt die Wirkung des Volumenmangels.
Wirkungen
MERKE
ADH vermittelt in der Niere seine Wirkungen durch Bindung an V2-Rezeptoren und führt zu vermehrter cAMP-Bildung. Es fördert in den Sammelrohren der Niere die Resorption und reduziert die Ausscheidung von Wasser (AntidiureseAntidiurese).
Klinik
ADH-Mangel, Diabetes insipidusUrsache kann entweder eine herabgesetzte Bildung bzw. Freisetzung sein (zentraler Diabetes insipidus, z.B. als Folge von Unfall, Operation, Tumor, Entzündungen, selten auch von Mutationen im Gen für Prä-Propressophysin) oder ein fehlendes Ansprechen der Sammelrohre auf das Hormon (renaler bzw. nephrogener Diabetes insipidus). Letzteres kann durch Mutationen der V2-Rezeptoren oder Aquaporin-2-Kanäle bedingt sein. Schädigungen der Nierentubuli durch Entzündung (Nephritis), Hyperkalzämie und einige Medikamente (Lithium) können ebenfalls die Wirkung von ADH unterdrücken.
Bei Diabetes insipidus scheiden die Nieren große Volumina (bis zu 20 und mehr Liter/d) an hypotonem (< 300 mosmol/kg) Harn aus (Polyurie). Der Flüssigkeitsverlust muss durch Trinken kompensiert werden. Die Patienten haben dementsprechend starken Durst (Polydipsie). Unterbleibt die Flüssigkeitszufuhr, führt dies zur hypertonen Dehydratation. Der zentrale Diabetes insipidus kann durch Gabe von ADH behandelt werden.
ADH-Überproduktion (Syndrom der inappropriaten Sekretion von ADH, SIADH)Bei einer Reihe von Erkrankungen kann der ADH-Spiegel für die vorherrschende Plasmaosmolarität zu hoch sein. Mögliche Ursachen sind ADH-produzierende Tumoren (z.B. kleinzelliges Bronchialkarzinom), aber auch Erkrankungen von Lunge und ZNS, Hypothyreose oder Medikamente. Durch den ADH-Überschuss wird zu wenig Wasser ausgeschieden. Die drohende Hypervolämie wird kompensiert, wenn die anderen volumenregulierenden Mechanismen (Renin-Angiotensin-Aldosteron-System und natriuretische Peptide) intakt sind. Es entwickelt sich jedoch ein Natriummangel, der eine Hypoosmolarität nach sich zieht, da zur Ausscheidung von Wasser die Natriumausscheidung gesteigert wird. Vor allem aber führt die Hypoosmolarität zur Zellschwellung, was insbesondere die Gefahr eines Hirnödems in sich birgt.
Oxytozin
Struktur und Synthese
Regulation der Sekretion
Wirkungen
Klinik
OxytozinwirkungKlinisch wird Oxytozin zur Auslösung und Verstärkung der Wehen in der Geburtshilfe verwendet.
19.2.5
Hormone der Schilddrüse
Funktionelle Architektur der Schilddrüse
Klinik
Thyreoglobulin als TumormarkerUnter physiologischen Bedingungen gelangen nur Spuren von TG ins Blut. Bei Tumoren der Schilddrüse kann sich dieser Anteil jedoch beträchtlich erhöhen, sodass der Nachweis von TG klinisch als Tumormarker verwendet wird.
Thyroxin (T4) und Trijodthyronin (T3)
Synthese und Struktur
MERKE
Zur Synthese der Schilddrüsenhormone ist die Zufuhr von Jod:BedarfJod mit der Nahrung erforderlich, wobei der tägliche Bedarf etwa 150–200 μg beträgt.
Klinik
Hemmung der JodaufnahmeDer Na+/J–-Symporter kann auch andere Anionen, wie Perchlorat (ClO4), Pertechnat (TcO4–), Nitrat (NO3–) oder Thiocyanat (SCN–), binden oder transportieren. Diese Anionen hemmen kompetitiv die Aufnahme von Jodid. Entsprechend kann ihre übermäßige Aufnahme (Nitrat im Trinkwasser, Thiocyanat im Kohl) mit der Nahrung zu einer Unterfunktion der Schilddrüse führen. Der Na+/J–-Symporter wird durch Lithiumionen gehemmt (Unterfunktion der Schilddrüse bei einer Therapie mit Lithium).
Verminderung der HormonsyntheseDie Bildung der Schilddrüsenhormone kann gezielt durch Medikamente gebremst werden (Thyreostatika): Perchlorat, Pertechnat und Thiocyanat hemmen die Aufnahme von Jodid in die Thyreozyten, und Thioamide hemmen die Peroxidase. Ein Überangebot an Jod wirkt sich hemmend auf die Synthese und Freisetzung der Schilddrüsenhormone aus: Jodaufnahme, Organifikation, Endozytose von jodiniertem Threoglobulin, die Wirkung von TSH und die Durchblutung des Schilddrüsengewebes werden unterdrückt. Diese hemmende Wirkung hoher Dosen von Jodid wird therapeutisch eingesetzt. Die prophylaktische Verabreichung von hohen Dosen nicht radioaktiven Jods soll im Fall eines nuklearen Unglücks die Aufnahme und Speicherung von radioaktivem Jod in der Schilddrüse unterbinden.
JodakkumulationDie Fähigkeit der Schilddrüse, Jod und andere Anionen zu konzentrieren, ist Grundlage wichtiger diagnostischer und therapeutischer Anwendungen bei Schilddrüsenerkrankungen. Nach Verabreichung von radioaktivem 123J, 131J oder 99mTcO4– akkumuliert dieses in der Schilddrüse und kann mithilfe einer Szintillationskamera erfasst werden (Abb. 19.30). Dadurch können der Verlauf und das Ausmaß der Jodaufnahme, Größe und Form der Schilddrüse sowie das Verteilungsmuster der gespeicherten Aktivität gemessen und dargestellt werden:
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Eine Region, in der die Aktivität des gespeicherten radioaktiven Jods größer ist als im umgebenden Schilddrüsengewebe, wird als warmer Knoten bezeichnet.
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Ein heißer Knoten speichert intensiv das Radioisotop, während das umliegende Gewebe kaum Aktivität aufweist (Abb. 19.30c).
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Als kalter Knoten wird hingegen eine Region fehlender Aktivitätsanreicherung bezeichnet (Abb. 19.30b).
Heiße und warme Knoten können Regionen intensiver, krankhaft gesteigerter Hormonproduktion sein. Ein kalter Knoten hingegen kann Ausdruck fehlenden Schilddrüsengewebes (Zyste) oder eines malignen Tumors sein. Die Methode gestattet es auch, mit 123J ektopes, außerhalb der Schilddrüse gelegenes Schilddrüsengewebe (z.B. am Zungengrund, Tumormetastasen) aufzufinden.
Die Zerstörung des Schilddrüsengewebes durch das Radioisotop 131J wird als Alternative zur operativen Entfernung des Organs bei malignen Tumoren oder zur Verkleinerung von großen Knoten bei Struma eingesetzt.
Regulation der Synthese und Sekretion
Klinik
Beurteilung der SchilddrüsenfunktionDie Bestimmung der Konzentrationen von (freiem) T3 und T4 sowie von TSH vor und nach Stimulation durch TRH (TRH-Test) ist eine wichtige diagnostische Grundlage zur Beurteilung der Schilddrüsenfunktion.
AutonomieIn jedem normalen Schilddrüsengewebe gibt es autonome Bereiche, die von den Mechanismen dieses Rückkoppelungsmechanismus unabhängig sind. Diese Areale nehmen bei Menschen, die in Jodmangelgebieten leben, oft zu. Eine plötzliche Jodzufuhr kann dann eine Überproduktion der Schilddrüsenhormone auslösen (z.B. jodhaltige Röntgenkontrastmittel).
Wirkungen
Klinik
KretinismusEin Mangel an Schilddrüsenhormonen während der Fetalzeit und in den ersten Lebensjahren bedingt eine irreversible schwere geistige und körperliche Retardierung, die bei voller Ausprägung als Kretinismus in Idiotie, unproportioniertem Zwergwuchs und Taubheit ihren Ausdruck findet. Die Screeninguntersuchung aller Neugeborenen auf Hypothyreose ist heute gesetzlich vorgeschrieben.
MERKE
Die Schilddrüsenhormone wirken auf alle Zellen im Körper und sind für die normale körperliche und geistige Entwicklung unverzichtbar. Sie steigern Grundumsatz, Wärmeproduktion und O2-Verbrauch und haben vielfältige Wirkungen auf Stoffwechsel und Organfunktionen.
Klinik
StrumaEine Vergrößerung der Schilddrüse (Struma) entsteht meist durch übermäßige Stimulation von TSH-Rezeptoren und tritt vor allem in Jodmangelgebieten auf: Durch den stets drohenden Mangel an Schilddrüsenhormonen werden vermehrt TRH und TSH gebildet, was das Wachstum der Schilddrüse auslöst. Auch Autoantikörper, welche die TSH-Rezeptoren stimulieren, oder ein Tumor der Schilddrüse können eine Struma verursachen. Eine Struma kann sowohl mit normalen (euthyreoten), erniedrigten (hypothyreoten) oder erhöhten (hyperthyreoten) Hormonspiegeln einhergehen.
