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10.1016/B978-3-437-41357-5.00005-3
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Aufbau des Knochen:Aufbau\"\iKnochens. a Aus dem zellreichen Periost (P) gelangen Blutgefäße über Volkmann-Volkmann-Kanal\"\iKanäle (V) in das Knochengewebe (K) und speisen hier Gefäße, die in Havers-Havers-Kanal\"\iKanälen in Längsrichtung des Knochens verlaufen, um Osteone (O) zu versorgen. b Darstellung eines Osteon\"\iOsteons. Osteozyten\"\iOsteozyten gruppieren sich lamellenförmig um die Havers-Zentralkanäle (H). Die Fortsätze der Osteozyten finden sich in Canaliculi, die Lakunen miteinander verbinden. c Knochenbälkchen mit vielkernigem Osteoklasten\"\iOsteoklasten (OK) und Resorptionslakune\"\iResorptionslakune (RL) sowie Osteoblasten\"\iOsteoblasten (OB) und Osteozyten (OZ). d Mit Calcein gefärbte Osteozyten und ihre Ausläufer, 20 μm unter der Oberfläche der Schädeldecke (konfokales Laser-Scanning-Mikroskop). Die Präparate a–c wurden von Frau Prof. Dr. E. Winterhager, Institut für Anatomie Essen, zur Verfügung gestellt. Die Aufnahme d wurde mit einem konfokalen Laser-Scanning-Mikroskop durch Privatdozent Dr. Martin Wiemann, Institut für Physiologie Essen, erstellt.
[a–c: T491/d: T490]

Signalfluss zwischen Osteoblasten und Osteozyten. Die Osteozyten (Zellen 4–5) haben sich nach Mineralisierung (dunkelblau) der von Osteoblasten (Zellen 1–3) gebildeten Matrixsubstanz (MaS, hellblau) eingemauert. Bindung von Hormonen und lokalen Botenstoffen an Rezeptoren (R) führt zur Bildung von Second Messengern (sm). Diese kontrollieren die Syntheseleistung und die Leitfähigkeit von z.B. Kalziumkanälen (Zelle 1) oder kalziumabhängigen Kaliumkanälen (Zelle 2). Über Gap Junctions gelangen bioelektrische Signale (Ionenströme), Second Messenger und Metaboliten in die gekoppelten Zellen. Die Dehnung von Zelle 3 aktiviert die Phospholipase CPhospholipase:C (PLC), die Phosphatidylinositoldiphosphat (PIP2) zu Inositoltrisphosphat (IP3) und Diacylglycerin (DAG) abbaut. IP3 setzt aus intrazellulären Speichern Kalzium frei und steigert damit die Ca2+-Konzentration. DAG aktiviert die Proteinkinase C (PKC). Aktivierungen dieser und weiterer Kaskaden führen zur vermehrten Synthese von extrazellulärer Knochensubstanz. Damit wird der Knochen dort belastbarer, wo er besonders beansprucht wurde.

Osteoklasten:Knochenresorption\"\iKnochen:Resorption, Osteoklasten\"\iKnochenresorption durch Osteoklasten. Nach aktiver Sekretion von H+ sowie lysosomalen Proteasen und Phosphatasen (P'asen) werden die Mineralphase (dunkelblau) und die nicht mineralisierten Matrixsubstanzen (hellblau) aufgelöst. Kalzitonin aktiviert einerseits die Phospholipase CPhospholipase:C (PLC), erhöht so die Konzentration von Inositoltrisphosphat:Knochenresorption\"\iInositoltrisphosphat (IP3) und Kalzium und fördert damit – über den Kalziumanstieg – die Retraktion (Retr.) von Osteoklastenfortsätzen. Zudem aktiviert Kalzitonin die Adenylatcyclase:Knochenresorption\"\iAdenylatcyclase (AC), wodurch cAMP ansteigt und die Motilität der Zellfortsätze (Mot.) hemmt. ProstaglandinProstaglandin(e):E2 E2 (PGE2), Zytokine u.a., die von Osteoblasten nach Parathormonstimulation ausgeschüttet werden, fördern den Knochenabbau über Second Messenger (sm).

Kontraktiler Skelettmuskelfaser:kontraktiler Apparat\"\iApparat einer Skelettmuskelfaser (Schema). a Räumliches Schema von Myofibrille:Skelettmuskulatur\"\iMyofibrillen in einer Skelettmuskelfaser, links Außenansicht einer Myofibrille, rechts Längsschnitt. b Anordnung der kontraktilen Proteine und Strukturproteine in einem Sarkomer.
[5.1]

Aktin- und Skelettmuskelfaser:Myosin\"\iSkelettmuskelfaser:Aktin\"\iMyosin:Skelettmuskulatur\"\iAktinfilamente:Skelettmuskulatur\"\iAktin:Skelettmuskulatur\"\iMyosinfilament. a Struktur eines dünnen Filaments, bestehend aus den Aktinmonomeren (G-Aktin) und den regulatorischen Proteinen Tropomyosin:Skelettmuskulatur\"\iSkelettmuskelfaser:Tropomyosin\"\iTropomyosin (Tm) und Troponin:Skelettmuskulatur\"\iSkelettmuskelfaser:Troponin\"\iTroponin (TnT, TnI, TnC). b Struktur eines Myosinmoleküls mit den beiden schweren Ketten, die C-terminal einen α-helikal gewundenen Schwanz und N-terminal 2 globuläre Köpfe bilden. Jede schwere Kette hält 2 leichte Ketten (LK-1 → MLC-1; LK-2 → MLC-2) gebunden. Das 150 nm lange Myosinmolekül lässt sich in leichtes (LMM) und schweres Meromyosin\"\iMeromyosin (HMM) spalten. c Modell eines bipolaren dicken Myosinfilaments mit den Myosinköpfen zur Anheftung an die dünnen Aktinfilamente. Die Maße beziehen sich auf Blutplättchenmyosin. d Anordnung der Myosinköpfe (Vergrößerung von c).

Sarkomerlänge und Kraftentwicklung. Beziehung zwischen aktiv entwickelter isometrischer Kraft einer einzelnen Muskelfaser und deren Sarkomerlänge. Die Ziffern im unteren Teil entsprechen den durch Pfeile markierten Zuständen im oberen Teil.
[5.3]

Skelettmuskulatur:Kontraktionszyklus\"\iKontraktionszyklus\"\iKontraktionszyklusMuskulatur:quergestreifte (Schema).

Aktin-Myosin-Myosin-Aktin-Interaktion\"\iAktin-Myosin-Interaktion\"\iInteraktion. Versuchsanordnung, um die Interaktion einzelner Myosinmoleküle mit isolierten Aktinfilamenten zu bestimmen. a Die Enden eines isolierten Aktinfilaments werden an einer Mikroperle (Polystyrolkugel) befestigt und die Kugeln in einer Laserpinzette (Fokus eines Laserstrahls) festgehalten. An eine dritte Kugel wird ein einzelnes Myosinmolekül fixiert. In Gegenwart von ATP (Adenosintriphosphat):Aktin-Myosin-Interaktion\"\iATP interagiert das Aktinfilament mit dem Myosinmolekül. Kräfte und Bewegungen werden durch Abbildung der Mikroperlen auf den Quadranten eines Fotodetektors gemessen. b Kraftimpulse und Bewegungen einzelner Myosinmoleküle bei Wechselwirkung mit einem Aktinfilament. Der Übergang von der Basislinie (B) zum Plateau (P) repräsentiert die Bindung von Myosin an Aktin. Die Konformationsänderung des Myosinmoleküls wirkt in vitro mit einer Kraft von 3–4 pN auf das Aktinfilament.
[5.4]

Elektromechanische KoppelungSkelettmuskulatur:KontraktionKoppelung:elektromechanische im SkelettmuskelMuskulatur:quergestreifte (Schema). Gezeigt ist die Beziehung zwischen transversalem T-System:elektromechanische Koppelung\"\iTubulus und terminaler Zisterne des longitudinalen Tubulussystems des Skelettmuskels. Ein spannungsempfindliches Kalziumkanal:elektromechanische Koppelung\"\iKalziumkanalprotein (DHP = Dihydropyridin) der T-Tubulus-Membran interagiert mit dem dazugehörigen Kanalprotein des SR (Ryanodinrezeptor\"\iRyanodinrezeptor). Bei Depolarisation kommt es dadurch zu einer Ca2+ Freisetung aus den terminalen Zisternen des L-Systems. Kontrahierende Mechanismen sind orange dargestellt, relaxierende blau; IZR = Intrazellulärraum, EZR = Extrazellulärraum, DHP-DHP-Rezeptor\"\iRezeptor = Dihydropyridin-Rezeptor.

Aktivierung der kontraktilen Filamente. Querschnitt durch das dünne Filament (AktinAktin:Skelettmuskulatur und TropomyosinTropomyosin:Skelettmuskulatur) und das MyosinfragmentMyosin:Skelettmuskulatur des schweren Meromyosin:Aktivierung\"\iMeromyosins mit dem Myosinkopf. Oben: niedrige Ca2+-Konzentration, relaxierter Zustand. Tropomyosin befindet sich in einer Position, die nur eine schwache Bindung zwischen Aktin und Myosin erlaubt. Unten: hohe Ca2+-Konzentration, kontrahierter Zustand. Nach Ca2+-Wirkung an Troponin CTroponin:C ändert sich die Position von Tropomyosin an der Oberfläche des Aktins. Damit wird eine starke Bindung zwischen Aktin und Myosin für den zu vollziehenden Kraftstoß möglich.
[5.5]

Skelettmuskulatur:Pathophysiologie\"\iPathophysiologie des muskulären Systems. Defekte der neuromuskulären Endplatte, neuromuskuläre:Defekte\"\iEndplatte führen zur Myasthenia gravis; Defekte der Ionenkanäle des Sarkolemms bzw. des sarkoplasmatischen Retikulums sind Ursache der Paramyotonia congenita, Myotonia congenita, hypokaliämischen Paralyse oder der malignen Hyperthermie. Störungen des ZytoskelettsZytoskelett:Muskeldystrophie\"\i führen zur Muskeldystrophie.

Ableittechniken für Muskelaktionspotenzial:Ableittechniken\"\iMuskelaktionspotenziale. Im Gegensatz zur intrazellulären Registriertechnik wird bei der extrazellulären Ableitung mit einer Nadelelektrode in der Regel die Aktivität mehrerer Muskelfasern gemessen; RMP = Ruhemembranpotenzial, MAP = Muskelaktionspotenzial, EPP = Endplattenpotenzial, mEPP = Miniaturendplattenpotenzial, SAP = Summenaktionspotenzial. a Intrazelluläre Ableittechnik mit Glasmikroelektrode an einer einzelnen Muskelfaser. b Extrazelluläre Ableittechnik (Elektromyografie) mit Nadelelektrode an einer einzelnen Muskelfaser. c Extrazelluläre Registrierung mit Nadelelektrode von Summenaktionspotenzialen aus mehreren Muskelfasern eines Bündels.

Gelenkbewegung durch abgestimmte Aktivierung synergistischer und antagonistischer Muskelgruppen. Die oberste Kurve (Spur 1) zeigt die Änderung der Gelenkstellung bei Bewegung von einer Position zu einer anderen. Die Kurven 2 und 3 geben die Geschwindigkeit und Beschleunigung dieser Gelenkbewegung wieder. Die EMG-Ableitungen (4 und 5) geben die elektrische Aktivität eines zur Bewegung agonistischen (Kurve 5) und eines antagonistischen (Kurve 4) Muskels wieder. Die Pfeile zeigen den Beginn der Aktivitätsänderungen im EMG an (Antagonist: Hemmung; Agonist: Aktivierung). Das triphasische EMG-Muster (Aktivierung Agonist-Antagonist-Agonist) ist typisch für eine mittelschnelle, aber durch sensorische Rückmeldung kontrollierte Bewegung.
[5.6]

Charakteristika von Skelettmuskelfaser:Typen\"\iMuskelfasertypen bezüglich Kontraktion und Ermüdung. Originalregistrierungen isometrischer Kontraktionen einer Typ-S-Faser (oben), einer Typ-FR-Faser (Mitte) und einer Typ-FF-Faser (unten) eines M. triceps surae (Katze). Die Kontraktionen wurden durch elektrische Reizung der jeweiligen Motoneurone ausgelöst. a Auslösung einer unvollständigen tetanischen KontraktionKontraktion:tetanische bei schneller Zeitschreibung. b Auslösung von vollständigen tetanischen Kontraktionen mit einer Dauer von jeweils 330 ms über sehr lange Zeit. Im Typ S bleibt die Kontraktionskraft über 60 min hinaus unverändert (keine Ermüdung), im Typ FR ermüdet die Kontraktionskraft mit einem langsamen Zeitgang, und im Typ FF ermüdet die Kontraktionskraft bereits nach 4 min.
[5.7]

Skelettmuskulatur:Mechanik\"\iMuskel:Mechanik\"\iMuskelmechanik. Kasten: verschiedene mögliche Arbeitsbedingungen des Muskels (Schema); gestrichelte Linie = Länge des ruhenden, unbelasteten Muskels, S = Spannung, L = Länge. Unten: Kraft-Länge-Kraft-Länge-Diagramm, Skelettmuskel\"\iDiagramm eines isolierten Skelettmuskulatur:Kraft-Länge-Diagramm\"\iMuskel:Kraft-Länge-Diagramm\"\iSkelettmuskelsMuskulatur:quergestreifte des Frosches; weitere Erläuterungen s. Text.
[5.8, 5.9]

Skelettmuskel:Einzelzuckung\"\iMuskel:Einzelzuckung\"\iEinzelzuckung und tetanische Kontraktion:tetanische\"\iKontraktion bei einer einzelnen Skelettmuskelfaser.

Abhängigkeit der Kontraktionsgeschwindigkeit von der Last. Bei lastfreier Kontraktion wird die Verkürzungsgeschwindigkeit maximal (Vmax). Die Last, bei der sich der Muskel nicht mehr verkürzen kann (v = 0), entspricht der maximalen isometrischen Kraft (Fmax). Zwischen diesen beiden Punkten verläuft die Kraft-Geschwindigkeits-Beziehung in Form einer Hyperbel. Wird der Punkt Fmax überschritten, d.h. die Last noch weiter vergrößert, verlängert sich der aktive Muskel zunächst nur langsam, bei größerer Überlast dann jedoch sehr schnell. Die gestrichelte Kurve zeigt die Abhängigkeit der Leistung von der Belastung. Ein Maximum der Leistung wird bei einer Belastung von etwa 0,3 Fmax erreicht.

Simultane Wirkung von Kalzium:Muskelenergiehaushalt\"\iKalzium auf die Konzentration und den Energiestoffwechsel; Phos. Kinase = Phosphorylasekinase. a Kalzium aktiviert die Muskelkontraktion und die Energiebereitstellung durch Glykolyse. b Kalziumabhängigkeit der Phosphorylasekinase (und dadurch der Phosphorylase) sowie der Kraftentwicklung gehäuteter Muskelfasern.

Kontraktiler ApparatMuskulatur:glatte einer glatten Muskelzelle. Elektronenmikroskopische Aufnahme (EM) und Modell mit dünnen, dicken und intermediären Filamenten sowie dichten Körpern (Dense Dense Bodies\"\iBodies) und dichten Bändern (Dense Dense Bands\"\iBands) bei Kontraktion und Relaxation. Im EM-Querschnitt der glatten Muskelzelle sieht man dicke Myosinfilamente, die von etwa 15 dünnen Aktinfilamenten umgeben sind (gelber Kreis); SR = sarkoplasmatisches RetikulumRetikulum:sarkoplasmatisches, db = Dense Bodies, c = Caveolae\"\iCaveolae. Im Längsschnitt sieht man dicke FilamenteFilament:dickes (DF), die aus 3–5 einzelnen Myosinfilamenten bestehen sowie dünne Aktinfilamente (Pfeile), die von den Dense Bodies aus zu den dicken Filamenten ziehen, sowie intermediäre Filament:intermediäres, glatte Muskulatur\"\iFilamente (orange Pfeile), die die Dense Bands verschiedener Minisarkomere miteinander vernetzen und das nicht kontraktile ZytoskelettZytoskelett:glatte Muskulatur\"\i bilden; ZK = Zellkern:glatte Muskulatur\"\iZellkern. In der schematischen Darstellung der Minisarkomere ist die seitenpolare Anordnung der Myosinfilamente repräsentiert. (EM Aufnahmen wurden freundlicherweise von Prof. Dr. A.V. Somlyo, University of Virginia zur Verfügung gestellt)
[L106/F459/F460]

Muskulatur:Membranpotenzial\"\iMembranpotenzial:Muskulatur\"\iMembranpotenzial (MP) und Muskulatur:Kraftentwicklung\"\iKraftentwicklung, Muskulatur\"\iKraftentwicklung. a Herzventrikelfaser. b Skelettmuskelfaser. c–f Verschiedene Typen von glatten Muskeln. c Ein einzelnes Aktionspotenzial kann eine Einzelzuckung auslösen; die Summation führt zu einer kräftigeren Kontraktion. d Slow Waves beruhen auf der myogenen Aktivität von Schrittmacher-(Pacemaker-)Zellen (Single-Unit-Typ). e Eine Kontraktion der Gefäßmuskulatur (Multi-Unit-Typ) wird oft durch Änderungen des Membranpotenzials ausgelöst, ohne dass ein Aktionspotenzial entsteht. f Änderungen der Kontraktionskraft können auch durch Hormone und Pharmaka verursacht werden (pharmakomechanische Koppelung), ohne dass sich dabei das Membranpotenzial ändert.
[5.10]

Elektromechanische KoppelungKoppelung:elektromechanische im glatten Muskel. Kontrahierende Mechanismen sind orange dargestellt, relaxierende blau; MLC = regulatorische leichte Ketten des Myosins, MLC-P = phosphorylierte MLC, MLCP = Myosin-Leichtketten-Myosin-Leichtketten-Phosphatase\"\iMLCP (Myosin-Leichtketten-Phosphatase)\"\iPhosphatase, MLCK = Myosin-Leichtketten-MLCK (Myosin-Leichtketten-Kinase)\"\iKinase. Oben: Sarkolemm, sarkoplasmatisches Retikulum (IP3R = IP3-Rezeptor, RyR = Ryanodinrezeptor), Rezeptoren, Pumpen, Austauscher und Ionenströme (Schema). Unten: Kalzium-Calmodulin-Regulation der Kontraktion und Relaxation im glatten Muskel.

Regulation der Myosin-Leichtketten-Myosin-Leichtketten-Phosphatase:glatte Muskulatur\"\iMLCP (Myosin-Leichtketten-Phosphatase):glatte Muskulatur\"\iPhosphataseMyosin-Leichtketten-Phosphatase:glatte Muskulatur (MLCP). Kontrahierende Signalkaskaden sind orange dargestellt, relaxierende blau. Die Aktivität der MLCP hängt davon ab, welche Aminosäurereste der regulatorischen Untereinheit (MLCPreg) phosphoryliert vorliegen. CPI-17 und Telokin sind zytoplasmatische Peptide, die, wenn sie phosphoryliert sind, die MLCP hemmen (CPI-17) bzw. aktivieren (Telokin).

Phasen und neuronale Prozesse bei der Generierung von Bewegung:neuronale Prozesse\"\iBewegung. Das ZNS generiert „Bewegung“ in einer Folge komplexer Verarbeitungsschritte, die sowohl sequenziell als auch parallel ablaufen.
Linke Spalte: Die 3 grundlegenden Phasen der Motorik.
Mittlere Spalte: Neuronale Prozesse, die vom Nervensystem in diesen Phasen realisiert werden.
Rechte Spalte: Die Bewegungen aktivieren propriozeptive und exterozeptive Rezeptorsysteme, deren Erregung als Reafferenz die neuoronalen Prozesse steuert.

Große ProgrammierungsschleifenBewegung:Programmierung zwischen kortikalen und subkortikalen motorischen Systemen. Die motorischen Kortizes sind reziprok untereinander verschaltet (supplementär-motorische Area, primär-motorischer Kortex, prämotorischer Kortex).
1 = Basalganglienschleife, Bewegungsprogrammierung\"\iBasalganglienschleifeBewegung:Programmierung. Ausgehend von motorischen (und anderen) Kortexgebieten wird sie im Corpus striatum der Basalganglien verschaltet. Über die Ausgangskerne (Globus pallidus pars interna; Substantia nigra pars reticulata) erreicht sie über den Thalamus vor allem die supplementär-motorische Area.
2 = Kleinhirnschleife, Bewegungsprogrammierung\"\iKleinhirnschleifeBewegung:Programmierung. Vom Kortex ausgehend projiziert sie über die Pons in das Zerebellum, besonders in dessen Hemisphären. Sie projiziert dann über den Thalamus zu prämotorischen und primär-motorischen Kortexgebieten zurück.
3 = Die Thalamus:Bewegungsprogrammierung\"\ithalamischen Übertragungsstellen erhalten eine ausgeprägte Konvergenz von den verschiedenen kortikalen motorischen Systemen, die die Übertragungscharakteristik in den jeweiligen thalamischen Kernen steuern.
[5.11]

Motorik:Bereitschaftspotenzial\"\iBereitschaftspotenzial\"\iBereitschaftspotenzial und kortikale AktivitätAktivität:kortikale vor Bewegungsbeginn. a Die neuronale Aktivität des zerebralen Kortex ändert sich vor Beginn einer Bewegung, das sog. Bereitschaftspotenzial tritt auf (lang anhaltende Negativierung). EEG-EEG (Elektroenzephalografie):Bereitschaftspotenzial\"\iAbleitungen bei einem Probanden, der den rechten Zeigefinger willkürlich bewegte, wurden mit Elektroden an der Kopfhaut registriert (L-präc = linker präzentraler [prämotorischer] Kortex; M-par = parietaler Kortex, Mittellinie). Jede Kurve ist als Mittelwert von etwa 1.000 Einzelmessungen entstanden. Die Bewegung des Zeigefingers beginnt zum Zeitpunkt 0. Das Bereitschaftspotenzial tritt etwa eine Sekunde vor der Bewegung bilateral als Negativierung über den präzentralen und parietalen Regionen auf. Ungefähr 100 ms vor Bewegungsbeginn wechselt die Potenzialschwankung ihre Richtung. Diese prämotorische Positivierung entspricht dem Übergang von der Programmerstellung zur Durchführung der Bewegung. Die Potenziale nach Bewegungsbeginn sind durch Reafferenz der Propriozeptoren hervorgerufen. b Aktivitätssignale verschiedener Abschnitte des Kortex bei einer spontan initiierten Sequenz von Fingerbewegungen. Die lokale Hirnaktivität wurde als BOLD-Signal mit der funktionellen MagnetresonanztomografieMagnetresonanztomografie:funktionelle gemessen. Zuerst werden Neurone der rostralen SMA aktiviert (prä-SMA), dann Neurone der kaudalen SMA, zum Schluss Neurone im primär-motorischen Kortex (M1). Der Zeitunterschied zwischen den Signalen der prä-SMA und des M1 beträgt etwa 2 s. Der schwarze Pfeil (bei 0) markiert den Bewegungsbeginn. Die Kurven stellen Mittelwerte von 8 Probanden dar. Anstieg und Abfall der durchblutungsabhängigen BOLD-Signale sind gegenüber der elektrischen neuronalen Aktivität zeitlich verzögert.
[5.12]

Sensomotorische Kortex:sensomotorischer\"\iKortexgebiete. Motorische Areale sind der primär-motorische Kortex:primär-motorischer\"\iKortex (M1), der laterale ventrale (PMV) und dorsale (PMD) prämotorische Kortex:prämotorischer\"\iKortex und die medial gelegenen zingulär-Areal:zingulär-motorisches\"\imotorischen (ZMA) und supplementär-Areal:supplementär-motorisches\"\imotorischen (SMA) Areale. Posterior der Zentralfurche liegen der primär-somatosensorische Kortex:primär-somatosensorischer\"\iKortex (S1) und der posterior-parietale Assoziationskortex:posterior-parietaler\"\iAssoziationskortex (PPK), die eng mit den motorischen Kortexgebieten verknüpft sind. Die Zahlen geben die Nummerierung der Areale nach Brodmann-Areal(e)\"\iBrodmann an. Das frontale Augenfeld (Area 8) ist gestrichelt umrandet.

Somatotopische Motorik:somatotopische Repräsentation\"\iRepräsentation der Motorik. Frontalschnitt durch den primär-motorischen Kortex:primär-motorischer\"\iKortex (Gyrus praecentralis) einer Hemisphäre mit schematischer Darstellung der somatotopischen Repräsentation (Homunkulus). Reizung an den bezeichneten Kortexstellen führt zu Muskelkontraktionen der entsprechenden Körperteile.

Efferente Projektion:efferente\"\iProjektionen. Die kortikalen Efferenzen projizieren als ein mächtiges Bündel von Axonen in subkortikale und spinale Kerngebiete. Die abnehmende Dicke der Pfeile macht deutlich, dass die kortikale Efferenz zum großen Teil in supraspinalen Gebieten endet, ein kleinerer Teil erreicht das Rückenmark. 1 = kortikostriatale und kortikothalamische Trakte, 2 = kortikorubrale Trakte, 3 = kortikopontine Trakte, 4 = kortikoretikuläre Trakte, 5 = kortikooliväre Trakte, 6 = Tractus corticocuneatus und corticogracilis, 7 = Tractus corticospinalis lateralisTractus:corticospinalis, 8 = Tractus corticospinalis anterior.

