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978-3-437-22061-6
Elsevier Inc.
Aortenstenose
Supravalvuläre Aortenstenose
Geltungsbereich: Supravalvuläre Aortenstenosen isoliert und als Bestandteil komplexer Vitien im Kindes- und Jugendalter
DEFINITION, KLASSIFIKATION UND BASISINFORMATIONEN
Bei der supravalvulären Aortenstenose liegt eine Einengung der Aorta ascendens oberhalb der Klappe vor. Sie kann isoliert oder in Kombination mit anderen Vitien auftreten. Die häufigste Form ist eine umschriebene sanduhrförmige Einengung am sino-tubulären Übergang des Bulbus aortae in die Aorta ascendens. Seltener sind längerstreckige Stenosen der Aorta ascendens. Manchmal besteht eine Hypoplasie der gesamten Aorta. In Einzelfällen wurden membranöse Stenosen beschrieben. In fast allen Fällen ist die Aortenwand verdickt und ihr Gewebeaufbau verändert: Die Media kann verdickt sein und dysplastisch mit vermehrten glatten Muskelzellen, erhöhtem Kollagenanteil und fehlenden elastischen Fasern bei abnormem Elastin. Als Resultat ist die Aorta steifer und ihre Windkesselfunktion eingeschränkt (16).
Supravalvuläre Aortenstenosen erstrecken sich häufig auch auf den distalen Teil der Kommissuren der Aortenklappe und schränken so die Beweglichkeit der Taschenklappen ein.
Die Koronarostien können durch diese atypischen Taschenklappen partiell oder vollständig verlegt werden. Auch echte Koronarstenosen kommen in unterschiedlicher Ausprägung vor, wenn die Aortenwandveränderungen die Ostien einengen oder auf die Koronarien übergreifen. Abgangsstenosen aller aus der Aorta entspringenden Arterien sind möglich.
Mehr als die Hälfte der Patienten mit supravalvulärer Aortenstenose haben gleichzeitig supravalvuläre Pulmonalstenosen.
Genetik: Supravalvuläre Aortenstenosen sind häufig beim autosomal-dominanten Williams-Beuren-Syndrom (OMIM #194050). Eine weitere autosomal-dominante Form ohne syndromale Züge ist als Eisenberg-Typ bekannt (OMIM #185500). Beide Erkrankungen werden auf Deletionen im Bereich des Elastin-Gens auf dem kurzen Arm des Chromosoms 7 zurückgeführt. Auch bei der autosomal-dominanten (OMIM #143890) sowie der autosomal-rezessiven (OMIM #603813) Form der familiären Hypercholesterinämie wurden supravalvuläre Aortenstenosen beschrieben, von denen allerdings nicht klar ist, ob es sich um angeborenen Fehlbildungen oder im Rahmen einer frühzeitigen Atherosklerose erworbene Veränderungen handelt (2).
Folge der supravalvulären Aortenstenose ist eine Druckbelastung und Hypertrophie des linken Ventrikels. Eine prästenotische Dilatation des Bulbus aortae kann sich entwickeln. Die diastolische Koronarperfusion ist vermindert, auch ohne Koronarstenosen besteht das Risiko einer subendokardialen Ischämie (6).
Im natürlichen Verlauf kommt es bei Gradienten unter 20 mmHg zumindest im Kindesalter häufig nicht zur Progression, bei höheren Gradienten ist mit einer Zunahme im Verlauf zu rechnen (24).
LEITSYMPTOME
Die isolierte supravalvuläre Aortenstenose bleibt häufig lange Zeit beschwerdefrei. Bei Funktionseinschränkung des linken Ventrikels kann sich eine Belastungseinschränkung bis hin zur manifesten Herzinsuffizienz entwickeln. Bei Koronarbeteiligung können pektanginöse Beschwerden vorliegen und Herzinfarkte auftreten.
Beim Williams-Beuren-Syndrom bestehen zusätzlich die Zeichen des Syndroms (Kleinwüchsigkeit, typische Fazies, mentale Retardierung, arterielle Hypertonie).