Mangel an Schilddrüsenhormonen, HypothyreoseUrsachen können ein Mangel an TRH und/oder TSH, hemmende TSH-Rezeptor-Autoantikörper, eine Loss-of-Function-Mutation des TSH-Rezeptors, eine gestörte Synthese von T3 und T4 (genetisch, toxisch, Medikamente), eine ungenügende Konversion von T4 zu T3 oder eine Resistenz der Zielzellen sein. Häufigste Ursache ist der alimentäre Mangel an Jod oder eine Entzündung der Schilddrüse. Schließlich kann Schilddrüsengewebe nach Operation oder Radiojodtherapie fehlen. Klinisch sind folgende Symptome möglich:
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Der Mangel an Schilddrüsenhormonen setzt den Grundumsatz herab, sodass die Patienten sowohl an Gewicht zunehmen, obwohl sie weniger Appetit haben, als auch weniger Wärme produzieren, sodass eine Hypothermie entsteht. Die Haut ist kühl, trocken und blass, es besteht eine Kälteintoleranz.
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Der O2-Bedarf ist reduziert, die Atemfrequenz verlangsamt, wodurch sich Hypoxie und Hyperkapnie entwickeln können. Durch verminderte Erythropoetinproduktion kann eine Anämie entstehen.
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Die Herzfrequenz ist verlangsamt und das Schlagvolumen vermindert, was ein Absinken des Herzminutenvolumens und arteriellen Blutdrucks (arterielle Hypotonie) nach sich zieht.
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Die veränderte Stoffwechsellage führt zu Hypoglykämie und Hypercholesterinämie (als Folge kann sich eine Arteriosklerose entwickeln).
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Die verminderte Umwandlung von β-Carotin in Retinal kann Nachtblindheit bewirken.
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Der verminderte Umsatz von Bindegewebsgrundsubstanzen führt zur Einlagerung von Glukosaminoglykanen im Interstitium, was der Haut eine teigige, ödemähnliche Beschaffenheit verleiht (Myxödem). Als Folge herabgesetzten renalen Blutflusses, eingeschränkter GFR und tubulären Transports kommt es auch zu NaCl-Retention und Bildung von echten Ödemen, zu Aszites sowie zu Pleura- und Perikardergüssen.
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Die HCl-Sekretion des Magens ist vermindert, die Darmperistaltik ist verlangsamt und bedingt Verstopfung (Obstipation).
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Die Muskulatur ist steif, schmerzhaft und neigt zu ungewollten Zuckungen (Myoklonien).
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Am Nervensystem entwickelt sich schließlich Hyporeflexie, Müdigkeit, Antriebslosigkeit, die intellektuellen Leistungen sind reduziert, es kommt zu psychiatrischen Störungen (Depression, paranoide Störungen), Störungen der Kleinhirnfunktion (Ataxie), Taubheit und Störungen des Bewusstseins bis hin zum Koma.
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Wird im Zuge der Hypothyreose durch die negative Rückkoppelung mehr TRH gebildet, kann es außerdem zu einer gesteigerten Freisetzung von Prolaktin (Hyperprolaktinämie) und dadurch zu einem Gonadotropinmangel kommen (Störungen der Sexualfunktionen).
Besonders schwere Folgen hat ein angeborener und frühkindlicher Mangel an Schilddrüsenhormonen (Kretinismus, s.o.).
Überschuss an Schilddrüsenhormonen, HyperthyreoseSie kann Folge einer vermehrten Stimulation der Schilddrüse (gesteigerte Ausschüttung oder ektope Produktion von TSH, Stimulation der TSH-Rezeptoren durch stimulierende Autoantikörper bei Morbus Basedow, Gain-of-Function-Mutation im TSH-Rezeptor), einer autonomen Hormonproduktion (autonomes Adenom, Tumor) oder einer übermäßigen medikamentösen Zufuhr der Hormone sein. Klinische Folgen können sein:
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Der Grundumsatz ist gesteigert, die Patienten verlieren an Gewicht, obwohl der Appetit gesteigert ist. Gleichzeitig wird mehr Wärme produziert, und es entsteht eine Hyperthermie.
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Durch die Förderung der Sympathikuswirkung erhöhen sich Herzfrequenz und Schlagvolumen. Dadurch steigen sowohl das Herzminutenvolumen als auch der systolische Blutdruck. Da der periphere Widerstand zugleich vermindert ist, ist der diastolische Blutdruck erniedrigt. Für das Herz ist es besonders belastend, das hohe Herzminutenvolumen aufrechtzuerhalten, und ein Herzversagen („high output failure“) ist möglich. Störungen der Erregungsbildung und ausbreitung können zusätzlich Extrasystolen und Vorhofflimmern bedingen.
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Die Veränderungen des Stoffwechsels führen zu einer Erhöhung der freien Fettsäuren, Hypocholesterinämie und einer gestörten Glukosetoleranz (Hyperglykämien und Diabetes mellitus). Die gesteigerte Proteolyse bedingt Muskelschwäche sowie Verlust an Bindegewebe und Knochensubstanz. Der gesteigerte Knochenabbau führt zu Osteoporose, Hyperkalzämie und Hyperkalzurie. In der Niere sind zudem GFR und RBF gesteigert.
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Die neuromuskuläre Erregbarkeit ist gesteigert. Die vermehrte Darmperistaltik führt zu Durchfall (Diarrhö). Die Muskulatur ist schwach und leicht ermüdbar. Die Schwäche der Atemmuskulatur bewirkt eine Abnahme der Vitalkapazität.
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Am Nervensystem resultieren Hyperreflexie, Zittern, Nervosität, emotionale Labilität und Schlaflosigkeit.
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Ein mit dem Morbus Basedow häufig assoziiertes Krankheitsbild ist das der endokrinen Orbitopathie. Dabei nimmt das Volumen des retrobulbären Gewebes und der Tränendrüsen zu, weil mehr Glukosaminoglykane entstehen und dadurch mehr Wasser eingelagert wird. Außerdem ist das Gewebe entzündet. Klinisch äußert sich dies in einem Hervortreten der Bulbi (Exophthalmus), Doppelbildern, Lichtempfindlichkeit und Tränenfluss.
19.2.6
Hormone der Nebennierenrinde
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Glukokortikosteroide: Sie sind wichtige Hormone:NebennierenrindeStresshormone, deren Aufgabe in der Mobilisierung von Energiereserven (z.B. Glukose) bei körperlicher oder psychischer Glukokortikosteroide:NebennierenrindenhormoneBelastung besteht. Wichtigster Vertreter ist Kortisol.
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Mineralokortikosteroide: Sie regulieren den Salz- und Wasserhaushalt. Wichtigster Vertreter ist Aldosteron.
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Androgene (Androstendion und Dehydroepiandrosteron, DHEA):Mineralokortikosteroide:Nebennierenrindenhormone Sie sind Vorstufen männlicher Sexualhormone. Die NNR ist deren wichtigste Quelle bei der Frau.
Funktionelle Architektur der Nebennierenrinde
MERKE
In der Zona glomerulosa werden Mineralokortikosteroide gebildet, in der Zona fasciculata Glukokortikosteroide und in der Zona reticularis Androgene.
Struktur und Synthese
Glukokortikosteroide
Regulation der Kortisolsynthese und sekretion
Klinik
Kortisol-TagesperiodikEs ist wichtig, dieses Tagesprofil bei der Bestimmung von Kortisolspiegeln und bei einer Kortisol-Substitutionstherapie zu beachten. Der Verlust der Kortisol-Tagesperiodik ist ein frühes Zeichen beim Morbus Cushing (s.u.).
Folgende Faktoren beeinflussen die Freisetzung von CRH (Abb. 19.32):
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Sie ist insbesondere vermehrt als Antwort auf physische oder psychische Belastungen (Stress), die eine Mobilisierung von Energiereserven erfordern: Angst, Wut, Depression, Schmerz, Hypoxie, Hyperkapnie, Blutdruckabfall, Schock, Infektionen, Hitze, Kälte und Fieber und vor allem Hypoglykämie. Auch Alkohol führt zur CRH-Freisetzung.
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Sie wird durch Glukokortikosteroide unterdrückt.
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ACTH
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das lipolytisch wirksame β-Lipotropin (β-LPH), das weiter in Prä-Proopiomelanokortinγ-LPH und β-Endorphin gespalten wird
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die melanozytenstimulierenden Hormone γ-MSH, β-MSH und α-MSH (α-MSH wird hauptsächlich in den Keratinozyten der Haut nach Stimulation mit UV-Licht gebildet)
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Corticotropin-Like-Intermediate-Lobe-Peptid (CLIP), das die Insulinsekretion stimuliert
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Met-Enkephalin
Klinik
ACTH-AnalogaSynthetische Analoga des Hormons sind auf die 23 N-terminalen Aminosäuren von ACTH beschränkt und dennoch biologisch voll wirksam.