Präzisionsgriff\"\iPräzisionsgriff. a Beim Fassen und Anheben eines Objekts werden die Griffkraft von Daumen und Zeigefinger, die vertikale Hubkraft und die Objektposition (Höhe) registriert. b Beim Fassen (Kontakt) steigt zuerst die Griffkraft\"\iGriffkraft und kurz darauf die Hubkraft\"\iHubkraft an. Dann nehmen beide Kräfte parallel zu, sodass ein annähernd konstanter Quotient zwischen Griff- und Hubkraft erreicht wird. Glatte Objekte werden fester gefasst als raue. Mechanosensoren der Fingerspitzen informieren das ZNS über das Greifen; die Aktionspotenziale wurden durch Mikroneurografie registriert. c Wenn die Fingerspitzen beim Heben kurz abrutschen (Rutsch), wird dies von Mechanosensoren (FA II, Pacini-Vater-Pacini-Körperchen:Präzisionsgriff\"\iPacini-Körperchen:Präzisionsgriff\"\iKörperchen) empfindlich registriert und bereits ca. 70 ms später wird die Griffkraft erhöht (Nachfassen). Damit einher geht eine deutliche Erhöhung des Quotienten zwischen Griffkraft und Hubkraft (lila Stern).

Kortikale AktivitätAktivität:kortikale bei einfachen und komplexen Fingerbewegung, kortikale Aktivität\"\iFingerbewegungen. a Ein Proband drückt eine Feder mit der rechten Hand durch einfache Fingerbeugung wiederholt zusammen. Linker primär-sensomotorischer Kortex (M1S1) und die rechte Hemisphäre des Zerebellums (ZBL) sind aktiv. b Dieselbe Person vollführt komplexe Bewegungssequenzen, bei denen der Daumen die anderen Fingerkuppen in bestimmter Reihenfolge mehrfach berührt. Die Aktivität von M1S1 ist ausgedehnter als bei einfachen Bewegungen, und zusätzlich sind die supplementär-motorische AreaAreal:supplementär-motorisches (SMA) und der posterior-parietale KortexKortex:parietaler (PPK) aktiv. In den Umrissen des Gehirns ist die gestrichelte blaue Linie die Zentralfurche. Die Hirnaktivität (graue Bereiche) wird mit der funktionellen MRT registriert. Ein Metronom gibt den Takt der Bewegungen vor.

Sensorische AfferenzAfferenz:sensorische bei Pyramidenbahn:sensorische Afferenz\"\iPyramidenbahnneuronen. Neurone von M1 werden durch Afferenzen über den Fortgang der Bewegung informiert. Oben: Gelenkwinkel (Position) des Handgelenks eines Affen bei einer Extension. Mitte: Aktionspotenziale eines Pyramidenbahnneurons (des M1) während der Bewegung. Unten: Histogramm der Aktionspotenzialfrequenz des Neurons während 20 Bewegungen. a Unbehinderte Extension des Handgelenks zur Zielzone (rotes Rechteck). b Während der Extension wird plötzlich eine Last appliziert (Pfeil), die die Bewegung behindert. Die nach etwa 40 ms folgende erste (1) starke Aktivierung der Nervenzelle geht auf die Afferenz aus ihrem rezeptiven Feld zurück. Die zweite Aktivierung (2) entspricht einem neuen zentralen Kommando, mit dem die Last überwunden und die Bewegung fortgeführt wird.

Störung der bimanuellen Koordination, bimanuelle\"\iKoordination nach Läsion der SMA. In einer durchsichtigen Platte sitzt eine Nuss in einem Kanal fest. Ein Tier mit intaktem ZNS drückt die Nuss mit einem Finger durch den Kanal und fängt sie mit der anderen Hand auf (links). Ein Tier mit einer rechtsseitigen Läsion der supplementär-motorischen Area (SMA) findet keine Strategie mehr, um diese bimanuelle Aufgabe zu lösen.

Spinales Verarbeitungssystem, spinales\"\iVerarbeitungssystem. Das spinale Interneurone:spinales Verarbeitungssystem\"\iVerarbeitungssystem ist aus Interneuronen aufgebaut, die zu einem differenzierten Netzwerk verschaltet sind. Aus den sensorischen Modalitäten (rot) nehmen sie Informationen auf und projizieren sie (blauer Pfeil) zu den Motoneuronen, den Effektoren (grün). Die Bewegungsprogramme aus supraspinalen Strukturen interagieren mit den Interneuronen (schwarzer Pfeil links). Die supraspinalen Verarbeitungsebenen werden über die Erregung von Rezeptoren und die interneuronalen Verarbeitungsschritte informiert (schwarzer Pfeil rechts).

Interaktion von deszendierenden Bewegungsprogramm:deszendierendes\"\iBewegungsprogrammen und segmentalen Afferenzen. Zwei prinzipielle Lösungen sind möglich. a Nach dem modernen Konzept findet die sensomotorische Integration an gemeinsamen prämotoneuronalen Interneuronen statt. b Nach dem früheren Konzept fand die sensomotorische Integration an den Motoneuronen statt, zu denen zentrale motorische Strukturen und Afferenzen über eigene Interneurone projizierten.
[5.13]

Neuroanatomische Reflex:neuroanatomische Grundstruktur\"\iGrundstruktur eines Reflexes. Beim monosynaptischen Patellarsehnenreflex wird durch einen leichten Schlag mit dem Reflexhammer eine Kontraktion des M. quadriceps Musculus:quadriceps femoris\"\ifemoris ausgelöst. EMG-Elektroden auf der Haut über dem M. quadriceps leiten das Summenaktionspotenzial der Muskelkontraktion ab. Mit einer Latenz von etwa 30 ms nach dem Schlag mit dem Reflexhammer tritt das Reflexpotenzial auf.
[5.10]

Längen- und Spannungsrezeptoren in der quergestreiften Muskulatur:quergestreifte\"\iMuskulatur. a In den parallel zu Arbeitsmuskulatur liegenden Muskelspindel\"\iMuskelspindeln (MSP) sind mehrere Längenrezeptoren lokalisiert. Spannungsrezeptor:Muskulatur\"\iMuskulatur:Spannungsrezeptoren\"\iSpannungsrezeptoren (Golgi-Golgi-Sehnenorgan\"\iSehnenorgane, GOS) sind in Serie zu den Muskelfasern angeordnet. Afferente Innervation: In eine MSP treten jeweils ein Axon der Gruppe I (Ia) und der Gruppe II ein, die die Längenrezeptoren innervieren. In ein GOS tritt jeweils ein afferentes Axon der Gruppe I (Ib). Im Muskel sind weitere Rezeptoren vorhanden (u.a. freie Nervenendigungen der Gruppe III). Efferente Innervation: Die Längenrezeptoren werden zusätzlich von den γ-Motoneuronen des Rückenmarks innerviert (nur für die MSP am unteren Muskelrand illustriert). b Die Längenrezeptoren teilen sich in 2 Gruppen: Kernsackfaser\"\iKernsackfasern (oben) und Kernkettenfaser\"\iKernkettenfasern (unten). In einer MSP finden sich 2 Kernsack- und bis zu 10 Kernkettenrezeptoren. Das Ia-Axon bildet Kollateralen, die sich spiralig um den Äquatorialbereich aller Rezeptoren der MSP winden und mit der Rezeptormembran verwachsen. Das II-Axon teilt sich in Kollateralen und bildet auf den Rezeptormembranen am Übergang der Äquatorialregion zu dem Polbereich mit der Rezeptormembran verwachsende Terminalen. c Die γ-Axone innervieren die intrafusale Muskulatur:intrafusale\"\iMuskulatur (senkrechte Striche) im Polbereich. Die γ-<03B3>-Innervation\"\iInnervation verstellt die Empfindlichkeit des rezeptiven Systems.

Rezeptorantwort der Längenrezeptor:Rezeptorantwort\"\iLängenrezeptor:Muskel\"\iLängenrezeptoren auf Muskeldehnung mit und ohne gleichzeitige γ-<03B3>-Innervation:Längenrezeptoren\"\iInnervation. a Oben: Versuchsanordnung mit paralleler Anordnung der Längenrezeptoren und Arbeitsmuskulatur. Elektrische Reizung der γ-Axone (R), Registrierung der Rezeptoraktivierung durch Ableitung der Ia-Axone (A). Unten: kontrollierte Änderung der Muskellänge über die Zeit. b Längenzunahme des Muskels ohne Erregung des γ-Systems: Während der Längenzunahme des Muskels steigt die Aktionspotenzialfrequenz in den Ia-Axonen. Nach Erreichen der Ziellänge nimmt sie ab und stellt sich auf einen neuen Wert oberhalb des Ausgangswertes ein. Die überschießende Frequenzantwort während der Längenzunahme entspricht dem differenziellen Rezeptorverhalten (dynamische Antwort), die Frequenzantwort nach Erreichen der Ziellänge entspricht dem statischen Rezeptorverhalten (proportionale Antwort). c Längenzunahme des Muskels während Reizung statischer γ-<03B3>-Motoneuron:statisches\"\iAxone (rot markiert). Mit Reizbeginn (vor Längenzunahme) erhöht sich die Aktionspotenzialfrequenz (Dehnung der Äquatorialzone der Rezeptoren durch Kontraktion der intrafusalen Muskulatur). Während der Längenzunahme ist die dynamische Antwort gering (Vergleich zu b). Nach Einstellung auf die Ziellänge höhere Aktionspotenzialfrequenz als in der Kontrolle (b). Die Reizung der statischen γ-Axone verändert die Charakteristik des Systems zur verbesserten Messung der absoluten Muskellänge. d Längenzunahme des Muskels während Reizung dynamischer γ-<03B3>-Motoneuron:dynamisches\"\iAxone (rot markiert). Mit Reizbeginn (vor Längenzunahme) erhöht sich die Aktionspotenzialfrequenz gering (Vergleich zu c). Während der Längenzunahme ist die dynamische Antwort der Afferenzen sehr stark erhöht und geht deutlich über die Kontrolle (b) hinaus. Nach Einstellung auf die Ziellänge geringere Aktionspotenzialfrequenz als in der Kontrolle (c), es wird keine konstante Aktionspotenzialfrequenz generiert, obwohl die Muskellänge konstant bleibt. Die Reizung der dynamischen γ-Axone verändert die Charakteristik des Systems zur verbesserten Messung von Änderungen der Muskellänge.
[5.14]

γ-Motoneurone sichern die Messeigenschaften der Muskelverkürzung, Längenrezeptoren\"\iLängenrezeptor:Muskelverkürzung\"\iLängenrezeptoren bei einer Verkürzung des <03B3>-Innervation:Sicherung der Messeigenschaften\"\iMuskels. Linke Bildhälfte: parallele Anordnung der Längenrezeptoren und der extrafusalen Muskulatur. Eine Verkürzung der extrafusalen MuskulaturMuskulatur:extrafusale wird in a durch Reizung der α-Motoaxone erreicht, in b werden α- und γ-Motoaxone gleichzeitig erregt (zentrales <03B1>-<03B3>-Koaktivierung\"\iSignal). Erfassung der Rezeptoraktivierung durch Ableitung der Ia-Afferenz, Registrierung der Muskellänge mit einem Längenmesser. Rechte Bildhälfte: Registrierung der Ableitungen. Obere Spuren: Aktionspotenziale in den Ia-Axonen. Untere Spuren: Muskellänge (Verkürzung nach unten). a Bei einer Verkürzung der Arbeitsmuskulatur (Reizung der α-Motoaxone) falten sich die Längenrezeptoren auf. Die Aktivierung der Ia-Axone sistiert während der Verkürzung (Spindelpause\"\iMuskelspindel:Pause\"\iSpindelpause). Die Rezeptoren fallen als Messfühler der Muskellänge aus. b Bei einer Koaktivierung der α- und γ-Motoneurone (zentrales Signal, Reizung α plus γ) verkürzen sich intrafusale und extrafusale Muskulatur parallel. Die Rezeptoren messen auch während der Verkürzung (Spindelaktivierung\"\iMuskelspindel:Aktivierung\"\iSpindelaktivierung).

Veränderungen von Muskellänge und Muskelspannung aktivieren die Längen- und Spannungsrezeptoren parallel. a Eine Verlängerung eines Muskel:Verlängerung\"\iMuskels (Muskellänge Spur 1) aktiviert die Muskelverlängerung:Längenrezeptoren\"\iLängenrezeptor:Muskelverlängerung\"\iLängenrezeptoren, die Aktionspotenziale in Ia- (Spur 2) und II-Axonen (Spur 3) generieren. Die Ia-Aktivität hat während der Längenänderung eine höhere Aktionspotenzialfrequenz als nach Einstellung auf die Ziellänge (die Aktivität bildet die dynamische Charakteristik der Längenänderung ab). Die II-Aktivität hat eine höhere Aktionspotenzialfrequenz nach Einstellung auf die Ziellänge als in der Phase der Längenänderung (die Aktivität bildet die statische Charakteristik der Längenänderung ab). b Die Kontraktion (Kraft Spur 1) einer einzelnen motorischen Einheit aktiviert ein Golgi-Muskelverlängerung:Golgi-Sehnenorgan\"\iGolgi-Sehnenorgan:Muskelverlängerung\"\iSehnenorgan (Spur 3). Dieses bildet mit einem proportional-differenziellen Rezeptorverhalten sowohl die dynamische als auch die statische Charakteristiken des Reizes ab. c Bei einer Kontraktion eines Muskels (Kraft Spur 1) mit α-γ-Koaktivierung werden die Längenrezeptoren (Spur 2) und die Spannungsrezeptoren (Spur 3) erregt. Die Information beider Systeme konvergiert im Rückenmark auf gleiche Motoneurone und Interneurone.

Räumliche Summation in Gruppen von Interneurone:räumliche Summation\"\iInterneuronenSummation:räumliche. Obere Spur: intrazelluläre Ableitungen aus einem Interneuron (IN), das zu einer Population von IN mit identischer Konvergenz und Projektion gehört (angedeutet durch graues Umfeld). Untere Spur: intrazelluläre Ableitungen aus einem α-Motoneuron (MN), das aus der Gruppe der IN erregt wird. Es steht exemplarisch für alle α-<03B1>-Motoneuron:räumliche Summation\"\iMotoneurone des Motornukleus (graues Umfeld). Synapsensymbole: erregende Synapsen = offenes Dreieck; hemmende Synapsen = ausgefüllter Punkt. Das Membranpotenzial der Neurone beträgt etwa –70 mV, die Schwelle zur Auslösung von Aktionspotenzialen ist gestrichelt. Konvergenz auf die IN aus 2 Systemen (1 = segmentale Afferenz; 2 = deszendierender Trakt), die elektrisch einzeln (Eingang 1 oder 2) oder zusammen (Eingänge 1 und 2) gereizt werden (Zeitpunkt und Ort des Reizes: Pfeil in der Ableitung). a Bei Reizung nur eines Eingangs werden in den IN EPSP (exzitatorisches postsynaptisches Potenzial):Interneurone\"\iEPSPs unterschiedlicher Amplitude ausgelöst. Die Erregung in den IN bleibt unterschwellig, in den MN werden keine synaptischen Potenziale ausgelöst. Werden beide Eingänge kurz nacheinander erregt, summieren sich die EPSPs in den IN und lösen ein Aktionspotenzial aus. Dieses wird auf die MN weitergeleitet, die überschwellig erregt werden. Als Ergebnis der prämotoneuronalen Verrechnung hat die Afferenz aus der Peripherie die Übertragung des deszendierenden Bewegungskommandos auf die MN möglich gemacht. b Die Reizung von Eingang 1 löst im IN ein IPSP (inhibitorisches postsynaptisches Potenzial):Interneurone\"\iIPSP aus, die Reizung von Eingang 2 ein großes EPSP, das ein Aktionspotenzial auslöst. Das Aktionspotenzial wird an die MN weitergeleitet und erregt es überschwellig. Werden beide Eingänge kurz nacheinander erregt, verrechnet die interneuronale Membran das IPSP und das EPSP miteinander. Die Schwelle zur Auslösung eines Aktionspotenzials im IN wird nicht erreicht, die Aktivierung der MN entfällt. Im Ergebnis hat die Reafferenz aus der Peripherie die Übertragung des deszendierenden Bewegungskommandos auf die MN blockiert.

Verschaltung der primären Muskelspindelafferenzen. Die Ia-Axone erregen die α-<03B1>-Motoneuron:Muskelspindelafferenzen\"\iMotoneurone (MN) zum rezeptortragenden Muskel und hemmen über Interneurone:Muskelspindelafferenzen\"\iInterneurone (Ia-Interneuron, IN) die α-MN zu den antagonistischen Muskeln (reziproke Hemmung:reziproke\"\iHemmung). Kollateralen der α-Motoaxone aktivieren im Vorderhorn gelegene Renshaw-Renshaw-Zelle:Muskelspindelafferenzen\"\iZellen. Diese hemmen einmal die α- und γ-MN des eigenen Kerns (Rückwärtshemmung) wie auch die Ia-IN der reziproken Hemmung. Die skizzierten Neurone gehören im Rahmen einer „funktionellen Einheit“ zueinander (gelber Rahmen), da sie die Aktivierung und Hemmung der auf ein gemeinsames Gelenk wirkenden Agonisten und Antagonisten koordinieren. In dieser und den folgenden Abbildungen sind IN blau; MN grün; afferente Eingänge rot; fördernde Synapsen als Dreieck und hemmende Synapsen als ausgefüllter Punkt dargestellt.

Muskelspindelsystem:Gelenkrückführung\"\iMuskelspindelsystem zur Rückführung eines Gelenks in die Ausgangsstellung. a Verschaltung des Muskelspindelsystems zwischen den Ellenbogenflexoren und extensoren. Die Ia-Afferenzen aus den Flexoren erregen die Motoneurone (MN) zu den homonymen und synergistischen Muskeln und hemmen die MN der antagonistischen Ellenbogenextensoren. b Eine Auslenkung des Gelenks (gestrichelter Pfeil) erregt das Ia-System der Ellenbogenflexoren (durchgezogener Pfeil). c Die homonymen und synergistischen α-MN werden erregt (durchgezogene Pfeile), die antagonistischen α-MN werden gehemmt. Das Gelenk wird auf seine Ausgangsstellung zurückgeführt (gestrichelter Pfeil).
[5.14]

α-γ-Muskelspindelsystem:<03B1>-<03B3>-Koaktivierung\"\i<03B1>-<03B3>-Koaktivierung\"\iKoaktivierung zur Funktionssicherung des Muskelspindelsystems während einer Kontraktion. a Isometrische Kontraktion der Fingerbeuger beim Menschen. Oben: Ableitung einer Ia-Ia-Afferenz:Muskelspindelsystem\"\iAfferenz aus dem N. medianus während zweier Kontraktionen. Mitte: Registrierung der Kraft. Unten: Elektromyografie:Fingerbeuger\"\iElektromyogramm der Fingerbeuger. Die Ia-Afferenz wird während der Kontraktion und in Abhängigkeit von der Kraft aktiviert. Die extrafusale Muskulatur wird vor der intrafusalen erregt. b Aktive Schließbewegung des Kiefergelenks eines Affen. Oben: Ableitung einer Ia-Afferenz aus dem M. masseter während einer Schließbewegung. Unten: Registrierung der Kieferbewegung (Kieferschluss nach oben). Bei dem willkürlichen Kieferschluss wird die Ia-Afferenz während der Muskelkontraktion aktiviert (wie in a). c Passiver Kieferschluss durch externe Führung des Kiefers. Bei passiver Gelenkführung schweigt die Ia-Afferenz, es tritt eine Spindelpause:Muskelspindelsystem\"\iSpindelpause ein. Herkunft Abbildung:
[5.16, 5.17]

Grundlage der α-γ-<03B1>-<03B3>-Koaktivierung:Grundlagen\"\iKoaktivierung. Parallele Projektionen deszendierender und segmentaler Systeme auf α- und γ-Motoneurone (MN), korrespondierende Ia-inhibitorische Interneurone (IN) und Renshaw-Zellen. Im Vergleich zu Abb. 5.41 ist die Konvergenz ergänzt um von supraspinal deszendierenden Systemen ergänzt. „Zueinander gehörende“ α- und γ-MN (gelber Kasten) und hemmende Ia-IN zu den Antagonisten (korrespondierende Ia-IN) werden gekoppelt aktiviert. Dies sichert bei Bewegungen eine parallele Veränderung der intra- und extrafusalen Muskellänge und die Ankoppelung der reziproken Inhibition. Die Renshaw-Renshaw-Zelle:<03B1>-<03B3>-Koaktivierung\"\iZellen sind ein Teil der „funktionellen Einheit“, die die Aktivierung und Hemmung der auf ein gemeinsames Gelenk wirkenden Agonisten und Antagonisten steuert. Die Aktivität der Renshaw-Zellen wird ihrerseits von supraspinal über fördernde und hemmende Konvergenzen in den Verhaltenskontext eingepasst.

Aktivierung von statischen<03B3>-Motoneuron:statisches und dynamischen γ-Motoneuronen<03B3>-Motoneuron:dynamisches in Abhängigkeit von unterschiedlichen motorischen Aufgaben. In der Willkürmotorik stellt das γ-System die Längenrezeptoren bei Längenänderungen der Muskulatur auf die Erfassung proportionaler oder dynamischer Information ein. Bei Aktivitäten, in denen sich die Muskellänge langsam und vorhersagbar ändern wird, wird die Messempfindlichkeit der Rezeptoren auf die Übertragung der proportionalen Information eingestellt, also auf die Messung der tatsächlichen Muskellänge. Bei Aktivitäten, in denen sich die Muskellänge schnell und nicht vorhersagbar ändern wird, wird die Messempfindlichkeit der Rezeptoren auf die Übertragung der dynamischen Information eingestellt, also auf die Messung der Änderungen der Muskellänge. Die Abbildungen zeigen Messungen an freibeweglichen Katzen in verschiedenen Verhaltenssituationen.
[5.18]

Methodik des Hoffmann-Hoffmann-Reflex\"\iReflexes (H-H-Reflex\"\iReflex). a Elektrische Reizung des N. tibialis und Ableitung des reflektorisch ausgelösten EMG des M. triceps surae bei einer Versuchsperson. b Die Steigerung der Reizstärke (in V) vergrößert zuerst die Amplitude des H-Reflexes (1–2). Sobald eine M-Welle (kürzere Latenz) auftritt, wird der H-Reflex kleiner und verschwindet schließlich (3–5). Die Amplitude der M-Welle nimmt bis zu einem Maximalwert zu. Die Striche kurz vor der M-Welle (∗ in 1) geben den Reizartefakt bei Reizung des N. tibialis wieder. c Beziehung zwischen den Amplituden von H-Reflex, M-Welle und Reizstärke.
[5.19]

Ib-Interneurone integrieren multisensorische Konvergenzen aus segmentalen und deszendierenden Quellen. Konvergenz von afferenten segmentalen und deszendierenden Systemen auf die Interneurone der autogenen Hemmung. I–IV bezeichnet die Afferenzen aus den unterschiedlichen Fasergruppen. Die Gesamtpopulation der Ib-Interneurone zerfällt in Untergruppen mit spezifischem, eingeschränktem Konvergenzmuster; NA = noradrenerg.

Parallele inhibitorische und exzitatorische Ib-Wege auf Extensor-α-Motoneurone. Weg 1: Ib-Afferenzen aus dem eigenen Muskel aktivieren Interneurone (Ib-Interneurone, IN), die die homonymen Motoneurone (MN) hemmen (autogene Hemmung:autogene\"\iHemmung). Die Ib-IN erhalten zusätzlich eine monosynaptische Konvergenz von Ia-Afferenzen aus dem gleichen Muskel, fördernde und hemmende Projektionen von anderen ipsilateralen Afferenzen (besonders Haut) sowie deszendierenden Trakten (besonders kortikospinaler Trakt). Weg 2: Ib-Afferenzen aus dem eigenen Muskel aktivieren Ib-IN, die die homonymen MN fördern. Diese IN erhalten eine starke oligosynaptische Konvergenz von Gruppe-II-Afferenzen aus dem eigenen Muskel sowie fördernde und hemmende Projektionen von anderen ipsilateralen Afferenzen und deszendierenden Trakten. Der spinale SLG (spinaler Lokomotionsgenerator):Ib-Interneurone\"\iLokomotionsgenerator, spinaler:Ib-Interneurone\"\iLokomotionsgenerator (SLG) ist Schalter beider Wege, indem er die Aktivierung der Wege steuert: Wenn die Extensor-MN vom SLG während der Standphase der Lokomotion angesteuert werden, wird durch die Konvergenz im Weg 2 (zusätzliche Förderung der Ib-IN) in der Extensormuskulatur Kontraktionskraft erzeugt (positives Feedback). Die Übertragung im Weg 1, die eine Steigerung der Kontraktionskraft verhindern würde, wird in dieser Phase vom SLG über eine disynaptische Hemmung gesperrt.

Verhaltensreaktion ipsilaterale Beugereflex:ipsilateraler\"\iFlexion und gekreuzte Streckreflex, gekreuzter:extremitätenübergreifende spinale Systeme\"\iExtension. Bei einem schmerzhaften Reiz (Bilder 1/2) löst die Erregung von Nozizeptoren und nieder- sowie hochschwelligen Hautrezeptoren eine Beugung der ipsilateralen Extremität aus (Bild 3/4). Zur Sicherung des Standes wird gleichzeitig die kontralaterale Extremität extendiert (Bild 4). Die Wahrnehmung des Schmerzes erfolgt später (Bild 5), wenn die motorischen Reaktionen weitgehend abgeschlossen sind.
[5.20]

Flexions-Extensions-Flexions-Extensions-Verhalten\"\iVerhalten. Abhängig von der Reizstärke erfasst das Beugemuster Muskeln der ipsi- und kontralateralen Extremität. Afferenzen der Gruppen II, III und IV aktivieren im intermediären Gebiet der grauen Substanz große Gruppen von Interneuronen. Diese fördern auf der ipsilateralen Seite die motorischen Kerne zu den Flexoren (F) und hemmen die zu den Extensoren (E). Auf der kontralateralen Seite werden die Extensoren gefördert und die Flexoren mit dem System der reziproken Inhibition gehemmt. Die Übertragung in den spinalen polysynaptischen Wegen wird sehr effektiv durch deszendierende Trakte im dorsolateralen Funikulus kontrolliert, u.a. durch retikulospinale Systeme.

