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Mehr InformationenB978-3-437-22061-6.50456-0
10.1016/B978-3-437-22061-6.50456-0
978-3-437-22061-6
Elsevier Inc.
Lokalisation der Hirntumoren im Kindesalter; in Klammern anteilmäßige Häufigkeit (17).
Supratentorielle Tumoren (45%) |
Großhirnhemisphären (19%) |
Oberer Hirnstamm (16%) |
Selläre/supraselläre Region (10%) |
Infratentorielle Tumoren (52%) |
Kleinhirn und IV. Ventrikel (37%) |
Unterer Hirnstamm (15%) |
Intraspinale Tumoren (3%) |
Intramedullär |
Extramedullär-intradural |
Extradural |
Histologische Klassifizierung der Tumoren des Zentralnervensystems (abgekürzt nach der WHO-Klassifikation [24]), in Klammern anteilmäßige Häufigkeit an den Hirntumoren des Kindesalters.
Tumoren des neuroepithelialen Gewebes |
Astrozytische Tumoren (30–35%) |
• Astrozytom |
• Pilozytisches Astrozytom |
• Pilomyxoides Astrozytom |
• Fibrilläres Astrozytom |
• Anaplastisches Astrozytom |
• Anaplastisches pilozytisches Astrozytom |
• Glioblastoma multiforme |
• Riesenzellglioblastom |
• Gliosarkom |
• Pleomorphes Xanthoastrozytom |
• Subependymales Riesenzellastrozytom |
Oligodendrogliale Tumoren (0–1%) |
• Oligodendrogliom |
• Anaplastisches Oligodendrogliom |
Gemischte Gliome |
• Oligoastrozytom |
• Anaplastisches Oligoastrozytom |
Ependymale Tumoren (10–15%) |
• Ependymom |
• Anaplastisches Ependymom |
• Myxopapilläres Ependymom |
• Subependymom |
Tumoren des Plexus choroideus (2–3%) |
• Plexuspapillom |
• Atypisches Plexuspapillom |
• Plexuskarzinom |
Neuronale und gemischt neuronal-gliale |
Tumoren |
• Gangliozytom |
• Dysembryoplastischer neuroepithelialer Tumor |
• Gangliogliom |
• Anaplastisches Gangliogliom |
• Zentrales Neurozytom |
• Angiozentrisches Gliom |
• Papillärer glioneuronaler Tumor |
• Rosettenbildender glioneuronaler Tumor des |
IV. Ventrikels |
Tumoren des Pinealisparenchyms (2–3%) |
• Pineozytom |
• Pinealisparenchymtumore intermediärer |
Differenzierung |
• Pineoblastom |
Embryonale Tumoren (15–20%) |
• Medulloblastom |
• Primitiver neuroektodermaler Tumor |
des ZNS (cPNET) |
• Atypischer teratoider/rhabdoider Tumor |
des ZNS (ATRT) |
Meningeale Tumoren (0–1%) |
• Meningeom |
• Hämangioperizytom |
• Melanozytischer Tumor |
• Hämangioblastom |
Primäre Lymphome des ZNS |
Keimzelltumoren (3–5%) |
• Germinom |
• Embryonales Karzinom |
• Dottersacktumor |
• Choriokarzinom |
• Teratom |
• Gemischter Keimzelltumor |
Tumoren der Sellaregion (8–10%) |
• Hypophysenadenom |
• Hypophysenkarzinom |
• Kraniopharyngeom |
Metastasen extrazerebraler Tumoren |
Histologie, Malignitätsgrad, typische Lokalisation und neuroradiologische Charakteristika der häufigsten Hirntumoren im Kindes- und Jugendalter.
