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10.1016/B978-3-437-22061-6.50607-8
978-3-437-22061-6
Elsevier Inc.
Die vier Typen der neurogenen Detrusor- und Sphinkterdysfunktion in Abhängigkeit von der Pathologie des Sphinkters und der Blase. Eine normale Funktion des Sphinkters bzw. der Blase wird bewusst nicht berücksichtigt, da hier keine weitere Therapie notwendig ist

Messparameter bei der Beurteilung der Nierenbeckenkelchdilatation: a = maximaler Längsdurchmesser, b = Querdurchmesser in Hilusebene, c = Tiefendurchmesser in Hilusebene, d = extrarenale Nierenbeckenweite in Hilusebene im Querschnitt, e = intrarenale Nierenbeckenweite in Hilusebene im Querschnitt, f = maximale Kelchweite im Querschnitt, g = schmalster Abstand Parenchymaußenkontur-Kelch = Parenchymdicke

Klassifikation der Nierenbeckenkelchdilatation schematisiert nach der Konsensusgruppe (15)

Refluxklassifikation – schematisiert nach den Richtlinien der „International Reflux Study Group” (modifiziert nach Lebowitz [17])

Bestimmung der Blasencompliance und des LPP bei der orientierenden Zystomanometrie (aus [21])

Modifizierter Hostility Score zur Beurteilung des Risikos für eine Einschränkung der Nierenfunktion
Parameter | Score* 0 | 1 | 2 |
Vesikorenaler Reflux | 0 | I. – II.° | ≥ III.° |
Max. funktionelle Blasenkapazität (ml) (als % der Altersnorm) | > 80% | 50–80 % | < 50% |
Spitzendruck bei autonomer Kontraktion (cmH2O) | < 15 | 15–40 | > 40 |
DLPP (cmH2O) | < 25 | 25–40 | > 40 |
Sphinkter bei Detrusorkontraktion | relaxiert | nicht relaxiert | dyssynerg |
*
Score 0: geringes Risiko; Score 10: hohes Risiko
Risiken bei den vier Typen der neurogenen Blasen- und Sphinkterdysfunktion
Typ | Störung der Blasenentleerung | Inkontinenztyp | Risiko für eine Verschlechterung der Nierenfunktion |
1 Detrusor unteraktiv Sphinkter unteraktiv | +/– | Belastungsinkontinenz | 0 |
2 Detrusor unteraktiv Sphinkter überaktiv | +++ | Überlaufinkontinenz | ++ |
3 Detrusor überaktiv Sphinkter unteraktiv | +/– | Reflexinkontinenz Belastungsinkontinenz | ++ |
4 Detrusor überaktiv Sphinkter überaktiv | +++ | Reflexinkontinenz Überlaufinkontinenz | +++ |
Empfohlene Untersuchungen und Untersuchungszeitpunkte
Neugeborene | Mit 6–12 Wochen | Mit 6 Monaten | Mit 9 Monaten | Mit 12 Monaten | Danach alle 6 Monate bis Einschulung | Nach der Einschulung jährlich | |
Urologische Anamnese | X | X | X | X | X | X | |
Urinstatus | X | X | X | X | X | X | X |
Sonographie (Nieren, Blase, Restharn) | X | X | X | (X) | X | X | X |
Labor (Kreatinin Cystatin C, GFR) | X | X | X | ||||
Orientierende Zystomanometri | e* | X | X | X | X | ||
Videourodynami inkl. MZU* | k | X | (X*) | (X*) | |||
Blutdruck | X | X | X | ||||
Szintigramm (MAG III/DMSA) | Optional bei V.a. Harntransportstörung/Nierenparenchymschädigung |
*
Eine Zystomanometrie und ein MZU (separat oder als videourodynamische Untersuchung durchgeführt) sollten als Basisdiagnostik innerhalb des 1. Lebensjahres - vorzugsweise in den ersten 3 Lebensmonaten - angestrebt werden. Eine orientierende Zystomanometrie kann zur Verlaufskontrolle dienen.