Höhergradige Stenosen weisen ein lautes systolisches spindelförmiges Herzgeräusch mit Punctum maximum über dem 2. ICR rechts parasternal auf. Im Gegensatz zur valvulären Aortenstenose ist das Geräusch nicht von einem frühsystolischen Klick begleitet.
Meist findet sich ein tastbares Schwirren im Jugulum. Das Geräusch wird in die Karotiden fortgeleitet. Bei milder Stenose oder linksventrikulärer Funktionseinschränkung ist das Geräusch leiser oder kann fehlen.
Häufig besteht ein Blutdruckunterschied zwischen beiden Armen, der durch den auf den Truncus brachiocephalicus gerichteten Pressstrahl der Stenose (Coanda-Effekt) erklärt wird.
DIAGNOSTIK
Zielsetzung
Morphologische Darstellung und Bestimmung des Schweregrades der Stenose, Ausschluss assoziierter Fehlbildungen. Bei phänotypischen Auffälligkeiten bzw. familiärem Auftreten ist eine genetische Untersuchung zu empfehlen.
Apparative Diagnostik
Echokardiographie, Röntgen-Thorax-Aufnahme, MRT oder CT bei ungenügender echokardiographischer Beurteilbarkeit und bei Verdacht auf periphere Gefäßbeteiligung. In Einzelfällen Herzkatheteruntersuchung und Angiokardiographie, gegebenenfalls Myokardszintigraphie, Stress-Untersuchungen (z.B. Ergometrie, Echo, MRT).
Bewertung der einzelnen diagnostischen Verfahren
Die Echokardiographie ist das diagnostische Primärverfahren (21,23). Mit ihr können Lage, Form und Ausprägung der supravalvulären Aortenstenose beurteilt werden. Linksventrikulärer Ausflusstrakt, Aortenklappe sowie linksventrikuläre Funktion und Hypertrophie können vermessen werden. Die Dopplerechokardiographie erlaubt die Bestimmung des maximalen und mittleren Gradienten. Ebenso können assoziierte supravalvuläre Pulmonalstenosen, eine Aortenisthmusstenose und Abgangsstenosen der Bogen- bzw. abdominalen Äste beschrieben oder ausgeschlossen und graduell eingeschätzt werden.
Für die Diagnostik ist eine vollständige Darstellung der gesamten thorakalen Aorta notwendig. Relevante zentrale und periphere Pulmonalarterienstenosen müssen ausgeschlossen werden. Wenn dies echokardiographisch nicht gelingt, ist eine weiterführende bildgebende Diagnostik indiziert. MRT- und CT-Angiographie sind gut zur Darstellung der Aorta und des pulmonalen Gefäßsystems geeignet (23,25). Die CT-Angiographie ist bei der Darstellung der Koronararterien dem MRT überlegen.
Im Einzelfall kann die diagnostische Herzkatheteruntersuchung bei Verdacht auf Koronarstenosen, periphere Pulmonalastenosen oder weitere Arterienstenosen herangezogen werden. Bei ausgeprägten Befunden, bei Koronarstenosen und/oder bei biventrikulärer Obstruktion ist sie mit einem hohen Risiko verbunden (14).
Im EKG weisen Repolarisationsstörungen auf einen fortgeschrittenen Befund oder eine Koronarbeteiligung hin, rechts- oder biventrikuläre Hypertrophiezeichen auf zusätzliche supravalvuläre Pulmonalstenosen. Bei älteren Kindern können Stress-Diagnostik-Verfahren zusätzliche Information zur myokardialen Perfusion erbringen.
Cave: Bei supravalvulären Aortenstenosen weist jede mit einer Anästhesie verbundene Maßnahme wegen der Gefahr eines arteriellen Blutdruckabfalls und einer möglichen verminderten Koronarperfusion ein erhöhtes Komplikationsrisiko bis hin zum plötzlichen Herztod auf (4).
Ausschlussdiagnostik
Begleitende Vitien.
Nachweisdiagnostik
Form und Gradient der supravalvulären Aortenstenose sind zu dokumentieren. Das Vorliegen und die Ausprägung weiterer Gefäßstenosen müssen beschrieben werden, siehe oben.
Durchführung der Diagnostik
Bei Kindern erfolgt die Durchführung durch eine Kinderärztin/einen Kinderarzt mit Schwerpunktbezeichnung Kinderkardiologie und in einer Klinik/Abteilung für Kinderkardiologie.