Histologie | WHO-Grad | Typische Lokalisation und Charakteristika |
Astrozytom
|
|
|
Medulloblastom | IV | Infratentoriell, vom Kleinhirnwurm ausgehend; seltener hemisphärisch |
Sonstige PNET | IV | Supratentorielle Hemisphären, Pinealisregion, zellreich |
Ependymom
|
|
|
Kraniopharyngeom | I | Intra-/Suprasellär, Zyste(n) mit Randenhancement und evtl. solidem KM-aufnehmendem Tumoranteil, Ausweitung der Sella, Verkalkungen (CT!) |
Keimzelltumoren | − | Suprasellär und/oder in der Pinealisregion, solider Tumor mit deutlicher KM-Anreicherung, zellreich |
Gangliogliom DNT | I/II/III I | Variabel, 65% zerebrale Hemisphären, 10% supratentorielle Mittellinie, 25% intratentoriell und spinal, häufig Verkalkungen DNT: vor allem Großhirnhemisphäre, seltener in der hinteren Schädelgrube und spinal, Beziehung zur kortikalen Dysplasie, Kortikale Lage, kleine Zysten |
Plexuspapillom Atypisches Plexuspapillom Plexuskarzinom |
|
Beziehung zum Plexus, kräftige noduläre KM-Anreicherung, manchmal Verkalkungen |
ATRT | IV | Anatomische Grenzen missachtend, oft im Kleinhirnbrückenwinkel, etwas häufiger supratentoriell, gemischte Signalintensität oft mit Zysten und Nekrosen, perifokales Ödem häufiger als bei MB/PNET |
Hirntumoren im Kindesalter
Leitsymptome und Diagnostik der Hirntumoren im Kindes- und Jugendalter
BASISINFORMATIONEN UND KLASSIFIKATIONEN
LEITSYMPTOME
Zeichen einer intrakraniellen Drucksteigerung
1.
Nicht-Migräne-Kopfschmerz von mehr als 6 Monaten Dauer, normaler neurologischer Befund, Risiko 0,5–2/10.000.
2.
Migränesymptomatik und normaler neurologischer Befund, Risiko 1–6/1.000.
3.
Kopfschmerz von weniger als 6 Monaten Dauer und zusätzliche Hinweise auf eine intrakranielle Raumforderung, wie oben definiert, Risiko 1–8/100 (32).
Lokalsymptome
•
Bei supratentoriellen Tumoren finden sich fokale neurologische Symptome entsprechend der Lokalisation, wie spastische Hemi- oder Monoparesen, fokale Dystonien, Hemianopsien, Okulomotorikstörungen bei Mittelhirnbeteiligung, Sprachstörungen, fokale zerebrale Anfälle. Daneben neuropsychologische Probleme und Wesensänderungen.
•
Bei suprasellärem Sitz endokrinologische, insbesondere auch auxologische und visuelle Auffälligkeiten und früh Hirndruckzeichen.
•
Bei Sitz im Hypothalamus Abmagerungssyndrom (dienzephale Kachexie), Essstörungen und zunehmende Adipositas, Störungen der zirkadianen Rhythmik (Tagesmüdigkeit, Hypersomnie, Schlaf-Wach-Umkehr), endokrine Symptome, Okulomotorik- und visuelle Probleme bei Beteiligung des III. Hirnnervs bzw. des Chiasma opticum.
•
Bei Tumoren des kaudalen Hirnstamms die Trias Hirnnervenparesen, seitengekreuzte Ausfälle langer Bahnen und ataktische Symptome, oft ohne oder erst spät im Verlauf mit Hirndruckzeichen.
•
Bei Tumoren des IV. Ventrikels und Vermis cerebelli frühe Hirndrucksymptome durch Liquorzirkulationsstörungen, im typischen Fall rumpf- und gangbetonte Ataxie, Nystagmus, Schiefhals, Störungen des kaudalen Hirnstamms nach Infiltration des Bodens des IV. Ventrikels.
•
Bei Tumoren der Kleinhirnhemisphäre im typischen Fall extremitätenbetonte Ataxie mit Dysmetrie, Dysdiadochokinese und Intentionstremor, ipsilaterale Hypotonie, skandierende Sprache, Nystagmus, erst später erhöhter intrakranieller Druck.
•
Hirnnervenparesen können lokalisierende Bedeutung haben, können aber auch lediglich Folge der intrakraniellen Drucksteigerung sein (Nerven II, IV, VI, VII).