Typen der Detrusor- und Sphinkterdysfunktion und primäre bzw. sekundäre Therapieziele
Typ | Primärstrategie(n) | Sekundärstrategie(n) |
|
Blasenentleerung ↑ | Auslasswiderstand ↑ |
|
Blasenentleerung ↑ | |
|
Blasendruck ↓ |
|
|
|
|
Typen der Detrusor- und Sphinkterdysfunktion, Ziele und primäre bzw. sekundäre Therapieoptionen (AUS = artificial urinary sphincter, FZP = Faszienzügelplastik, IC = intermittent catheterization)
Typ | Primärstrategie | Primärtherapie | Sekundärstrategie | Sekundärtherapie/Therapieeskalation |
|
Blasenentleerung ↑ | IC | Auslasswiderstand ↑ | Duloxetin bei Erwachsenen? Bulking agents? FZP, AUS +/– kontinente Vesikostomie/Mitrofanoff-Stoma |
|
Blasenentleerung ↑ | IC | ||
|
Blasendruck ↓ | Antimuskarinika | Blasenkapazität ↑ | Botulinum-A-Toxin-Detrusor |
Sphinkter unteraktiv | Compliance ↑ Auslasswiderstand ↑ | Blasenaugmentation +/– FZP/AUS Harnableitung | ||
|
Blasendruck ↓ Blasenentleerung ↑ | Antimuskarinika IC | Blasenkapazität ↑ Compliance ↑ |
|
AUS = artificial urinary sphincter, FZP = Faszienzügelplastik, IC = intermittent catheterization
Liste der Antimuskarinika/Anticholinergika
Medikament | Dosierung | Zulassung |
Oxybutynin |
|
Bei Kindern ab dem 6. Lebensjahr zugelassen, jedoch aufgrund der langjährigen Erfahrung ist ein Off-Label-Einsatz ab dem 1. Lebensjahr üblich |
Propiverin* | 0,4–0,8 mg/kg KG (12-stdl.) | Bei Kindern zugelassen |
Darifenacin* | 1 × 7,5 bis max. 2 x 7,5 mg/d | Bei Kindern bisher nicht zugelassen |
Fesoterodin* | 4 bis max. 8 mg/d | Bei Kindern bisher nicht zugelassen |
Solifenacin* | 5 bis max. 10 mg/d | Bei Kindern bisher nicht zugelassen |
Tolterodin* | Bis zu 2 × 2 oder 1 x 4 mg ret./d | Bei Kindern bisher nicht zugelassen |
Trospiumchlorid* | Bis zu 3 × 15 mg/d (Retardform bis zu 60 mg/d) | Ab dem 12. Lebensjahr zugelassen |
*
Applikation: oral
Liste der selektiven α-Blocker
Medikament | Dosierung | Zulassung |
Phenoxybenz-amin* | 0,1–0,2 mg/kg KG (12-stdl.) | Bei Kindern zugelassen, aber kreislaufrelevante Nebenwirkung (Hypotonie), deshalb ein- und ausschleichende Dosierung notwendig |
Alfuzosin* | 0,1–0,2 mg/KG | Bei Kindern nicht zugelassen |
Doxazosin* | 1–2 × 1 mg (max. Dosierung 2 × 2 mg) Korrekt: 0,5 mg/kg KG | Bei Kindern nicht zugelassen |
Tamsolusin* | 0,2 (< 12 Jahre)-0,4 mg (>12 Jahre) | Bei Kindern nicht zugelassen |
*
Applikation: oral
Wertung der Keimzahlen in Abhängigkeit von der Methode der Uringewinnung
Kontamination | Verdächtig | Pathologisch | |
Mittelstrahlurin, „Clean-catch”-Urin | < 10.000/ml | 10.000–100.000/ml | > 100.000/ml |
Katheterurin | < 1.000/ml | 1.000–10.000/ml | > 10.000/ml |
Blasenpunktat | - | - |
|
*
> 10 gleiche Kolonien
Parameter zur Unterscheidung zwischen Pyelonephritis und Harnwegsinfektion ohne Nierenbeteiligung
Pyelonephritis wahrscheinlich | Pyelonephritis unwahrscheinlich | Bemerkungen | |
Fieber | > 38,5 °C | < 38,5 °C | Bei Neugeborenen und jungen Säuglingen kann Fieber auch bei Urosepsis fehlen! |
CRP | > 20 mg/l | < 20 mg/l | |
Procalcitonin | > 0,5 ng/l | < 0,5 ng/l | |
Leukozytose und Linksverschiebung | Vorhanden | Nicht vorhanden | |
Leukozytenzylinder | Beweisend für Pyelonephritis | − | Im Nativurin nur selten vorhanden |
Sonographisch bestimmtes Nierenvolumen | Vergrößerung (> 2 Standardabweichungen) | Keine Vergrößerung | |
