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Abb. 42.1

[L217/V492]
Torticollis – angeboren oder erworben.Torticollis
Torticollis
42.1
Symptombeschreibung
Der Begriff TorticollisTorticollis beschreibt eine Schiefhaltung des Kopfes und der Halswirbelsäule. Der Kopf ist auf die betroffene Seite geneigt und das Gesicht auf die Gegenseite gedreht. Ein Torticollis entsteht durch Veränderungen an der Halswirbelsäule oder durch eine Imbalance der Halsmuskulatur.
42.2
Rationelle Diagnostik
42.2.1
Anamnese
Die Schiefhaltung kann angeboren oder erworben sein (Abb. 42.1). Photos aus der Neugeborenen-und Säuglingszeit sind oft hilfreich und können auf einen angeborenen Torticollis hinweisen. 10–15 % Prozent der Neugeborenen weisen bei Geburt einen Torticollis und eine Schädelasymmetrie infolge einer intrauterinen Zwangshaltung auf. Nicht selten kommt es während der Geburt zu einem zusätzlichen Trauma im Bereich des M. sternocleidomastoideus durch die erzwungene Aufrichtung im Geburtskanal. Durch Muskelfibrose und wachstumsbedingte Verkürzung kann die Schiefhaltung im Verlauf der Monate und Jahre noch zunehmen. Die Häufigkeit ist bei Beckenendlagen und operativ vaginalen Entbindungen erhöht. Weitere Risikofaktoren sind eine Klavikulafraktur und eine Armplexusparese.
Der erworbene Torticollis tritt entweder episodisch im Rahmen einer Akuterkrankung auf oder bleibt permanent. Der paroxysmale Torticollis ist eine benigne Sonderform im Säuglingsalter. Die Anfälle dauern wenige Minuten bis zu 48 Stunden und werden beim ansonsten wachen und gesunden Kind von Blässe, Agitiertheit und Nystagmus begleitet. Bei dystonen Formen ist nach Medikamenteneinnahme (Metoclopramid, Neuroleptika) zu fragen.
42.2.2
Körperliche Untersuchung
Bei entzündlichen und posttraumatischen Zuständen ist die Zwangshaltung gewöhnlich schmerzhaft, oft besteht auch eine Nackensteifigkeit. Eine genauere Untersuchung ist unter Umständen erst nach Analgesie und Muskelrelaxation möglich.
Die Inspektion und Palpation von Kopf, Rachen und Hals liefert in der Regel in Verbindung mit der Anamnese die Verdachtsdiagnose. Eine Schädelasymmetrie spricht für einen angeborenen oder früh erworbenen Torticollis. Beim Säugling achtet man auf prämature Schädelnahtsynostosen. Die Einschränkung der Rotation und der Seitkippung sollte durch Angabe von Winkelgraden präzisiert werden. Der Neurostatus sichert Paresen oder Tonusstörungen (Dystonie, Spastik).
42.2.3
Labor
Die Bestimmung der BSG (Blutsenkungsgeschwindigkeit), Blutbild, CRP (C-reaktives Protein) und CK (Kreatinkinase) kann entzündliche Prozesse aufdecken.
42.2.4
Technische Untersuchungen
Die Sonografie der Halsweichteile kann bei der Differenzierung von entzündlichen Prozessen hilfreich sein. Radiologische Diagnostik ist indiziert bei Verdacht auf Wirbelanomalien, Schädelnahtsynostosen oder traumatische Ursachen. Schädel- und Hals-MR kommen vor allem bei Tumorverdacht und zur weiteren Befundsicherung vor Operationen zur Anwendung.
42.3
Besondere Hinweise
Vor Manipulationen gegen Widerstand kann wegen der Gefahr von Luxationen, Frakturen, Nerven- und Gefäßläsionen nur gewarnt werden!
42.4
Differenzialdiagnostische Tabelle
Differenzialdiagnose bei Torticollis
Charakterisierung des Hauptsymptoms | weiterführende Nebenbefunde | Verdachtsdiagnosen | Bestätigung der Diagnose |
angeborener Torticollis | Muskelverkürzung, Hämatom, Schädelasymmetrie | muskulärer Torticollis | Lokalbefund |
Schädelasymmetrie | unilaterale Koronar- oder Lambdanahtsynostose | Lokalbefund | |
kurzer Hals | Klippel-Feil-Syndrom | Rö-HWS | |
erworbener Torticollis | Trauma | Subluxation, Wirbelfraktur, Klavikulafraktur | |
Infekt der oberen Luftwege, retropharyngealer Abszess | Subluxation, Grisel-Syndrom | Entzündungszeichen, MRT | |
zervikale Lymphadenopathie | Torticollis spasmodicus | Lokalbefund | |
Tine-Test positiv | Tuberkulose | Kultur, evtl. Biopsie | |
okuläre Motilitätsstörung, Schielen | okulärer Torticollis | ophthalmologischer Befund | |
Nackenschmerzen | Tumor der hinteren Schädelgrube, eosinophiles Granulom, Osteoidosteom, Osteomyelitis der HWS | Schädel-, HWS-MRT | |
plus Querschnittssyndrom | spinaler Tumor | ||
Plexusparese | neurogener Torticollis | neurologischer Befund | |
Dystonie, Spastik | Torticollis spasmodicus bei ZNS-Erkrankung | neurologischer Befund, Schädel-MRT | |
Medikamentenanamnese (z. B. Metoclopramid, Neuroleptika), Dystonie | medikamenteninduzierter Torticollis | ||
atlantoaxiale Instabilität | Down-Syndrom, Skelettdysplasien, juvenile Arthritis | Rö-HWS, HWS-MRT | |
harte, schmerzhafte Muskelknoten | Myositis, Fibrodysplasia ossificans | ||
paroxysmaler Torticollis | Säuglingsalter | benigner paroxysmaler Torticollis | Klinik, Verlauf |
Bewusstsein klar Bewusstsein getrübt |
kinesiogene paroxysmale Dystonie, nichtkinesiogene paroxysmale Dystonie, Stereotypien paroxysmale Ataxie, mesiale Frontallappenanfälle, Watanabe-Syndrom |
Klinik, Verlauf, EEG, Schädel-MRT, Genetik | |
Kopfwackeln, Nystagmus beim jungen Säugling | Spasmus nutans | ||
horizontales Kopfwackeln, Nystagmus | okulomotorische Dyspraxie, Cogan-Syndrom | Nystagmografie | |
gastroösophagealer Reflux | Sandifer-Syndrom | Klinik, Sono Abdomen |