Kinematik und muskuläre Aktivität bei der Lokomotion des Menschen. a Kinematik des Gehen:Kinematik\"\iGangs bei moderater Geschwindigkeit. Ausgewählte Zeichnungen während eines Schrittes. b EMG-Aktivität der Mm. tibialis anterior und gastrocnemius medialis während eines Schrittes (Mittelwert von 6 Schritten). Ordinaten: EMG in μV; Abszisse: normierte Schrittdauer. c Veränderung des Sprunggelenkwinkels (obere Spur: Zunahme des Winkels – Dorsiflexion). Änderungen der Spannung in der Achillessehne mit einem Transducer gemessen und als relative Änderungen angegeben (untere Spur: Kraftzunahme nach oben). Die Kurven sind Mittelwerte der Standphasen von 18 Versuchspersonen. Abszisse: normierte Standphase mit markiertem Beginn und Ende.
[5.21, 5.22, 5.23]

SLG (spinaler Lokomotionsgenerator):Aufbau\"\iLokomotionsgenerator, spinaler:Aufbau\"\iAufbau des spinalen Lokomotionsgenerators zu einer Extremität und Steuerung seiner Aktivität durch deszendierende und afferente Systeme. a Der spinale Lokomotionsgenerator (SLG) besteht aus einem Extensor- und einem Flexorhalbzentrum (E, F), die den Rhythmus und das Muster zur Aktivierung der Extensor- und Flexormotoneurone (E-MN, F-MN) generieren (Rhythmogenese und Aktivitätsmuster). Die beiden Halbzentren hemmen sich gegenseitig (hemmende Interneurone, rot). Lokomotorische Systeme aus pontinen und mesenzephalen Regionen (grau, links oben) aktivieren den SLG. Die E- und F-Halbzentren projizieren auf spezifische Gruppen spinaler Interneurone (IN). b Die IN bilden eine den MN vorgelagerte Verarbeitungsstufe, in der Konvergenzen aus dem SLG, aus supraspinalen adaptiven Systemen (e) und von Reafferenzen aus den bewegten Extremitäten Gruppen von IN in der adäquaten zeitlichen und räumlichen Zusammensetzung auswählen. Sie projizieren auf die E-MN bzw. F-MN. c Diese setzen die interneuronalen und deszendierenden adaptiven Signale (e) in eine rhythmisch alternierende Aktivierung der Extensoren und Flexoren der Extremität um (Umsetzung Ausgangssignal). d Durch die Bewegung werden in der Extremität Muskel-, Gelenk- und Hautrezeptoren erregt (Bewegung schafft Reafferenz). Die Reafferenz:spinaler Lokomotionsgenerator\"\iReafferenz projiziert auf die Ebenen der IN und der beiden Halbzentren des SLG. Ia-Afferenzen haben eine monosynaptische Verschaltung mit den homonymen und heteronymen MN. e Adaptive Systeme (u.a. kortikospinales System; vestibulospinales System) projizieren auf die MN, die IN und in den SLG. Sie passen das lokomotorische Muster in den Bewegungskontext ein.

Projektion der lokomotorischen Halbzentren und der Reafferenz aus der Extensor- und Flexormuskulatur des Sprunggelenks auf die korrespondierenden E-MN und F-MN während der Standphase:spinaler Lokomotionsgenerator\"\iStandphase. Die Darstellung spezifiziert die Verschaltungen auf der Ebene der Auswahl von Interneuronen (IN) in Abb. 5.52 für die Situation am Sprunggelenk. Die Extensor- und Flexorhalbzentren des SLG (E-Zentrum, F-Zentrum) sind praktisch identisch aufgebaut, in der Standphase ist das E-Zentrum aktiv und hemmt das F-Zentrum (Weg 1, die Projektionen aus dem F-Zentrum sind grau dargestellt). a Nutzung der Ia-Inhibition aus den physiologischen Extensoren für die reziproke Hemmung der antagonistischen F-MN. Die E-MN werden aus dem E-Zentrum direkt (2) und disynaptisch (3) über aktivierende IN erregt. Die Ia-IN werden von Ia-Afferenzen der Extensormuskulatur (4), von Kollateralen der Projektion des E-Zentrums auf die E-MN (2) sowie von Axonen der adaptiven Systeme (5) erregt. Sie hemmen die F-MN. Die Konvergenz auf die Ia-IN passt die reziproke Hemmung der F-MN an die Kontraktion der Extensormuskulatur an (2), an die Reafferenz aus der Muskulatur (4) sowie an das strategische Bewegungsziel (5). b Aktivierende Reafferenz aus der Muskulatur zur Erzeugung von Kontraktionskraft in den Extensoren. Die E-MN werden vom E-Zentrum über (2) und (3) erregt. Dieses Extensionsprogramm wird über eine Reafferenzschleife positiv verstärkt (4b), die von den Ib-Afferenzen und den statischen Längenrezeptoren der Muskelspindeln (Gruppe-II) ausgeht. In (4a) konvergiert die Ib-Afferenz auf die IN (3), die monosynaptisch auf die E-MN projizieren. Dadurch entsteht ein positives Feedback, das die Aktivierung der E-MN weiter fördert. In (4b) projiziert die Reafferenz auf das E-Zentrum. Die räumliche Summation in dem Zentrum erhöht die Zahl der Neurone, die nach (2) und (3) projizieren, was die Kontraktion der Extensoren verstärkt. Die disynaptische autogene Hemmung der E-MN von den Ib-Afferenzen (4c) wird in der Standphase über (5) abgeschaltet: Die in der Standphase vorherrschende Extensoraktivität fördert die in (5) eingeschalteten hemmenden IN, die ihrerseits die Ib-IN der autogenen Hemmung hyperpolarisieren. Die Projektion über die monosynaptischen Ia-Afferenzen auf die E-MN (Weg 6) wird in den Motoneuronen nicht wirksam, da die Übertragung in diesem Weg durch eine präsynaptische Inhibition kontrolliert wird.

Antizipatorisches posturales Bewegungsprogramm:posturales\"\iProgramm. Auf ein Tonsignal hin (rechte Bildhälfte, blauer Pfeil) zieht ein stehender Proband an einem Handgriff, der per Seilzug mit einem Gewicht (ca. 7 kg) verbunden ist. Um den stabilen Stand zu gewährleisten, werden die Extensoren des Sprunggelenks bereits etwa 60 ms früher (grüner Pfeil) als der M. biceps brachii aktiviert, der den Ellenbogen beugt und Zug auf das Seil ausübt (roter Pfeil); EMG = elektromyografische Ableitungen, rechts rektifizierte und integrierte EMG-Signale eines Probanden.
[5.24]

Standkorrektur\"\iKörperhaltung:Standkorrektur\"\iStandkorrektur durch ein reaktives posturales ProgrammBewegungsprogramm:posturales. Ein Proband steht auf einer Plattform, die unerwartet ruckartig nach hinten verschoben wird (schwarzer Pfeil). Rechts sind EMG-Ableitungen der Aktivität verschiedener Muskeln dargestellt. Als Reaktion auf die Störung des Standes (Beginn der EMG-Ableitung) kontrahieren nach 100 ms von distal ausgehend nacheinander die Sprunggelenk-, Hüftgelenk- und Rumpfextensoren (G-, H-, P-Muskelgruppen). Q = M. quadriceps femoris, T = M. tibialis anterior, P = paraspinale Muskeln, H = Hüftgelenkextensoren, G = M. gastrocnemius.

Beeinflussung des Muskeltonus:Hirnstammeinfluss\"\iHirnstamm:Muskeltonus\"\iMuskeltonus durch Kerngebiete des Hirnstamms. Pontine und medulläre Anteile der Formatio reticularis (rot) stellen auf spinaler Ebene (grün) ein Gleichgewicht zwischen tonisch fördernden und hemmenden Einflüssen auf die Motoneurone der Extensoren her. Eine Dezerebrierung erhöht den Extensortonus, da die Förderung der extensorhemmenden medullären Formatio reticularis durch den Kortex unterbrochen ist, während aszendierende Bahnen die pontine Formatio reticularis weiterhin aktivieren. Eine zusätzliche Läsion des Zerebellums (blau) enthemmt die Vestibulariskerne, die die Extensor, physiologischer:Hirnstammeinfluss\"\iExtensoren erregen, und verstärkt so die Dezerebrierungsstarre\"\iDezerebrierungsstarre.

Asymmetrisch tonischer Nackenreflex, tonischer\"\iNackenreflex. Posturale Programme sind in Willkürbewegungen eingebunden. Die Drehung des Kopfes des Baseballspielers beeinflusst die Haltung der Extremitäten, die auf der Gesichtsseite gestreckt werden.

Basalganglien:Eingangssystem\"\iEingangssystem und Basalganglien:Ausgangssysteme\"\iAusgangssysteme der Basalganglien-Kerne. a Den Eingangskern der Basalganglien bildet das Striatum:Basalganglien\"\iStriatum (dunkelgrau, bestehend aus Putamen:Basalganglien\"\iPutamen und Nucleus Nucleus:caudatus, Basalganglien\"\icaudatus). Seine Afferenzen kommen aus fast allen Gebieten des zerebralen Kortex sowie der Substantia Substantia:nigra, Basalganglien\"\inigra, Pars compacta (SNc) und vom Thalamus. b Die Ausgangskerne der Basalganglien (hellgrau) bilden eine funktionelle Einheit aus Substantia nigra, Pars reticularis (SNr) und Globus Globus pallidus, Basalganglien\"\ipallidus, Pars interna (GPi). Ihr hauptsächliches Zielgebiet sind die ventroanterioren und ventrolateralen Thalamuskerne. Die Thalamusneurone ihrerseits projizieren auf prämotorische und präfrontale Kortexareale (Abb. 5.26).

Interne Basalganglien:interne Verschaltung\"\iVerschaltungen der Basalganglien. Der direkte Weg (Striatum – Globus pallidus, Pars interna / Substantia nigra, Pars reticulata [GPi/SNr]) und der indirekte Weg (Striatum – Globus pallidus, Pars externa [GPe] – Nucleus subthalamicus [STN] – GPi/SNr) haben einen gegensätzlichen Effekt auf die Aktivität der Thalamusneurone. GPi und SNr bilden eine Funktionseinheit (illustriert durch die Verbindungslinie), sind aber morphologisch getrennt. Die Projektionen aus der SNc auf das Striatum setzen kontinuierlich Dopamin:Basalganglien\"\iDopamin frei, welches den direkten Weg stimuliert (über D1-Rezeptoren) und den indirekten Weg inhibiert (über D2-Rezeptoren). Die Transmitter und ihre Wirkung sind durch die jeweilige Linienfarbe und Form codiert (blau GABA:Basalganglien\"\iGABA, rot Glutamat:Basalganglien\"\iGlutamat, grün Dopamin). Die striatalen Neurone schütten zusätzlich zu GABA die Kotransmitter Enkephalin (D2-Weg) bzw. Substanz P (D1-Weg) aus.

Disinhibition des Thalamus:Disinhibition\"\iDisinhibition:Thalamus\"\iBasalganglien:Thalamussteuerung\"\iThalamus durch die Basalganglienaktivität über den direkten Projektionsweg. Die einzelnen Abbildungen zeigen extrazelluläre Ableitungen einzelner Neurone (Ordinate: Frequenz; Abszisse: Zeit) des Striatums (links oben), der Substantia nigra, Pars reticulata (SNr, links unten) und des Thalamus, die durch hemmende Verschaltungen miteinander verbunden sind (die Farben der Kerne entsprechen den Transmittern, Abb. 5.59). Die Pfeile in den Ableitungen markieren eine Glutamatinjektion in das Striatum, entsprechend einer Aktivierung der striatalen Neurone durch den Kortex. Die Aktivierung der GABAergen striatalen Neurone hemmt die SNr-Neurone vollständig (Entladungspause). Dadurch entfällt die Hemmung auf die nachgeschalteten Thalamusneurone (Disinhibition), was in diesem Kern eine erhöhte Aktivität generiert. Diese wird auf den Kortex übertragen (nicht illustriert, Verschaltung in Abb. 5.59). Im Ruhezustand weisen die Neurone der SNr (keine Aktivität in striatalen Neuronen, Zeitperiode links vom Pfeil) eine tonische Aktivität mit einer hohen Frequenz auf. Diese tonische Aktivität hemmt die Thalamusneurone, die in dieser Phase (links vom Pfeil) im konkreten Fall schon aktiv sind (u.a. durch die Aktivierung von spinothalamischen Systemen).

Koordinierte Aktivierung synergistisch-antagonistischer Muskelgruppen durch die Basalganglien:funktionelle Bedeutung\"\iBasalganglien. a Versuchsaufbau: Der Winkel des Ellenbogengelenks wird mit einem Potenziometer erfasst und der Person auf einem Oszilloskop gezeigt. Die Versuchsperson soll den Ellenbogen um 10° beugen. Das EMG der Ellenbogenflexoren (Bizeps) und der extensoren (Trizeps) wird abgeleitet. b Bei einer gesunden Versuchsperson verläuft das EMG-Muster der antagonistischen Muskeln triphasisch. Dies ist typisch für Zielbewegungen in der Willkürmotorik. Die Beugung wird eingeleitet von einer kurzen Aktivierung des M. bicepsMusculus:biceps (1). Es schließt sich eine Aktivierung des M. Musculus:triceps, Basalganglienfunktion\"\itriceps an (2), die den Beschleunigungsimpuls des M. biceps abbremst. Danach wird der M. biceps erneut aktiviert (3) und führt das Gelenk zur Zielposition. Die Registrierung der Gelenkstellung (untere Kurve) zeigt, dass der Ellenbogen ohne Ruckeln und ohne Korrektur seine Zielstellung erreicht. c Bei einem Patienten mit einer BG-Erkrankung (Morbus Parkinson) zeigt die Registrierung des Ellenbogenwinkels, dass der Patient die Bewegung nicht kontrolliert durchführen kann und das Ziel der Bewegung nicht erreicht wird. Im EMG ist das charakteristische triphasische Aktivierungsmuster (1–3) der gesunden Versuchsperson verloren. Es sind stattdessen Kokontraktionen zwischen den antagonistischen Muskelgruppen und fortdauernde Aktvierungen zu beobachten. Das pathologische Bewegungsprogramm kann die Koordination zwischen den auf das Gelenk wirkenden Muskelgruppen nicht hinreichend gewährleisten.
[5.25]

Dysfunktion im indirekten Projektionsweg bei Ballismus\"\iBallismus und Morbus Morbus:Huntington\"\iChorea Huntington\"\iHuntington führen zur Hyperkinesie. a Ballismus: Die Degeneration des Nucleus subthalamicus (STN) ist durch die Färbung des Kerns (vgl. Abb. 5.59) und eine unterbrochene Einrahmung angezeigt. Die fortschreitende Degeneration der STN-Neurone – und damit des indirekten Wegs (D2) – führt zu einer abnehmenden Aktivierung der inhibitorischen Ausgangskerne (unterbrochene Verbindung). Dadurch wird die auf den Thalamus einwirkende, tonische Hemmung reduziert (unterbrochene Verbindungen). Diese pathologische Thalamus-Disinhibition resultiert in einer gesteigerten Aktivierung von Kortexarealen (Verstärkung der Verbindung), was die hyperkinetische Symptomatik zur Folge hat. b Morbus Huntington: Die präferenzielle Degeneration der GABA/Enkephalin ausschüttenden striatalen Projektionsneurone, die in den indirekten Weg projizieren (D2), ist durch die Färbung des Kerns (vgl. Abb. 5.59) und eine unterbrochene Einrahmung angezeigt. Die GPe-Neurone werden weniger stark gehemmt, also disinhibiert (unterbrochene Verbindung). Sie sind aktiver und üben eine verstärkte Hemmung auf die Neurone des STN aus (Verstärkung der Verbindung). In Folge setzen die STN-Neurone weniger Glutamat frei, sodass die Aktivität der Basalganglien-Ausgangskerne (GPi/SNr) reduziert ist (unterbrochene Verbindung). Die Hemmung auf den Thalamus nimmt damit ab und die motorischen Kortexareale werden entsprechend verstärkt aktiviert (Verstärkung der Verbindung), was zur hyperkinetischen Symptomatik führt.

Die Degeneration dopaminerger Neurone beim Morbus Hypokinesie, Morbus Parkinson\"\iParkinsonMorbus:Parkinson führt zur Hypokinesie. Die Degeneration der dopaminergen Neurone der SNc ist durch die Färbung und eine unterbrochene Einrahmung dieses Kerns angezeigt (vgl. Abb. 5.59). Die fortschreitende Degeneration und damit der zunehmende striatale Dopaminmangel (unterbrochene Verbindungen zum Striatum) führt dazu, dass einerseits die striatalen GABA/Enkephalin ausschüttenden Neurone – und damit der indirekte Weg – weniger stark über D2-Rezeptoren gehemmt werden (verstärkte Verbindung zu GPe), und andererseits die striatalen GABA/Substanz P ausschüttenden Neurone – und damit der direkte Weg – weniger stark über D1-Rezeptoren stimuliert werden (unterbrochene Verbindung zu Gpi/SNr). Beide Effekte resultieren synergistisch in einer verstärkten Aktivierung der BG-Ausgangskerne (GPi/SNr) bei Dopaminmangel. Dadurch ist die tonische GABAerge Hemmung der thalamischen Zielneurone erhöht (Verstärkung der Verbindung). In Folge ist die Aktivierung der motorkortikalen Neurone reduziert (unterbrochene Verbindung) – es kommt zur hypokinetischen Symptomatik.

Zerebellum:Eingangssysteme\"\iKleinhirn:Eingangssysteme\"\iEingangssysteme des Kleinhirns. Das Moosfaser-Moosfaser(system)\"\i und das Kletterfaser(system)\"\iKletterfasersystem aktivieren die Kleinhirnkerne und die Purkinje-Zellen. a Golgi-Darstellung der zerebellaren Afferenzen. Leitungsrichtung der Aktionspotenziale sind durch Pfeile angezeigt. b Grundsätzliche Verschaltungsmuster der zerebellaren Afferenzen und der Purkinje-Zellen (Schema). Erregende Projektionen sind grün dargestellt, hemmende rot.

Projektion der Purkinje-ZellenPurkinje-Zelle:Kleinhirn in die Kleinhirnkerne. Das Zerebellum wird durch diese Projektion in verschiedene Gebiete eingeteilt. Linke Hälfte: anatomische Einteilung des Zerebellums in Vermis; Hemisphären, intermediäre Zone; Hemisphären, laterale Zone; Flocculus; Nodulus. Rechte Hälfte: Projektion der Purkinje-Zellen: aus Vermis (und dem medialen Anteil des Lobus flocculonodularis) in den Nucleus Nucleus:fastigii\"\ifastigii; aus Flocculus und Nodulus in den Nucleus vestibularis Nucleus:vestibularis lateralis\"\ilateralis; aus der intermediären Zone der Hemisphären in den Nucleus Nucleus:globosus\"\iglobosus und Nucleus Nucleus:emboliformis\"\iemboliformis (Nucleus interpositus); aus der lateralen Zone der Hemisphären in den Nucleus Nucleus:dentatus\"\identatus.

Funktionelle Zerebellum:funktionelle Einteilung\"\iKleinhirn:funktionelle Einteilung\"\iEinteilung des Kleinhirns nach den Verschaltungen in Vestibulozerebellum\"\iVestibulozerebellum, Spinozerebellum\"\iSpinozerebellum und Zerebrozerebellum\"\iZerebrozerebellum. Die efferenten Projektionen aus diesen Gebieten (Pfeile) werden den großen motorischen Systemen und den entsprechenden Funktionsabläufen zugeordnet. Vestibulozerebellum: Projektion zu den Vestibulariskernen, Gleichgewicht und Augenbewegung. Spinozerebellum: Projektion zu den lateralen und medialen deszendierenden Systemen, Durchführung von Bewegungen; Zerebrozerebellum: Projektion zum prämotorischen und primären motorischen Kortex, Planung und Programmierung der Bewegung.
[5.26]

Hemmende Interneurone:Kleinhirn\"\iInterneurone des KleinhirnkortexKleinhirn:KortexZerebellum:Kortex bauen räumliche und zeitliche Kontraste auf. a Verschaltung der Korb-Korbzelle:Verschaltung\"\i, Stern-Sternzelle:Verschaltung\"\i und Golgi-Golgi-Zelle:Verschaltung\"\iZellen. b Die Korb- und Sternzellen verstärken den räumlichen Kontrast. Blick auf die Oberfläche des Zerebellums. Die parallelen Scheiben stellen die sagittal angeordneten Purkinje-Zellen dar, das symbolisierte Parallelfaserbündel (1) ist im rechten Winkel dazu in der Frontalebene angeordnet. Ein Parallelfaserstrahl erregt die in und an ihm lokalisierten Purkinje-Purkinje-Zelle:Verschaltung\"\iZellen. Die benachbart liegenden Purkinje-Zellen werden mit abgeschwächter Intensität aktiviert (2), die Korb- und Sternzellen hemmen die geringer erregten Purkinje-Zellen (3).
[5.27, 5.28]

Wesentliche efferente Projektionen aus Vestibulozerebellum:Projektionen\"\iVestibulozerebellum, Spinozerebellum:Projektionen\"\iSpinozerebellum und Zerebrozerebellum:Projektionen\"\iZerebrozerebellum. a Projektionen des Vestibulozerebellums. Das Labyrinth projiziert parallel zum Vestibulozerebellum und in die Vestibulariskerne. b Projektionen des Spinozerebellums. Die Projektion aus dem Vermis (links) beeinflusst über den Nucleus Nucleus:fastigii\"\ifastigii die Muskulatur zum Stamm und zu den proximalen Teilen der Extremitäten. Die Projektion aus der Zona intermedia der Hemisphären (rechts) beeinflusst über den Nucleus interpositus die Muskulatur zu den distalen Extremitäten. c Projektionen des Zerebrozerebellums.

Motorisches Lernen:motorisches\"\iLernen ist an eine unversehrte Zerebellum:motorisches Lernen\"\iKleinhirn:motorisches Lernen\"\iKleinhirnfunktion geknüpft. a Die Versuchsperson trägt eine Prismenbrille, die den optischen Weg nach rechts ablenkt. Sie blickt direkt auf das Ziel, auf das sie den Pfeil richtet. Da der optische Weg um 15° nach rechts abgelenkt ist, ist der Blick um 15° nach links gerichtet, um das Ziel zu sehen. Entsprechend ist das Gesicht hinter der Brille nach links versetzt. Normalerweise ist die Wurfrichtung in Richtung der Sehachse. Hier ist sie durch den Lernvorgang um 15° nach rechts abgelenkt auf den Betrachter zu, der die Position des Ziels symbolisiert. b Die Dart-Würfe einer Kontrollperson. Die Würfe 1–12 (Abszisse) treffen mit geringem Abstand (Ordinate, in cm) in das Ziel. Nach Aufsetzen der Prismenbrille (Pfeil nach oben) wird der Pfeil links am Ziel vorbeigeworfen (Würfe 13–16). Mit zunehmender Wurfzahl wird der Abstand zum Ziel immer kleiner. Nach Absetzen der Prismenbrille (Pfeil nach unten) wird der Pfeil entsprechend nach rechts am Ziel vorbeigeworfen. c Die Dart-Würfe eines Patienten mit gestörter Kleinhirnfunktion (oliväre Hypertrophie:oliväre\"\iHypertrophie). Nach Aufsetzen der Prismenbrille (Pfeil nach oben) wird der Pfeil konstant um den gleichen Betrag links am Ziel vorbeigeworfen. Es findet kein Lernen statt. Nach Absetzen der Prismenbrille (Pfeil nach unten) trifft der Pfeil sofort wieder ins Ziel.