Perfusionsausfälle in der DMSA-Szintigraphie | Vorhanden | Nicht vorhanden | Sicherster Parameter – in der Regel nicht Teil der Primärdiagnostik; v.a. bei wissenschaftlichen Fragestellungen |
Therapieempfehlung bei Pyelonephritis im frühen Säuglingsalter
Erkrankung | Initiale kalkulierte Therapie | Applikation | Gesamte Therapiedauer |
Pyelonephritis im frühen Säuglingsalter | Mindestens 3–7 Tage parenteral, dann gegebenenfalls orale Therapie2 | Mindestens 10–14 Tage |
1
Nach Erhalt der Resistenztestung gegebenenfalls Umstellung der Therapie
2
Umstellung auf orale Therapie nach Resistogramm, z.B. Oralcephalosporin
Auswahl von geeigneten Medikamenten zur Therapie der Zystitis
Chemotherapeutikum (Beispiele) | Tagesdosis | Applikation |
Oral-Cephalosporin
|
|
p.o. in 1 ED p.o. in 2 ED p.o. in 1–2 ED |
Trimethoprim oder Trimethoprim/Sulfamethoxazol |
|
|
Amoxicillin/Clavulansäure |
|
p.o. in 3 ED |
Nitrofurantoin | 3–5 mg/kg KG | p.o. in 2 ED |
Auswahl von Substanzen zur antibakteriellen Infektionsprophylaxe
Substanz | Einmalige Tagesdosis in mg/kg KG | Anwendungsbeschränkung bei jungen Säuglingen |
Nitrofurantoin | 1 | < 7. Lebenswoche |
Trimethoprim | 1(−2) | < 3. Lebensmonat |
Bei Unverträglichkeit und in den ersten Lebenswochen: | ||
Oralcephalosporine in reduzierter Dosis (ca. 1/5 der therapeutischen Dosis), z.B.: | ||
• Cefaclor | 10 | Keine |
• Cefixim | 2 | Früh- und Neugeborene* |
• Ceftibuten | 2 | < 4. Lebensmonat* |
• Cefuroximaxetil | 5 | < 4. Lebensmonat* |
*
Keine ausreichenden Erfahrungen
Diagnostik und Therapie der neurogenen Blasenfunktionsstörungen bei Patienten mit Meningomyelozele (S2k)
EINFÜHRUNG
DEFINITIONEN UND KLASSIFIKATIONEN
•
Typ 1: Detrusorunteraktivität und Sphinkterunteraktivität
•
Typ 2: Detrusorunteraktivität und Sphinkterüberaktivität
•
Typ 3: Detrusorüberaktivität und Sphinkterunteraktivität
•
Typ 4: Detrusorüberaktivität und Sphinkterüberaktivität (Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie)
Symptomatik und Risiken der Blasen- und Sphinkterdysfunktion
-
•
Harninkontinenz
-
•
Restharnbildung
-
•
Harnwegsinfektion
-
•
Veränderungen der Blasenwand
-
•
Sekundärer vesikorenaler Reflux
-
•
Urolithiasis begünstigt durch Restharn/Obstruktion/Infektionen
-
•
Sekundäre obstruktive Uropathie
-
•
Pyelonephritische Nierenparenchymschädigung
-
•
Niereninsuffizienz
Parameter zur Beurteilung des Risikos für den oberen Harntrakt
•
Detrusor-Leak-Point-Pressure (DLPP; Definition s. Abschnitt „Zystomanometrie/Videourodynamik”)
Ein DLPP von > 40 cmH2O führt ohne entsprechende Therapie in bis zu 80% zur Verschlechterung der Nierenfunktion (4). Bei Säuglingen und Kleinkindern ist die genaue und reproduzierbare Bestimmung des DLPP schwierig.
•
Blasencompliance
Eine Blasencompliance (Maß für die Dehnbarkeit der Blase in ml/cmH2O) < 20 ml/cmH2O kann zu einer Verschlechterung der Nierenfunktion führen (4). Für Säuglinge und Kleinkinder gibt es bisher keine Normwerte, womit die Blasencompliance in diesem Alter individuell und im Verlauf beurteilt werden muss.
•
Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie (DSD)
Bis zu 72% der Patienten mit einer DSD entwickeln ohne entsprechende Therapie eine Verschlechterung der Nierenfunktion (5).
