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Kennzeichen der Schweregrade einer chronischen Aorteninsuffizienz
Schweregrade Mild | Mittelgradig | Schwer | |
Blutdruck-Amplitude | Normal | Erhöht | Stark erhöht, diastoli-scher Druck deutlich erniedrigt |
Echokardiographie – 2D LVDs | LV normal groß | LV wenig dilatiert | LV deutlich dilatiert |
Echokardiographie – 2D LVDd | LV normal groß | LV wenig dilatiert | LV deutlich dilatiert |
− Breite des Jets im Farbdoppler | < 25% des LVOT-Durchmessers | Weiter als „mild”, aber keine „schwere AI” | > 65% des LVOT-Durchmessers |
Angiographie mit KM-Injektion in die Aortenwurzel | Blutrückstrom bis Mitte des LV | Sofortige Füllung des LV, Kontrastdichte jedoch geringer als in der Aorta | Füllung des gesamten LV mit Kontrastdichte wie Aorta |
MRT | |||
− Regurgitationsfraktion | < 30% | 30-49% | > 50% |
LV Volumina (MRT; Erwachsene) | 83 ±13 ml/m2 | 103 ± 13 ml/m2 | 146 ± 19 ml/m2 |
Aortenklappeninsuffizienz
Geltungsbereich: Aortenklappeninsuffizienz im Kindes- und Jugendalter
DEFINITION, KLASSIFIKATION UND BASISINFORMATION
Bei einer Aortenklappeninsuffizienz (AI) besteht eine Undichtigkeit der Aortenklappe. Sie ist selten angeboren, sondern meist erworben als Folge operativer oder interventioneller Eingriffe an der Klappe oder anderer kardialer Fehlbildungen (z.B.: suprakristaler VSD im Outlet-Septum oder membranöse Subaortenstenose) sowie entzündlicher oder degenerativer Klappenerkrankungen (2). Eine weitere Ursache für eine AI kann eine Dilatation der Aortenwurzel sein. In seltenen Fällen kann sie auch durch einen aorto-linksventrikulären Tunnel oder akut durch Perforation eines Sinus-Valsalva-Aneurysmas bzw. einer Aortendissektion bedingt sein.
Grundlage des Schlussmechanismus der Aortenklappe ist eine dreidimensionale, halbmondförmige Aufhängung der Aortenklappentaschen an der Wand der Aortenwurzel und die Koaptation der freien Ränder der Taschen im Zentrum der Aorta. Wird diese komplexe Geometrie gestört, z.B. durch Dilatation der Aortenwurzel oder kommt es zur Schrumpfung der Klappentaschen, z.B. nach einer Endokarditis, resultiert daraus eine mehr oder weniger ausgeprägte AI.
Hämodynamisch führt die AI zu einer Volumenbelastung des linken Ventrikels mit erhöhtem enddiastolischem Druck, einer Ventrikelvergrößerung, einer Erhöhung der Wandspannung und einer Steigerung des myokardialen Sauerstoffverbrauchs.
Wegen des niedrigen diastolischen Blutdrucks ist gleichzeitig die koronare Perfusion beeinträchtigt, was schließlich in eine myokardiale Dekompensation münden kann.
Das Ausmaß der AI wird einem von drei Schweregraden zugeordnet (s. Tab. M32-1).
LEITSYMPTOME
Eine Aorteninsuffizienz ruft über lange Zeit keine oder nur geringe Symptome hervor. Mögliche Zeichen einer schweren Aorteninsuffizienz sind: rasche Ermüdbarkeit, belastungsabhängige Dyspnoe, thorakale Schmerzen, selten Schwindel und Synkope. Gelegentlich berichten die Patienten über ein pulssynchrones „Dröhnen” im Kopf. Bei fortgeschrittenem Schweregrad entstehen Zeichen der Linksherzinsuffizienz mit Tachykardie und Lungenödem.
Typischerweise findet sich bei der klinischen Untersuchung ein Pulsus celer et altus als Zeichen einer hohen Blutdruckamplitude. Die Auskultation des Herzens ergibt ein diastolisches Geräusch über dem LVOT.
DIAGNOSTIK
Zielsetzung
Nachweis des Herzklappenfehlers, Klärung von Ausmaß und Mechanismus der Klappeninsuffizienz und ihrer hämodynamischen Relevanz, insbesondere Auswirkung auf den LV, wenn notwendig Planung der Therapie.