RezeptormutationMutationen im Rezeptor können zu fehlender Wirkung von ACTH an den Zielzellen und zu einer Insuffizienz der NNR führen.
MC-1-Rezeptor-BindungDa die ersten 13 Aminosäuren von ACTH identisch mit α-MSH sind, kann ACTH bei hohen Spiegeln auch an die Rezeptoren für α-MSH (MC1-R) binden und zu verstärkter Hautpigmentierung führen. Dies erklärt die charakteristische braune Haut- und Schleimhautfärbung bei Erkrankungen mit hoher ACTH-Produktion (Morbus Addison, ACTH-produzierende Tumoren).
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Mittel- und langfristige genomische Wirkungen entfaltet Kortisol, indem es die Kortisol:Rückkoppelunghypothalamische CRH-Expression und die POMC- und CRH-1-Rezeptor-Expression inWirkung:genomische der Hypophyse hemmt und die Bildung von CRH-Binding-Protein (CRH-BP) fördert.
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Eine schnelle nichtgenomische Wirkung hat Kortisol durch das Protein Annexin 1.
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Kortisol hemmt außerdem das von Monozyten Wirkung:nichtgenomischegebildete Interleukin-1β.
MERKE
Die endokrine AchseAchse:endokrine CRH-ACTH-Kortisol unterliegt einer negativen Rückkoppelung. Niedrige Kortisolspiegel steigern und hohe Kortisolspiegel hemmen die ACTH-Sekretion.
Klinik
Tests der endokrinen AchseDie endokrine Achse CRH-ACTH-Kortisol kann mit den folgenden Tests geprüft werden:
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CRH-Test: Wird CRH gegeben, führt eine intakte Rückkoppelung zum Anstieg von ACTH und Kortisol. Bei bestimmten Formen des Hyperkortisolismus fällt der Anstieg exzessiv aus oder er bleibt aus.
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ACTH-Stimulationstest: Nach Gabe von ACTH (oder einem synthetischen Analogon) steigt die Plasmakortisolkonzentration, wenn die NNR normal reagiert. Fehlt dieser Anstieg oder ist er vermindert, weist dies auf eine NNR-Insuffizienz hin.
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Metopirontest: Durch Metopiron wird die 11-β-Hydroxylase und somit die Kortisolsynthese gehemmt (4 in Abb. 19.31). Bei intakter endokriner Achse fördert dies die ACTH-Sekretion. ACTH stimuliert die NNR und führt zur Akkumulierung von 11-Desoxykortisol. Ein ungenügender Anstieg der 11-Desoxykortisol-Konzentration nach Metopirongabe weist somit auf einen Defekt der hypophysären ACTH-Sekretion oder der Steroidbiosynthese hin.
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Dexamethason-Suppressionstest: Dexamethason ist ein stark wirksames synthetisches Glukokortikoid, das die ACTH-Ausschüttung stark unterdrückt. Bei intakter endokriner Achse fällt der Plasmakortisolspiegel also nach Dexamethasongabe. Dies ist nicht oder nur unzureichend der Fall, wenn ACTH nicht von der Hypophyse, sondern von einem Tumor gebildet wird.
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Insulinhypoglykämietest: Durch Verabreichung von Insulin wird eine Hypoglykämie hervorgerufen. Dies ist ein beträchtlicher Stress für den Organismus und wird mit der Ausschüttung von ACTH und Kortisol beantwortet.
Transport und Ausscheidung von Kortisol
Klinik
Entzündungshemmung durch KortisolKortikosteroid-Bindungsglobulin kann durch das Enzym Elastase aus neutrophilen Granulozyten gespalten werden. Dadurch wird im granulozytenreichen entzündeten Gewebe Kortisol sehr effektiv aus seiner Bindung freigesetzt. Es kann so eine zu heftige Entwicklung einer Entzündungsreaktion bremsen.
Kortisolwirkungen
MERKE
Glukokortikosteroide heben den Blutzuckerspiegel. Länger dauernde Erhöhung der Glukokortikosteroidspiegel führen zur Hyperglykämie und diabetischen Stoffwechsellage.
MERKE
Kortisol unterdrückt sowohl die zelluläre als auch die humorale Immunantwort. Es hat daher stark immunsuppressive und über die Hemmung der Prostaglandinsynthese auch stark entzündungshemmende Wirkung.
Klinik
Glukokortikoide als MedikamenteSynthetische Glukokortikosteroide (Glukokortikoide) sind wichtige Medikamente, um Entzündungen zu bekämpfen, die Abstoßung transplantierter Gewebe zu verhindern und überschießende Immunreaktionen zu unterdrücken (z.B. Allergien oder Autoimmunerkrankungen).
Klinik
Wirkung von LakritzeKortisol bindet mit gleicher Affinität an den Mineralokortikosteroidrezeptor wie Aldosteron. Weil die Konzentration an zirkulierendem Kortisol etwa 100-mal höher ist als die des Aldosterons, müsste es also eigentlich eine starke mineralokortikosteroide Wirkung haben. Dies wird aber normalerweise dadurch verhindert, dass Kortisol in der Niere rasch durch die 11-β-Hydroxysteroid-Dehydrogenase in das inaktive Kortison umgewandelt wird. Wird dieses Enzym seinerseits durch den übermäßigen Genuss von Lakritze gehemmt, bindet Kortisol an den Mineralokortikosteroidrezeptor und kann langfristig über die mineralokortikosteroide Wirkung zu Bluthochdruck führen.
Hyperkortisolismus, Cushing-Syndrom
Klinik
Cushing-SyndromDie Symptome des Cushing-Syndroms erklären sich durch die verschiedenen Kortisolwirkungen und ergeben insgesamt ein typisches Erscheinungsbild:
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Die Stoffwechselwirkungen bedingen Hyperglykämie und Diabetes mellitus (Steroiddiabetes), zentrale Fettdeposition mit Stammfettsucht, „Stiernacken“ und „Vollmondgesicht“ sowie Atrophie und Schwäche der Extremitätenmuskulatur.
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Ausdruck der Kortisolwirkungen auf die Haut und das Bindegewebe sind livid-rote Striae distensae an Bauch, Oberschenkeln und Achseln. Typisch sind ferner Hautblutungen (Gefäßschwäche) und eine rote Farbe des Gesichts aufgrund von Blutfülle (Plethora). Die Wundheilung ist verzögert.
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Die Herz-Kreislauf-Wirkungen führen zu Bluthochdruck und Herzinsuffizienz.
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Die Wirkungen auf den Knochen und Kalziumhaushalt führen zu Knochenschwäche (Osteoporose). Bei Kindern verlangsamt sich das Knochenwachstum.
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Im Magen können sich Geschwüre entwickeln (Ulcera ventriculi).
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Die immunsupprimierende Wirkung gibt Anlass zu häufigen Infektionen. Das Blutbild ist verändert (Granulozytose, Thrombozytose, Vermehrung von Erythrozyten, Lymphopenie, Eosinopenie).
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Ist die ACTH-Produktion gesteigert, werden auch vermehrt Androgene gebildet. Sie führen zu Akne, bei der Frau zu Bartwuchs (Hirsutismus), Menstruationsstörungen (Amenorrhö) und Infertilität.
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Da sich bei hoher Konzentration von Kortisol auch dessen mineralokortikosteroide Wirkung entfaltet (s.u.), können sich Beinödeme, Hypokaliämie und Alkalose entwickeln.
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Häufig bestehen psychische Veränderungen, Depression, Müdigkeit, Leistungsabfall und Schlafstörungen.
Hypokortisolismus
Klinik
HypokortisolismusDas klinische Bild lässt sich bei der primären NNR-Insuffizienz durch die ausbleibende Wirkung aller adrenalen Steroide und durch die hohen Spiegel an ACTH erklären:
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Die fehlende Glukokortikosteroidwirkung erklärt Hypoglykämien, Müdigkeit, Schwäche, Übelkeit, Erbrechen und Körpergewichtsverlust. Die Zahl der Erythrozyten ist vermindert (Anämie).
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Der Mangel an Mineralokortikosteroiden bewirkt Natriumverlust und Kaliumretention (Hypovolämie, niedriger Blutdruck, Schwindel, Kollaps). Die Hyperkaliämie bedingt eine metabolische Azidose. Ein abrupter Ausfall der NNR-Funktion führt zur lebensbedrohlichen sog. Addison-Krise.
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Da ACTH die Melanozyten stimulieren kann, kommt es zur Hyperpigmentation der Haut und Mundschleimhaut.
Ist die NNR-Insuffizienz Folge einer verminderten Stimulation durch ACTH (sekundäre NNR-Insuffizienz), erscheint die Haut eher blass und ein Aldosteronmangel ist nicht nachweisbar, da dessen Bildung ja weitgehend ACTH-unabhängig ist.