•
Detrusordruck & Kapazität
Ein früher Anstieg des Detrusordrucks während der Speicherphase (geringe funktionale Blasenkapazität) und autonome Detrusorkontraktionen während der Füllungsphase in der urodynamischen Messung gehen mit einem erhöhten Risiko für den oberen Harntrakt einher (6). Hier muss der gesamte Verlauf der Messkurve beurteilt werden (u.a. Anzahl, Höhe und Dauer der Detrusorkontraktionen). Bei der Blasenkapazität ist bei den MMC-Patienten nicht nur das Alter, sondern auch Größe und Gewicht zu berücksichtigen, da diese in den verschiedenen Altersgruppen stark schwanken können.
•
Hostility Score
Es wird hier eine Modifikation des „Hostility Scores” von Galloway (7) dargestellt, der sich im Vergleich zum Original als praktikabler erwiesen hat (s. Tab. S4b-1 und S4b-2). Der Score erlaubt die Beurteilung des individuellen Risikos einer Verschlechterung der Nierenfunktion durch Punktebewertung folgender Parameter:
–
Vesikorenaler Reflux
–
Blasenkapazität: Altersnorm der Kapazität der Blase (ml) = 30 × Alter in Jahren + 30
–
Spitzendruck bei autonomen Kontraktionen (Hyperreflexie)
–
DLLP oder LPP je nach Möglichkeit
–
Detrusor-Sphinkter-Verhalten bei Entleerung
Symptome und Risiken für die Nierenfunktion ohne Therapie
UNTERSUCHUNGSPARAMETER UND -ZEITPUNKTE
•
Während der gesamten Entwicklung kann sich der Typ der neurogenen Blasenfunktionsstörung ändern (8). In Abhängigkeit davon ändert sich auch das Risiko für Schädigungen des Nierenparenchyms durch vesikorenalen Reflux, Harntransportstörung und/oder rezidivierende Pyelonephritiden (9). Nur ein sehr geringer Prozentsatz (< 10%) der Kinder mit einer Meningomyelozele wird ohne Therapie kontinent (10).
•
Mehr als ein Drittel der Änderungen des Störungsmusters mit schwerwiegenden Folgen für den oberen Harntrakt ereignen sich im 1. Lebensjahr. Der Anteil der Kinder mit Veränderungen und konsekutiven Komplikationen steigt bis zum Ende des 2. Lebensjahres auf bis zu 80% an (9, 11). Die neurologischen und orthopädischen Probleme korrelieren nicht unbedingt mit den urologischen. So können Patienten mit einer guten Funktion der Extremitäten (Geher) massive urologische Probleme haben oder im Verlauf entwickeln (12).
•
Auch bei anfänglich unauffälligen Kindern (normaler neurourologischer Status nach neurochirurgischer Versorgung) kommt es innerhalb der ersten 6 Lebensjahre bei einem Drittel der Kinder zu urologischen Problemen (13), meist aufgrund eines Tethered cord.
Dem frühzeitigem (innerhalb der ersten 3 Lebensmonate – s. Tab. S4b-3) Einsatz einer kindgerechten urodynamischen Funktionsdiagnostik (gegebenenfalls Videourodynamik) und konsequenten regelmäßigen Verlaufskontrollen kommt daher eine herausragende Bedeutung zu.
Screening und Verlaufskontrollen
•
Rezidivierende, symptomatische (und/oder fieberhafte) Harnwegsinfektionen
•
Nachweis eines vesikorenalen Refluxes
•
Assoziierte Harnwegsfehlbildungen (ureteropelvine Stenose, Einzelniere)
•
Beginnende Low-compliance-Blase (bei Kindern gibt es keine Normwerte, sodass hier die Compliance im zeitlichen Verlauf betrachtet werden muss)
•
Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie (DLPP > 40 cmH2O)
•
Ausgeprägte Detrusor-Überaktivität (Kontraktionen > 40 cmH2O bei geringer Füllung
•
Rückenmarksveränderungen: Tethered cord, Syringo(hydro)myelien, Rückenmarkszysten u.a. sowie nach deren operativen Versorgung
•
Compliance des Patienten bzw. der Eltern
•
Psychosozialem Umfeld
•
Assoziierten ZNS-Veränderungen und deren Dynamik
•
Veränderungen nach ZNS-Operationen
•
Umstellung der bisherigen Therapie
•
Veränderungen der urologischen Symptomatik (z.B. rezidivierende Harnwegsinfektionen, Pyelonephritis)
•
Veränderungen von Miktionsmuster/Harninkontinenz
•