Beteiligung des Kletterfaser-Moosfaser(system):motorisches Lernen\"\i und Moosfaser(system):motorisches Lernen\"\iMoosfaserkanals beim motorischen Lernen. In der oberen Spur ist jeweils der Handgelenkwinkel eines Affen registriert, der die Hand von einer Extensionsposition aus flektiert. Die untere Spur zeigt die Aktivität einer extrazellulär abgeleiteten Purkinje-Purkinje-Zelle:motorisches Lernen\"\iZelle während dieser Bewegung. Die „einfache“ Antwort der Zelle (einzelne Aktionspotenziale) geht auf die Aktivität des Moosfaserkanals zurück, die „komplexe“ Antwort (hochfrequente Salve von mehreren Aktionspotenzialen) auf die Aktivität des Kletterfaserkanals. a Kontrollversuch, Flexion des Handgelenks. Einfache Antworten der Purkinje-Zelle treten häufig auf, komplexe Antworten nur vereinzelt. b Störung der Bewegung durch Gewichtsbelastung. Die komplexen Antworten treten häufiger auf, die einfachen Antworten seltener. c Nach einiger Zeit verbessert sich die Durchführung der Bewegung. Gleichzeitig sinkt die Zahl der komplexen Antworten auf das Kontrollniveau ab, die Häufigkeit der Moosfaserantworten ist im Vergleich zu a sogar noch erniedrigt.
[5.29]