Beim 21-β-Hydroxylase-Mangel sind wie bei der primären NNR-Insuffizienz zu wenig Kortisol und Aldosteron vorhanden. Zusätzlich werden aber mehr adrenale Androgene gebildet. Dies führt bei Mädchen und Frauen zu einer Vermännlichung (Pseudohermaphroditismus, Virilisierung), Knaben treten vorzeitig in die Pubertät ein (Pseudopubertas praecox), und bei Männern bedingt der Überschuss an Androgenen eine Hodenatrophie. In jedem Fall kann der Mangel an Mineralokortikosteroiden zum bedrohlichen Salzverlust führen.
Beim 11-β-Hydroxylase-Mangel kommt es zusätzlich zu vermehrter Bildung des stark mineralokortikosteroid wirksamen Hormons 11-Desoxycorticosteron, es entwickeln sich zusätzlich Bluthochdruck, Hypokaliämie und metabolische Alkalose.
Mineralokortikosteroide
Regulation der Aldosteronsynthese und sekretion
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stimulierend: Adrenalin und Noradrenalin, ADH, MSH, β-Endorphin und Serotonin
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hemmend: ANP, Dopamin und Somatostatin
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Erniedrigter Perfusionsdruck in den Nierengefäßen: Sinkt das zirkulierende Blutvolumen, werden auch der Renin:Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systemzentralvenöse Druck, die Ventrikelfüllung und das Schlagvolumen reduziert. Folglich sind auch Herzminutenvolumen und Blutdruck erniedrigt, und die Nieren werden Renin:Freisetzungweniger stark durchblutet. Die Verminderung des zirkulierenden Blutvolumens aktiviert den Sympathikus, der zwar durch Vasokonstriktion und seine Wirkungen am Herzen den systemischen Blutdruck und das Herzminutenvolumen wieder zu heben vermag, jedoch die Nierendurchblutung weiter einschränkt. Dies wird durch die niereneigenen Sensoren registriert und führt zur Reninfreisetzung.
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Erniedrigtes luminales NaCl-Angebot an der Macula densa: Dieses wird wesentlich von der GFR mitbestimmt und ist somit eine Funktion der Nierendurchblutung.
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NaCl-Mangel (z.B. diätetische Kochsalzrestriktion): Er führt zur Abnahme des Blutvolumens und ist ebenfalls Stimulus für die Reninausschüttung.
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β1-adrenerge Rezeptoren: Die Aktivierung dieser Rezeptoren stimuliert die Reninfreisetzung direkt.
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ANP: Bei erniedrigtem Füllungsdruck der Vorhöfe wird weniger ANP freigesetzt. Diese Verminderung stimuliert wiederum die Freisetzung von Renin.
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AT-II: Ist der AT-II-Spiegel vermindert, stimuliert dies die Reninfreisetzung. Das dann wieder erhöhte AT-II hemmt die weitere Reninfreisetzung im Sinne einer negativen Rückkoppelung.
•
Lokale Faktoren: Prostaglandin E2 und I2 (Prostazyklin), NO, Adrenomedullin, Endothelin, Platelet Activating Factor und Calcitonin Gene Related Peptide.
MERKE
Eine Abnahme der NierendurchblutungDurchblutung:NiereNiere:Durchblutung ist wichtigster Stimulus für die Reninausschüttung.
Klinik
Plasmaspiegel von AldosteronDie Abhängigkeit des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems vom Volumenstatus des Kreislaufsystems erklärt, warum die Plasmaspiegel von Aldosteron von der Körperlage abhängig sind: Niedrigere Spiegel herrschen im Liegen, höhere in aufrechter Position vor.
MERKE
Die Reninfreisetzung wird durch eine Abnahme der Nierendurchblutung, erniedrigtes NaCl-Angebot an der Macula densa, Katecholamine (β1-Rezeptoren), erniedrigte AT-II-Spiegel und erniedrigte ANP-Spiegel und lokale Faktoren stimuliert.
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Im Gehirn werden über AT1-Aldosteron:PlasmaspiegelRezeptoren die klassischen Angiotensinwirkungen vermittelt (Steigerung des Blutdrucks, Auslösen von Durst und Salzhunger, Renin-Angiotensin-Aldosteron-System:lokal wirksamesFreisetzung von ADH). Neben AT-II wirken hier jedoch noch weitere Peptide, die durch SpaltungGehirn:Angiotensin von Angiotensin gebildet werden. AT-II wird im Gehirn in Angiotensin II:GehirnAT-III und AT-IV gespalten. Alternative Spaltprodukte sind AT-II(1–7) und AT-II(2–7). Diese Peptide können nicht nur im Gehirn, sondern auch im Plasma und in verschiedenen Organen wie Niere, NNR, Ovar und Uterus nachgewiesen werden. Sie wirken über spezifische AT-II-Typ-2(AT2)- und Typ-4(AT4)-Rezeptoren. Da im Gehirn AT-II rasch zu AT-III umgewandelt wird, geht man heute davon aus, dass letzteres die biologischen Wirkungen vermittelt. AT2-Rezeptoren scheinen an der Steuerung des Gefäßwachstums und der Durchblutung beteiligt zu sein. AT4-Rezeptoren vermitteln neueren Erkenntnissen zufolge wichtige Funktionen für Lernen und Angiotensin IIIGedächtnis, Neuriten- und Gefäßwachstum und Durchblutungsregulation.
•
Auch Herz, Pankreas und Fettgewebe verfügen über ein eigenes Renin-Angiotensin-Aldosteron-System und sind zur lokalen Synthese von AT-II befähigt. InLernen:Angiotensin Myokardzellen und Gefäßen wird sogar lokal Aldosteron gebildet. BeideGedächtnis:Angiotensin Hormone spielen wahrscheinlich eine Rolle für das Wachstum und die Apoptose von Herzmuskelzellen und sind an der Entwicklung von Herzhypertrophie und dem Gewebeumbau nach Herzinfarkt oder bei Herzinsuffizienz (Cardiac Remodeling) beteiligt.
Klinik
MedikamenteDie Bildung von AT-II kann durch Hemmstoffe des Angiotensin-Converting-Enzyms (ACE-Hemmer, z.B. Enalapril, Captopril) unterdrückt werden. Durch spezifische Blocker von AT1-Rezeptoren (z.B. Losartan) kann man die peripheren Wirkungen von AT-II hemmen. Die Wirkung von Aldosteron (s.u.) kann man durch Aldosteronantagonisten (z.B. Spironolacton) hemmen. Diese Substanzen sind wichtige Medikamente zur Therapie von bestimmten Erkrankungen, die mit einer überschießenden Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems einhergehen.
Aldosteronwirkungen
MERKE
Aldosteron bewirkt, dass mehr Na+-Ionen resorbiert und gleichzeitig mehr K+-, Mg2+- und H+-Ionen sezerniert werden. Die wichtigsten Zielgewebe für Aldosteron sind der distale Tubulussystem:AldosteronwirkungenTubulus und die kortikalen Sammelrohr:AldosteronwirkungenSammelrohre der Niere.
Hyperaldosteronismus
Klinik
HyperaldosteronismusDas klinische Bild des Hyperaldosteronismus ist gekennzeichnet durch Bluthochdruck (Hypervolämie infolge der Na+-Retention), Hypokaliämie (infolge der vermehrten K+-Ausscheidung) und metabolische Alkalose (infolge der Hypokaliämie). Die Na+-Konzentration im Plasma muss aufgrund des Aldosteron-Escapes nicht zwangsläufig erhöht sein. Der Bluthochdruck wird in den Fällen fehlen, in denen die Hypovolämie Auslöser des Hyperaldosteronismus ist, z.B. bei Herzinsuffizienz. Bei einer Verengung der Aorta oberhalb des Abgangs der Aa. renales (Aortenstenose) wird sich eine arterielle Hypertonie nur in der oberen Körperhälfte entwickeln, während in der unteren Körperhälfte normale oder erniedrigte Blutdruckwerte messbar sind.
Hypokaliämie und metabolische Alkalose bedingen ein vielfältiges klinisches Bild, das vor allem durch Störungen der neuromuskulären Erregbarkeit gekennzeichnet ist.
Hypoaldosteronismus
Klinik
HypoaldosteronismusDas klinische Bild ist geprägt durch Hyperkaliämie (infolge verminderter Sekretion im distalen Tubulus), metabolische Azidose (infolge der Hyperkaliämie) und arterielle Hypotonie (Folge der Hypovolämie), bei gleichzeitigem Kortisolmangel auch durch verminderte Bildung von Adrenalin und geringere Ansprechbarkeit der Blutgefäße auf Katecholamine und AT-II.
19.2.7
Natriuretische Peptide
•
ANP wird durch Dehnung der Herzvorhöfe bei Hypervolämie ausgeschüttet. Seine Hauptwirkung besteht in der Förderung der renalen Natriumausscheidung.
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BNP wird hauptsächlich in den Ventrikeln des Herzens und im Gehirn gebildet. Es wirkt ähnlich wie ANP.
•
CNP ist ein Neurotransmitter im ZNS. ANP (atriales natriuretisches Peptid)Es wird auch von Endothelzellen gebildet und wirkt als parakriner Faktor.
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DNP BNP (brain-type natriuretisches Peptid)ist im Myokard und Plasma nachweisbarVentrikel:natriuretische Peptide. Seine physiologische Rolle ist noch weitgehend unklar.