Erhebliche Veränderungen peripher-neurologischer Befunde (z.B. Zunahme einer muskulären Hypertonie)
DIAGNOSTIK
Urologische Anamnese
-
•
Häufigkeit des Windelwechsels
-
•
Bei älteren Kindern Trink- und Miktionstagebuch/Kathetertagebuch:
–
Miktionsfrequenz (Dokumentation über 24–48 Stunden)
–
Miktionsvolumina (Dokumentation über 24–48 Stunden)
–
Häufigkeit und Volumen des unwillkürlichen Harnverlusts (wenn möglich: Dokumentation über 48 Stunden, z.B. durch Wiegen der Windeln bzw. Vorlagen)
–
Trockenintervalle
-
•
Häufigkeit und Zeitpunkte des Einmalkatheterismus, entleerte Urinmenge beim IC (24-Stunden-Protokoll)
-
•
Einlage eines Katheters über Nacht
-
•
Harnwegsinfektionen (asymptomatisch/symptomatisch, febril/afebril/Nachweismethode)
-
•
Aktuelle Medikation
-
•
Änderungen des neurologischen Befundmusters
-
•
Gewichtsveränderungen
Urindiagnostik (Nativurin)
-
•
Teststreifen: Leukozytenesterase, Nitrit, Eiweiß, Hämoglobin
-
•
Mikroskopisch (optional): Leukozyten, Zylinder
-
•
Mikrobiologie (optional): Bakterien, Pilze, Resistenztestung
Urologische Sonographie
•
Nierenvolumen (u.a. zur Erfassung einer kompensatorischen Hypertrophie der kontralateralen Niere)
Annäherungsrechnung: Länge × Breite × Tiefe × 0,5
Berechnung der gewichtsbezogenen Perzentile nach Dinkel et al. (16)
•
Parenchymechogenität und kortikomedulläre Differenzierbarkeit
•
Nierenbeckenweite in mm im Hilusquerschnitt, Klassifikation der Nierenbeckendilatation
•
Kelchkonfiguration
•
Prävesikale Harnleitererweiterung
•
Assoziierte Harnwegsanomalien
•
Ureterperistaltik
•
Blasenfüllung (entleert, mäßig gefüllt, stark gefüllt)
•
Blasenwandkonfiguration und -dicke, Divertikel/Pseudodivertikel
Miktionszystourethrogramm (MZU)
Zystomanometrie/Videourodynamik
Mögliche Messung des LPP
•
Funktionelle Blasenkapazität in ml
•
„Compliance” in ml/cmH2O
•
„Leak Point Pressure” in cmH2O
•
Restharn in ml
Videourodynamik
•
Funktionelle Blasenkapazität (ml) unter Berücksichtigung des intravesikalen Druckes (24)
•
Compliance (ml/cmH2O)
•
Blasenkapazität zum Beginn der Überaktivität des Detrusors
•
Maximaler intravesikaler Druck (cmH2O)
•
DLPP (cmH2O)
•
Beckenboden-EMG
•
Gegebenenfalls Uroflowmetrie (Form der Flusskurve, maximaler und mittlerer Fluss, Miktions-volumen, Restharn)
•
Radiologischer Befund (Blasenwandmorphologie, Reflux, Blasenhalsöffnung, Urethrakonfiguration)
Langzeiturodynamik
Szintigraphie
Labordiagnostik: Nierenfunktion
Cystatin C
Kreatinin
Geschätzte glomeruläre Filtrationsrate (eGFR)
Endogene Kreatininclearance
Blutdruck
MANAGEMENTSTRATEGIEN
Therapieziele
-
1.
Protektion bzw. Verbesserung der Nierenfunktion
-
2.
Optimierung der Blasenentleerung
-
3.
Harnkontinenz
Therapieoptionen
Management Hochdruckblase (überaktiver Detrusor/Low-compliance-Blase)
Konservative Therapie
Antimuskarinika
Selektive α-Blocker
Urethradilatation
Clostridium-botulinum-Toxin Typ A
Blasenentleerung
-
•
Beginn des CIC (IK)
Insbesondere bei Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie (DSD), die bei 50% der Kinder mit MMC vorliegt (76), hat sich der frühestmögliche Beginn des CIC innerhalb der ersten Lebensmonate durch die Eltern bewährt (77). Häufig erfolgt dieser in Kombination mit der Gabe eines Antimuskarinikums (78, 79). Hierdurch kann in der Hochrisikogruppe die Notwendigkeit einer späteren Blasenaugmentation um bis zu 50% reduziert werden (9, 77, 80, 81). Ein weiterer Vorteil ist die frühe Gewöhnung der Eltern und der Kinder an den CIC, welcher letztlich bei über 90% der Patienten mit MMC im Laufe des Lebens notwendig wird (82). Ein weiterer Vorteil der frühen Initiierung des CIC ist, dass sie die Durchführung von Kontroll-urodynamiken erleichtert, weil Ängste bezüglich des Katheterismus abgebaut werden.