Apparative Diagnostik
Elektrokardiogramm und Echokardiographie, Röntgen-Thorax-Aufnahme, Spiroergometrie, Herzkatheteruntersuchung, MRT und CT.
Bewertung der diagnostischen Verfahren
Echokardiographie: Das wichtigste Fundament für die Diagnostik ist die echokardiographische Untersuchung inkl. der Doppler- und Farbdopplerechokardiographie zur Erfassung von Anatomie, Dimension und Funktion der Aortenklappe und insbesondere der Bestimmung von Größe und Funktion des linken Ventrikels im zeitlichen Verlauf. Eine progrediente Größenzunahme oder eine im Verlauf abnehmende LV-Verkürzungsfraktion deuten auf ein Versagen der Kompensationsmechanismen des linken Ventrikels hin, sodass eine operative Therapie zu erwägen ist.
Ein ungünstiger natürlicher Verlauf ist zu erwarten, wenn der LV-Durchmesser endsystolisch > 25 mm/m2 Körperoberfläche (8) oder enddiastolisch > 70 mm (1) beträgt (Daten von Erwachsenen!).
Eine transösophageale Echokardiographie wird empfohlen, wenn die Aortenklappe in ihren morphologischen Details transthorakal nicht ausreichend dargestellt werden kann.
Röntgen-Thorax-Aufnahme: Sie ist entbehrlich zur Diagnostik, jedoch zur Frage der Herzgröße und eines möglichen pulmonalvenösen Rückstaus hilfreich.
Spiroergometrie (kardiopulmonale Belastbarkeit, Entwicklung von Rhythmusstörungen oder myokardialen Ischämiezeichen unter Belastung): Sie ist hilfreich zur Verlaufsbewertung.
NT-proBNP: Werte können normal oder mäßig erhöht sein, korrelieren jedoch nur gering mit der NYHA-Klassifikation bzw. den linksventrikulären Durchmessern (3).
Herzkatheteruntersuchung: Sie ist nur bei Hinweisen auf strukturelle, hämodynamisch bedeutsame kardiale Begleiterkrankungen und ggf. zur Darstellung der Koronararterien bei Aortenwurzelchirurgie indiziert.
MRT: Eine Kernspintomographie wird zur Klärung des Ausmaßes der Aortenerkrankung empfohlen, wenn die Aorta dilatiert ist, oder bei nachgewiesener oder klinisch vermuteter Bindegewebserkrankung und bei Anomalie der Aortenklappe (bikuspid oder unikuspid) zur Planung des rekonstruktiven chirurgischen Eingriffs. Die Regurgitationsfraktion und die LV-Funktion können gut quantifiziert und der Abgang der Koronararterien dargestellt werden.
CT: Sie ist eine Alternative zur Darstellung der Klappen-, Aorten- und Koronaranatomie bei unzureichender echokardiographischer Darstellung oder Gründen gegen eine MRT-Untersuchung (Cave: Strahlenbelastung).
Ausschlussdiagnostik
Andere Herzfehler mit ähnlicher Hämodynamik müssen ausgeschlossen werden: z.B. offener Ductus arteriosus, aortopulmonales Fenster, aorto-linksventrikulärer Tunnel, rupturiertes Sinus-Valsalva-Aneurysma.
Nachweisdiagnostik
Primär Echokardiographie.
Entbehrliche Diagnostik
Eine szintigraphische Bestimmung der Regurgitationsfraktion oder Myokardfunktion ist wegen der Strahlenbelastung obsolet.
Durchführung der Diagnostik
Die Durchführung erfolgt durch eine Kinderärztin/einen Kinderarzt mit Schwerpunktbezeichnung Kinderkardiologie und in der Klinik/Abteilung für Kinderkardiologie.
THERAPIE
Kausale Therapie
Eine geringe Insuffizienz macht allein keine Therapie notwendig, es sei denn sie ist Folge einer Begleiterkrankung (z.B. suprakristaler VSD, Subaortenstenose, Aortenwurzelerkrankung).
Symptomatische Akuttherapie
In schweren, akuten Fällen kann eine kreislaufstützende Medikation und gegebenenfalls mechanische Beatmung notwendig sein. Bei der Verwendung von Medikamenten, die den Systemwiderstand senken können, ist auf den diastolischen Blutdruck im Hinblick auf eine ausreichende Koronarperfusion zu achten.