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Urodilatin wird in der Niere aus proANP gebildetC-Typ-natriuretisches Peptid und wirkt parakrin an den luminalen Tubulusmembranen. Seine Wirkungen DNP (Dendroaspis natriuretisches Peptid)entsprechen denen des ANP.
Struktur und Synthese
Wirkungen von ANP und BNP
Klinik
ANP und BNP bei HerzinsuffizienzBei Herzinsuffizienz ist das Herzminutenvolumen herabgesetzt, was den Sympathikus aktiviert. Die dadurch verursachte renale Vasokonstriktion führt über das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System letztlich zur Hypervolämie. Dadurch wird mehr ANP und BNP ausgeschüttet, die der Hypervolämie entgegensteuern. Erhöhte Spiegel an ANP und BNP, des Vorläuferhormons pro-BNP bzw. des N-teminalen Endes des BNP Vorläufers (NT-pro-BNP) sind sehr sensitive Indikatoren und Prognosemarker einer Herzinsuffizienz.
Adrenomedullin (AM)
Struktur und Synthese
Wirkungen
19.2.8
Hormone der Bauchspeicheldrüse und Blutzuckerregulation
Architektur der Langerhans-Insel
MERKE
α-Zellen sezernieren Glukagon, β-Zellen Insulin, δ-Zellen Somatostatin und PP-Zellen pankreatisches Polypeptid.
Insulin
Struktur und Synthese
Regulation der Insulinsekretion
•
Innerhalb von 10 Minuten kommt es zu Glukose:InsulinsekretionFettsäuren:freieeinem schnellen, Aminosäuren:Insulinsekretionaber vorübergehenden Anstieg der Hormonausschüttung. Dabei werden vorgefertigte und schnell verfügbare insulinhaltige Granula in den β-Zellen entleert.
•
Der zweite, langsamere Anstieg der Hormonausschüttung hält länger an; dabei wird Insulin de novo synthetisiert.
•
Bleibt die Blutzuckerkonzentration anhaltend erhöht, nimmt die Insulinfreisetzung nach etwa 3–4 Stunden allmählich ab (Desensibilisierungsphase).
MERKE
Der wichtigste Stimulus für die bedarfsgerechte Steuerung der Insulinsekretion ist ein Anstieg der Blutglukosekonzentration.
Klinik
SulfonylharnstoffeDie Untereinheiten der Kaliumkanäle können auch Sulfonylharnstoffe binden und tragen deshalb die Bezeichnung SUR (Sulfonyl-Urea-Rezeptor). Sulfonylharnstoffe erzwingen ebenso wie ATP das Schließen der Kaliumkanäle und lösen damit eine Insulinsekretion aus. Aufgrund dieser Eigenschaft sind Sulfonylharnstoffe wichtige Pharmaka in der Behandlung des Diabetes mellitus. Das Protein α-Endosulfin ist möglicherweise ein endogener Ligand für das SUR-Protein.
Die Insulinsekretion wird sowohl durch das autonome Nervensystem als auch durch eine Reihe von humoralen Faktoren kontrolliert und moduliert. Sie kann sowohl verstärkt als auch abgeschwächt werden. Die verstärkenden Faktoren führen nicht von sich aus zu einer Insulinfreisetzung, sondern entfalten ihre stimulierende Wirkung indirekt über eine Sensibilisierung der β-Zellen für den Einfluss von Glukose. Sie sind nur bei normalen oder erhöhten Glukosespiegeln wirksam.
•
Unter Ruhebedingungen wirkt der Sympathikus über β2-Rezeptoren (Adrenalin) stimulierend.
•
Bei Nahrungsaufnahme verstärken der Parasympathikus (über den N. vagus und Acetylcholin, M3-Rezeptoren) und eine Reihe gastrointestinaler Hormone (Inkretine) die Insulinsekretion.
Zu den Inkretinen zählen Gastrin, CCK, GIP, GLP-1, VIP und Sekretin. Ihrem Effekt ist zuzuschreiben, dass bei oraler Zufuhr von Kohlenhydraten die Insulinantwort bereits einsetzt, bevor die Nahrungsbestandteile enteral resorbiert sind, was dann auch erklärt, warum die Insulinantwort bei enteraler Glukoseaufnahme deutlich stärker ausfällt als bei vergleichbarer intravenöser Glukosezufuhr. Der wirksamste dieser potenzierenden Faktoren ist GLP-1, das in den L-Zellen des Dünndarms als Antwort auf ein luminales Glukoseangebot gebildet wird. Außerdem stimulieren GH und Glukagon sowie das in einigen POMC-Zellen gebildete Hormon CLIP die Insulinausschüttung. Schließlich wirkt Insulin autokrin auf die β-Zellen. Fehlen diesen die Insulinrezeptoren, ist die schnelle Insulinfreisetzung auf akute Glukosebelastung gestört.
Eine Hemmung der Insulinsekretion bewirken Leptin, der Sympathikus über α2-Rezeptoren (Noradrenalin, Stress) und den Kotransmitter Galanin sowie das in den benachbarten δ-Zellen gebildete Somatostatin. Freie Fettsäuren können kurzfristig die Insulinsekretion stimulieren, hohe Spiegel an freien Fettsäuren und Tumornekrosefaktor α (TNFα) sowie hohe Kortisolspiegel hingegen hemmen die β-Zell-Funktion.
Transport und Abbau von Insulin
Insulinwirkungen
MERKE
Durch die Wirkung des Insulins sinken die Plasmakonzentrationen von Glukose, freien Fettsäuren und der meisten Aminosäuren ab.
•
Die Aktivierung des Na+/K+/2Cl–-Kotransporters und des Na+/H+-Ionenaustauschers führt zur Zellschwellung und somit zu vermehrter Hydratation des Gewebes. In der Leber und wahrscheinlich auch am Muskel und in anderen GewebenNa+/K+-ATPase:Insulin ist dies ein anaboles Signal, indem es die Proteolyse und Glykogenolyse hemmt.
•
Die Aktivierung des Na+/H+-Ionenaustauschers führt auch zur intrazellulären Alkalose, welche u.a. über eine Aktivierung der entsprechenden Schlüsselenzyme (pH-Optimum im alkalischen Bereich) die Glykolyse stimuliert. Die vermehrte Na+-Aufnahme in die Zellen wird durch die Aktivierung der Na+/K+-ATPase beantwortet, was wiederum eine verstärkte Aufnahme von K+ in die Zellen zur Folge hat.
Klinik
Insulin und KaliumEine wichtige klinische Konsequenz daraus ist, dass die Gabe von Insulin zwangsläufig mit einer Verschiebung von K+ aus dem Extra- in den Intrazellulärraum verbunden ist. Das akute Absinken der K+-Konzentration im Plasma kann schwerwiegende klinische Folgen haben.
Diabetes mellitus (DM)
•
Typ-1-Diabetes-mellitus (Typ-1-DM; ca. 5% der Betroffenen): Durch Zerstörung der β-Zellen des Inselorgans wird zu wenig Insulin sezerniert (absoluter Insulinmangel). Der Typ-1-DM (frühere Bezeichnungen: juveniler DM; Insulin-Dependent-Diabetes-MellitusInsulinmangel, IDDM) tritt in den meisten Fällen vorTyp-1-Diabetes-mellitus dem 35. Lebensjahr auf. Für seine Behandlung ist der Ersatz des Hormons unerlässlich. Für die Zerstörung der β-Zellen sind <03B2>-Zelle:Typ-1-Diabetes-mellitusautoimmunologische Prozesse verantwortlich.
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Typ-2-Diabetes-mellitus (Typ-2-DM; ca. 90% der Betroffenen): Durch eine Insulinresistenz der Zielzellen kann das Hormon seine Wirkungen nicht oder nur teilweise entfalten (relativer Insulinmangel). Der Typ-2-DM (frühere Bezeichnungen: Altersdiabetes; Non-Insulin-Dependent-Diabetes-Mellitus, NIDDM) tritt in den meisten Fällen nach dem 35. Lebensjahr auf. Dieser Typ-2-Diabetes-mellitusForm liegt eine Resistenz der peripheren Gewebe für Insulin bei gleichzeitiger inadäquater Sekretion des Hormons zugrunde.
•
Freie Fettsäuren modulieren auch an den β-Zellen die Insulinsekretion und binden an nukleäre Rezeptoren, die als Peroxisome-Proliferator-Activated-Rezeptor (PPAR) bezeichnet werden. PPAR heterodimerisieren mit dem Retinoid-X-Rezeptor (RXR) und steuern die Transkription bestimmter Gene, die im Lipidstoffwechsel wichtige Rollen spielen. PPAR-α stimuliert Metabolismus und Aufnahme von PPAR (Peroxisome-Proliferator-Activated-Rezeptor)freien Peroxisome-Proliferator-Activated-RezeptorFettsäuren in Leber und Darm, PPAR-γ verbessert die Insulinsensitivität im Fettgewebe und im Muskel. RXR (Retinoid-X-Rezeptor)Wahrscheinlich ist RXR-PPAR-γ ein physiologischer Regulator der InsulinsensitivitätRetinoid-X-Rezeptor. Bestimmte als Insulinsensitizer bezeichnete Medikamente (Thiazolidinedione) sind ebenfalls in der Lage, PPAR-γ zu aktivieren. Sie senken dadurch sowohl die Plasmainsulin- als auch die Glukosespiegel und sind zwar sehr effektive Medikamente für die Behandlung der Insulinresistenz, kommen jedoch aufgrund von Nebenwirkungen nur sehr zurückhaltend zum Einsatz.
•
Schließlich Insulinsensitizersetzen die Adipozyten ihrerseits eine Reihe von humoralen Faktoren frei (Adipokine), welche die Insulinsensitivität direkt oder indirekt beeinflussen. Bedeutung kommt vor allem Leptin und Adiponektin sowie TNFα und Resistin zu. Dem Adiponektinmangel bei Adipositas kommt dabei eine besondere Adipozyten:InsulinresistenzBedeutung zu. Auch Zytokine wie Interleukin-1 und bei AdipokineInfektionen (Sepsis) gebildete Lipopolysaccharide (Endotoxine) sind lipolytisch wirksam und induzieren Leptin:InsulinresistenzInsulinresistenz (Kap. 19.2.10).
•
Das in der Leber gebildete α2-Glykoprotein Adiponektin:InsulinresistenzFetuin ist wahrscheinlich ein natürlicher Insulinrezeptorantagonist. Es ist mit dem Body-Mass-Index positiv korreliert und trägt vermutlich zur Insulinresistenz bei Adipositas bei.
Klinik
Diabetes mellitusDer Diabetes mellitus wirkt sich auf den gesamten Stoffwechsel und viele Organe aus:
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Wasserhaushalt: Wird die Schwelle für die renale Rückresorption von Glukose überschritten (180 mg/dl), kommt es zur Glukosurie, welche eine osmotische Diurese nach sich zieht. Harnflut (Polyurie), Dehydratation (Hypovolämie und Exsikkose) und Elektrolytverluste sind die Folge. Mit steigendem Blutzuckerspiegel steigt auch die extrazelluläre Osmolarität an. Exsikkose und Hyperosmolarität lösen Durstgefühl aus und zwingen zu häufigem Trinken (Polydipsie).
•
Ketoazidose: Die gesteigerte Lipolyse und Proteolyse bewirken Gewichtsverlust, der durch die Exsikkose noch verstärkt wird. Des Weiteren ziehen sie die Erhöhung der freien Fettsäuren und eine metabolische Azidose nach sich. Diese wird vor allem aber durch die Bildung der Ketonkörper hervorgerufen (Ketoazidose). Der Abbau der Säuren zu Aceton verleiht den Patienten einen typischen Geruch. Durch respiratorische Kompensation kommt es zu typischer Hyperventilation (Kußmaul-Atmung).
•
Elektrolytstörungen: Elektrolytstörungen resultieren aus der verminderten zellulären K+-, Mg2+- und Phosphataufnahme, der osmotischen Diurese (distal tubuläre K+-Sekretion), der Hypovolämie (Aldosteronausschüttung) und der metabolischen Azidose (zelluläres K+ wird gegen H+ ausgetauscht). Eine Hypokaliämie wird dabei durch den zellulären K+-Ausstrom maskiert. Insulintherapie führt zu einer raschen Wiederaufnahme des Kaliums in die Zellen und kann so in lebensbedrohlicher Hypokaliämie resultieren.
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Nerven- und Muskelsystem: Die Hyperosmolarität führt zu Zellschrumpfung, welche gemeinsam mit Elektrolytstörungen, Exsikkose, Azidose und dem Mangel an zellulärer Glukose und Glykogen sowie mit Proteinverlust die Funktion der Muskel- und Nervenzellen beeinträchtigt. Es resultieren Muskelkrämpfe, Muskelschwäche, Adynamie und Müdigkeit, insbesondere aber auch Verwirrtheit und Bewusstseinsstörungen bis zum diabetischen Koma. Bei absolutem Insulinmangel (Typ-1-DM) beherrscht die ausgeprägte Ketoazidose das klinische Bild (ketoazidotisches Koma), während bei relativem Insulinmangel (Typ-2-DM) die Hyperosmolarität vorherrscht (hyperosmolares Koma).
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Mikroangiopathie: Lange bestehender DM führt zu chronischen Komplikationen. Durch das hohe Glukoseangebot kommt es zu einer verstärkten Glykosylierung von Proteinen. Es entstehen sog. Advanced-Glycosylation-Endproducts (AGE), deren Funktion gestört ist und die zu strukturellen Änderungen (insbesondere von Kollagen) führen, Makrophagen aktivieren und Proliferation von Zellen auslösen können. Daraus resultieren pathologische Veränderungen der kleinen Gefäße, v.a. durch Verdickung der Basalmembranen (Mikroangiopathie). Besonders betroffen sind die Gefäße der Netzhaut, der Nierenglomeruli und der peripheren Nerven:
–
Durch Gewebehypoxie und unkontrollierte Neubildung von Gefäßen und Bindegewebe entwickelt sich die diabetische Retinopathie, die zur Erblindung führen kann.
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Die Glomeruli der Niere sklerosieren (Glomerulosklerose) und werden für Proteine durchlässig (Proteinurie). Die GFR wird eingeschränkt. Dies führt über Jahre zum chronischen Nierenversagen (diabetische Nephropathie) und zu Bluthochdruck, der seinerseits wesentlich zur Verschlechterung der diabetischen Komplikationen beiträgt.
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Die Störung der peripheren Nerven (diabetische Neuropathie) zieht eine breite Palette vegetativer Störungen sowie Sensibilitätsstörungen und vermindertes Schmerzempfinden nach sich. Dies ist auch die Hauptursache für das häufige Entstehen von Geschwüren an mechanisch belasteten Stellen, v.a. den Füßen (diabetisches Fußsyndrom). Diese Ulzerationen heilen kaum, infizieren sich leicht und werden zum Ausgangspunkt schwerer Infektionen (Osteomyelitis, Sepsis).
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In Geweben, die über das Enzym Aldose-Reduktase verfügen (Schwann-Zellen, Neurone, Linse, Glomerulus und Endothelzellen), führt die intrazelluläre Akkumulation von Sorbitol zu osmotischer Zellschwellung und zum Verlust von Myo-Inositol. Dies führt an den Augenlinsen zur Trübung (Katarakt, Myopie) und an den Schwann-Zellen zu weiterer Störung der peripheren Nervenfunktion.
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Hämoglobin A1c: Die verstärkte Proteinglykosylierung betrifft auch Hämoglobin. Von Dauer und Ausmaß der hyperglykämischen Perioden abhängig, entsteht dabei Hämoglobin A1c (HbA1c), dessen Konzentration sehr gut mit der mittleren Blutzuckereinstellung der vergangenen 2–3 Monate korreliert. Es hat deshalb diagnostische Bedeutung.
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Makroangiopathie: Außer den kleinen sind auch die großen Gefäße verändert. Es entwickelt sich eine Arteriosklerose (Makroangiopathie). An ihrer Genese sind die hohen Spiegel an Lipoproteinen (VLDL und LDL) sowie der Bluthochdruck wesentlich beteiligt. Darüber hinaus ist die Gerinnungsbereitschaft des Blutes erhöht, was häufig Ursache für thrombotische Gefäßverschlüsse ist. Die Mehrzahl der Diabetiker verstirbt an den Folgeerscheinungen der Arteriosklerose.
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Immunresistenz: Die Funktion der Granulozyten und Lymphozyten ist vermindert, was zu den häufigen Infektionen der Diabetiker beiträgt. Infektionen verursachen wiederum eine vermehrte Insulinresistenz und führen so häufig dazu, dass die Stoffwechsellage entgleist.
Insulinüberschuss
Klinik
HypoglykämieDie Symptome der Hypoglykämie sind Heißhunger, Übelkeit, Müdigkeit und Schwäche, verbunden mit Unruhe, Schweißausbruch, Tachykardie und Blutdruckanstieg. Es kommt zu Verwirrtheit, Seh- und Sprachstörungen, epileptischen Anfällen, schließlich zu Koma und Tod. Wichtig ist die rasche Gabe von Zucker (oral oder intravenös), nötigenfalls von Glukagon.
Glukagon und Glucagon-Like Peptide-1 (GLP-1)
Struktur und Synthese
Regulation der Sekretion
Glukagonwirkungen
•
Eine kohlenhydratreiche Mahlzeit fördert also nicht nur die Insulinsekretion, sondern unterdrückt auch die Glukagonsekretion, wodurch eine Hyperglykämie vermieden wird.
•
Eine proteinreiche Mahlzeit hingegen führt über den Anstieg der Aminosäurekonzentration im Blut zur Ausschüttung sowohl von Insulin als auch von Glukagon. Würde nur Insulin ausgeschüttet werden, hätte dies eine Hypoglykämie zur Folge, da ja kaum Glukose resorbiert wird, die blutzuckersenkende Wirkung des Insulins sich jedoch voll entfalten würde. Dies wird jedoch über die durch Glukagon vermittelte hepatische Glukoseproduktion verhindert.