Bei abwartender Haltung kann es trotz engmaschiger Kontrollen und dem späteren Einsatz des CIC bei 5–19% der Patienten zu eventuell vermeidbaren Komplikationen des oberen Harntrakts kommen (83, 84). Setzt die konservative Therapie zu spät ein, sind Veränderungen des oberen Harntrakts in bis zu 31% und Verminderungen der Compliance des Detrusors in bis zu 58% irreversibel (77, 85, 86). Allerdings zeigen sich auch unter CIC (IK) Veränderungen, die weitergehende Interventionen notwendig machen können. Aus diesen Gründen sollte insbesondere bei Patienten mit DSD und dem hierbei deutlich erhöhten renalen Risiko der CIC (IK) frühzeitig anstrebt werden (77, 84, 87).
-
•
Durchführung des CIC (IK)
Die Inzidenz von Harnwegsinfektionen ist bei hygienisch und aseptisch (teils auch als steriler Katheterismus bezeichnet) durchgeführtem Katheterismus identisch (88). Dies gilt allerdings nur, wenn der CIC (IK) zu Hause durchgeführt wird. In Kliniken sollte der Katheterismus zur Vermeidung nosokomialer Infektionen aseptisch erfolgen. Eine von der Industrie gesponserte In-vitro-Studie zeigte, dass die Rate der Harnwegsinfektionen steigt, wenn der Katheter mit den Fingern berührt wird (89). Der Katheteranteil, der in die Blase eingeführt wird, sollte nicht mit den Fingern berührt werden.
In einer Cross-over-Studie konnte gezeigt werden, dass unter häuslichen Bedingungen auch die mehrmalige Verwendung eines Katheters über einen längeren Zeitraum (bis zu 24 Stunden) im Vergleich zum aseptischen Katheterismus die Infektions- und Komplikationsrate nicht erhöht (88). Der Katheter wurde hierbei mit Leitungswasser abgewaschen und anschließend getrocknet. Die Inzidenz von Bakteriurien lag sowohl beim aseptischen Katheterismus als auch beim wieder verwendeten Katheter zwischen 73% und 76% (88). Die Studie wird aufgrund der sehr hohen Rate an Harnwegsinfektionen in beiden Studienarmen als sehr kritisch angesehen. Allerdings fehlen bisher andere gleichwertige Studien. Eine Coch-rane-Analyse zeigte, dass es zurzeit keine Überlegenheit der einen oder anderen Technik gibt (90). Ebenfalls fehlen bisher die Daten der randomisierten Studien zu Urethralverletzungen und Strikturen im Langzeitverlauf.
Das Training des Katheterismus von Mutter und Vater sowie weiterer Angehöriger und Betreuer der Kinder ist essenziell. Die Anbindung der Patienten und ihrer Angehörigen an eine Einrichtung mit kompetenter Betreuung fördert die Akzeptanz und die Compliance bei langjährigem CIC (IK) (91, 92). Die Teilnahme an Freizeitseminaren, die z.B. von der „Arbeitsgemeinschaft Spina bifida und Hydrozephalus” (ASBH) angeboten werden, fördert wesentlich die Akzeptanz und damit die Compliance beim CIC (IK). Ängste vor der Durchführung des CIC und Sorgen um die Gefährdung des sozialen Kontakts zu Gleichaltrigen aufgrund der Inkontinenz können hier abgebaut werden (93). Bei ausreichender manueller Geschicklichkeit und intellektueller Fähigkeit sollte der eigenständige CISC (ISK) durch die Patienten ca. ab dem 6. Lebensjahr angestrebt werden. Hierbei müssen die Störungen in der Feinmotorik bei der (Arnold-)Chiari-Malformation und mögliche Sehstörungen bei Hirndruckkrisen berücksichtigt werden. Bei Kleinkindern und bei den Patienten, die hierzu nicht in der Lage sind, erfolgt der CIC (IK) durch Eltern, Angehörige bzw. Betreuer. Der CIC (IK) wird in der Regel von Eltern und Kindern gut akzeptiert und verursacht in den meisten Fällen keine ernsteren psychischen Probleme. Wesentlich ist eine entsprechende Betreuung durch Ärzte, Pflegepersonal und Urotherapeuten (92) sowie die Ausbildung der Betroffenen bzw. der Eltern und der Betreuer.