THERAPIE
Indikationen zur Operation einer isolierten supravalvulären Aortenstenose sind Beschwerden (Angina pectoris, Dyspnoe oder Synkopen), bedeutsame linksventrikuläre Hypertrophie oder Erregungsrückbildungsstörungen im EKG (1). Für asymptomatische Patienten werden ein maximaler echokardiographischer Gradient von > 70 mmHg, ein mittlerer echokardiographischer Gradient von > 50 mmHg (1) oder invasiv gemessene Peak-to-peak-Gradienten von > 30 bis 60 mmHg (12,18) als Indikation zur Operation angesehen.
Bei asymptomatischen Patienten mit geringeren Gradienten ohne aktuelle Operationsindikation ist jenseits des Säuglingsalters eine Beobachtung mit jährlichen echokardiographischen Kontrollen gerechtfertigt (6,8). Bei kombinierten Stenosen ist die Indikation vom Gesamtbefund abzuleiten.
Kausale Therapie
Gibt es nicht. Auch die chirurgische Beseitigung der supravalvulären Aortenstenose behandelt nicht die zugrundeliegende Gefäßerkrankung und ist letztlich symptomatisch.
Symptomatische Behandlung
In der Regel nicht indiziert.
Medikamentöse Therapiemaßnahmen
Nicht indiziert.
Chirurgische Therapiemaßnahmen
Plastische Erweiterung der supravalvulären Aortenstenose, wofür verschiedene Techniken (einfacher Patch, Technik nach Doty [7], Steinberg [19], Brom [3]) beschrieben sind. Als operative Risiken müssen erwähnt werden: Frühsterblichkeit, Reststenosen, Aortenklappeninsuffizienz und Koronarkomplikationen. Das Operationsrisiko ist höher bei langstreckiger Aortenhypoplasie mit Beteiligung des Aortenbogens, bikuspider Aortenklappe (17), biventrikulärer Ausflusstraktobstruktion (14) und bei multiplen Gefäßstenosen.
NACHSORGE
Aufgrund des Risikos der Entwicklung von Re-Stenosen ist eine langfristige kardiologische Nachbeobachtung erforderlich. Die Reoperationsrate wird in retrospektiven Berichten zwischen 2 und 9% angegeben. (10,17,18). Die Gesamtsterblichkeit liegt bei 4 bis 6% nach 10 Jahren, bis zu 15% nach 15 Jahren und zwischen 3 und 23% nach 20 Jahren (8,10,17,18).
PRÄVENTION
Eine pränatale genetische Diagnostik kann in betroffenen Familien das Vorliegen eines Williams-Beuren-Syndroms klären.
ZUSAMMENFASSUNG
Supravalvuläre Aortenstenosen sind Einengungen der aszendierenden Aorta oberhalb des sino-tubulären Übergangs. In der Mehrzahl der Fälle liegt diesem Herzfehler eine genetische Veränderung mit oder ohne Zeichen des Williams-Beuren-Syndroms zugrunde. Die Diagnostik erfolgt primär durch echokardiographische Untersuchung. Stenosen der Pulmonalarterien, Koronarstenosen bzw. Stenosen der Abgänge der Aortenäste sind häufig und müssen gegebenenfalls durch weitere Bildgebung nachgewiesen oder ausgeschlossen werden. Behandlungsindikation sind Beschwerden, Ischämiezeichen, ausgeprägte linksventrikuläre Hypertrophie oder ein mittlerer Dopplergradient von > 50 mmHg. Die Therapie besteht in einer chirurgischen Beseitigung der Verengung. Wegen des Risikos eines Rezidivs der Stenose sind langfristig postoperative kardiologische Kontrolluntersuchungen erforderlich.
LITERATUR
Die Literatur enthält keine prospektiven kontrollierten Studien (Evidenzstärke I–III). Die Basis der Empfehlungen bilden historische, nicht randomisierte Kohorten- oder Fall-Kontroll-Studien (Evidenzstärke IV), Verlaufsstudien an Patienten (Evidenzstärke V) und rationale Vermutungen (Evidenzstärke VIII).
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