Klinik
GlukagonüberschussEin Überschuss an Glukagon kann in seltenen Fällen durch einen Tumor der α-Zellen (Glukagonom) entstehen. Klinisch resultiert durch die gesteigerte hepatische Glukosebildung eine Hyperglykämie, die eine gesteigerte Insulinausschüttung nach sich zieht. Durch den relativen Insulinmangel entsteht das klinische Bild des DM.
GLP-1-Wirkungen
19.2.9
Hormone, die den Kalzium- und Phosphathaushalt regulieren
Kalzium- und Phosphathaushalt
Kalziumhomöostase
MERKE
Die Konzentration an Kalzium im Plasma beträgt 2,2–2,6 mmol/l. Die Konzentration an freiem, ionisiertem Kalzium beträgt 1 mmol/l. Die intrazelluläre freie Kalziumkonzentration im Zytoplasma ist etwa 10.000-mal niedriger (100 nmol/l).
Regulation
•
Parathyrin (Parathormon, PTH)
•
Parathyroid Hormone-Related Peptide (PTHrp)
•
Kalzitriol (Vitamin-D-Hormon, 1,25-Dihydroxycholecalciferol)
•
Kalzitonin
Parathyrin (Parathormon, PTH)
Struktur und Synthese
Regulation der Sekretion
•
Bindet der extrazelluläre Ligand, nämlich Kalzium, an den Kalziumrezeptor, wird einerseits weniger cAMP gebildet, andererseits erhöht sich die intrazelluläre Kalziumkonzentration, weil IP3 gebildet wird und sich Kalziumkanäle in der Zellmembran öffnen. Dies unterdrückt die Exozytose der parathyrinhaltigen sekretorischen Vesikel. In dieser Hinsicht unterscheiden sich die Zellen der Nebenschilddrüsen fundamental von anderen sekretorischen Zellen, die üblicherweise ihren Vesikelinhalt durch Exozytose ausschütten, wenn das intrazelluläre Kalzium ansteigt. Wahrscheinlich wird in den Zellen der Nebenschilddrüsen die Exozytose durch Mg2+-Ionen gesteuert.
•
Die Aktivierung des Kalziumrezeptors führt auch dazu, dass die Zellteilung gehemmt wird. Je mehr Kalzium also an den Kalziumrezeptor bindet, umso stärker wird die Zellteilung gehemmt, und umgekehrt aktiviert eine chronische Hypokalzämie durch Wegfall dieser Hemmung die Zellteilung und führt zu einer Vergrößerung (Hyperplasie) der Nebenschilddrüsen.
Wirkungen
•
in erster Linie osteolytische Prozesse aktiviert werden und somit Kalzium aus dem Knochen mobilisiert wird,
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die Kalziumkonzentration:extrazelluläreKalziumrückresorptionKalziumkonzentration:Parathormon an den dicken, aufsteigenden Teilen der Henle-Schleifen und den distalen Tubuli der Niere gefördert wird,
•
in der Niere die Bildung von Kalzitriol (1,25-Dihydroxycholecalciferol) durch Induktion der renalen 25(OH)D-1α-Hydroxylase gefördert wird (Kalzitriol steigert die enterale und renale Kalziumresorption).
•
Einerseits kann das Löslichkeitsprodukt von [Ca2+]×[Pi] überschritten werden, was zum Ausfällen von Kalziumphosphat im Plasma führen würde. Parathyrin entfaltet jedoch einen starken phosphaturischen Effekt, indem es in den proximalen Tubuli der Niere die Phosphat:ParathormonPhosphatrückresorption hemmt. Dadurch wird ein Überschreiten des Löslichkeitsprodukts und somit ein Ausfällen des Salzes verhindert.
•
Andererseits kann durch die Mobilisierung der alkalischen Phosphat:ResorptionKnochensalze eine metabolische Alkalose entstehen. Dieser Gefahr begegnet Parathyrin jedoch, indem es den Na+/H+-Ionenaustauscher in den luminalen Membranen der proximalen Tubuli hemmt, was eine vermehrte Alkalose:metabolischeBikarbonatausscheidung zur Folge hat.
MERKE
Parathyrin steigert die Konzentration von extrazellulärem Kalzium und senkt die des Phosphats.
Parathyrinüberschuss, Hyperparathyreoidismus
Klinik
HyperparathyreoidismusBeim primären Hyperparathyreoidismus ist die renale Ca2+-Ausscheidung trotz der stimulierten Ca2+-Resorption in der Niere gesteigert, was die Bildung von Nierensteinen (Nephrolithiasis) oder eine Verkalkung des Nierengewebes (Nephrokalzinose) zur Folge haben kann. Durch die vermehrte Mobilisierung der Knochensalze verliert der Knochen an Festigkeit (Osteopenie, Osteoporose, Bildung von Knochenzysten, Frakturen). Schließlich kann die Hyperkalzämie zu Störungen an den erregbaren Zellen führen.
Zu einer vermehrten Sekretion von Parathyrin kommt es auch, wenn es eine chronische Hypokalzämie auszugleichen gilt (sekundärer Hyperparathyreoidismus). Die Hypokalzämie kann dabei durch eine Nierenfunktionsstörung (renale Form) oder als Folge einer verminderten enteralen Kalziumresorption (intestinale Form) begründet sein. Langfristig führt die anhaltende Stimulation der Nebenschilddrüsen zu deren Hyperplasie. Bei eingeschränkter Nierenfunktion (Niereninsuffizienz) kommt es zu einer mangelnden Phosphatausscheidung. Der dadurch erhöhte Plasmaphosphatspiegel bindet Ca2+ und führt somit zu einer Hypokalzämie. Diese wird zusätzlich durch eine verminderte Bildung von Kalzitriol verschärft (Fehlen der renalen 25(OH)D-1α-Hydroxylase). Folge ist letztlich die vermehrte Ausschüttung von Parathyrin. Dessen Wirkung auf die Knochen führt jedoch zwangsläufig zu einem weiteren Ansteigen des Phosphats im Plasma, was wiederum ein Anheben der Kalziumkonzentration unmöglich macht. Es resultieren eine Entmineralisierung der Knochen (renale Osteopathie) und Ausfällungen von CaHPO4 in verschiedenen Geweben. Das klinische Bild ähnelt dem des primären Hyperparathyreoidismus. Die negative Rückkoppelung der Parathyrinsekretion ist beim sekundären Hyperparathyreoidismus erhalten.
Wenn ein sekundärer Hyperparathyreoidismus längere Zeit besteht, verlieren die Zellen der Nebenschilddrüsen die Empfindlichkeit für die hemmenden Signale, d.h., die Parathyrinproduktion verselbstständigt sich und bleibt selbst nach Beseitigung der Hypokalzämie bzw. Hyperphosphatämie noch erhöht (tertiärer Hyperparathyreoidismus). Eine solche Situation kann zur operativen Entfernung der Nebenschilddrüsen zwingen.
Parathyrinmangel, Hypoparathyreoidismus
Klinik
HypoparathyreoidismusKlinisch ist die neuromuskuläre Erregbarkeit gestört. Die Behandlung erfolgt wirkungsvoll durch Gabe von Vitamin D.
Parathyroid Hormone-Related Peptide (PTHrp)
Struktur und Synthese
•
das N-terminale PTHrp1-36 (homolog zu Parathyrin)
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das Peptid der Mittelregion PTHrp38-94 (oder 38-95 oder 38-101)
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das C-terminale PTHrp107-139 (auch Osteostatin genannt, weil es die Osteoklasten hemmt)
Wirkungen
•
In der Plazenta steuert das Peptid der Parathyroid Hormone-Related Peptide:WirkungenMittelregion den aktiven fetomaternalen Kalziumtransport.
•
Über die Milchgangsepithelien der Brustdrüsen Parathyroid Hormone-Related Peptide:Kalziumhaushaltreguliert es den Kalziumgehalt der Milch. Es erfüllt somit eine essenzielle Aufgabe Kalziumhaushalt:Parathyroid Hormone-Related Peptidefür die fetale und postpartale Skelettentwicklung.
•
In der Niere hemmt es wie Parathyrin die Kalziumausscheidung, stimuliert aber im Gegensatz zu diesem nicht die renale 25(OH)D-1α-Hydroxylase-Aktivität. Eine Hyperkalzämie, die durch eine Überproduktion von PTHrp hervorgerufen wird, ist daher nicht wie beim Hyperparathyreoidismus von erhöhten Kalzitriolspiegeln begleitet.
Kalzitriol (Vitamin-D-Hormon, 1,25-Dihydroxycholecalciferol)
Struktur und Synthese
Regulation der Sekretion
Wirkungen
MERKE
Die wichtigste Wirkung von Kalzitriol besteht in der Stimulation der enteralen und renalen Kalzium-, aber auch Phosphat- und Magnesiumresorption. Es hebt den Kalzium- und Phosphatspiegel im Plasma und schafft so indirekt die wichtigste Voraussetzung für die Mineralisierung des Knochens.
Kalzitriolmangel
MERKE
Häufigste Ursache für eine verminderte Kalzitriolbildung ist ein chronisches Nierenversagen.
Klinik
Rachitis, OsteomalazieDer Mangel an Kalzitriol führt zur sog. englischen Krankheit, die im Kindesalter als Rachitis, im Erwachsenenalter als Osteomalazie bezeichnet wird. Die klinischen Befunde sind im Kalzium- und Phosphatmangel begründet und lassen sich als Folge der unzureichenden Knochenmineralisierung erklären. Bei der Rachitis ist zudem die Organisation der Wachstumsfuge gestört. Folgen sind Knochendeformitäten (Caput quadratum, weiche Fontanellen, Glockenthorax, „rachitischer Rosenkranz“ an der Knochen-Knorpel-Grenze der Rippen, betonte Ausbildung eines Kartenherzbeckens, O-Beine). Bei der Rachitis entwickeln sich diese Veränderungen rasch und führen zu Gedeihstörungen und Minderwuchs. Schmerzen und Gehstörungen resultieren. Die Hypokalzämie bewirkt zusätzlich eine Muskelschwäche, bisweilen treten Muskelkrämpfe (Tetanie) auf.
Kalzitriolüberschuss
Kalzitonin
Struktur und Synthese
Regulation der Sekretion
Wirkungen
19.2.10
Hormone des Fettgewebes
Leptin
Synthese und Sekretion
Regulation der Sekretion
Wirkungen
Adiponektin
Synthese und Sekretion
Wirkungen
Klinik
AdipositasBei Adipositas sind die Plasmaleptinspiegel erhöht, aber Leptin kann seine anorektische Wirkung nicht entfalten. Wahrscheinlich besteht eine verminderte Sensibilität gegenüber Leptin im Sinne einer Leptinresistenz. Sehr selten ist fehlende Leptinbildung die Ursache einer Adipositas (Kap. 15.3.1). Die Adiponektinspiegel sind hingegen trotz erföhter Fettmasse erniedrigt. Dies trägt entscheidend zur Insulinresistenz bei Typ-2-DM bei.
ZUSAMMENFASSUNG
Hormone sind chemische Signalmoleküle, welche die Leistungen der Zellen, Organe und Gewebe aufeinander abstimmen und den aktuellen Bedürfnissen des Gesamtorganismus anpassen. Das endokrine System (Abb. 19.38) ist gemeinsam mit dem Nervensystem und dem Immunsystem Teil eines Kommunikations- und Regulationsnetzwerkes.
Organisation des endokrinen Systems
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Klassisches endokrines System: In den klassischen Hormondrüsen (Adenohypophyse, Schilddrüse, Epithelkörperchen, Nebennierenrinde, Nebennierenmark, Bauchspeicheldrüse, Eierstöcke und Hoden) werden glanduläre Hormone gebildet.
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Diffuses endokrines System: In Organen wie Darm, Herz, Lunge, Leber, Nieren, Haut, Fettgewebe und Nervensystem werden aglanduläre Hormone synthetisiert. Es gibt fließende Übergänge zu den Mediatoren, Transmittern, Zytokinen und Wachstumsfaktoren.
Signalübertragung
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endokrine Signalübertragung: Die Zielzellen werden durch Transport über die Blutbahn erreicht.
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parakrine Signalübertragung: Die Zielzellen werden durch Diffusion erreicht.
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autokrine Signalübertragung: Die hormonproduzierende Zelle ist selbst Zielzelle des von ihr synthetisierten Hormons.
Chemische Natur der Hormone
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Protein- und Peptidhormone
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Steroidhormone
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Aminosäureabkömmlinge
Löslichkeit der Hormone
Transportproteine
Regelkreise, negative Rückkoppelung und endokrine Achse
Rezeptoren
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Membranrezeptoren, die in 4 Klassen eingeteilt werden: G-Protein-gekoppelte Rezeptoren, enzymgekoppelte Rezeptoren, ionenkanalgekoppelte Rezeptoren und Rezeptoren für Transportproteine.
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Intrazelluläre Rezeptoren: Sie können im Zytoplasma (zytoplasmatische Typ-1-Rezeptoren) oder im Zellkern (nukleäre Typ-2-Rezeptoren) lokalisiert sein.
Intrazelluläre Signaltransduktion und Second-Messenger-Systeme
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G-Protein-gekoppelte Second-Messenger-Systeme; dazu gehören
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Adenylatcyclase – cAMP – Proteinkinase A (PKA)
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IP3 – Ca2+ – DAG und Proteinkinase C (PKC)
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Lipidabbauprodukte und Eicosanoide
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enzymgekoppelte Rezeptorsysteme; dazu gehören
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Rezeptor-Tyrosinkinasen und die mitogenaktivierte Proteinkinasenkaskade (MAPK-Kaskade)
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der Phosphatidylinositol-3-Kinase(PI-3-K)-Signaltransduktionsweg
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Tyrosinkinase-gekoppelte Rezeptorsysteme
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Serin-Threonin-Kinase-Rezeptorsysteme
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Guanylatcyclase-gekoppelte Rezeptoren, cGMP, Proteinkinase G (PKG) und Stickstoffmonoxid (NO)
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ionenkanalgekoppelte Rezeptoren, die selbst Bestandteil eines Ionenkanals sind und dessen Öffnung direkt steuern
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Rezeptoren für Transportproteine, die selbst keine Signalweiterleitungsfunktion ausüben, jedoch die endozytotische Aufnahme des an den Rezeptor gebundenen Hormons vermitteln
Hypothalamisch-hypophysäres System
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Neurohypophyse mit dem Hypophysenhinterlappen (HHL) und der
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Adenohypophyse mit dem Hypophysenvorderlappen (HVL).
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ADH und Oxytozin, die durch axonalen Transport in den HHL gelangen und dort in das Blut freigesetzt werden,
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Releasing- und Inhibiting-Hormone: Sie steuern die Bildung und Freisetzung der Hormone des Hypophysenvorderlappens und gelangen über das Blut durch ein hypophysäres Portalgefäßsystem in den HVL. Es sind dies
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Corticotropin-Releasing Hormone (CRH), das ACTH steuert
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Thyrotropin-Releasing Hormone (TRH), das TSH steuert
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Gonadotropin-Releasing Hormone (GnRH), das FSH und LH steuert
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Growth-Hormone-Releasing Hormone (GHRH) und Growth-Hormone-Release-Inhibiting Hormone (GHRIH, GHIH, Somatostatin), die GH steuern
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Dopamin, PrRP und VIP, die als Prolactin Inhibiting Hormone (PIH) und als Prolactin Releasing Hormone wirken
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glandotrope Hormone, die die Funktion peripherer Hormondrüsen regulieren: ACTH, TSH, FSH und LH,
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nichtglandotrope Hormone, die direkt auf die peripheren Zielzellen einwirken: GH, Prolaktin und MSH.
Hormone der Neurohypophyse
Hormone der Adenohypophyse
Hormone der Schilddrüse
Hormone der Nebennierenrinden (NNR)
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in der Zona fasciculata: Glukokortikosteroide; wichtigster Vertreter ist Kortisol
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in der Zona glomerulosa: Mineralokortikosteroide; wichtigster Vertreter ist Aldosteron
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in der Zona reticularis: Androgene
Natriuretische Peptide
Hormone der Bauchspeicheldrüse
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in den α-Zellen: Glukagon
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in den β-Zellen: Insulin
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in den δ-Zellen Somatostatin
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in den PP-Zellen (F-Zellen) pankreatisches Polypeptid
Hormone, die den Kalzium- und Phosphathaushalt regulieren
Hormone des Fettgewebes
Hormonelle Störungen
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Überproduktion durch die Hormondrüse selbst (autonomes Adenom) oder durch einen hormonproduzierenden Tumor (paraneoplastische Hormonproduktion)
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vermehrte exogene Hormonzufuhr (Medikamente, Doping)
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mangelnde Inaktivierung oder Ausscheidung des Hormons (Leber- oder Niereninsuffizienz)
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Mangel an Transportprotein
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Mangel an antagonistisch wirkenden Hormonen
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Autoantikörper, welche die Hormonrezeptoren stimulieren
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Gain-of-Function-Mutationen des Hormonrezeptors
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Gain-of-Function-Mutationen intrazellulärer Signaltransduktionsmoleküle, die zu permanenter Zellaktivierung führen
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verminderte oder fehlende Produktion durch die Hormondrüse (Zerstörung durch Tumor, autoimmune Prozesse, Entzündung oder Ischämie)
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fehlende Sekretion oder falscher Sekretionsrhythmus
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fehlende Aktivierung bzw. Konversion unreifer Vorstufen
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übermäßige Inaktivierung bzw. Ausscheidung des Hormons
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Überwiegen antagonistisch wirkender Hormone
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Autoantikörper, welche die Bindung des Hormons an die Rezeptoren verhindern
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Loss-of-Function-Mutationen im Rezeptorgen, die zur Expression funktionsuntüchtiger Rezeptoren führen
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Störungen der intrazellulären Signaltransduktion, die Zielzellen für das Hormon unempfindlich machen