Medikamentöse Dauertherapie
Für eine medikamentöse Therapie mit Medikamenten, die die Nachlast senken (z.B. ACE-Hemmer), fehlt der Nachweis der Wirksamkeit, falls nicht gleichzeitig ein arterieller Hypertonus besteht (4). Im Kindesalter werden Nachlastsenker mit dem Ziel eingesetzt, die OP-Indikation hinauszuschieben. Die Verwendung von Betablockern sollte zurückhaltend erfolgen, da sie die Diastole verlängern und damit das Regurgitationsvolumen vergrößern können.
Interventionelle Therapie
Eine interventionelle Therapie im Sinne eines Aortenklappenersatzes steht bei der Aorteninsuffizienz nicht zur Verfügung.
Operative Therapie
Indikation
Eine operative Versorgung ist bei Auftreten von klinischen Symptomen indiziert. Bei asymptomatischen Patienten bedeutet eine Ventrikeldilatation (bei ausgewachsenen Patienten: LV-Durchmesser endsystolisch > 50 mm bzw. > 25 mm/m2 (Evidenzstärke IIa), LV-Durchmesser enddiastolisch > 70 mm [Evidenzstärke IIa]) bzw. eine Einschränkung der linksventrikulären Funktion (s. Tab. M32-1) eine OP-Indikation. Für Kinder existieren hinsichtlich der OP-Indikation keine genauen Durchmesserangaben in der Literatur.
Besteht eine Aortenwurzeldilatation, sollte eine Operation unabhängig von dem Ausmaß der begleitenden AI durchgeführt werden, wenn der Aortendurchmesser ≥ 55 mm [Empfehlungsgrad C, Evidenzstärke IIa] (bzw. > 27,5 mm/m2) beträgt. Liegt ein Marfan-Syndrom bzw. eine bikuspide Aortenklappe vor, wird die OP-Indikation bereits ab einem Durchmesser von ≥ 45 mm (Empfehlungsgrad C, Evidenzstärke I) bzw. ≥ 50 mm (Empfehlungsgrad C, Evidenzstärke IIa) gesehen.
Im Kindesalter kann man sich hilfsweise an der oberen Normgrenze für den Aortenwurzeldurchmesser orientieren (6). Zusätzlich muss auch eine übermäßige Progredienz des Aortendiameters berücksichtigt werden.
Operationsverfahren
Ziel der operativen Maßnahmen sollte die klappenerhaltende Rekonstruktion sein (Operation nach David oder Yacoub) bzw. isolierte Rekonstruktion an den Klappentaschen mittels Raffung, Resektion von redundantem Klappengewebe oder Auffüllung von retrahiertem Klappengewebe durch einen Patch. Falls dies nicht möglich ist, stehen verschiedene Formen des Klappenersatzes (Homograft, Bioprothese, mechanische Klappe, Ross-Operation mit Verwendung eines pulmonalen Autografts) zur Verfügung.
REHABILITATION BZW. NACHSORGE
Nach Diagnose einer Aorteninsuffizienz sind regelmäßige Kontrolluntersuchungen notwendig, um rechtzeitig eine Zunahme des Schweregrads zu entdecken. Dies gilt auch nach einem operativen Eingriff an der Aortenklappe.
Nach Aortenklappenrekonstruktion und Klappenersatz kann eine AI erneut auftreten. Nach mechanischen Klappenersatz muss eine lebenslange Antikoagulation erfolgen. Diese soll wegen besserer Patientensicherheit im Heimmonitoring mit INR-Selbstkontrolle erfolgen. Weiterhin kann mit fortschreitendem Wachstum des Patienten die eingesetzte Prothese relativ zu klein werden. Wurden bei der Aortenklappenrekonstruktion oder dem Klappenersatz die Koronararterien reimplantiert (z.B. Operationen nach Yacoub oder David), ist auf Zeichen einer möglichen Koronarischämie zu achten.
PRÄVENTION
Eine Prävention der Aorteninsuffizienz ist nicht bekannt. Eine echokardiographische Untersuchung der Familie ist bei jungen Patienten mit einer Aortenwurzeldilatation sowie bei Marfan-Syndrom zu empfehlen.
LITERATUR
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Optimizing timing of surgical correction in patients with severe aortic regurgitation: role of symptoms
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The Emerging Role of Exercise Testing and Stress Echocardiography in Valvular Heart Disease
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Ursachen und Behandlungsstrategien der Aortenklappeninsuffizienz
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Quantification of Left Ventricular Remodeling in Response to Isolated Aortic or Mitral Regurgitation
Journal of Cardiovascular Magnetic Resonance
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10.1186/1532-429X-12-32