Der Nachtkatheter wird entweder als Ballonkatheter (bei unruhigen Kindern) oder der sonst tagsüber verwendete Katheter an einen Urinbeutel angeschlossen (hydrophile Katheter dürfen nicht als Verweilkatheter verwendet werden, da es sonst durch Adhäsionen an der Schleimhaut zu Urethraläsionen kommen kann). Die Ableitung in die Windel sollte nach Möglichkeit vermieden werden. Ist der Anschluss an einen Urinbeutel technisch nicht möglich (z.B. sehr unruhiges Kind), sollte der Urin zur Vermeidung einer Kontamination bei meist gleichzeitig bestehender Stuhlinkontinenz in eine zweite Windel ausgeleitet werden.
-
•
Komplikationen des CIC
Komplikationen sind beim CIC (IK bzw. ISK) relativ selten, allerdings gibt es nur wenige Publikationen, die eine Nachbeobachtungszeit von mehr als 10 Jahren umfassen (94–97). Bei Vorliegen einer Phimose sollte, wenn die physiologische Lösung der Phimose ausbleibt, die Zirkumzision erfolgen. Auch eine extrem lange Vorhaut kann den CIC erschweren und unter Umständen eine Beschneidung die Handhabung deutlich erleichtern. Hierbei ist zu bedenken, dass bei einer radikalen Zirkumzision bei den meist übergewichtigen Patienten mit einem eher kleinen Penis ein Teil der möglichen Klebefläche für ein Kondomurinal verloren geht. In einer Langzeitstudie wurden Verletzungen der Urethra in bis zu 25% beobachtet, wobei diese allerdings nur in wenigen Fällen zu schweren Komplikationen führten. Wird dies auf Jahre umgerechnet, kommt es zu einer Urethraläsion pro 49 Jahre CIC (IK) (94). In bis zu 14% war eine Via falsa zu beobachten, bei Männern traten in bis zu 4% eine Epididymitis bzw. Urethrastriktur auf, Prostatitiden wurden nur vereinzelt beobachtet.
Blasenperforationen, Blasensteine und die Entwicklung eines Plattenepithel-Karzinoms in der Blase sind selten und es finden sich in der Literatur lediglich vereinzelt Fallberichte (98–100). Die asymptomatische Bakteriurie unter CIC (IK) stellt keinen zusätzlichen Risikofaktor dar und bedarf primär keiner antibiotischen Therapie, wenn keine assoziierten Anomalien des oberen Harntakts (Reflux, Harntransportstörung) vorliegen (101, 102).
Urotherapie bei neurogener Blasendysfunktion
Operative Therapie
Blasenaugmentation/Blasensubstitution
Harnableitung
Inkontinente Vesikostomie
Management Niederdruckblase (unteraktiver Detrusor)
Management Sphinkterinkompetenz (bei Niederdrucksituation)
Konservative Therapie
Operative Therapie
Bulking agents
Faszienzügelplastik und artifizieller Sphinkter
Blasenhalsplastik
Vesikorenaler Reflux
Harnwegsinfektion
Definitionen
Diagnose
•
Vorhandensein klinischer Symptome, die sehr uncharakteristisch sein können
•
Hinweise für eine Entzündungsreaktion im Urin (Leukozyturie)
•
Bakteriennachweis in der Urinkultur
Uringewinnung
-
•
„Beutelurin”: Besteht keine dringliche Behandlungsindikation, so kann bei Säuglingen und Kleinkindern der Spontanurin nach Inspektion, gründlicher Reinigung und Abtrocknen des Genitales in einem selbstklebenden Plastikbeutel aufgefangen werden. Für die mikrobiologische Untersuchung ist der „Beutelurin” wegen der sehr häufigen Kontaminationen und falsch positiven Befunden ungeeignet. Er ist nur zum Ausschluss einer HWI bei fehlendem Nachweis von Leukozyten, Nitrit und Bakterien oder bei einer „nichtsignifikanten” Keimzahl zu verwenden. Bei positivem Teststreifen-Befund ist für die mikrobiologische Untersuchung eine der folgenden Methoden zur Uringewinnung erforderlich.