Charakteristika von Skelett-, Herz- und glatter Muskulatur.Muskelfaser:HerzMuskelfaser:glatteMuskelfaser:Skelettmuskel
Charakteristikum | Skelettmuskelfaser | Herzmuskelfaser | Glatte Muskelfaser |
Dicke | 40–100 μm | 10–20 μm | 5–10 μm |
Länge | bis 20 cm | 100–150 μm | 30–200 μm |
Kern | viele Kerne, membranständig | ein Kern, zentral | ein Kern, zentral |
Anordnung der kontraktilen Elemente | parallel, Bildung von Sarkomeren | parallel, Bildung von Sarkomeren | gitterartiges Netzwerk, keine Sarkomeren |
nervale Versorgung | somatisches Nervensystem | vegetatives Nervensystem | vegetatives Nervensystem |
Erregungsübertragung von Zelle zu Zelle | nein | über Gap Junctions | über Gap Junctions |
Proteinzusammensetzung im Skelettmuskel.Z-Scheibe:<03B1>-AktininZ-Scheibe:<03B1>-AktininZ-Scheibe:TitinZ-Scheibe:TitinZ-Scheibe:NebulinZ-Scheibe:NebulinTitinTitinSkelettmuskulatur:StrukturproteineSkelettmuskulatur:StrukturproteineSkelettmuskulatur:RegulatorproteineSkelettmuskulatur:RegulatorproteineSkelettmuskulatur:kontraktile ProteineSkelettmuskulatur:kontraktile ProteineNebulinNebulinMyomesinMyomesinDystrophinDystrophinC-ProteinC-Protein<03B1>-Aktinin<03B1>-AktininMyosin:SkelettmuskulaturAktin:SkelettmuskulaturTropomyosin:SkelettmuskulaturTroponin:Skelettmuskulatur
[5.2]
Protein | % des Gesamtproteins | Molekulargewicht [kDa] | Untereinheiten [kDa] | Funktion |
Kontraktile Proteine | ||||
Myosin | 44 | 510 | 2 × 233 (schwere Ketten)22 und 18 (leichte Ketten) | Hauptkomponenten der dicken Filamente; diese reagieren mit Aktin, hydrolysieren ATP und entwickeln dabei mechanische Kraft |
Aktin | 22 | 42 | – | Hauptkomponente der dünnen Filamente, die bei Kontraktion und Relaxation an Myosinfilamenten vorbeigleiten |
Regulatorproteine | ||||
Tropomyosin | 5 | 64 | 2 × 32 | stabförmiges Protein, das sich längs an die Aktinfilamente anlagert |
Troponin | 5 | 78 | 30 (TnT)30 (TnI)18 (TnC) | kugelförmige Proteine, die in regelmäßigen Abständen entlang den Aktinfilamenten angeordnet sind |
Strukturproteine | ||||
Titin | 9 | 3.000–3.700 | – | sehr großes Protein, das die dicken Filamente mit den Z-Scheiben verbindet (sog. 3. Filament) und für die passive Steifigkeit verantwortlich ist |
Nebulin | 3 | 600 | – | langgestrecktes, nicht dehnbares Protein, das an die Z-Scheiben angeheftet und entlang den Aktinfilamenten verläuft |
α-Aktinin | 1 | 190 | 2 × 95 | verbindet Aktinfilamente in der Region der Z-Scheiben miteinander |
Myomesin | 1 | 185 | – | verbindet in der M-Linie dicke Filamente |
C-Protein | 1 | 140 | – | bindet in der M-Linie Myosin in Streifenform |
Dystrophin | 0,002 | 430 | – | stabilisiert die Muskelzellmembran, verbindet Proteine der Muskelzellmembran mit Aktinfilamenten |
Geschwindigkeitsfaktoren für die Kontraktion und Relaxation quergestreifter Muskulatur.
Kontraktion | Relaxation |
|
|
Muskelrelaxanzien.MuskelrelaxanzienMuskelrelaxanzien:nichtdepolarisierende\bMuskelrelaxanzien:depolarisierende\bCurareCholinesterasehemmer, neuromuskuläre Endplatte
Typ | Prinzip | Eigenschaften |
Nichtdepolarisierende Muskelrelaxanzien | ||
Typ Curare | größere Affinität als ACh zum ACh-Rezeptor, dadurch kompetitive Verdrängung des ACh vom Rezeptor; keine Öffnung der Ionenkanäle, d.h. kein vermehrter Einstrom von Na+ und Ausstrom von K+ („elektrolytneutral“) |
|
Depolarisierende Muskelrelaxanzien | ||
Typ Succinylcholin | größere Affinität als ACh zum ACh-Rezeptor; die Rezeptorkanäle werden längere Zeit geöffnet, zudem wird Succinylcholin durch die Cholinesterase nur langsam abgebaut; Folge: Dauerdepolarisation der Endplatte mit Inaktivierung der potenzialgesteuerten Natriumkanäle |
|
Typ Eserin, Neostigmin | Cholinesterasehemmer, die den Abbau von ACh verzögern; Folge: Dauerdepolarisation |
|
Vergleich zwischen Endplatten- und Muskelaktionspotenzial.Muskelaktionspotenzial:Vergleich mit EndplattenpotenzialEndplattenpotenzialAcetylcholinrezeptor:Endplattenpotenzial
Kriterium | Endplattenpotenzial | Muskelaktionspotenzial |
Auslösung | unspezifischer Kationenkanal des Acetylcholinrezeptors | EPP aktiviert spannungsgesteuerte Natrium- und Kaliumkanäle |
Amplitude | 50 mV | 130 mV |
Dauer | 5–20 ms | 10 ms |
Ausbreitung | elektrotonisch | Fortleitung über das Sarkolemm und das T-System |
Typen der Skelettmuskeln mit Eigenschaften der motorischen Einheiten und der Skelettmuskelfasern; S(I)= langsame Zuckungsfasern, FR(IIA)= schnelle und langsam ermüdbare Zuckungsfasern, FF(IIB)= schnelle, aber schnell ermüdbare Zuckungsfasern.Skelettmuskelfaser:TypenSkelettmuskelfaser:TypenPhosphorylase, MuskelfasertypenPhosphorylase, MuskelfasertypenZuckungsfaser:TypenEinheit:motorische
S(I) | FR(IIA) | FF(IIB) | |
Motorische Einheiten | |||
Kontraktionsform | langsame Zuckung | schnelle Zuckung | schnelle Zuckung |
tetanische Kraftentwicklung [mN] | 10–130 | 50–550 | 300–1.300 |
Anstieg der Einzelzuckung [ms] | 58–110 | 30–55 | 20–47 |
tetanische Fusionsfrequenz [Hz] | 10–20 | 50–200 | |
Axonleitgeschwindigkeit [m/s] | 75–99 | 84–113 | 85–114 |
Ermüdbarkeit | gering | mittel | rasch |
Skelettmuskelfasern | |||
Farbe | rot | rosa/rot | weiß |
Kapillarversorgung | dicht | dicht | gering |
Stoffwechsel | oxidativ | glykolytisch und oxidativ | glykolytisch |
Gehalt an Mitochondrien | reichlich | reichlich | gering |
Phosphorylaseaktivität | niedrig | hoch | hoch |
Myoglobingehalt | hoch | hoch | gering |
Laktatdehydrogenaseaktivität | niedrig | mittel oder hoch | hoch |
Succinatdehydrogenaseaktivität | hoch | mittel | niedrig |
Propriozeptive Systeme der Muskulatur.Propriozeption:MuskulaturMuskulatur:propriozeptive Systeme
Typ | Rezeptor | Axondurchmesser | Adäquater Reiz |
Ia | primärer Spindelrezeptor | 12–20 μm, myelinisiert | Muskellänge und Änderungsgeschwindigkeit der Länge |
Ib | Golgi-Sehnenorgan | 12–20 μm, myelinisiert | Muskelspannung, Kontraktionskraft |
II | sekundärer Spindelrezeptor | 6–12 μm, myelinisiert | Muskellänge |
II | freie Muskelafferenzen | 6–12 μm, myelinisiert | tiefe Druckempfindung |
III | freie Nervenendigungen | 2–6 μm, myelinisiert | Schmerz, Temperatur, chemische Reize |
IV | freie Nervenendigungen | 0,5–2 μm, nichtmyelinisiert | Schmerz, Temperatur, chemische Reize |
Motorisches System
-
5.1
Knochen162
-
5.2
Muskulatur169
-
5.3
Motorik: Ziel, Programm, sensorisches Feedback198
-
5.4
Motorische Kortexgebiete201
-
5.5
Organisation des Rückenmarks207
5.5.1
Sensomotorische Integration und Reflexe208
5.5.2
Muskelrezeptoren210
5.5.3
Interneurone als Zentren der Integration214
5.5.4
Verarbeitungssystem der Muskelspindelafferenzen216
5.5.5
Verarbeitungssystem der Golgi-Sehnenorgane220
5.5.6
Extremitätenübergreifende spinale Systeme zur Organisation von Flexion und Extension222
-
5.6
Ortsveränderung des Körpers im Raum – Lokomotion225
-
5.7
Sicherung der Haltung als Bestandteil des Bewegungsprogramms229
-
5.8
Basalganglien233
-
5.9
Zerebellum240
Zur Orientierung
System:motorisches\bDie Bewegung des Körpers im Raum, das Ergreifen und Nutzen von Gegenständen und die Sicherung der Körperhaltung gegenüber extern einwirkenden Kräften (z.B. Schwerkraft) ist eine Leistung des motorischen Systems. Das Nervensystem baut diese komplexen Funktionen in einen zielorientierten Verhaltenskontext ein; an der Durchführung sind motorische und sensorische Systeme, die Knochen und die Muskulatur beteiligt.
Die Gelenke des Skelettsystems sind die Hebel, mit denen sich der Körper bewegt. Gleichzeitig müssen sie für Stand und Haltung fixiert werden. Dabei passt der Knochen als Ansatz der Muskeln seine mechanische Belastbarkeit fortwährend durch An- und Abbau von Knochensubstanz (mineralisiertes Osteoid) an die angreifenden Kräfte an.
Muskeln sind die Motoren der Gelenke. Sie bestehen aus Zellen, die reich an kontraktilen Proteinen sind. Unter Energieverbrauch entwickeln sie bei hoher Kontraktionsgeschwindigkeit große Kräfte.
Die Muskeln werden von den Bewegungsprogrammen des Nervensystems aktiviert, die zur Durchführung von Bewegungen die Muskeln und Muskelgruppen der Gelenke koordinieren. Koordination und Timing fein abgestufter Muskelkontraktionen werden durch Üben erlernt, wir bewegen uns so gut, wie wir geübt haben.
5.1
Knochen
Zur Orientierung
Knochen sind für die Formgebung des Körpers, den Schutz der inneren Organe sowie als Ansatz und Ursprung der Muskeln für die Fortbewegung des Körpers eine notwendige Voraussetzung. Sie werden von Osteoblasten, Osteozyten und Osteoklasten so auf- und umgebaut, dass sie sich ihren mechanischen Belastungen anpassen. Dazu ist ein komplexes Kommunikationssystem zwischen den Knochenzellen erforderlich. Sie werden darüber hinaus von Hormonen beeinflusst, die das Knochenwachstum kontrollieren und durch Änderungen der Einbau- und Freisetzungsrate von Kalzium u.a. zur Konstanz des Kalziumspiegels im Organismus beitragen.
5.1.1
Funktion und Bauprinzip
Aufgaben des Knochens
Knochenbau
Zusammensetzung der extrazellulären Matrix
•
Proteoglykane, KnochenProteoglykane, die Kalziumionen, Kollagen, Peptidhormone und andere Proteine binden können
•
knochenspezifische Proteine wie OsteocalcinOsteocalcin, OsteonectinOsteonectin, OsteopontinOsteopontin, die zusammen mit der alkalischen Knochenphosphatase zu einer kontrollierten Mineralisierung des Knochens beitragen
MERKE
Extrazelluläre Matrix = zwei Drittel Kalziumphosphate (ApraxieKompressionsfestigkeit), ein Drittel organische Substanzen (Zugfestigkeit), zusätzlich Induktorsubstanzen.
5.1.2
Osteoblasten und Osteozyten
•
Prostaglandine
•
Interleukine
•
Transforming Growth Factor (TGF) β
•
Bone Morphogenetic Proteins (BMP)
•
Somatomedine (Insulin-Like Growth Factors I und II)
MERKE
Die Osteoblasten bilden Matrixproteine und kontrollieren deren Mineralisierung. Osteozyten sind in der Matrix eingemauerte Zellen mit geringer Syntheseleistung, die aber über ihre langen Fortsätze ein Zellnetz für Stoff- und Signaltransporte bilden.
5.1.3
Humorale Kontrolle der Knochenbildung
Kalziumregulation
Klinik
Rachitis, OsteomalazieFehlt Kalzitriol, sind nicht nur die intestinale und renale Kalzium- und Phosphatresorption, sondern auch die Syntheseleistung von Osteoblasten reduziert und damit die Knochenneubildung gestört. Daraus entwickelt sich:
•
bei Kindern die Rachitis, die durch Knochenverformungen gekennzeichnet ist
•
bei Erwachsenen die Osteomalazie, bei der der Knochen bei normalem Volumen einen stark verminderten Anteil an mineralisierter Grundsubstanz besitzt
HyperparathyreoidismusIn der Niere wird 25-Hydroxycholecalciferol durch 1-Hydroxylierung in das biologisch aktive Kalzitriol umgewandelt. Kalzitriol hemmt u.a. die Ausschüttung von Parathormon aus den Nebenschilddrüsen (das seinerseits die Kalzitriolbildung in der Niere fördert). Fällt diese Hemmung z.B. bei chronisch Nierenkranken weg, wird mehr Parathormon ausgeschüttet, und es kann sich ein Hyperparathyreoidismus entwickeln. Bereits bei einer Halbierung der glomerulären Filtrationsrate (als Zeichen der verminderten Nierenfunktion) nimmt der Kalzitriolspiegel ab, während der Parathormonspiegel (> 1 nmol/l) steigt. Dabei sinkt die Kalziumresorption im Darm. Daraus ergeben sich Knochenveränderungen, die insbesondere bei Jugendlichen durch eine deutlich gesteigerte Aktivität der Osteoblasten und Osteoklasten gekennzeichnet sind. Störungen der Kalzifizierung eines oft irregulär aufgebauten Osteoids und vermehrte Knochenabbauzonen spiegeln einen gesteigerten Knochenumbau wider. Die Gabe von Kalzitriol, das in der erkrankten Niere nicht mehr in ausreichendem Umfang gebildet werden kann, hemmt die Parathormonausschüttung und normalisiert die Knochenhistologie.
Dieser Abschnitt wurde von C. Schulte, Medizinische Klinik der Universitätskliniken Essen, geprüft.
Steroidhormone
Andere Hormone
Klinik
OsteoporoseErhöhte Glukokortikoidspiegel, wie sie beim Morbus Cushing, aber auch bei Steroidtherapie auftreten, hemmen die Osteoidbildung, stimulieren die Knochenresorption (s.u.) und vermindern so die Knochengewebsmasse. Die Form des Knochens bleibt dabei unverändert. Diese Störung mindert die mechanische Belastbarkeit erheblich. Sie wird als Osteoporose bezeichnet. Besonders häufig tritt Osteoporose bei älteren Frauen auf. Offensichtlich tragen der postmenopausale Abfall der Östrogenkonzentration und der Ausfall von Progesteron wesentlich zu diesem Krankheitsbild bei.
Second-Messenger-Kaskaden
•
osteotrope Hormone wie Parathormon oder Botenstoffe an Membranrezeptoren binden
•
Dehnungsreize auf die Zelle einwirken
5.1.4
Stoff- und Signaltransport im Knochen
Konvektiver Transport im Knochen
Klinik
Blutungen bei FrakturenDie starke Knochendurchblutung macht verständlich, dass man bei einer Fraktur verbluten kann. Bei einer Oberschenkelfraktur ist z.B. mit einem Blutverlust von bis zu 2 Litern zu rechnen. Nach Knochenfrakturen kann die Durchblutung innerhalb weniger Tage auf ein Mehrfaches des Ausgangswerts ansteigen, um den für die Heilung erforderlichen Stoffwechsel zu ermöglichen. Der behandelnde Arzt darf daher die Knochendurchblutung durch Schrauben u.Ä. nicht so weit einschränken, dass der Heilungsprozess gefährdet ist.
Stofftransport im Knochenzellverband
Signalleitung
5.1.5
Osteoklasten
MERKE
Osteoklasten bauen Knochengewebe ab.
Morphologie der Osteoklasten
Knochenabbau
Kalziumkonzentration im Osteoklasten und Kalziumabtransport
Humorale Kontrolle der Osteoklasten
5.1.6
Anpassung an mechanische Belastungen
MERKE
Auch lokal begrenzte Belastungen führen zu ausgedehnten Knochenreaktionen, die in der Regel die nötige Stabilität des Knochens sicherstellen.
ZUSAMMENFASSUNG
Morphologie
Regulation
Gap Junctions
Belastungsanpassung
5.2
Muskulatur
Zur Orientierung
Die Muskulatur ist unser größtes Organsystem. Bei einem 70 kg schweren Menschen beträgt ihr Gewicht etwa 30 kg.
Die ca. 400 Skelettmuskeln stehen unter präziser Kontrolle des peripheren und zentralen Nervensystems, wirken im Rahmen der Stützmotorik der Erdanziehungskraft entgegen und leisten im Rahmen der Zielmotorik gerichtete mechanische Bewegungs- und Haltearbeit (z.B. Gehen, Schreiben, Sprechen). Fällt die quergestreifte Muskulatur aus, macht dies den Menschen zu einem Pflegefall.
Glatte Muskelzellen sind wichtiger Bestandteil aller Organe und dienen z.B. in den Gefäßen der Regulation des Blutdrucks (Kap. 9.2.6), in den Bronchien der Einstellung des Luftströmungswiderstandes (Kap. 10.4), im Magen-Darm-Kanal (Kap. 14) und Urogenitaltrakt (Kap. 11) der Aufnahme von Nahrungsmitteln und Ausscheidung von Stoffen, die bei der Verdauung und beim Stoffwechsel anfallen (Kap. 15). Fällt die glatte Muskulatur aus, z.B. im Magen-Darm-Trakt oder in der Harnblase, erfordert dies ein rasches ärztliches Eingreifen. Muskeln bestehen aus hoch spezialisierten Zellen, deren wichtigste Eigenschaft die Kontraktilität ist, d.h. die Fähigkeit, sich zusammenzuziehen. Kontraktilität entsteht in allen Muskelzellen durch Interaktion zweier filamentärer Proteine, Aktin und Myosin.
5.2.1
Einteilung
Klinik
Die glatte Muskulatur spielt in der klinischen Medizin eine viel größere Rolle als die Skelettmuskulatur, da Funktionsstörungen der glatten Muskulatur häufiger vorkommen als Störungen der Skelettmuskulatur und zu generalisierteren pathologischen Veränderungen führen. Eine pathologische Fehlfunktion glatter Muskeln, z.B. ein erhöhter Tonus, ist eine wesentliche Ursache vieler Zivilisationskrankheiten, u.a. bei Bluthochdruck, koronarer Herzkrankheit, Arteriosklerose, Asthma bronchiale und Krankheiten des Gastrointestinal- und Urogenitaltrakts (Inkontinenz). Kenntnisse über die Funktion der glatten Muskulatur sind daher wichtig, um die Ätiologie und Therapiemaßnahmen dieser Krankheiten verstehen zu können.
5.2.2
Quergestreifte Muskulatur
Bauprinzip und Funktion
Aufbau der quergestreiften Muskulatur
•
Die seitlichen geraden Augenmuskeln besitzen Augenmuskeln:motorische Einheitinsgesamt 1.740 motorische Einheiten mit je 13 Muskelfasern, die eine Maximalkraft von je 0,001 N haben.
•
Der 2-köpfige OberarmmuskelMusculus:biceps besitzt insgesamt 774 motorische Einheiten mit je 750 Muskelfasern pro Einheit, die eine Maximalkraft von je 0,5 N haben.
MERKE
Eine motorische Einheit besteht aus einer Vorderhornzelle und allen von ihr innervierten Skelettmuskelzellen.
•
Myofibrillen: Sie bestehen Skelettmuskelfaser:MyofibrillenMyofibrille:Skelettmuskulaturaus den kontraktilen Proteinen Aktin und Myosin, den Regulatorproteinen Troponin und Tropomyosin und einer Reihe von Struktur- und Zytoskelettproteinen wie α-Aktinin, Nebulin und Titin. Die Filamente haben unterschiedliche optische Eigenschaften in Form aufeinander folgender dunkler und heller Banden und bilden so als charakteristisches Merkmal eine Querstreifung.
•
Myofilamente: Die dunklen A-Skelettmuskelfaser:MyofilamenteMyofilamenteBanden enthalten die dicken A-BandeMyosinfilamente, die hellen I-Banden die dünnen Aktinfilamente (AI-Bande = anisotrop = doppelbrechend im polarisierten Licht, I = isotrop = einfach brechend). Die beiden Filamentarten werden durch Stütz- und Verbindungsstrukturen im Register gehalten. In der Mitte der A-Banden liegt die M-Linie oder M-Bande, in der Mitte der M-LinieI-Banden die Z-Scheibe. Beidseits der M-Z-ScheibeLinie befindet sich die H-Zone, in der sich Myosin- und H-ZoneAktinfilamente nicht überlappen. Der zwischen 2 Z-Scheiben liegende Bereich wird Sarkomer genannt. Es handelt sich Sarkomerdabei um die kleinste kontraktile Einheit der Skelettmuskelzelle mit einer Länge von 2,2 μm im entspannten Zustand. In der kontrahierten Muskelzelle bleibt die Breite der gesamten A-Bande unverändert, während sich I-Bande und H-Zone je nach dem Kontraktionsgrad mehr oder minder stark verschmälern. Die elastischen Titinfilamente, die heute oft als das 3. Filament bezeichnet werden, erstrecken sich von der Z-Scheibe bis zum Myosin in der Sarkomermitte.
MERKE
Die Muskelfaser (= Muskelzelle) enthält Myofibrillen (von Tubuli umgebene Filamentbündel), und diese enthalten Myofilamente (Aktin- und Myosinmoleküle).
Aktin, Tropomyosin und Troponin (dünnes Filament)
•
Troponin T (TnT) stellt die Verbindung Troponin:Tzum Tropomyosin her.
•
Troponin I (TnI) hemmt die Bindung von Troponin:IMyosin an Aktin.
•
Troponin C (TnC) bindet Kalziumionen.
Myosin (dickes Filament)
Strukturproteine
L-System, T-System, Triaden
Kontraktion der quergestreiften Muskulatur
Mechanismus der Kontraktion
MERKE
Die krafterzeugenden Elemente des Muskels sind die Myosin-Aktin-Querbrücken.
Klinik
Rigor und TotenstarreWenn in einem Muskel der Vorrat an energiereichen Phosphaten (ATP und Kreatinphosphat) erschöpft ist, wird er steif und kann nicht mehr gedehnt werden. Man nennt diesen Zustand Rigor. Auch die Totenstarre beruht auf einem Mangel an ATP bei gleichzeitig hoher zytosolischer freier Ca2+-Konzentration.
Elektromechanische Koppelung
MERKE
Unter elektromechanischer Koppelung fasst man alle Prozesse zusammen, die daran beteiligt sind, die elektrische Membranerregung in eine Kontraktion umzusetzen. Um eine Kontraktion auszulösen, muss die zytosolische Ca2+-Konzentration geregelt ansteigen. Ca2+ ist der „Messenger“ der elektromechanischen Koppelung.
MERKE
Intrazelluläres Ca2+ ist der Trigger der Myosin-Aktin-Interaktion.
•
Ca2+-Pumpen im SR transportieren Ca2+ aus dem Zytosol in das Lumen des SR.
•
Ca2+-Pumpen im Sarkolemm transportieren Ca2+ aus dem Zytosol in die extrazelluläre Flüssigkeit.
Elektrophysiologie des Skelettmuskels
Neuromuskuläre Endplatte
MERKE
Jeder präsynaptische Endkolben des Telodendrons umfasst:
•
synaptische Vesikel, die den Transmitter ACh enthalten
•
eine spezialisierte Membran zur Transmitterfreisetzung
•
potenzialgesteuerte neuronale Kalziumkanäle, die bei Depolarisation einen Ca2+-Einstrom bewirkeln, der wiederum die Ca2+-abhängige Transmitterfreisetzung steuert
Klinik
Blockade der neuromuskulären ErregungsübertragungDie Erregungsübertragung kann prä- (Blockade der ACh-Freisetzung) oder postsynaptisch (Blockade der neuromuskulären Endplatte) blockiert werden:
•
Präsynaptische Blockade: Das Gift der Botulinus-Bakterien (Vorkommen in verdorbenem rohem Fleisch und Konserven) blockiert die präsynaptische ACh-Freisetzung. Frühsymptom ist die Schwächung des Augenmuskels, die zu herabhängenden Augenlidern (Ptosis) führt. Unter experimentellen Bedingungen kann die ACh-Freisetzung auch durch den Entzug von Ca2+ und den Zusatz von Mg2+ verhindert werden.
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Postsynaptische Blockade: Pharmaka, die die neuromuskuläre Endplatte blockieren (Muskelrelaxanzien), schalten unwillkürliche, reflektorische Muskelkontraktionen während einer Operation aus (Tab. 5.4). Die am ZNS wirkenden Anästhetika können somit sehr niedrig dosiert werden, sodass sie nur noch das Bewusstsein und die Schmerzempfindung unterdrücken. Ihre Nebenwirkungen auf die Herz-Kreislauf-Funktion werden erheblich vermindert. Allerdings muss der Patient künstlich beatmet werden, da die Muskelrelaxanzien auch die neuromuskuläre Erregungsübertragung in der Atemmuskulatur blockieren. Man unterscheidet nichtdepolarisierende Muskelrelaxanzien (Typ Curare), die die nikotinischen ACh-Rezeptoren kompetitiv blockieren, ohne ein Aktionspotenzial auszulösen (s.u.), von depolarisierenden Relaxanzien (Typ Succinylcholin) und Cholinesterasehemmern (Typ Neostigmin), die zu einer lang andauernden Depolarisation der Endplatte führen. Die Wirkungen der Muskelrelaxanzien sind reversibel, es ist aber auch eine irreversible Blockade möglich, z.B. durch das Schlangengift Bungarotoxin (bindet irreversibel an den ACh-Rezeptor), durch das Insektizid E605 (irreversible Hemmung der Cholinesterase) oder durch „Kampfgase“.
Endplattenpotenzial
Muskelaktionspotenzial
Klinik
Eine krankhafte Muskelfunktion kann auf Störungen der Erregungsprozesse, des kontraktilen Apparats bzw. der Muskelzelle zurückgeführt werden (Abb. 5.11).
Myasthenia gravisKardinalsymptome dieser erworbenen Autoimmunerkrankung sind die Muskelschwäche und eine krankhafte Ermüdbarkeit unter Muskelarbeit, die sich in Ruhe bessert. An der postsynaptischen Membran werden Immunkomplexe (IgG und Komplement) abgelagert, es sind zu wenige nikotinische Ach-Rezeptoren vorhanden und zirkulierende Antikörper gegen den Ach-Rezeptor nachweisbar.
Hypokaliämische periodische ParalysePeriodische oder paroxysmale Lähmungen sind Folge einer gestörten elektrischen Membranstabilität. Es treten Lähmungsattacken auf (erstmals 6.–20. Lebensjahr, werden dann zunächst häufiger und heftiger, schwächen sich ab und bleiben im höheren Lebensalter aus), die durch kohlenhydratreiche Mahlzeiten oder Ruhe nach körperlicher Belastung ausgelöst werden können. Kohlenhydrate aktivieren über eine Insulinausschüttung die Na+/K+-ATPase der Zellmembran, die dann Kaliumionen in den Intrazellulärraum der Muskelfaser transportiert. Die dadurch bedingte Senkung der extrazellulären Kaliumkonzentration hyperpolarisiert bei normalen Muskelfasern die Membran, bei Patienten mit hypokaliämischer periodischer Paralyse wird sie jedoch depolarisiert. Ursächliches Gen ist die α1-Untereinheit des DHP-Rezeptors.
Myotonia congenitaDie Muskulatur relaxiert nur verzögert, was die Patienten als Steifigkeit empfinden. Auch bei dieser Erkrankung ist die elektrische Membranstabilität der Muskelfaser gestört, wobei die Ursache eine verminderte Membranleitfähigkeit für Chloridionen ist. Dadurch reagieren die Muskelfasern auf kurze nervale Reize mit lang andauernden Aktionspotenzialsalven.
Paramyotonia congenitaAuch diese Erkrankung geht mit einer verzögerten Muskelerschlaffung einher. Sie ist selten und häufiger autosomal rezessiv als autosomal dominant vererbt. Ursache ist eine Störung im Bereich der Natriumkanäle des Sarkolemms.
Maligne HyperthermieSie ist eine seltene, aber gefürchtete Narkosekomplikation. Die Symptomatik kann grundsätzlich von jedem Inhalationsnarkotikum ausgelöst werden. Die Körperkerntemperatur steigt bis über 43 °C an. Es kommt zu einer massiven aeroben und anaeroben Stoffwechselsteigerung mit Hyperkapnie (PCO2 bis über 100 mmHg), Laktatanstieg und einer entsprechend schweren Azidose. Die Patienten sind tachykard und tachypnoisch, der Puls ist arrhythmisch. Typisch sind auch Kontrakturen, insbesondere der Masseterspasmus als Frühzeichen. Der Erkrankung liegt ein Defekt des Ryanodinrezeptors zugrunde, sodass unter der Einwirkung bestimmter Narkosemittel die Schwelle für die Freisetzung von Ca2+-Ionen aus dem SR sinkt und vermehrt Ca2+ ins Myoplasma freigesetzt wird. Die erhöhte Kalziumkonzentration aktiviert die Myosin-ATPase, die durch Spaltung von ATP den Kontraktionszyklus unterhält. Folge sind Kontrakturen und hoher Energieverbrauch sowie Wärmeproduktion.
Duchenne-DystrophieMuskeldystrophien gehen mit einem fortschreitenden Abbau quergestreifter Muskulatur einher, d.h., die Muskulatur wird zunehmend atrophisch. Jenseits des 20. Lebensjahrs entwickelt sich eine lebensbegrenzende dilatative Kardiomyopathie mit verminderter Auswurffraktion und Herzrhythmusstörungen. Erschwerend wirkt die restriktive Ventilationsstörung durch Schwächung der Atemmuskulatur. Die Lebenserwartung ist meist unter 25 Jahren. Ursache dieser X-chromosomal rezessiv vererbten Erkrankung ist das Fehlen oder der hochgradige Mangel des Dystrophinproteins (Tab. 5.2), d.h., es werden keine oder nur kurze Dystrophinfragmente gebildet, sodass ein unvollständiges sarkomerisches Zytoskelett entsteht und die Muskelfaser in ihrer mechanischen Funktion gestört ist.
Glykogenose V McArdleBei dieser autosomal vererbten Erkrankung ist der innerhalb der Muskelzelle stattfindende Stoffwechsel gestört. Kardinalsymptom ist eine Belastungsintoleranz mit Muskelschmerzen, rascher Ermüdung und Steifigkeit. Die Beschwerden setzen meist im Jugendalter ein. Grundsätzlich kann jeder Muskel betroffen sein. So kann es z.B. beim Kauen in der Kaumuskulatur oder beim Gehen in den Beinen zu Schmerzen kommen. Ursache ist ein Mangel an Muskelphosphorylase, die normalerweise die äußeren Ketten des Glykogens um ein Glukosemolekül verkürzt. Daher ist zu wenig Glukose verfügbar, und es entsteht ein Energiedefizit bei Kurzzeitbelastung.
Elektromyografie
MERKE
Bei der Elektromyografie (EMG) werden extrazelluläre elektrische Potenziale aus der Skelettmuskulatur registriert.
MERKE
Beim EMG liegen im Ableitbereich der Nadelelektrode in der Regel 15–20 Muskelfasern einer motorischen Einheit. Gleichzeitig können 5–10 verschiedene motorische Einheiten erfasst werden. Daher stellen die abgeleiteten Potenziale in der Regel Summenaktionspotenzial:ElektromyografieElektromyografie:SummenaktionspotenzialSummenaktionspotenziale dar. Den unregelmäßig auftretenden Miniaturendplattenpotenzialen (s.o.) entspricht im Elektromyogramm eine unruhige Null-Linie, die als EndplattenrauschenEndplattenrauschen bezeichnet wird.
Klinik
Myogene oder neurogene StörungErkrankungen der Muskeln können oft nur schwer von Erkrankungen der Nerven unterschieden werden. Neurophysiologische Untersuchungen wie die Elektroneurografie und das EMG werden angewandt, um zu untersuchen, ob das neuromuskuläre System zentral, peripher, an Nerv, Synapse oder Muskel, an Axon oder Myelinscheide geschädigt ist, und ob die Erkrankung akut, chronisch oder rezidivierend ist. Dabei kann die EMG-Analyse der Potenzialkonfiguration einzelner motorischer Einheiten sowie die Auswertung des Interferenzmusters der Summenaktionspotenziale bei der Differenzialdiagnose wichtige Hinweise liefern.
MyopathieBei einer Myopathie verringern sich sowohl die Zahl der Muskelfasern pro motorischer Einheit als auch die Zahl motorischer Einheiten. Daher haben die Aktionspotenziale motorischer Einheiten häufig eine verminderte Amplitude, eine verkürzte Dauer einzelner Anteile der Summenaktionspotenziale und eine vermehrte Polyphasie. Vermehrte Polyphasie bedeutet, dass die Potenziale anstelle der normalen di- oder triphasischen Konfiguration (Abb. 5.12) eine größere Zahl von Durchgängen durch die Null-Linie des EMG zeigen. Um eine bestimmte Muskelkraft bei Willkürinnervation zu erreichen, muss ein myopathisch erkrankter Muskel mehr motorische Einheiten rekrutieren als ein gesunder Muskel, da die Kraftentwicklung der Einzeleinheit durch die Myopathie reduziert ist. Daher tritt ein Interferenzmuster schon bei relativ geringer Kraftentwicklung auf.
NeuropathieKomplexer sind die Verhältnisse bei einer Neuropathie, da der Muskel völlig denerviert, teilweise denerviert oder bereits wieder reinnerviert sein kann. So kann die oben beschriebene Konfiguration der Aktionspotenziale bei einer Myopathie durchaus auch für eine frische Reinnervation sprechen.
Alle genannten Zeichen sind also allein weder absolut kennzeichnend noch obligat für Myopathien oder Neuropathien!
Muskelfasertypen
Einteilung
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Typ-S-Fasern („Skelettmuskelfaser:Typenslow“), auch Gruppe-I-Einheiten genannt, entwickeln bei Einzelzuckungen und tetanischen Kontraktionen eine geringe Kontraktionskraft. Der Kraftanstieg ist langsam. Die Kontraktionskraft kann über lange Zeit aufrechterhalten werden, da die Muskelfasern aufgrund ihrer Enzymausstattung einen aeroben Stoffwechsel besitzen.
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Typ-FR-Fasern („fast, fatigue-resistant“), auch als Gruppe-IIA-Fasern bezeichnet, entwickeln bei Einzelzuckungen und tetanischen Kontraktionen eine mittlere Kontraktionskraft. Sie kontrahieren sehr schnell, die Kontraktionskraft kann aber auch über lange Zeit aufrechterhalten werden, da in den FR-Muskelfasern aerober und anaerober Stoffwechsel parallel exprimiert sind.
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Typ-FF-Fasern („fast, fast-fatigable“), auch Gruppe-IIB-Fasern genannt, entwickeln bei Einzelzuckungen und tetanischen Kontraktionen eine hohe Kontraktionskraft. Der Kraftanstieg ist sehr schnell. Bei lang anhaltenden Kontraktionen ermüden sie jedoch rasch, da sie nur einen niedrigen aeroben Stoffwechsel aufweisen.
Unterschiede
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Die Geschwindigkeit der Kraftentwicklung sowohl am Anfang als auch am Ende einer Kontraktion ist bei den schnellen Fasern um den Faktor 2–4 schneller.
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Die intrazelluläre KalziumkonzentrationKalziumkonzentration:intrazelluläre steigt bei den schnellen Fasern ungefähr 3-mal schneller an.
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Die Aufstrichgeschwindigkeit des Aktionspotenzials, d.h. die Depolarisation, ist bei den schnellen Fasern schneller.
MERKE
Energieproduktion und Geschwindigkeit der Kontraktion sind miteinander korreliert, da die Kontraktionsgeschwindigkeit von der Aktin-Myosin-ATPase-Aktivität abhängt.
Muskelmechanik
Kontraktionsformen
MERKE
Bei einem überschwelligen Reiz verkürzt sich die quergestreifte MuskulaturMuskulatur:quergestreifte oder entwickelt eine Spannung, wenn sie an der Verkürzung gehindert wird. Dieser Vorgang wird als MuskelzuckungMuskelzuckung bezeichnet.
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Isotonische Muskelzuckung: Ein Muskel zuckt isotonisch, wenn er sich bei Muskelzuckung:isotonische\bunveränderter Spannung, also z.B. bei Belastung durch ein frei zu hebendes Gewicht, verkürzen kann.
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Isometrische Muskelzuckung: Ein Muskel arbeitet isometrisch, wenn er an Muskelzuckung:isometrische\bden Enden festgehalten wird, also bei unveränderter Länge nur Spannung entwickelt.
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Auxotonische Muskelzuckung: Unter natürlichen Bedingungen arbeitet ein Muskel Muskelzuckung:auxotonischeweder isotonisch noch isometrisch, sondern ändert gleichzeitig seine Länge und seine Spannung. Er vollführt eine auxotonische Kontraktion.
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Unterstützungszuckung: Wenn ein zu hebendes Gewicht nicht frei am Skelettmuskulatur:UnterstützungszuckungMuskel hängt, sondern auf einer Unterlage ruht, wird der Muskel zunächst isometrisch arbeiten. Erst dann, wenn er das Gewicht durch die entwickelte Spannung heben kann, wird er sich isotonisch verkürzen. Man spricht in diesem Fall von einer Unterstützungszuckung. In dieser Weise arbeitet z.B. die Muskulatur der Herzkammern: Sie kontrahiert sich zunächst isometrisch und kann sich erst verkürzen, wenn die von ihr erzeugte Spannung groß genug ist, um den diastolischen Druck in der Aorta bzw. in der A. pulmonalis zu überwinden und das Blut auszuwerfen (Kap. 9.2.3).
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Anschlagszuckung: Gewissermaßen das Gegenstück zur Skelettmuskulatur:AnschlagszuckungUnterstützungszuckung ist die Anschlagszuckung: Ein frei am Muskel hängendes Gewicht wird zunächst isotonisch gehoben, bis es an einem Anschlag festgehalten wird, sodass die weitere Kontraktion isometrisch erfolgt.
Abhängigkeit der Kontraktionskraft von der Muskellänge
MERKE
Die Ruhedehnungskurve gibt die passive Dehnbarkeit:SkelettmuskelDehnbarkeit des ruhenden Muskels wieder: Mit zunehmender Dehnung des Muskels muss eine immer größere Kraft aufgewendet werden, um ihn noch weiter dehnen zu können.
Abhängigkeit der Kontraktionskraft von der Erregungsfrequenz
MERKE
Bei einer Serie von Reizen stellt sich durch Superposition von Einzelzuckungen eine Dauerkontraktion ein.
MERKE
Fusionsfrequenz ist diejenige Reizfrequenz, die gerade eine vollständige tetanische Kontraktion auslöst.
Abhängigkeit der Kontraktionskraft von der Verkürzungsgeschwindigkeit
Regulation der Kontraktionskraft
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Frequenzcodierung: Die Erregungsfrequenz der einzelnen motorischen Einheiten wird variiert. Bei tetanischer Erregung steigt die Kontraktionskraft auf mehr als das Doppelte der Kraftentwicklung bei Einzelerregung (Abb. 5.16), wodurch der Spielraum für die Regulation, vor allem aber die feine Abstufung der Kontraktionskraft gegeben ist. Der Kraftanstieg beruht dabei nicht darauf, dass Kalzium stärker ansteigt, sondern darauf, dass die hohe Kalziumkonzentration im Tetanus längere Zeit auf die Myofilamente einwirken kann.
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Rekrutierung: Eine unterschiedliche Zahl motorischer Einheiten innerhalb eines Muskels wird gleichzeitig erregt. Jede Einheit hat dabei ihre eigene Rekrutierungsschwelle. Bei steigender Kontraktionskraft ist die Rekrutierungsabfolge relativ stereotyp von zuerst S- über FR- nach FF-Fasern. Die Kontraktionskraft kann dabei nicht sehr fein abgestuft werden (immer nur als Vielfaches von motorischen Einheiten), ist dafür aber um das 5–10-Fache steigerbar.
Energiehaushalt
ATP-Umsatz
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Bei isometrischer Kontraktion ist die Frequenz des Querbrückenzyklus Muskelkontraktion:isometrischeniedrig. Sie wird Muskelzuckung:isometrischeweiter reduziert, wenn ein Muskel gleichzeitig gedehnt wird. Diese Situation wird auch als negative Arbeit bezeichnet. Eine derartige Dehnung während der Kontraktion geschieht immer dann, wenn die Muskulatur die Geschwindigkeit des Körpers abbremst (z.B. Treppengehen abwärts). Bei isotonischen Kontraktionen steigt die Frequenz der Querbrückenzyklen Muskelzuckung:isotonischeund damit der Muskelkontraktion:isotonischeATP-Verbrauch proportional zur mechanischen Leistung des Muskels. Dabei sind insbesondere hohe Geschwindigkeiten bei geringer Last mit einem extrem hohen ATP-Verbrauch verbunden.
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Die Verkürzungsgeschwindigkeit ist letztlich durch die Art der Myosin-Isoenzyme limitiert. Schnelle Fasern mit einem Myosin-Isoenzym mit hoher ATP-Hydrolyse-Rate verbrauchen mehr Energie als langsame Fasern.
ATP-Bildung und Substratverbrauch
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Die Bildung von ATP durch direkte Phosphorylierung von ADP aus Kreatinphosphat ist ein extrem schneller Vorgang. Die Kreatinphosphatkonzentration beträgt etwa 10–20 μmol/g Feuchtgewicht, was für nur wenige Kontraktionen ausreicht. In einer anderen Phosphorylierungsreaktion entsteht unter dem Einfluss der Adenylatkinase aus 2 Molekülen ADP je ein Molekül ATP und AMP.
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Die anaerobe Glykolyse verläuft sehr rasch und gewährleistet vorübergehend eine Glykolyse:anaerobe, Muskulaturausreichende ATP-Produktion auch in sehr schnellen Muskeln. Sie ist während inadäquater O2-Versorgung immer von Bedeutung, z.B. bei Beginn der Arbeit, wenn im Muskel ein O2-Defizit herrscht.
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Die oxidative Phosphorylierung von Fettsäuren und von Glykosylresten aus Phosphorylierung, oxidative:MuskulaturGlykogen ist die wichtigste Energiequelle im Muskel. Sie liefert Glykogen:ATP-Bildungkontinuierlich ATP bei adäquater Durchblutung. Da sie jedoch langsam abläuft, kann sie den maximalen ATP-Verbrauch schneller Muskeln nicht vollständig decken.
MERKE
Die Oxidation von Fettsäuren und von Glukose aus Glykogen, das im Muskel gespeichert ist, ist die wichtigste Energiequelle bei andauernder Muskelarbeit.
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Schwere körperliche Tätigkeiten oberhalb 75–80% des maximalen O2-Verbrauchs (mehr als 150 Watt) können überwiegend nur durch Oxidation von Glukose aus Muskelglykogen bestritten werden. Dementsprechend hängt die mögliche Maximaldauer dieser Arbeit von der Höhe der Glykogenkonzentration im Muskel zu Beginn der Arbeit ab. Im ruhenden Muskel beträgt die Glykogenkonzentration 50–100 μmol Glukoseeinheiten pro 1 g Muskel (feucht).
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Viele Stunden dauernde Muskelarbeiten werden überwiegend durch Fettsäureoxidation bestritten. Entsprechend beträgt der respiratorische Quotient RQ mehrFettsäuren:ATP-Bildung als 0,9 bei schwerer und ca. 0,8 bei leichterer Muskelarbeit (Kap. 15.4.1).
Koordination von Energiestoffwechsel und Kontraktion
MERKE
Die intrazelluläre Ca2+-Konzentration koordiniert in einer konzertierten Aktion unterschiedliche zelluläre Mechanismen der Skelettmuskelzellen wie Glykogenabbau und Aktin-Myosin-Querbrückenmechanismus.
Wärmeproduktion bei Muskelarbeit
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Aktivierungswärme: Unabhängig von der mechanischen Leistung des Aktivierungswärme, SkelettmuskulaturMuskels entsteht durch die Wechselwirkung zwischen Aktin und Myosin zu Beginn jeder Arbeit die Aktivierungswärme.
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Erhaltungswärme: Sie wird im Verlauf der Muskeltätigkeit durch Erhaltungswärme, Skelettmuskulaturden Querbrückenmechanismus mit ATP-Verbrauch fortlaufend gebildet.
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Erholungswärme: Sie entsteht u.a. durch chemische Prozesse, die Erholungswärme, Skelettmuskulaturdafür sorgen, dass Energiespeicher wieder aufgefüllt werden. Dazu gehören z.B. die Synthese von Kreatinphosphat im Muskel und Glykogen in der Leber.
Milchsäurefreisetzung und Kalium
MERKE
Im arbeitenden Muskel wird Milchsäure produziert, wenn der O2-Bedarf den O2-Antransport infolge inadäquater Durchblutung, z.B. in der Phase des O2-Defizits, überschreitet.
Muskelveränderungen
Muskelermüdung
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eine Ermüdung des ZNS
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K+-Ansammlungen im extrazellulären Raum
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Phosphat- und Laktatanhäufung (intrazelluläre Azidose) in der Muskelzelle
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Entleerung von intramuskulären Glykogenspeichern
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Absinken des Blutglukoseespiegels
Physiologische Veränderungen der Muskulatur
Klinik
MuskelkaterUngewohnte Kraft- und Dauerleistungen mit Überschreiten der Belastungsgrenze können zum Muskelkater führen. Die Belastungsgrenze kann z.B. beim Treppabgehen und Bergabgehen überschritten werden, wenn die von außen angreifende Kraft größer ist als die entwickelte Muskelspannung. Die dabei auftretenden intramuskulären Kräfte liegen um etwa das 3-Fache über denen bei maximaler dynamischer Kontraktion wie z.B. beim Fahrradfahren oder Laufen, wo die aufgewendete Muskelspannung größer ist als die von außen angreifende Kraft. Diese hohen intramuskulären Kräfte führen dazu, dass die Z-Scheiben der Sarkomere zerreißen, was licht- und elektronenmikroskopisch nachweisbar ist. Das Zerreißen setzt die Kontraktionskraft herab, verursacht aber keine (!) Schmerzen. Erst wenn die zerstörten Strukturen abgebaut werden, Flüssigkeit in das Interstitium einströmt und bestimmte Substanzen freigesetzt werden (Histamin, Prostaglandine), werden Nozizeptoren im Skelettmuskel gereizt. Schmerzen beginnen dann innerhalb von 24 Stunden nach der Anstrengung und erreichen nach bis zu 72 Stunden ihr Maximum. Sie verschwinden spontan nach einigen Tagen bis spätestens einer Woche. Die betroffenen Muskeln sind steif, oft hart und geschwollen und werden als kraftlos empfunden.
5.2.3
Glatte Muskulatur
Bauprinzip und funktionelle Klassifikation
Aufbau der glatten Muskulatur
MERKE
Glatte Muskelzellen enthalten statt des Troponins der quergestreiften Muskulatur (Skelett- und Herzmuskelfasern) als kalziumbindendes Protein das Calmodulin. Die Myofilamente sind in Minisarkomeren organisiert.
Phänotyp glatter Muskelzellen
Zellverbindungen
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Multi-Unit-Typ: Die Muskelzellen sind stark vegetativ innerviert, während die Multi-Unit-Typelektrische Koppelung eher wenig entwickelt ist. Beispiele für diesen Typ sind die glatten Muskeln der Iris, des Ductus deferens und einige Arterien.
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Single-Unit-Typ: Die Muskelzellen sind elektrisch gut gekoppelt. Ein Single-Unit-Single-Unit-TypZellverband kontrahiert bei Erregung praktisch gleichzeitig (funktionelles Synzytium). Dieser Typ findet sich in vielen Blutgefäßen, vorSynzytium, funktionelles:glatte Muskulatur allem aber in den Wänden der meisten viszeralen Organe. Die Harnblase wird beispielsweise durch die synchrone Aktivierung aller glatter Muskeln entleert.
Organtypische Kontraktionsformen
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Phasische glatte Muskeln gehörenMuskulatur:glatte in der Regel dem Single-Unit-Typ an. Man findet sie vor allem im Gastrointestinal- und Urogenitaltrakt, aber auch in bestimmten Blutgefäßen wie der Portalvene. Sie kontrahieren und erschlaffen verhältnismäßig schnell und sind in der Regel nicht in der Lage, große Kräfte über eine lange Zeit aufrechtzuerhalten. Die Summation der Einzelzuckungen führt zu tetanischen Dauerkontraktionen, auch Spasmus genannt. Da die Dauer der Einzelzuckungen viel länger als im Skelettmuskel ist, ist die Tetanusfusionsfrequenz deutlich niedriger.
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Tonische glatte Muskeln Muskulatur:glattekontrahieren und erschlaffen wesentlich langsamer. Sie sind darauf spezialisiert, ihre Spannung über lange Zeit und mit sehr geringem Energieaufwand aufrechtzuerhalten. Man findet diesen Typ in den großen Arterien und in den Sphinkteren des Gastrointestinal- und des Harntrakts. Aber auch tonisch kontrahierende glatte Muskeln müssen in der Lage sein, rasch ihren Spannungszustand zu ändern. Bespielsweise müssen die Sphinkteren kurzfristig erschlaffen, um den Inhalt des Gastrointestinal- und des Harntrakts passieren zu lassen.
Erregungs-Kontraktions-Koppelung
Muskelmechanik
Abhängigkeit der Kontraktionskraft von der Muskellänge
Kraft-Geschwindigkeits-Beziehung und Energetik der Kontraktion
MERKE
Verglichen mit der Skelettmuskelfaser, Nervenfaser und Herzmuskelfaser ist das Ruhemembranpotenzial der glatten Muskelzellen (ca. 50 mV) bei den glatten Muskelzellen etwas positiver, die Amplitude der Depolarisationswellen und Aktionspotenziale kleiner und die De- und Repolarisation der Aktionspotenziale langsamer. Die Kontraktion wird wesentlich ökonomischer aufrecht erhalten.
Regulation der Kontraktion und Relaxation der glatten Muskulatur
Kalziumabhängige Regulation der Kontraktion
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Elektromechanische KoppelungKoppelung:elektromechanische: Der Anstieg der zytosolischen Ca2+-Konzentration wird durch Aktionspotenziale (phasische glatte Muskeln) oder eine graduierte Membrandepolarisation (tonische glatte Muskeln) ausgelöst (Abb. 5.21).
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Pharmakomechanische Koppelung: Neurotransmitter, zirkulierende Hormone und Koppelung:pharmakomechanische, glatte MuskulaturGewebehormone lösen über die Bindung an ihre membranständigen Rezeptoren oft ohne nennenswerte Änderung des Membranpotenzials eine Kontraktion aus (s.a. Abb. 5.20f), indem IP3-vermittelt Ca2+ aus intrazellulären Speichern freigesetzt wird (Abb. 5.21). IP3 wird als Folge der Bindung der Agonisten an ihre Rezeptoren (z.B. Noradrenalin an den α1-adrenergen Rezeptor oder Acetylcholin an den muskarinergen Rezeptor) und Aktivierung des G-Proteins Gq11 und der Phospholipase C aus Phospholipase:CPhosphoinositoldiphosphat (PIP2) freigesetzt. Typisch für die pharmakomechanische Koppelung ist, dass es außerdem zur Ca2+-Sensitivierung kommt (s.u.).
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Ionenkanäle, die für den Einstrom von Ca2+ in das Zytosol der glatten Muskelzelle verantwortlich sind (Abb. 5.21):
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Spannungsgesteuerte KalziumkanäleKalziumkanal:spannungsabhängiger der Plasmamembran vom L- und T-Typ werden durch Membrandepolarisation bzw. Aktionspotenziale geöffnet: Ca2+ strömt aus dem Extra- in den Intrazellulärraum und die zytosolische Ca2+-Konzentration steigt.
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Rezeptorgesteuerte unspezifische Kationenkanäle der Plasmamembran werden u.a. durch ACh, Kationenkanal:rezeptorgesteuerter, glatte MuskulaturNoradrenalin, Histamin, Serotonin und ATP geöffnet: Sie sind außer für Ca2+ auch für K+ und Na+ durchgängig.
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Dehnungsabhängige KationenkanäleKationenkanal:dehnungsabhängiger lassen ebenfalls K+, Na+ und Ca2+ passieren.
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2 unterschiedliche Ca2+-permeable Kanäle des sarkoplasmatischen Retikulums, der IP3-Rezeptor (Kalziumkanal:glatte MuskulaturIP3R) und der Ryanodinrezeptor (RyR), werden durch Inositoltrisphosphat (IP3R) bzw. durch den Ca2+-Einstrom selbst (RyR, Ca2+-Inositoltrisphosphat:glatte Muskulaturinduzierte Ca2+-Freisetzung) aktiviert, wodurch Ca2+ aus dem sarkoplasmatischen Retikulum in das Zytosol freigesetzt wird.
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Kaliumkanäle werden durch cAMP, cGMP, aber auch durch Ca2+ selbst aktiviert: Kaliumkanal:glatte MuskulaturDadurch wird die Plasmamembran hyperpolarisiert und spannungsabhängige Kalziumkanäle verschließen sich, sodass der Ca2+-Einstrom sinkt.
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Transportprozesse, die Ca2+ aus dem Zytosol entfernen:
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Ca2+-ATPasen des sarkoplasmatischen Retikulums und der Plasmamembran
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Na+/Ca2+-Austauscher in der Plasmamembran, der Ca2+ sekundär aktiv in den Extrazellulärraum transportiert (und Na+ im Gegenzug nach intrazellulär)
MERKE
Die glatte Muskulatur wird durch die kalziumabhängige Phosphorylierung der regulatorischen leichten Ketten des Myosins (MLC) aktiviert.
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Bei der passiven Relaxation sinkt die intrazelluläre Ca2+-Konzentration, entweder weil Relaxation:passive, glatte Muskulaturdie Zellmembran repolarisiert wird und/oder weil die kontraktilen Agonisten von ihren Rezeptoren abdissoziieren, die dadurch inaktiviert werden. Ca2+ wird durch die o.g. Transportprozesse aus dem Zytosol gepumpt (Abb. 5.21). Die Abnahme der zytosolischen Ca2+-Konzentration hat zur Folge, dass der Ca2+-Calmodulin-MLCK-Holoenzymkomplex dissoziiert: Die MLCK ist wieder inaktiv, sodass die MLC nicht länger phosphoryliert werden. Die noch phosphorylierten MLC werden durch die MLCP dephosphoryliert, was die Voraussetzung für die Relaxation ist.
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Unter der Einwirkung von relaxierenden Agonisten (z.B. Adrenalin oder ANP) bzw. von Stickstoffmonoxid (NO) (Kap. 9.2.6) wird eine sog. aktive Relaxation ausgelöst, die durch den Anstieg von zyklischem Relaxation:aktive, glatte MuskulaturAdenosinmonophosphat (cAMP) bzw. zyklischem Guanosinmonophosphat (cGMP) und Aktivierung der Proteinkinase A (PKA) bzw. Proteinkinase:AProteinkinase G (PKG) in den Proteinkinase:Gglatten Muskelzellen vermittelt wird. Sowohl cAMP als auch cGMP senken z.B. die zytosolische Ca2+-Konzentration und/oder inaktivieren den kontraktilen Mechanismus (Ca2+-Desensitivierung, s.u.). Die Abnahme der zytosolischen Ca2+-Konzentration beruht darauf, dass cAMP und cGMP die Wiederaufnahme von Ca2+ in das SR stimulieren. Sie senken außerdem indirekt den Ca2+-Einstrom über spannungsabhängige Kalziumkanäle, indem sie bestimmte Kaliumkanäle in der Plasmamembran aktivieren und im Falle des cGMP den IP3-Rezeptor hemmen (Abb. 5.21).
MERKE
Der glatte Muskel erschlafft, wenn die intrazelluläre, freie Ca2+-Konzentration abnimmt und die leichten Ketten der Myosinköpfe durch eine spezifische Phosphatase (MLCP) dephosphoryliert werden. Die zyklischen Nukleotide cAMP und cGMP relaxieren die glatte Muskulatur, indem sie sowohl die freie Ca2+-Konzentration senken als auch die Aktivität der MLCP steigern.
Kalziumunabhängige Regulation der Kontraktion und Relaxation
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Rho/Rho-Kinase-Signalkaskade: Die Aktivierung des G-Proteins Rho und seines Rho/Rho-Kinase-SignalkaskadeEffektors, der Rho-Kinase (ROK), führt zur Phosphorylierung der regulatorischen Untereinheit der MLCP (MLCPreg) u.Rho-Kinasea. an Threonin 696. Vermutlich wirkt die phosphorylierte MLCPreg wie ein Pseudosubstrat und verhindert die Bindung der katalytischen Untereinheit der MLCP (MLCPcat) an ihr eigentliches Substrat, die phosphorylierten leichten Ketten (MLC), die dadurch nicht dephosphoryliert werden können.
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Phospholipase-C-Proteinkinase-C-Signalkaskade: Die Proteinkinase C phosphoryliert Proteinkinase:Cund aktiviert einen Inhibitor der MLCP, das endogene Peptid CPI-17.
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PKA und PKG inaktivieren Rho und heben damit die Hemmwirkung des Rho/ROK-Weges auf.
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PKA und PKG phosphorylieren die regulatorische Untereinheit der MLCP (MLCPreg) an Serin 695, wodurch die ROK-abhängige, inhibitorische Phosphorylierung an Threonin 696 blockiert und die Hemmung der MLCP aufgehoben wird.
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PKA und PKG aktivieren durch Phosphorylierung einen endogenen peptidischen Aktivator der MLCP (Telokin).Muskulatur:glatte
Klinik
Erkrankungen der inneren Organe sind häufig mit Funktionsstörungen der glatten Muskulatur verbunden. Häufig ist die Kontraktilität gesteigert, und oft scheint eine gesteigerte Aktivität des Rho/ROK-Signalwegs dafür verantwortlich zu sein. In manchen Fällen ist die Kontraktilität auch reduziert. Häufig kommt es auch zu einem Wechsel des Phänotyps in Richtung des sekretorisch-proliferativen Phänotyps (sog. Remodeling). Die zur Behandlung eingesetzten Medikamente greifen an verschiedenen Stellen der Signaltransduktion ein.
Gastrointestinal- und HarntraktVerlegung der Gallengänge oder Harnleiter durch Steine führt zu äußerst schmerzhaften spastischen Kontraktionen der glatten Muskulatur (Gallenkolik oder Nierenkolik), die man u.a. mit relaxierenden Medikamenten behandelt. Dem sehr häufig vorkommenden, schmerzhaften Colon irritabile liegt möglicherweise eine Fehlfunktion der Schrittmacherzellen des Darmes zugrunde.
LungeBeim Asthma bronchiale liegt u.a. eine gesteigerte Reagibilität der glatten Muskulatur des Bronchialtrakts vor, für die eine Steigerung der Aktivität der Rho/ROK-Signalkaskade mitverantwortlich zu sein scheint. Im Asthmaanfall kann der Bronchospasmus durch die Inhalation von Medikamenten, die über die Aktivierung von β2-Adrenozeptoren und der Adenylylcyclase/cAMP/PKA-Signalkaskade die glatte Muskulatur erschlaffen, günstig beeinflusst werden.
KreislaufsystemBei der Behandlung des Bluthochdrucks werden u.a. Medikamente eingesetzt, die den Ca2+-Einstrom in die Zelle hemmen, sog. Kalziumkanalblocker, die Bildung von Angiotensin II aus Angiotensin I (sog. ACE-Inhibitoren) verhindern oder die Bindung von Angiotensin II an seinen Rezeptor (sog. AT1-Antagonisten) hemmen. Zur Behandlung des Angina-pectoris-Anfalls als Folge einer Verengung der Koronargeräße werden sog. Nitrate eingesetzt. Diese setzen NO frei, das die Guanylylcyclase aktiviert. Sie entlasten das Herz vor allem durch Senkung der Vor- und Nachlast. Für den pulmonalen Hochdruck wird neuerdings auch eine gesteigerte Aktivität der Rho/ROK-Signalkaskade verantwortlich gemacht. Dagegen findet man eine massive arterielle Hypotonie als Folge einer generalisierten Vasodilatation im septischen Schock, für die eine überschießende NO-Produktion verantwortlich gemacht wird.
ZUSAMMENFASSUNG
Molekulare Mechanismen der Kontraktion
Regulation der Muskelkontraktion
Muskelmechanik
Pathophysiologie des muskulären Systems
Glatter Muskel
5.3
Motorik: Ziel, Programm, sensorisches Feedback
Zur Orientierung
Das Nervensystem entwickelt als eine seiner frühesten Leistungen die Fähigkeit, Bewegungen des Körpers zu organisieren. Die Aufrichtung des Körpers gegen die Schwerkraft und die Sicherung der aufrechten Haltung während einer Ortsveränderung sind integrale Bestandteile von Bewegungen.
Eine zielgerichtete Bewegung ist möglich, wenn die Strukturen des Nervensystems Zugriff auf den kontinuierlichen Strom afferenter sensorischer Informationen haben, die eine interne Repräsentation des Körpers und der Umwelt aufbauen. Die Leistung des Gehirns, als Folge eines Handlungsantriebs eine bestimmte Bewegung durchzuführen, und nicht eine andere, setzt zwingend eine enge Interaktion zwischen den motorischen und sensorischen Systemen voraus.
Die Motorik ist bei der Geburt unvollständig ausgebildet, sie muss durch aktives Üben allmählich erlernt werden. Der Lernprozess fokussiert auf die Koordination und den zeitlichen Einsatz von funktionellen Muskelgruppen. Lernen ist das Ergebnis von Feedback-Mechanismen, die über den Erfolg der Bewegung informieren. Lernen und Gebrauch sind untrennbar miteinander verbunden.
5.3.1
Bewegung: Handlungsantrieb, Strategie, Programm und Umsetzung
•
Schleife 1 hat ihren Ursprung in motorischen und somatosensorischen Kortizes, projiziert in die Basalganglien und von dort über den Thalamus zurück, überwiegend auf die SMA.
•
Schleife 2 projiziert vom Kortex über die Pons in das Kleinhirn und von dort über den Thalamus zu den motorischen Kortexgebieten zurück.
Klinik
Motorische StörungenDer Tatsache, dass Handlungsentschluss, Bewegungsprogramm und Bewegungsdurchführung verschiedenen neuronalen Systemen zugeordnet sind, kommt für die Pathophysiologie der motorischen Störungen eine große Bedeutung zu. So gibt es Erkrankungen des ZNS, bei denen vorwiegend die Programmierung der Bewegungen gestört ist (z.B. bei Prozessen im Hemisphärenbereich des Zerebellums), während bei Erkrankungen in anderen Gebieten die Bewegungsdurchführung (z.B. Prozesse im motorischen Kortex) oder auch der Handlungsentwurf (z.B. Prozesse in Assoziationssystemen) betroffen sein können. Es ist offensichtlich, dass jeweils andere Symptomatiken auftreten.
MERKE
Handlungsantrieb, Programmierung und Bewegungssteuerung verlaufen ineinander verzahnt ab. Damit können die Bewegungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt gestartet werden.
5.3.2
Sensorische Afferenz
•
Information über die Rahmenbedingungen: Die Information über die Umwelt und die Position des Körpers legt die Ausgangsbedingungen fest, innerhalb derer eine Handlungsstrategie definiert und die Bewegung programmiert werden kann.
•
Anpassung: Die Bewegung ändert die ursprünglichen Rahmenbedingungen. Die programmierenden Strukturen werden darüber informiert und passen das Programm an diese Veränderungen und an die Position des sich bewegenden Zieles an.
•
Reafferenz: Die Bewegung aktiviert Rezeptoren – jede Bewegung schafftBewegung:Reafferenz Afferenz. Die ReafferenzReafferenz:Motorik ist bewegungsspezifisch, und ihre Rückmeldung informiert das ZNS über den Fortgang und den Ablauf der Bewegung.
•
Bewegungskorrektur: Aus der Reafferenz werden Korrekturen für die Bewegungsdurchführung erarbeitet. Dazu Bewegung:Korrekturwird eine Kopie des zentralen Bewegungsprogramms, die Efferenzkopie, mit der Reafferenz verglichen. Unterschiede zwischen Reafferenz und Efferenzkopie deuten auf ein Abweichen der tatsächlichen von der geplanten Bewegung hin und erzeugen ein Korrektursignal. Solche Bewegungskorrekturen erfolgen auf allen programmierenden Ebenen.
Klinik
Pathologische BewegungBleibt die Rückmeldung aus der Peripherie zu den übergeordneten Zentren aus, ist die Bewegungsdurchführung gestört. Dies äußert sich in pathologischen Bewegungsformen wie z.B. einem Tremor (unwillkürliches Zittern durch rasch aufeinander folgende rhythmische Kontraktionen antagonistischer Muskeln).
MERKE
Afferente, sensorische Informationen sind für die Planung, die Durchführung und den Erfolg einer zielgerichteten Bewegung entscheidend.
5.3.3
Kortikale Aktivität vor Bewegungsbeginn
ZUSAMMENFASSUNG
Motorik ist ein zielgerichtetes Verhalten, das den Körper in der Umwelt bewegt und mit dieser interagiert. Die verschiedenen Komponenten der Motorik sind im ZNS unterschiedlich lokalisiert und einem ständigen Verarbeitungs- und Aktualisierungsprozess unterworfen.
5.4
Motorische Kortexgebiete
Zur Orientierung
Planung und Steuerung der Zielmotorik, die bewusste Wahrnehmung der Umwelt und die Festlegung der Motivationslage sind Prozesse, an denen der zerebrale Kortex wesentlich beteiligt ist. Schon eine einfache Handlung wie das Fangen eines Balls erfordert ein koordiniertes Zusammenwirken dieser Vorgänge. Dabei sind motorische und sensorische Kortexgebiete gemeinsam aktiv und steuern die Motorik im Verhaltenskontext.
5.4.1
Überblick
•
Aus jedem Areal entspringen kortikospinale Bahnen.
•
Jedes Gebiet enthält eine somatotopisch geordnete Repräsentation des Körpers.
•
Die fokale Stimulation jedes Areals löst Bewegungen aus.
5.4.2
Primär-motorischer Kortex
Klinik
Ischämischer SchlaganfallDie somatotopische Organisation führt zu typischen Symptomen nach Verschlüssen von Gefäßen (Infarkten), die den Kortex versorgen. Die sensomotorische Rinde lateral der Mantelkante und die sprachrelevanten Zentren der dominanten Hemisphäre werden von der A. cerebri media versorgt. Infarkte dieser Gebiete führen zu einer kontralateralen arm- und gesichtsbetonten („hängender Mundwinkel“) Hemiparese. Da der kraniale Teil des Kerns des N. facialis von beiden Hirnhälften innerviert wird, wird ein einseitiger Infarkt von der Gegenseite kompensiert, sodass Lidschluss und Stirnrunzeln möglich bleiben (zentrale Fazialisparese). Ist die sprachdominante Hemisphäre betroffen, entsteht meist eine Aphasie. Eine Schädigung des frontalen Augenfeldes führt zur Kopf- und Blickwendung zur Seite der Läsion (Déviation conjuguée, „der Patient blickt die Bescherung an“). Die A. cerebri anterior versorgt mediale Abschnitte der Hemisphären und den sensomotorischen Kortex medial der Mantelkante. Ein Verschluss dieses Gefäßes führt zu einer kontralateralen beinbetonten Lähmung.
5.4.3
Projektionssysteme der sensomotorischen Kortexgebiete
•
Das phylogenetisch älteste dieser Gebiete liegt im Hinterhorn, wo kortikospinale Axone auf Interneurone in den Übertragungskanälen der sensorischen Hinterhorn:KortikospinaltraktAfferenzen projizieren. Dies dient der Einstellung der sensorischen Rückmeldung während einer Bewegung. Die Zellkörper dieser kortikospinalen Axone sind vor allem im somatosensorischen Kortex lokalisiert.
•
Die meisten kortikospinalen Axone enden im intermediären Bereich zwischen Zentralkanal und lateralem Funikulus des Rückenmarks. Die Axone innervieren Interneurone, die Teile von Reflexwegen zu den Motoneuronen sind. Dadurch interagiert der Kortex mit den in den spinalen Schaltkreisen programmierten Bewegungsmustern.
•
Das dritte Projektionsgebiet liegt im Vorderhorn. Hier enden kortikospinale Axone monosynaptisch an Motoneuronen der Skelettmuskeln. Axone desVorderhorn, Kortikospinaltrakt lateralen kortikospinalen Trakts projizieren zu Motoneuronen der Extremitätenmuskulatur, bevorzugt der Unterarm- und Handmuskeln. Axone des anterioren kortikospinalen Trakts erreichen Motoneurone der Rumpfmuskulatur.
MERKE
Die meisten kortikospinalen Axone enden an spinalen Interneuronen. Die direkte monosynaptische Projektion auf die spinalen Motoneurone ist phylogenetisch jung. Sie ermöglicht, die Motoneurone unabhängig von den auf sie konvergierenden Reflexwegen direkt zu aktivieren; das kortikale „Kommando“ erreicht die Zielneurone zum geplanten Zeitpunkt mit dem geplanten Inhalt unmittelbar. Dagegen ändert eine indirekte Übertragung eines Signals über prämotoneuronale Interneurone stets den ursprünglichen Signalinhalt.
Klinik
Capsula-interna-SyndromIn der Capsula interna verlaufen dicht gedrängt die efferenten und afferenten Bahnen, welche die sensomotorischen Kortexgebiete mit subkortikalen Zentren verbinden. Größere Läsionen (Blutung, Ischämie) der Capsula interna führen zu einer ausgeprägten Lähmung der kontralateralen Körperhälfte. Sie ist anfänglich schlaff, später ändert sie sich häufig in eine spastische Lähmung. Der Präzisionsgriff ist stark beeinträchtigt, stattdessen wird mit dem Massengriff (gemeinsamer Fingerschluss) gefasst. Die Bewegungen sind ungeschickt und verlangsamt. Falls der Patient das Gehen wieder erlernt, wird das gelähmte Bein gestreckt in einer Zirkumduktionsbewegung nach vorn geschwungen. Der betroffene Arm schwingt beim Gehen kaum, sondern bleibt in Ellenbogen und Handgelenk flektiert und proniert (Wernicke-Mann-Gangbild).
Im Gegensatz zum Capsula-interna-Syndrom haben umschriebene Läsionen des primär-motorischen Kortex deutlich geringere Folgen. Generell nimmt die Stärke der Kontraktionen der betroffenen Muskulatur ab. Die Feinmotorik ist auf der kontralateralen Seite wegen des Ausfalls der direkten monosynaptischen Projektion zu den Motoneuronen gestört. Viele Funktionen können nach intensivem Training (Physio-, Ergotherapie) von benachbarten Rindenfeldern übernommen werden.
5.4.4
Aktivität kortikaler Neurone
•
Kontraktionskraft: Je stärker die Aktivität der M1-Neurone während einer definierten Bewegung ist, desto Kontraktionskraft:kortikale Neuronekräftiger kontrahieren die beteiligten Muskeln.
•
Richtung einer Bewegung: Neurone des M1, die Zeigebewegungen des Armes steuern, weisen eine richtungsspezifische Bewegung:kortikale NeuroneAktivität auf. Jedes Neuron ist besonders dann aktiv, wenn die Bewegung in eine bestimmte Richtung erfolgt. Viele M1-Neurone mit ähnlicher Vorzugsrichtung bilden zusammen eine Population, welche die verschiedenen Armmuskeln spezifiziert und aktiviert, die dann die Bewegung in die intendierte Richtung durchführen.
•
Dynamik: Generell ist die Aktivität der Neurone von M1 während dynamischer Bewegungen (Kippen eines Bechers) höher als während statischer Aufgaben (Halten des Bechers). Dies zeigt, dass die Neurone am Aufbau der Dynamik einer Arm- und Handbewegung beteiligt sind.
5.4.5
Supplementär-motorische Area und prämotorischer Kortex
Klinik
Funktionen der motorischen Kortexgebiete und ihrer efferenten Bahnen kann man mit der transkraniellen Magnetstimulation (TMS) und der funktionellen Bildgebung (z.B. fMRT) untersuchen. Bei der TMS durchfließt ein kurzer Stromstoß eine ring- oder achtförmige Spule, die an den Kopf des Patienten über den Kortex gehalten wird. Das Magnetfeld der Spule induziert eine Spannung, welche die kortikalen Neurone erregt. Dadurch ausgelöste Kontraktionen der Skelettmuskeln (Reizantwort) werden mit dem Elektromyogramm erfasst und ihrer zeitlichen Latenz und Amplitude beurteilt. Repetitive unterschwellige Magnetstimulation kann den Kortex lokal hemmen. Die fMRT erfasst die Änderung der magnetischen Eigenschaften des Hämoglobins, die bei einer lokalen Steigerung der Durchblutung stattfindet, als ein indirektes Zeichen verstärkter neuronaler Aktivität von Hirnarealen bei ausgewählten Aufgaben.
MERKE
Generell sind die medial gelegenen sekundär-motorischen Gebiete (SMA, ZMA) eher bei Bewegungen aktiv, die zu einem frei gewählten Zeitpunkt selbst initiiert werden, während die lateralen prämotorischen Areale (PMD, PMV) eher Bewegungen organisieren, die durch externe Reize (visuell, akustisch) ausgelöst werden.
Klinik
Läsionen des posterior-parietalen Kortex führen zu komplexen Störungen. Besonders Schädigungen der linken, sprachdominanten Seite verursachen Apraxien. Dies sind Störungen willkürlicher zielgerichteter Bewegungsabläufe, die nicht auf eine motorische Schwäche oder Sensibilitätsstörung zurückzuführen sind. Bei gestörtem Handlungskonzept werden die Elemente einer Bewegung falsch ausgewählt oder in einer Handlungsfolge falsch angeordnet. Beim Versuch, eine Tür aufzuschließen, wird z.B. zunächst der Finger in das Schlüsselloch gesteckt und danach erst nach dem Schlüssel gesucht. Vornehmlich nach Läsionen des rechten posterior-parietalen Kortex tritt eine als Neglect bezeichnete Störung auf, bei welcher der Betroffene Schwierigkeiten hat, die zur Läsion kontralaterale Seite seiner Umgebung und auch seines Körpers wahrzunehmen. Er stößt z.B. wiederholt an Hindernisse wie Stühle, die sich in der linken Hälfte seines Gesichtsfeldes befinden, da er sie übersieht (bei intakter Sehbahn !). Außerdem kann ein Nichtgebrauch, eine Vernachlässigung der kontraläsionalen Extremitäten vorkommen, der manchmal als Hemiparese fehlgedeutet wird.
ZUSAMMENFASSUNG
Die motorischen Kortexgebiete nehmen in Aufbau und Durchführung der Motorik spezifische Funktionen wahr. Die kortikalen motorischen Efferenzen projizieren auf verschiedene subkortikale Zielsysteme, wobei Schädigungen in dieser Projektion lokalisationsabhängige charakteristische Ausfallsymptome erzeugen.
5.5
Organisation des Rückenmarks
Zur Orientierung
Die Bewegungsprogramme werden im Rückenmark in eine Aktivierung der Effektoren umgesetzt, damit in eine Bewegung von Gelenken. Die neuroanatomische Struktur für diese Umsetzung ist ein spinales, aus Interneuronen bestehendes Integrationssystem, das die verschiedenen Programmkomponenten zusammführt und daraus eine Signalfolge an die Effektoren erarbeitet. Dazu gehört die Koordination der Muskelgruppen, die bei der Erzeugung von Kontraktionskraft als Synergisten und Antagonisten zusammenarbeiten und den Körper gegen die Schwerkraft aufrecht halten. Rückmeldungen zum Ablauf der Bewegung und zu externen Ereignissen, die die Bewegungsdurchführung stören, werden in das Bewegungsprogramm eingearbeitet. Parallel werden die supraspinalen Systeme über die Situation der Peripherie und die im Rückenmark ablaufende Integration informiert. Die übergeordneten motorischen Systeme steuern über differenzierte Kontrollmechanismen die Verarbeitung im spinalen Integrationssystem und stellen sicher, dass die Bewegungsprogramme im Kontext des strategischen Ziels umgesetzt werden.
5.5.1
Sensomotorische Integration und Reflexe
Sensomotorische Integration
•
Information der Verarbeitungsebenen des Nervensystems über die Situation in der Peripherie
•
Ansteuerung der Motoneurone und Koordination synergistischer Effektorgruppen
•
Interaktion der somatosensorischen Afferenz und der Bewegungsprogramme
MERKE
Die sensomotorische Integration mit der Zusammenführung deszendierender Bewegungsprogramme und der Information somatosensorischer Rezeptoren findet auf prämotoneuronaler Ebene an gemeinsamen Interneuronen statt. Afferenz und Bewegungsprogramm sind eine nicht trennbare Einheit.
Reflexbegriff in der Motorik: Definition und Einordnung
Klinik
Reflexe in der klinisch-neurologischen DiagnostikReflexprüfungen sind aus 2 Gründen relevant: Einmal kann geprüft werden, ob der untersuchte neuroanatomische Reflexweg intakt ist (Reflex vorhanden oder nicht), zum anderen kann der Nachweis einer normalen, gesteigerten oder reduzierten Reflexantwort Auskunft über die Verarbeitung in den neuronalen Systemen des Rückenmarks und deren supraspinalen Kontrolle geben. Klinisch werden dabei unterschieden:
•
Polysynaptischer vs. monosynaptischer Reflex: Die meisten Reflexwege sind aus vielen Interneuronen aufgebaut. In solchen polysynaptischen Wegen ist die Übertragung stark von den auf die Interneurone konvergierenden Systemen abhängig. Damit sind diese Reflexe in Schwelle, Ausprägung und Erscheinungsbild variabel, was eine sorgfältige Reflexprüfung voraussetzt. Monosynaptische Reflexe sind im Vergleich zu polysynaptischen eine Ausnahme. Ein Beispiel ist der Muskeldehnungsreflex, ein monosynaptischer Reflex des Rückenmarks (Kap. 5.5.4).
•
Eigenreflex vs. Fremdreflex: Die Bezeichnung greift die räumliche Beziehung zwischen Rezeptoren und Effektoren auf. Beim Eigenreflex sind Rezeptor und Effektor im gleichen Organ lokalisiert, z.B. beim Patellarsehnenreflex (Abb. 5.35). Beim Fremdreflex dagegen gehören Rezeptor und Effektor zu verschiedenen Organen, z.B. führt die Erregung der Schmerzrezeptoren der Haut zur Kontraktion mehrerer Muskeln.
Klinisch wichtige ReflextestungenMit der am Beispiel des Patellarsehnenreflexes beschriebenen Methode können an der quergestreiften Muskulatur Eigenreflexe ausgelöst werden, was zur Basisdiagnostik klinisch-neurologischer Untersuchungen gehört. Bauchdecken- und Kremasterreflexe sind typische Fremdreflexe, die durch ein kompliziertes interneuronales Verschaltungssystem mit einer ausgeprägten deszendierenden Steuerung realisiert werden. Zu ihrer Auslösung bestreicht man die Haut des Bauches bzw. der Oberschenkelinnenseite und aktiviert dadurch die niederschwelligen Hautrezeptoren. Beim Bauchdeckenreflex kontrahiert die Bauchmuskulatur auf der betroffenen Seite, beim Kremasterreflex wird der Hoden nach oben gezogen. Zur Auslösung des Babinski-Reflexes streicht man mit einem spitzen Gegenstand fest über den lateralen Rand der Fußsohle. Ein gesunder Erwachsener krümmt daraufhin die Zehen nach plantar (Babinski-negativ), ein Neugeborenes spreizt die Zehen fächerartig und flektiert die Großzehe nach dorsal (Babinski-positiv). Der positive Babinski-Reflex des Neugeborenen verschwindet nach einigen Lebensmonaten. Dies geht auf eine zunehmende Kontrolle des spinalen interneuronalen Apparats durch deszendierende Systeme zurück und ist ein Hinweis auf eine normale Entwicklung des ZNS. Die Pyramidenbahn soll im Vordergrund dieser Reflexumkehr stehen. Liegt beim Erwachsenen ein positiver Babinski-Reflex vor, ist eine der möglichen Ursachen eine Störung der deszendierenden Kontrolle der Interneurone.
MERKE
Die Erregung somatosensorischer Rezeptoren wird in die ablaufende Motorik eingebaut, ohne das Erreichen des Bewegungsziels zu stören. Zur ärztlichen Diagnostik werden Reflexe unter artifiziellen Bedingungen ausgelöst, die in der natürlichen Motorik nicht auftreten.
5.5.2
Muskelrezeptoren
Längenrezeptoren
•
Kernsackfasern (Zellkern:KernsackfaserNuclear-Bag-Rezeptoren; NB; Kernsackfasersackförmige Anordnung der Kerne im Äquatorialbereich, 2 NB/Nuclear-Bag-RezeptorMuskelspindel)
•
Kernkettenfasern (Zellkern:KernkettenfaserNuclear-Chain-Rezeptoren; NC; Kernkettenfaserkettenartige Anordnung der Kerne im Nuclear-Chain-RezeptorÄquatorialbereich, mehrere NC/Muskelspindel)
MERKE
Über das γ-System stellen die zentralen motorischen Strukturen ein, ob bei einer Längenänderung des Muskels die Rezeptoren bevorzugt die differenziellen oder die proportionalen Eigenschaften des Reizes erfassen.
Spannungsrezeptoren – Golgi-Sehnenorgane
Länge und Spannung im kontrahierenden Muskel
MERKE
Bei Kontraktion oder Erschlaffung der Skelettmuskulatur ändern sich in der Regel Länge und Spannung. Längen- und Spannungsrezeptoren werden also gleichzeitig erregt.
5.5.3
Interneurone als Zentren der Integration
Afferente Systeme
•
monosynaptische Projektion von Ia-Afferenzen auf Motoneurone
•
Weg von Ia-Afferenzen, der die Hemmung zwischen antagonistischen Muskeln an Scharniergelenken aufbaut (reziproke Hemmung)
•
Weg von Ib-Afferenzen, der die Motoneurone des rezeptortragenden Muskels hemmt (autogene Hemmung)
•
Wege von Ib- und Gruppe-II-Afferenzen, die abhängig von der Phase der Lokomotion die Extensor- bzw. Flexormotoneurone fördern
•
Wege von Haut-, Thermo- und Nozizeptoren, die über eine Schädigung der Körperoberfläche informieren und eine komplexe Schutzreaktion auslösen (Beugemuster)
Deszendierende Trakte
MERKE
Eine monosynaptische Projektion deszendierender Trakte auf Motoneurone umgeht die spinalen Verarbeitungssysteme, sodass die Bewegungsprogramme die Motoneurone zum geplanten Zeitpunkt mit dem geplanten Inhalt erreichen. Dies ist wichtig für die Sicherung der Haltung und für die Feinmotorik der distalen Extremitäten.
5.5.4
Verarbeitungssystem der Muskelspindelafferenzen
Neuroanatomisches Substrat
•
MuskelspindelsystemLängenrezeptoren: Sie sind parallel zur Längenrezeptor:MuskelspindelsystemArbeitsmuskulatur angeordnet.
•
Ia-Afferenzen zu den Motoneuronen des rezeptortragenden Muskels (Ia-Afferenz:Muskelspindelsystemhomonym) und den mechanischen Synergisten (heteronym): Dieses Projektionsmuster fasst die Muskeln eines Gelenks zusammen.
•
II-Afferenzen mit polysynaptischer Verschaltung zu den II-Afferenz:MuskelspindelsystemMotornuklei praktisch aller Muskeln der Extremität: Das daraus resultierende Bewegungsmuster wird mit dem Beugereflex besprochen (Kap. 5.5.6).
•
γ-Motoneurone zur intrafusalen Muskulatur: Sie sind im <03B3>-Motoneuron:MuskelspindelsystemMotornukleus des jeweiligen Muskels lokalisiert (Durchmesser Somata 10–30 μm, Leitungsgeschwindigkeit Axone 5–30 m/s). Ein einzelnes γ-Motoneuron innerviert viele Längenrezeptoren, die verschiedenen Muskelspindeln angehören können.
Stabilisierung der Muskellänge und reziproke Hemmung
Funktionelle Einbindung: Aufrichtung gegen die Schwerkraft
MERKE
Das Muskelspindelsystem sichert die aufrechte Haltung des Körpers gegen die kontinuierlich einwirkende Schwerkraft.
α-γ-Koaktivierung
Das γ-System schafft Freiheitsgrade – ein Exkurs in die Phylogenese
MERKE
Durch die differenzierte Steuerung der Rezeptoren durch γ-Motoneurone werden aus der Längenänderung die Parameter extrahiert, die als Reafferenz für den Aufbau des Bewegungsprogramms benötigt werden.
Renshaw-System
Klinik
Hoffmann-(H-)ReflexDie Verschaltung der Ia-Afferenzen eines Muskels kann mit elektrischer Reizung seines Nervs und mit der EMG-Ableitung des dadurch ausgelösten Muskelaktionspotenzials untersucht werden. Die Methode wurde von Paul Hoffmann entwickelt und wird zu seinen Ehren als Hoffmann-Reflex (H-Reflex) bezeichnet. Er wird zu diagnostischen Zwecken und zur klinischen Forschung benutzt. Abb. 5.46a zeigt die experimentelle Anordnung zur Registrierung des H-Reflexes im M. triceps surae. Bei schwacher transkutaner Reizung des N. tibialis tritt nach etwa 35 ms ein Summenaktionspotenzial im EMG des M. triceps surae auf (Abb. 5.46b). Grund dafür ist die Projektion der aktivierten Ia-Fasern des N. tibialis auf die homonymen Motoneurone, die überschwellig erregt werden und den Muskel aktivieren. Dieser elektrisch ausgelöste Eigenreflex wird als H-Reflex bezeichnet, das Reflexpotenzial als H-Welle. Erhöht man die Reizstärke weiter, nimmt die Amplitude der H-Welle bis zu einem Maximalwert zu, an dem alle Ia-Fasern des Muskelnerven erregt sind (Abb. 5.46c). Gleichzeitig tritt eine Welle mit kürzerer Latenz auf, die M-Welle (Abb. 5.46b). Sie entsteht durch die elektrische Erregung der Axone der α-Motoneurone des M. triceps surae, die gegenüber den Ia-Fasern eine geringfügig höhere Schwelle für elektrische Reize haben. Die Amplitude der M-Welle nimmt mit zunehmender Reizstärke zu, parallel nimmt die Amplitude der H-Welle ab (Abb. 5.46c). Die Amplitudenabnahme geht zurück auf eine Kollision (Auslöschung) der in den α-Motoneuronen durch die Ia-Afferenzen ausgelösten Aktionspotenziale mit den antidrom geleiteten Aktionspotenzialen der M-Welle.
5.5.5
Verarbeitungssystem der Golgi-Sehnenorgane
Ib-Afferenzen
Ib-Interneurone als multisensorische Integrationselemente
•
vom Typ der Motoneurone, auf die die betreffenden Interneurone projizieren
•
von den Gelenken, auf die die Motornuklei wirken (Extensoren, Flexoren)
•
vom Typ des Interneurons (Hemmung oder Förderung des nachgeschalteten Neurons)
Parallele hemmende und aktivierende Ib-Wege auf Motoneurone
MERKE
Die Ib-Interneurone sind Integrationselemente für Informationen aus verschiedenen sensorischen Modalitäten und aus zentralen Bewegungsprogrammen und stellen diese in bearbeiteter Form für die Motoneurone bereit. Dabei bauen sie parallele fördernde und hemmende Wege zu Motoneuronen, die aufgabenabhängig an- oder abgeschaltet werden können.
5.5.6
Extremitätenübergreifende spinale Systeme zur Organisation von Flexion und Extension
MERKE
Das phylogenetisch alte Reflexsystem des Fluchtreflexes stellt die spinalen Verarbeitungssysteme bereit, die in der Motorik für die Durchführung von koordinierten Flexionen und Extensionen der Extremität genutzt werden.
Klinik
Durchtrennung des RückenmarksBeim vollständigen Querschnittsyndrom sind die Projektionen der supraspinalen Trakte in die kaudal der Durchtrennungsstelle gelegenen neuronalen Verarbeitungssysteme sowie die aszendierenden Verbindungen zum ZNS unterbrochen. Nach momentanem Forschungsstand ist dies irreversibel. Ein Querschnitt hat dramatische Folgen für den Patienten: Die vom abgetrennten Rückenmarkgebiet innervierte Muskulatur kann nicht mehr willkürlich aktiviert werden und aus dem entsprechenden Innervationsgebiet treten keine bewussten Empfindungen mehr auf.
Unmittelbar nach der Durchtrennung sind alle motorischen und vegetativen Reflexe erloschen. Diese Querschnittsareflexie, die auch als spinaler Schock bezeichnet wird (ein inadäquater Ausdruck, da er Beziehungen zum Schockgeschehen bei einem Kreislaufzusammenbruch assoziiert), geht wahrscheinlich auf den Verlust eines tonischen Erregungszustroms aus den supraspinalen Gebieten auf alle spinalen Neurone zurück. Die Neurone hyperpolarisieren. Bei Reflextestungen erreichen die in den Neuronen generierten synaptischen Potenziale wegen des hyperpolarisierten Membranpotenzials die Schwelle zur Auslösung eines Aktionspotenzials nicht, was die Querschnittsareflexie erklärt.
Nach Wochen und Monaten verschwindet die Areflexie langsam und es entwickeln sich von distal nach proximal spinale Reflexmuster (zuerst Beuge- und gekreuzte Streckreflexe, später auch Muskeldehnungsreflexe). Die Schwellen zur Auslösung der Reflexe sinken kontinuierlich ab, nach Monaten kann eine Querschnittshyperreflexie auftreten. Dann reicht eine leichte Berührung der Haut aus, um massive und lang anhaltende Beugereflexe auszulösen. Es treten übersteigerte und länger anhaltende Reflexantworten (Kloni) auf, in die vegetative Reflexmuster einbezogen sein können (Blutdruckanstieg, Glukosemobilisierung, Schweißausbruch, Kontraktion der Harnblase). Bei den Patienten läuft dann ein biologisch ursprünglich sinnvolles Reflexverhalten ab (Fluchtreflex mit seinen motorischen und vegetativen Komponenten), das bei intaktem Rückenmark durch die supraspinale Kontrolle funktionell sinnvoll gesteuert wird. Als Ursache der Querschnittshyperreflexie werden vor allem diskutiert:
•
eine Empfindlichkeitszunahme der Rezeptoren an den Synapsen auf Transmitter (Denervierungsüberempfindlichkeit)
•
eine Zunahme der Zahl der postsynaptischen Rezeptoren
•
eine kollaterale Regeneration der primären Afferenzen, bei der die durch die Degeneration der deszendierenden Trakte freigewordenen Synapsen besetzt werden (kollaterales Sprouting)
SpastikDiese Symptomatik tritt nach Schädigungen des Rückenmarks und des Gehirns auf (Prävalenz bei Schädigung des Rückenmarks: 60–70%; Schlaganfallpatienten mit bleibender Hemiplegie: 30–40%). Sie hat eine charakteristische Symptomtrias, die in der Kombination vorhanden sein muss, um als Spastik diagnostiziert zu werden:
•
erhöhter Muskeltonus bei Flexion oder Extension eines Gelenks durch einen Untersucher (messbare muskuläre Widerstandserhöhung)
•
der Muskeltonus nimmt mit der Geschwindigkeit der Gelenkbewegung zu
•
die Sehnenreflexe (Muskeldehnungsreflexe) sind gesteigert
Differenzialdiagnostisch sollte die Spastik als Erkrankung des Nervensystems von strukturellen Umbauten in der Muskulatur abgegrenzt werden, die bei Patienten mit Rückenmarksschäden auftreten können. Bei diesen ist die Erhöhung des Muskeltonus unabhängig von der Geschwindigkeit der Gelenkbewegung. Diese Differenzialdiagnose verlangt nach einer sorgfältigen klinischen Untersuchung und ist entscheidend für das anzuwendende therapeutische Konzept.
Untersuchungen bei Patienten mit Spastik haben eine Reihe von Hinweisen auf neuronale Systeme ergeben, die ursächlich für die Erkrankung verantwortlich sein können. Sie betreffen Veränderungen der Eigenschaften von Motoneuronen, die Transmitterfreisetzung aus Ia-Axonen und Störungen der Verarbeitung in hemmenden spinalen Systemen:
•
Veränderung der motoneuronalen Eigenschaften nach Rückenmarksläsionen: An Motoneuronen verstärken und verlängern Ca2+- und Na+-Einwärtsströme die Antwort auf eine synaptische Depolarisation und können bei veränderter funktioneller oder anatomischer Konvergenz langanhaltende depolarisierende Plateaupotenziale generieren. Aus Untersuchungen am Menschen liegen Hinweise vor, dass dieser Mechanismus zur menschlichen Spastik beitragen könnte.
•
Verstärkte supraspinale Aktivierung der γ-Motoneurone: Eine zentrale Dysregulation der α-γ-Koaktivierung mit einer kontinuierlichen Aktivierung der γ-Motoneurone könnte über die Muskelspindelschleife die genannte spastische Symptomatik aufrechterhalten (Abb. 5.44). Es gibt Befunde für einen solchen Mechanismus, aber bei Patienten haben Ableitungen von Ia-Axonen aus spastischen Muskeln bisher keinen direkten Hinweis auf einen solchen Pathomechanismus ergeben.
•
Erhöhte Transmitterfreisetzung von zentralen Muskelspindelafferenzen: Nach einer gruppierten Aktivierung von Ia-Axonen wird die Transmitterfreisetzung an den Synapsen auf Motoneurone normalerweise 10 Sekunden lang reduziert. Bei Patienten mit Spastik ist dies jedoch nicht der Fall, was das Auftreten spastischer Phänomene erklären könnte.
•
Veränderungen der Hemmung von Motoneuronen:
–
Reziproke Inhibition: Untersuchungen bei Patienten mit Spastik zeigen, dass die über Ia-Interneurone organisierte reziproke Inhibition zwischen Antagonisten (Abb. 5.41) vermindert ist, woraus man eine Beteiligung der reziproken Inhibition an der Pathophysiologie der Spastik annimmt. Es gibt Hinweise, dass dies auf eine Dysfunktion der Steuerung der reziproken Hemmung durch den kortikospinalen Trakt zurückgeht.
–
Rekurrente Inhibition: Ein Ausfall der Hemmung durch eine gestörte Kontrolle der Renshaw-Zellen könnte die Symptomatik der Spastik auslösen. Untersuchungen bei Patienten haben bisher keine überzeugenden Hinweise für diese Hypothese ergeben.
–
Autogene Ib-Inhibition: Sie ist in ein komplexes Netz von aktivierenden und hemmenden Konvergenzen eingebunden (Abb. 5.48). Bei Patienten mit Spastik ist die Balance zwischen hemmenden und fördernden Ib-Wegen verschoben, weshalb eine Beteiligung des spinalen Ib-System an der Symptomatik der Spastik möglich scheint.
Die Symptomatik der Spastik ist Folge einer Erkrankung des Nervensystems, die verschiedene Pathomechanismen einbezieht.
ZUSAMMENFASSUNG
Interneuronales SystemIm Rückenmark verarbeitet ein interneuronales System die deszendierenden Bewegungsprogramme und die segmentalen afferenten Informationen zu motoneuronalen Ausgangssignalen zur Skelettmuskulatur. Dieses Verarbeitungssystem kann durch eine monosynaptische Projektion bestimmter deszendierender Trakte auf Motoneurone umgangen werden, womit zentrale Bewegungsprogramme zum gewünschten Zeitpunkt mit dem gewünschten Inhalt die Ausgangsneurone erreichen. Die sensomotorische Integration, d.h. die Zusammenführung deszendierender Bewegungsprogramme und reafferenter Signale aus der Peripherie erfolgt auf prämotoneuronaler Ebene. In diesem Prozess wird die Übertragung der zentralen Programme auf die Motoneurone von der erwarteten Reafferenz gesteuert, wie auch umgekehrt die Übertragung afferenter Signale von den Bewegungsprogrammen in den Verhaltenskontext eingepasst wird.
MuskelrezeptorenMuskelrezeptoren messen u.a. die Länge und Längenänderungen der Arbeitsmuskulatur, sowie die Muskelspannung und die erzeugte Kontraktionskraft. Über differenzierte Verschaltungen konvergieren diese Informationen auf gemeinsame Interneurone, die die Signale integrieren und über fördernde oder hemmende Wege auf die Motoneurone projizieren. Die Bewegungsprogramme haben über die γ-Motoneurone Zugriff auf die Längenrezeptoren und können deren Messeigenschaften für die geplante Bewegung optimieren.
Aufbau von BewegungskomponentenMit den genannten Mechanismen baut das Rückenmark Bewegungskomponenten auf und setzt sie zu koordinierten Bewegungen der Extremitäten und des Rumpfes zusammen, wie u.a. Extension der Gelenke gegen die Schwerkraft (Antischwerkraftreflex), Koordination antagonistischer Muskelgruppen an Scharniergelenken (reziproke Hemmung), Steuerung der Kontraktionskraft als Ergebnis der im Muskel erzeugten Längenänderung und Spannungsanstieg (autogene Hemmung), Organisation von Flexions- und Extensionsmustern der Extremitäten (gekreuzter Streckreflex).
Supraspinale KontrolleDie Übertragung der von Rezeptoren ausgelösten afferenten Information zu Motoneuronen wird durch supraspinale Systeme in den Bewegungskontext eingebaut, eine Störung des geplanten Bewegungsablaufs durch Reflexe tritt nicht auf. Falls pathologische Prozesse diese deszendierende Kontrolle stören, kann die Erregung von Rezeptoren zu unerwünschten motorischen Reflexantworten führen.
5.6
Ortsveränderung des Körpers im Raum – Lokomotion
Zur Orientierung
System:motorischesFür die Lokomotion des Menschen ist die Bipedalität spezifisch. Die Entwicklung vom quadrupedalen zum bipedalen Gang hat die Arme und Hände von den Aufgaben der Fortbewegung befreit und die Möglichkeit zum Tragen von Lasten geschaffen, zur Untersuchung von Gegenständen und zur Nutzung von Werkzeugen. Spinale Systeme generieren die neuronale lokomotorische Aktivität, wozu sie sensorische Feedback-Signale und deszendierende Programme integrieren. Supraspinale Projektionen setzen das strategische Ziel der Ortsveränderung um und sichern die Haltung während der Bewegung.
5.6.1
Kinematik und muskuläre Aktivität der menschlichen Lokomotion
MERKE
Muskeln, die den Körper gegen die Schwerkraft aufrichten, werden in der Physiologie als physiologische Extensor, physiologischerExtensoren bezeichnet, die Antagonisten als physiologische Flexor, physiologischerFlexoren.
5.6.2
Neuronale Systeme zur Generierung der Lokomotion
5.6.3
Beteiligung spinaler Systeme an den verschiedenen Phasen der Lokomotion
Alternierende Hemmung zwischen Extensoren und Flexoren
•
Projektion aus dem E-Zentrum (2), die parallel zur Aktivierung Hemmung:reziprokeder E-MN die reziproke Hemmung startet
•
Projektion von Ia-Afferenzen aus den kontrahierenden physiologischen Extensoren mit Anpassung der Stärke der reziproken Hemmung an die Ia-Afferenz:LokomotionKontraktionskraft der Synergisten (4)
•
Projektion der adaptiven Systeme zur Anpassung der Tiefe der reziproken Hemmung an den Bewegungskontext (5)
Generierung von Kontraktionskraft in den physiologischen Extensoren während der Standphase
Beendigung der Standphase
•
Am Ende der Gehen:StandphaseStandphase wird das Körpergewicht zunehmend auf den kontralateralen Fuß verlagert. Die GOS sind deswegen weniger erregt und die Aktivierung des E-Zentrums über (4b) entfällt. Dies reduziert die Hemmung des F-Zentrums (Weg 1), das damit sein Schwungphasenprogramm umsetzen kann.
•
Während der Standphase extendiert das Hüftgelenk. Damit werden die Längenrezeptoren der Hüftgelenksflexoren erregt, was das F-Zentrum des SLG aktiviert und die Schwungphase einleitet (nicht illustriert).
Bewegungskorrektur während der Schwungphase
MERKE
Die neuronalen Grundmuster der Lokomotion werden auf spinaler Ebene generiert. Supraspinale Systeme aktivieren den Lokomotionsgenerator und stellen seine Aktivität auf den Verhaltenskontext ein. Die spinale Reafferenz steuert die Übertragung der lokomotorischen Programme auf die Motoneurone.
5.6.4
Rückenmarkquerschnitt: Ist Lokomotion erlernbar?
ZUSAMMENFASSUNG
Grundlage der Lokomotion mit der alternierenden Aktivierung der Flexoren und der Extensoren in den Extremitäten ist ein spinaler, aus 2 Halbzentren bestehender Lokomotionsgenerator, der unter dem Einfluss supraspinaler aktivierender Systeme diese neuronale Aktivität generiert. Interneurone verschalten diese Lokomotionsaktivität auf die Zielmotoneurone. Zu jedem Moment der Stand- und Schwungphasen werden die übertragenden Interneurone zu Gruppen kombiniert, die das dann für die Motoneurone adäquate Aktivitätsmuster aufbauen. Verantwortlich dafür sind:
•
die Reafferenz aus den Muskel- und Hautrezeptoren, die die Durchgängigkeit in den Interneuronenpopulationen an die konkrete Kraft- und Längensituation in den Muskeln anpassen
•
Projektionen aus den Halbzentren und von supraspinal-kortikal adaptierenden Systemen, die die Lokomotion in den Verhaltenskontext einpassen
5.7
Sicherung der Haltung als Bestandteil des Bewegungsprogramms
Zur Orientierung
System:motorischesEin kraftvoller gezielter Wurf gelingt, wenn vor und während der Bewegung ein fester Stand und eine stabile Körperhaltung gewährleistet sind. Erfolgreiche Zielmotorik ist nur mit gleichzeitiger Halte- und Stützmotorik möglich. Bei Bewegungen, die die Position des Körperschwerpunkts ändern, muss seine Sicherung vorausgeplant und dem Bewegungsablauf angepasst werden. Unvorhergesehene Störungen der Haltung müssen in Programme umgesetzt werden, die die Stabilität des Körpers wieder herstellen. An diesen Regulationen sind alle Ebenen des ZNS beteiligt, wobei der Hirnstamm das wichtigste Zentrum der Halte- und Stützmotorik ist.
5.7.1
Antizipatorische und reaktive posturale Programme
MERKE
Posturale Programme werden sowohl antizipatorisch zur Vorbereitung und Unterstützung der Zielmotorik als auch reaktiv zur Kompensation einer Störung eingesetzt. Sie organisieren eine Abfolge von Muskelkontraktionen zur Sicherung der Haltung. Posturale Programme sind nicht starr festgelegt, sondern werden situationsgerecht angepasst. An ihrer Ausarbeitung sind alle Stufen des ZNS, vom Kortex bis zum Rückenmark, beteiligt.
5.7.2
Neuronale Organisation
Klinik
Einklemmung des MittelhirnsDurch eine Erhöhung des intrakranialen Drucks (z.B. Tumor, Blutungen, Ödem) können Hirnteile in den Tentoriumschlitz gedrückt und das Mittelhirn eingeklemmt werden. Dies führt zur Bewusstlosigkeit, Tetraparese und schließlich zu Streckkrämpfen als Zeichen der beginnenden Dezerebrierungsstarre. Bei deren voller Ausprägung ist der Kopf nach hinten überstreckt (Opisthotonus), Arme und Beine sind gestreckt und nach innen rotiert, Handgelenke und Finger gebeugt. Gelingt es nicht, den Hirndruck zu senken, besteht Lebensgefahr.
5.7.3
Halte- und Stellreflexe
ZUSAMMENFASSUNG
Zur Sicherung der Stellung und der Haltung des Körpers im Raum interagiert eine Reihe posturaler Programme, die auf unterschiedlichen Ebenen des ZNS organisiert sind. Vom Hirnstamm als wesentlichem Zentrum der Halte- und Stützmotorik projizieren retikulo- und vestibulospinale Trakte in das Rückenmark, die spinale Mechanismen für die Haltungsregulation aktivieren. Dadurch wird eine Anpassung der Haltung an die Willkürmotorik erreicht.
5.8
Basalganglien
Zur Orientierung
Die ZNS (zentrales Nervensystem):BasalganglienBasalganglien und ihre komplexe Verschaltung haben eine zentrale Rolle für die Steuerung der Motorik. Darüber hinausgehend sind sie am Aufbau sensomotorischer, kognitiver und limbischer Funktionen beteiligt. Eine korrekte Funktion der Basalganglien ist wichtig für die Planung und koordinierte Ausführung von Willkürbewegungen, insbesondere für die Auswahl und Erstellung von Bewegungsprogrammen sowie von nichtmotorischen Handlungsprogrammen. Dysfunktionen, wie sie z.B. beim Morbus Parkinson und Morbus Huntington vorliegen, äußern sich insbesondere in Störungen der Willkürmotorik und der Haltung, aber auch nichtmotorische Funktionen sind gestört.
5.8.1
Funktionelle Neuroanatomie der Basalganglien
Kerngebiete
•
den Nucleus caudatus und das Putamen, die morphologisch getrennt sind, Nucleus:caudatus, Basalganglienaber eine funktionelle Einheit bilden: das Striatum
•
den Globus pallidusPutamen:Basalganglien (GP), der sich in ein inneres (ParsStriatum:Basalganglien interna) und ein äußeres (Pars externa) Segment gliedert
•
den Nucleus Globus pallidus, Basalgangliensubthalamicus (STN)
•
die Substantia nigra (SN), die sich aus den Nucleus:subthalamicus, Basalganglienunterschiedlichen Kernen Pars reticularis (SNr) und Pars compacta (SNc) zusammensetzt
Spezifische Projektionswege
•
eine skelettomotorische Schleife zum prämotorischen und supplementär-motorischen Kortex; wichtig für die Körpermotorik
•
eine okulomotorische Schleife zu den frontalen und supplementär-motorischen Augenfeldern; wichtig für die Augenmotorik
•
eine limbische Schleife zum Gyrus cingularis anterior und zum medialen orbitofrontalen Kortex; wichtig für Motivation und Handlungsantrieb
•
eine kognitive, präfrontale Schleife zum dorsolateralen präfrontalen und lateralen orbitofrontalen Kortex; wichtig für kognitive Funktionen
•
Der direkte Weg verläuft über eine monosynaptische Projektion von den striatalen Neuronen direkt auf die Neurone der Ausgangskerne.
•
Der indirekte Weg projiziert trisynaptisch über den GPe und den STN auf die beiden Ausgangskerne.
5.8.2
Transmittersysteme der Basalganglien
MERKE
In den BG ist das inhibitorisch wirkende GABA, mit Ausnahme des STN, der ubiquitäre primäre Transmitter. Die Projektion des STN auf die Ausgangskerne ist erregend (glutamaterg). Die striatalen Neurone der direkten und der indirekten Projektion schütten mit Substanz P bzw. Enkephalin Kotransmitter aus. Weiter exprimieren sie unterschiedliche Dopaminrezeptoren (direkter Weg: D1-Klasse, exzitatorisch; indirekter Weg: D2-Klasse, inhibitorisch). Damit wirkt die modulatorische dopaminerge striatale Projektion der SNc auf den direkten Weg erregend und auf den indirekten Weg inhibitorisch.
5.8.3
Steuerung der Thalamusaktivität durch Disinhibition
•
Die Aktivität der striatalen Neurone des direkten Wegs wird über die exzitatorisch wirkenden D1-Dopaminrezeptoren erhöht, sodass die Aktivität der thalamischen Zielzellen zunimmt.
•
Die Aktivität der striatalen Neurone des indirekten Wegs wird über inhibitorisch wirkenden D2-Dopaminrezeptoren gehemmt, sodass ebenfalls die Aktivität der thalamischen Zielzellen zunimmt.
MERKE
Die vorübergehende Hemmung der Aktivität der Ausgangskerne der BG mit anschließender transient erhöhter Aktivierung des Thalamus (durch Disinhibitionsmechanismen) sowie die kortikale Auswahl von motorischen Programmen hängt vom Verhältnis der Aktivität des direkten und des indirekten Projektionswegs ab. Dopamin im Striatum:DopaminStriatum (ausgeschüttet von SNc-Neuronen) verstärkt die Aktivität des direkten, bewegungsfördernden Wegs (D1) und hemmt die Aktivität des indirekten, bewegungsinhibierenden Wegs (D2), sodass durch Dopamin synergistisch die Thalamusaktivierung bei kortikaler Stimulation des Striatums erleichtert wird.
5.8.4
Funktionelle Bedeutung der Basalganglien
5.8.5
Pathophysiologie der Basalganglien
•
hyperkinetische Bewegungsstörungen (Dystonien)
•
hypokinetische Bewegungsstörungen
Hyperkinetische Bewegungsstörungen
MERKE
Hyperkinetische Bewegungsstörungen können durch einen relativ verringerten Einfluss des indirekten Wegs der Basalganglien im Verhältnis zum direkten Weg erklärt werden, was zu einer verstärkten Thalamusaktivierung führt. Beim Ballismus sind die Neurone des STN zerstört, bei der Chorea Huntington degenerieren insbesondere die striatalen Projektionsneurone des indirekten Wegs.
Klinik
Hyperkinetische BewegungsstörungenCharakteristisch ist ein Bewegungsüberschuss mit unkontrollierbaren und relativ schnellen Bewegungen. Diese schießen in den normalen Bewegungsfluss ein und sind Fragmente unerwünschter motorischer Programme. Die Chorea Huntington ist die häufigste dieser Bewegungsstörungen. Bei ihr treten schnelle Bewegungen von Rumpf, Kopf, Gesichtsmuskulatur und Extremitäten auf, die häufig von athetotischen (unwillkürlichen, langsamen, schraubenden) Bewegungsformen der Extremitäten begleitet sind. Der Ballismus ist durch heftige und schleudernde Bewegungen der Extremitäten gekennzeichnet.
Hypokinetische Bewegungsstörungen
MERKE
Hypokinetische Bewegungsstörungen können durch einen relativ verringerten Einfluss des direkten, bewegungsvermittelnden Wegs der BG im Verhältnis zum indirekten Weg bedingt sein, sodass die thalamischen Zielzellen verstärkt gehemmt sind. Beim Morbus Dopamin:Morbus ParkinsonParkinsonMorbus:Parkinson kommt es durch den fortschreitenden Verlust der dopaminergen SNc-Neurone zu einem zunehmenden Verlust des Dopamins im Striatum. Dadurch schwächt sich der direkte Weg ab (weniger D1-Rezeptor-Aktivierung), während der indirekte Weg verstärkt wird (weniger D2-Rezeptor-Aktivierung). Die Folge ist eine erhöhte Aktivität der BG-Ausgangskerne GPi und SNr mit einer entsprechend erhöhten Thalamushemmung, Morbus ParkinsonThalamushemmung.
•
Der direkte, bewegungsvermittelnde Weg (GABA/Substanz P) wird bei Dopaminmangel gehemmt, da die Projektion der striatalen Neurone auf die GPi/SNr-Neurone nun weniger stark über D1-Rezeptorstimulation stimuliert wird.
•
Der indirekte, bewegungsinhibierende Weg (GABA/Enkephalin) wird bei Dopaminmangel verstärkt, da die Projektion der striatalen Neurone auf die GPe-Neurone nun weniger stark über D2-Rezeptorstimulation gehemmt wird.
•
Durch den fortschreitenden Dopaminmangel im Striatum nimmt die Aktivität der BG-Ausgangskerne und damit die Thalamusinhibition immer mehr zu. Dies erschwert die Aktivierung motorkortikaler Bereiche, Bewegungsprogramme können nicht mehr in ihrer optimalen zeitlichen Sequenz ablaufen, was zur hypokinetischen Symptomatik der Morbus-Parkinson-Patienten führt.
Klinik
Hypokinetische BewegungsstörungenCharakteristisch sind Akinesie bzw. Bradykinesie (verzögerte, verlangsamte Bewegungsdurchführung), Rigidität (erhöhter Muskeltonus, gesteigerte tonische Dehnungsreflexe) und ein Ruhetremor (meist einseitig verstärkt). Von großer klinischer Bedeutung ist der Morbus Parkinson. Die Ursache für das Absterben der dopaminergen SNc-Neurone ist noch nicht geklärt (anders als bei Chorea Huntington). Es wurden aber verschiedene genetische Faktoren (PARK-Gene) und Umweltfaktoren (z.B. Toxine) identifiziert, die insbesondere eine gestörte Funktion der Mitochondrien und des Proteinabbaus (Proteasom, Lysosom), sowie entsprechend erhöhten oxidativen Stress der SNc-Neurone zur Folge haben.
Der Morbus Parkinson kann derzeit symptomatisch, aber nicht kausal behandelt werden. Um den zunehmenden Mangel an Dopamin zu kompensieren, wird zur Behandlung der Parkinson-Symptomatik eine Vorstufe des Transmitters Dopamin gegeben (L-Dopa, in Kombination mit einem peripheren Decarboxylasehemmer, sodass L-Dopa nur im Gehirn in Dopamin umgesetzt wird; Dopamin selbst ist nicht liquorgängig), sowie Dopaminrezeptor-Agonisten. Die progressive Degeneration der dopaminergen Neurone wird durch diese Therapie aber nicht aufgehalten. Nebenwirkungen dieser Dopaminersatztherapie nehmen mit Dauer der Behandlung zu (z.B. schwer kontrollierbare Dyskinesien). Die tiefe Hirnstimulation (Deep Brain Stimulation, DBS) wird seit einigen Jahren in speziellen Fällen erfolgreich eingesetzt. In dem aufwendigen Verfahren werden über eine dauerhaft implantierte Elektrode elektrische Reize appliziert, die wahrscheinlich die Neurone des STN beeinflussen. Folge ist in der Regel eine Verbesserung der motorischen Symptomatik während anhaltender Stimulation, wobei der exakte Wirkungsmechanismus noch nicht eindeutig geklärt ist.
ZUSAMMENFASSUNG
Die Basalganglien umfassen 4 Kerngebiete, die in mindestens 4 parallelen Schleifen Bewegungsabläufe und Handlungskonzepte auswählen und ermöglichen. In den Basalganglien wird die Information in einem direkten, bewegungsfördernden (D1) und einem indirekten, bewegungshemmenden (D2) Projektionsweg weitergegeben. Die Projektion der spontan-aktiven Basalganglien-Ausgangskerne auf die thalamischen Zielkerne ist inhibitorisch. Die entsprechend tonisch inhibierten thalamischen Neurone werden über den Mechanismus einer Disinhibition transient aktiviert (durch Stimulation des direkten Wegs und Inhibition des indirekten Wegs). Die dopaminerge Projektion aus der Substantia nigra (SNc) zum Striatum stimuliert den direkten Weg (über erregende Dopamin-D1-Rezeptoren) und inhibiert den indirekten Weg (über inhibitorische Dopamin-D2-Rezeptoren). So erleichtert Dopamin die transiente Thalamusdisinhibition und damit die Willkürmotorik. Störungen des komplexen Basalganglien-Netzwerks führen zu charakteristischen Erkrankungen, bei denen hyperkinetische (Ballismus, Chorea Huntington) oder hypokinetische (Morbus Parkinson) Symptomatiken im klinischen Vordergrund stehen.
5.9
Zerebellum
Zur Orientierung
Das Kleinhirn ZNS (zentrales Nervensystem):Zerebellumkoordiniert die einzelnen Bewegungsanteile und optimiert damit Haltung und Bewegung. Störungen in seiner Funktion zerlegen die Motorik in ihre sequenziellen Komponenten (Dekomposition) und verursachen Bewegungsfehler in Richtung, Kraft, Beschleunigung und Amplitude. So ist z.B. die Kokontraktion antagonistischer Muskeln bei der Beibehaltung einer Extremitätenstellung, z.B. dem Zeigen auf ein Ziel, nicht mehr koordiniert. Dies löst unpräzise Korrekturbewegungen (Intentionstremor) aus. Die Dekomposition der gesamten Körperhaltung führt zu Körperschwankungen und Gangstörungen (Ataxie), die Dekomposition der Augenbewegungen zum Nystagmus. In den sensorischen, intellektuellen oder mentalen Leistungen oder im allgemeinen Aufmerksamkeitsniveau werden bei Kleinhirnstörungen im Allgemeinen keine Defizite deutlich. Das grundlegende Arbeitsprinzip des Zerebellums ist der Informationsvergleich der neuronalen Zellpopulation des zerebellaren Kortex und der Kleinhirnkerne. Es ist an der Erstellung der motorischen Bewegungspläne beteiligt, d.h., es vergleicht den motorischen Plan mit dem Signal der spinalen interneuronalen Wege und mit der Aktivierung der Rezeptoren. Das Zerebellum reguliert die deszendierenden motorischen Systeme, die die Haltung des Körpers einstellen und die Zielmotorik der Extremitäten durchführen. Des Weiteren hat es wesentlichen Anteil am motorischen Lernen.
5.9.1
Neuroanatomisches Substrat
Mikroarchitektur des zerebellaren Kortex
•
Stratum moleculare mit Korbzellen, Sternzellen und Parallelfasern
•
Stratum ganglionare mit Purkinje-Zellen
•
Stratum granulosum mit Körnerzellen und Golgi-Zellen
•
An ihnen enden die Kletterfasern (s.u.), Axone der Korb- und Sternzellen und Parallelfasern.
•
Ihre Axone ziehen durch das Stratum granulosum zu den Kleinhirnkernen.
MERKE
Die Axone der Purkinje-Zellen sind die einzigen efferenten Axone der Kleinhirnrinde.
•
Die Moosfasern, die sich in der Körnerzellschicht in viele Kollateralen verzweigen, bilden erregende Synapsen an den Körnerzellen.
•
Die Axone der Moosfaser(system)Körnerzellen steigen auf direktem Weg an die Kortexoberfläche auf. Dort teilen sie sich in Kollateralen, die in mediolateraler Richtung durch das Kleinhirn verlaufen. Jede Kollaterale (Länge bis zu 6 mm) ist in ihrem Verlauf streng parallel zu den anderen Kollateralen ausgerichtet (Parallelfasern). Die Parallelfasern durchqueren die Dendritenscheiben vieler Purkinje-Zellen, an denen sie jeweils aktivierende Synapsen bilden (Abb. 5.64, Abb. 5.67a).
Eingangssysteme
Ausgangssysteme
MERKE
Die beiden Eingangssysteme in das Kleinhirn sind erregend. Die efferente Projektion aus dem Kleinhirn ist hemmend.
•
das Vestibulozerebellum
•
das Spinozerebellum
•
das Zerebrozerebellum
MERKE
Das Kleinhirn hat eine strenge funktionelle Kompartimentierung. Die verschiedenen Kompartimente haben unterschiedliche Aufgaben in der Motorik.
5.9.2
Verarbeitung neuronaler Information im Zerebellum
MERKE
Die Kleinhirnkerne werden vom Eingangssignal in das Kleinhirn aktiviert und von dem im Kleinhirnkortex erarbeiteten Signal gehemmt. Sie projizieren also ein Differenzsignal auf die Zielsysteme.
Eingangssystem: Aktivierung der Purkinje-Zellen
Interneurone: Hemmung der Purkinje-Zellen
•
Interneurone:KleinhirnSternzellen
•
Korbzellen
•
Golgi-Zellen
MERKE
Stern- und Korbzellen hemmen Purkinje-Zellen und schaffen dabei räumliche Muster im zerebellaren Kortex.
MERKE
Die Golgi-Zellen hemmen die Körnerzellen und schaffen dabei ein zeitliches Muster im zerebellaren Kortex.
5.9.3
Kompartimente des Kleinhirns
Vestibulozerebellum
MERKE
Das Vestibulozerebellum steuert die Stellung des Körpers im Raum und sichert das Gleichgewicht:VestibulozerebellumGleichgewicht.
Spinozerebellum
•
Tractus:spinocerebellaris Der dorsale spinozerebellare Trakt ist propriozeptiv und überträgt die Tractus:cuneozerebellarisInformation von Haut- und Muskelrezeptoren. Er informiert das Zerebellum über die Rezeptoraktivierung während einer ablaufenden Bewegung.
•
Davon unterschiedlich wird der ventrale spinozerebellare Trakt von den Kollateralen spinaler Reflexsysteme aktiviert. Er signalisiert den Verarbeitungszustand in den verschiedenen spinalen motorischen Zentren und Reflexwegen.
•
Die zervikalen spinozerebellaren Trakte vermitteln die gleichen Informationsinhalte aus den oberen Extremitäten.
•
Die untere Olive istNucleus:reticularis lateralis der einzige Ursprung der Olive:untereKletterfasern. Auf ihre wichtige Beteiligung beim motorischen Lernen wird weiter unten eingegangen.
•
Der Nucleus reticularis lateralis ist ein Moosfaserkern, der Konvergenzen aus dem Rückenmark, Hirnnervenkernen und dem zerebralen Kortex erhält. Er projiziert auf wesentlich ausgedehntere Gebiete im zerebellaren Kortex als die spinozerebellaren Trakte.Olive:untere
•
Nucleus fastigii: Er innerviert bilateral die Ursprungskerne der Nucleus:fastigiiretikulospinalen und vestibulospinalen Trakte (Abb. 5.68b, links). Eine aszendierende gekreuzte Projektion verläuft über den Thalamus zum motorischen Kortex und ist mit dem medialen kortikospinalen System verschaltet. Über diese Verbindungen steuert und reguliert das Spinozerebellum die Stamm- und proximale Körpermuskulatur. Es passt die Körperhaltung an die Bewegung an bzw. kann die Bewegung entsprechend der Körperhaltung modifizieren.
•
Nucleus interpositus: Er hat Zugriff auf das rubrospinale (magnozelluläreNucleus:interpositus Anteile des Nucleus ruber) und laterale kortikospinale System (über die ventrolateralen Thalamuskerne zur Extremitätenregion des primären motorischen Kortex, Abb. 5.68b, rechts). Damit fokussieren die intermediäre Zone des Zerebellums und der Nucleus interpositus ihre Aktionen auf die distale Extremitätenmuskulatur.
MERKE
Das Spinozerebellum vergleicht den Fortgang der Bewegung mit dem ursprünglichen Bewegungsziel (Efferenzkopie). Es erarbeitet aus diesem Vergleich Korrektursignale, die auf den Kortex und die großen motorischen Systeme projiziert werden.
Klinik
Ataxie, Dysmetrie, TremorEine zielgerichtete Bewegung beginnt normalerweise mit einer Kontraktion der Agonisten bei gleichzeitiger Hemmung der Antagonisten (s.a. Abb. 5.61). Gegen Ende der Bewegung werden die Antagonisten aktiviert. Sie verlangsamen die Bewegung und beenden sie zum richtigen Zeitpunkt. Propriozeptive Informationen steuern die neuronalen Programme, die diese Verlangsamung der Extremitätenbewegung einleiten.
Bei Patienten mit Läsionen des Spinozerebellums arbeiten Agonisten und Antagonisten unkoordiniert. Die anfängliche Kontraktion der Agonisten ist verlängert, die Erschlaffung der Antagonisten ist verzögert bzw. fehlt. Die phasische Kontraktion der Antagonisten, die die Bewegung abbremst, fehlt oder ist nicht ausreichend. Der propriozeptive Eingang kann damit nicht mehr adäquat in ein Korrektursignal umgesetzt werden. Eine Folge dieses Defizits sind die Symptome der Ataxie und Dysmetrie. Gleichzeitig tritt ein Intentionstremor auf, der typischerweise größer wird, je mehr sich die Bewegung dem Ziel nähert.
Zerebrozerebellum
MERKE
Das Zerebrozerebellum ist an der primären Programmierung der Bewegung beteiligt.
Klinik
Läsionen des Hemisphärenanteils betreffen die distale Extremitätenmuskulatur. Im Vordergrund stehen eine Verzögerung des Bewegungsbeginns und eine Asynergie der beteiligten Muskeln. Parallel dazu wird die Sprache meist eintönig und skandierend. Gemeinsamer pathophysiologischer Hintergrund dieser Symptome ist ein unkoordinierter Aufbau des motorischen Bewegungsplans. Motorische Programmteile, die normalerweise parallel und verzahnt ausgeführt werden, werden in pathologischen Zuständen sequenziell und unkoordiniert abgearbeitet. Bei intaktem Zerebrozerebellum werden die Zellen des Nucleus dentatus vor den Zellen des motorischen Kortex der Area 4 aktiviert (die Zellen des Kleinhirns arbeiten die Programme aus, die die zeitliche Koordination der kortikal vorliegenden Bewegungsprogramme organisieren). Nach einem Ausfall des Zerebrozerebellums wird die Aktivierung der Zellen auf den motorischen Kortizes um mehrere hundert Millisekunden verzögert. Dies führt zum verzögerten Beginn und zu einer Asynergie der Bewegung.
5.9.4
Zerebellum und motorisches Lernen
Beispiele für motorisches Lernen
Modifikation durch das Kletterfasersystem
ZUSAMMENFASSUNG
Das Zerebellum ist in den Prinzipien der intrazerebellaren neuronalen Integration sowie den Prinzipien der afferenten und efferenten Projektion in allen Regionen identisch aufgebaut. In der Programmierung und Durchführung der Motorik teilt es sich in 3 funktionelle Kompartimente mit unterschiedlichen Aufgaben auf:
•
Aufrechterhaltung der Stellung des Körpers im Raum und Abstimmung der Gleichgewichtsregulation mit der Willkürmotorik,
•
Anpassung der Bewegungsplanung an die Durchführung der Bewegung,
•
Programmierung der Bewegung.
Die ausgeprägte pathologische Symptomatik bei Funktionsausfällen im Zerebellum zeigt die große Bedeutung des Systems für die Motorik, wobei das Zerebellum kompartimentübergreifend an den Lernvorgängen im motorischen System beteiligt ist.