•
Krampfanfälle bei 9–14% der Patienten als Erstsymptom und bei 15–21% bei Diagnosestellung,
•
Paresen bei 5% als Erstsymptom und 6–35% bei Diagnose,
•
Wachstumsstörung und endokrinologische Ausfälle bei Erstmanifestation 2–5%, bei Diagnose 8–18%,
•
visuelle Auffälligkeiten bei Erstmanifestation 10–13%, bei Diagnose 38–55 % und 35% Stauungspapillen,
•
Hirnnervenparesen in 1% als Erstsymptom, in 15% bei Diagnosestellung,
•
Ataxie bei 8–11% als Erstsymptom, bei 40–46% bei Diagnose,
•
Nystagmus bei 1% als Erstsymptom, bei 11% bei Diagnose,
•
Schiefhals bei 5% als Erstsymptom, bei 14% bei Diagnose (8,39,40).
DIAGNOSTIK
Übersicht über die diagnostischen Verfahren
Neuroradiologie
•
kranielle Magnetresonanztomographie (MRT) mit intravenöser Kontrastmittelapplikation,
•
evtl. MR-Angiographie, MR-Perfusion, -Diffusions und -Spektroskopie, und
•
kranielle Computertomographie (CCT).
Ophthalmologie
HNO-ärztliche Untersuchung
Endokrinologische Diagnostik
Neurophysiologische Untersuchungen
-
•
EEG: Indiziert zur Diagnostik und Verlaufskontrolle bei Auftreten zerebraler Anfälle. Ein Herdbefund kann, muss aber nicht, Hinweis auf eine supratentorielle Raumforderung sein. In der Verlaufskontrolle des Tumors (Rezidiv, Wachstum, Metastasierung) ist das EEG dem MRT deutlich unterlegen und in dieser Indikation obsolet.
-
•
VEP: Indiziert bei suprasellären Prozessen und anderen Tumoren der Sehbahn. Kann eine zunehmende Druckschädigung/Infiltration der Sehbahn evtl. früher anzeigen als das MRT. Die neurophysiologische Untersuchung der Sehbahn kann nicht als Ersatz für eine zusätzliche ausführliche ophthalmologische Untersuchung gewertet werden.
-
•
AEHP und SEP: Relativ indiziert bei Prozessen im kaudalen Hirnstamm.
Neuropsychologie
Liquordiagnostik
Tumormarker
Histopathologie
•
Im Rahmen einer NF 1, Tumoren die eindeutig der Sehbahn zugeordnet werden können, bei denen es sich nahezu ausschließlich um pilozytische Astrozytome I. Grades handelt.
•
Sezernierende maligne Keimzelltumoren können an den erhöhten Tumormarkern erkannt werden und erfordern nicht in jedem Fall eine Biopsie.
•
Bifokale Germinome, bei denen eine Tumormarkererhöhung im Serum und Liquor ausgeschlossen wurde und der Tumorsitz eindeutig der Lokalisation Pinealis und suprasellär zugeordnet werden kann.
•
Maligne, diffus intrinsisch wachsende Hirnstammtumoren können durch ihre spezifische Bildgebung (und eventuell eine begleitende MRS) oft genügend charakterisiert werden.
Empfehlenswerte diagnostische Schritte
Notwendige präoperative Tumordiagnostik
-
•
Anamnese und neurologische Untersuchung inklusive ophthalmologische Untersuchung (im Notfall nur Augenhintergrundspiegelung).
-
•
Kraniale MRT vor und nach Kontrastmittelgabe (CCT vor und nach KM, wenn MRT nicht verfügbar bzw. CCT ohne Kontrastmittelgabe bei sellären/parasellären Raumforderungen zum Nachweis von Verkalkungen oder Überprüfung der Tumorzelldichte).
-
•
Bestimmung der Tumormarker bei allen Mittellinientumoren.
Weitere übliche präoperative Diagnostik
-
•
Körperliche Untersuchung mit Somatogramm, Röntgenaufnahme der Lungen, EKG, evtl. Echokardiographie (in Abhängigkeit von Operationsmethode und -lagerung), Laboruntersuchung mit Blutbild, Gerinnungsstatus, Elektrolyten, BSG, im Rahmen von Therapiestudien LDH und NSE. Je nach Tumorsitz augenärztliche Untersuchung.
Notwendige postoperative Resttumordiagnostik
-
•
Anamnese und neurologische Untersuchung, sowie eventuell ophthalmologische Untersuchung.
-
•
Kraniale MRT vor und nach Kontrastmittel (CCT vor und nach KM, wenn MRT nicht verfügbar; vor und nach OP zur besseren Vergleichbarkeit die gleiche Methode einsetzen!) zur Resttumorbestimmung. CCT ohne Kontrastmittelgabe bei Nachweis von Verkalkungen in der präoperativen CCT ohne Kontrastmittelgabe. Die Untersuchung muss innerhalb der ersten 48 (maximal 72) Stunden post-op., jedoch nicht am OP-Tag durchgeführt werden, da eine sichere Interpretation wegen unspezifischer postoperativer Schrankenstörungen und Narbenbildung später nicht mehr gelingt. Eine Ausnahme bildet als extraaxialer Tumor das Kraniopharyngeom, dessen postoperative MRT-Bildgebung nicht an die ersten 48 Stunden nach OP gebunden ist.
Notwendige Metastasendiagnostik (bei prinzipiell metastasierenden Tumoren)
-
•
Spinales MRT vor und nach Kontrastmittel (besser präoperativ).
-
•
Liquorzytologie, lumbal gewonnener Liquor 14 Tage postoperativ vor Beginn der Strahlenoder Chemotherapie.
-
•
Im Einzelfall nützlich: Schädelsonographie bei Säuglingen, Skelettröntgen oder -szintigraphie, Knochenmarkaspiration oder -biopsie, Ganzkörper-MRT oder CT-Thorax/-Abdomen (z.B. bei ATRT).
-
•
Bei Verdacht auf ein Rhabdoid-Tumor-Prädispositionssyndrom ist eine zusätzliche Untersuchung der Bauchorgane und des Skelettsystems angeraten (je nach Alter z.B. Ganzkörper-MRT und/oder Skelettszintigraphie).
Spezielle Diagnostik vor Beginn einer etwaigen Radiotherapie
-
•
Vor Durchführung einer Strahlentherapie können im Einzelfall für die Bestrahlungsplanung spezielle zusätzliche Untersuchungen notwendig werden, die mit den Radiotherapeuten abgesprochen werden müssen.
Zusätzlich empfehlenswerte Untersuchungen zur Erfassung der Schädigung durch den Tumor oder die Therapie
-
•
Neurophysiologische Untersuchungen (s.o.).
-
•
Neuropsychologische Testung.
Untersuchung der Lebensqualität
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•
Neuroendokrinologische Diagnostik.
-
•
Je nach Tumorsitz augenärztliche Diagnostik.
-
•
Audiometrie.
Zusätzlich empfehlenswerte Untersuchungen zur Erfassung eines genetischen Risikos
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•
Untersuchung von Tumormaterial und Blut des Patienten und gegebenenfalls Blut von Angehörigen auf Keimbahnmutationen nach Aufklärung und schriftlichem Einverständnis entsprechend Gendiagnostikgesetz (z.B. bei ATRT, Choroid-Plexus-Karzinomen sowie familiären Tumorsyndromen).
Notwendige Diagnostik im Rahmen der Nachsorge
•
Anamnese und neurologische Untersuchung.
•
Kraniales MRT drei Monate nach OP, danach 1/2-jährlich, nach 2 Jahren jährlich (falls im Rahmen von Therapiestudien nicht anders vorgesehen), nach 10 Jahren in Abhängigkeit vom klinischen Verlauf.
•
Neuropsychologische Untersuchung.
•
Endokrinologische Diagnostik nach Operation/Strahlentherapie von Tumoren der Sellaregion und jeder Ganzhirn-Strahlentherapie (s. Kap. L6b „Medulloblastom” und L6d „Kraniopharyngeom”).
•
HNO-Untersuchung (Audiometrie).
•
Je nach Tumorsitz augenärztliche Diagnostik.
•
Neurophysiologische Untersuchungen (s.o.).
In Erprobung befindliche Methoden
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•
Positronenemissionstomographie (PET) mit neuen molekularen Markern z.B. zur Erfassung der proliferativen Aktivität.
-
•
Insulin-like-Growth-Factor-Bindungsproteine und Insulin-like-Growth-Faktoren im Liquor.
Verfahren der Konsensbildung
Autoren
Verfahren der Konsensbildung Gesellschaft für Neuropädiatrie
Verfahren der Konsensbildung GPOH
Mitglieder der Expertengruppe Hirntumoren der GPOH
Leitlinienkoordination
LITERATUR
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