-
•
„Clean-catch”-Urin: Er ist bei Säuglingen und Kleinkindern eine praktikable Methode, um eine hohe Kontaminationsrate wie beim „Beutelurin” zu vermeiden (177, 178). Das Kind wird von einer Betreuungsperson mit entblößtem Genitale auf dem Schoß gehalten, bis die spontane Miktion einsetzt und der Urin mit einem sterilen Gefäß aufgefangen werden kann.
-
•
Blasenkatheter oder suprapubische Blasenpunktion: Wenn kein Mittelstrahlurin gewonnen werden kann, ist zur Uringewinnung für die mikrobiologische Diagnostik ein Blasenka-theterismus oder eine suprapubische Blasenpunktion ratsam (179). Die Erfolgsrate der Punktion ist am höchsten, wenn das Füllungsvolumen der Blase vorher sonographisch abgeschätzt wird (180, 181).
Streifentest und Urin-Mikroskopie
Mikrobiologische Diagnostik
Bedeutung der Keimzahlen in der Urinkultur für die Diagnose einer Harnwegsinfektion
Lokalisation der Harnwegsinfektion
Therapie
Antibakterielle Therapie bei Pyelonephritis
Antibakterielle Therapie bei Zystitis
Asymptomatische Bakteriurie
Infektionsprophylaxe
Chemoprophylaxe
Weitere Maßnahmen zur Infektionsprophylaxe
•
Bei Verschlechterung der Detrusordruckwerte gegebenenfalls antimuskarinerge Therapie bzw. Dosiserhöhung der Antimuskarinika
•
Bei hohen Restharnmengen Beginn eines intermittierenden Katheterismus
•
Katheterisierungstechnik überprüfen
•
Bei bereits erfolgendem CIC gegebenenfalls Katheterismusfrequenz erhöhen
•
Optimierung der Stuhlentleerung, Verhinderung einer Obstipation
Beseitigung prädisponierender Faktoren
-
•
Cranberry: Der Effekt von Cranberrysaft oder -kapseln (Preiselbeerextrakt aus Vaccinium macrocarpon, einer in den USA und Kanada wachsenden Cranberryart) beruht u.a. auf der Adhärenzhemmung uropathogener E. coli am Uroepithel. Bei Kindern mit neurogenen Blasenfunktionsstörungen zeigten frühere Studien keine Effizienz (203), während eine neuere, prospektive, kontrollierte Studie für eine Wirksamkeit von Cranberrykapseln bei Mädchen, nicht aber bei Jungen spricht (204). Für evidenzbasierte Empfehlungen ist die Studienlage derzeit noch zu schwach.
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„Ansäuern” des Urins: Bei der Prophylaxe von HWI werden mehrere Argumente für harnansäuernde Maßnahmen herangezogen (205). Die Erniedrigung des Urin-pH wirkt bakteriostatisch, insbesondere auf gramnegative Erreger. Ungünstige Voraussetzungen für das Bakterienwachstum im Urin sind extreme pH-Werte (< 5.5 und > 7.5), hohe Urinkonzentration und schwache organische Säuren. Eine Reihe antibakterieller Substanzen entfaltet ihr Wirkungsoptimum bei pH-Werten zwischen 5 und 6 (darunter z.B. Aminopenicilline, Nitrofurantoin, Trimethoprim). In ausgewählten Situationen kann es daher sinnvoll sein, die Behandlung durch urinansäuernde Maßnahmen zu optimieren. L-Methionin (Acimethin®, L-Methionin-GRY®) ist die einzige essenzielle Aminosäure, die Schwefel enthält. Bei ihrem Abbau zu Schwefelwasserstoff und Schwefelsäure werden H-Ionen frei, die zur Ansäuerung des Urins führen. Fünfstück et al. konnten unter L-Methionin eine pH-unabhängige Verminderung der bakteriellen Adhärenzfähigkeit am Uroepithel nachweisen (206). Bisher fehlen klinische Studien, die den Erfolg dieser Therapie zeigen.
FAZIT FÜR DIE PRAXIS
LITERATUR
Weitere Beteiligte
Beteiligte Gesellschaften und Vereinigungen
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Arbeitskreis Kinder- und Jugendurologie der deutschen Gesellschaft für Urologie
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Arbeitsgemeinschaft Kinderurologie der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie
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Arbeitsgemeinschaft Spina bifida und Hydrozephalus (ASbH)
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Arbeitskreis Urologische Funktionsdiagnostik und Urologie der Frau der deutschen Gesellschaft für Urologie
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Gesellschaft für Neuropädiatrie
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Gesellschaft für pädiatrische Nephrologie
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Sektion Pädiatrische Neurochirurgie der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie