DEFINITION
Hochwuchs ist definiert als eine Körperlänge/Körperhöhe, die oberhalb der 97. Perzentile gesunder Kinder liegt. Der Hochwuchs kann entweder eine Normvariante sein („konstitutioneller Hochwuchs” oder „familiärer Hochwuchs”) oder eine pathologische Ursache haben. Die Definition des familiären Hochwuchses verlangt, dass die genetische Zielgröße oder die Körperhöhe eines Elternteils oberhalb der 97. Perzentile liegt. Beim konstitutionellen Hochwuchs liegt die Körperhöhe der Eltern unterhalb der 97. Perzentile.
DIAGNOSTIK
Zielsetzung
Klärung pathologischer Ursachen des Hochwuchses.
Basisdiagnostik vor Einleitung einer Hochwuchstherapie beim konstitutionellen oder familiärem Hochwuchs.
Gebräuchliche Verfahren
Röntgenaufnahme der gesamten linken Hand unter Einschluss der distalen Anteile von Radius und Ulna zur Bestimmung des Skelettalters nach Greulich-Pyle oder Tanner-Whitehouse. Dokumentation einer aktuellen Körperhöhe und Berechnung der voraussichtlichen Endgröße nach den Tabellen von Bayley-Pinneau oder Tanner-Whitehouse.
Bewertung
Für die Skelettalterbestimmung und die Bewertung der Endgrößenprognose sind ausreichende klinische Erfahrungen erforderlich.
Ausschlussdiagnostik
Bei auffälligem Wachstumsverlauf oder klinischen Hinweisen auf eine pathologische Ursache des Hochwuchses sollte die nachfolgende Diagnostik durchgeführt werden, die bei weiteren Auffälligkeiten durch eine zusätzliche Diagnostik ergänzt werden muss:
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IGF-I und IGFBP-3, OGTT bei Verdacht auf ein wachstumshormon produzierendes Adenom der Hypophyse
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GnRH-Test mit E2 bzw. Testosteron bei Verdacht auf eine vorzeitige Pubertätsentwicklung
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17-Hydroxyprogesteron, 11-Desoxykortisol, gegebenenfalls ACTH-Test bei Verdacht auf ein adrenogenitales Syndrom (AGS)
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Syndrome, z.B. Marfan Syndrom
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Chromosomenanalyse, z.B. Klinefelter Syndrom
Nachweisdiagnostik
Keine bei konstitutionellem oder familiärem Hochwuchs. Vor Einleitung einer Hochwuchstherapie:
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Basalwerte von LH, FSH und E2 bzw. Testosteron zur Überprüfung der hypothalamisch hypophysären-gonadalen Achse.
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Thrombophiliediagnostik bei Mädchen mit positiver Familienanamnese: Ein positiver Befund stellt eine relative Kontraindikation zur Hochwuchstherapie dar.
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Leberenzyme (SGOT, SGPT), Bilirubin.
Entbehrliche Diagnostik
Einzelbestimmungen von Wachstumshormon.
Durchführung der Diagnostik
Pädiatrischer Endokrinologe.
THERAPIE
Medikamentöse Therapie
Beim „konstitutionellen” oder „familiären” Hochwuchs kann bei Mädchen mit einer Endgrößenprognose > 185 cm eine Östrogen-/Gestagentherapie, bei Jungen bei einer Endgrößenprognose > 202 cm eine Testosterontherapie durchgeführt werden.
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Hochwuchstherapie Mädchen:
Die Therapie erfolgt mit Ethinylestradiol 0,1 mg oder konjugierten Östrogenen 7,5 mg täglich p.o. durchgehend. Zur Zyklusregulation und Antiproliferation wird im Rahmen des 28-tägigen Zyklus zusätzlich für 10–14 Tage Medroxyprogesteronacetat 10 mg täglich oral verabreicht.
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Hochwuchstherapie Jungen:
Depot-Testosteron 500 mg (2 × 250 mg) alle 14 Tage i.m.
Bei wachstumshormonproduzierendem Adenom: Medikamentöse Therapie mit Dopaminagonisten, Somatostatin-Analoga oder Wachstumshormon-Rezeptorantagonisten, falls neurochirurgische Therapie nicht kurativ oder kontraindiziert ist.
Bei vorzeitiger Pubertätsentwicklung: s. Kap. E4 „Pubertas praecox”.
Bei AGS: s. Kap. E16 „Adrenogenitales Syndrom”.
Chirurgische Therapie
Bei wachstumshormonproduzierendem Tumor wird eine neurochirurgische Therapie durchgeführt (gegebenenfalls medikamentöse Therapie mit Dopaminagonisten, Somatostatin-Analoga oder Wachstumshormon-Rezeptor-Antagonisten).
Therapiedurchführung
Indikationen zur Therapie des konstitutionellen Hochwuchses sind in der Regel psychosoziale Probleme im Umgang mit der Körperhöhe. Es gibt keinen Konsens, ob und wann eine Therapie indiziert ist.
Die Entscheidung zur Hochwuchstherapie müssen Patient/in und Eltern nach sorgfältiger, individueller Aufklärung treffen. Die Unterrichtung über die Wertigkeit der Endgrößenprognose (
1,
3), die Wirkungen und Nebenwirkungen der Hochwuchstherapie (
1,
2,
4), insbesondere möglicher Fertilitätsprobleme (
4,
5), sollte nach dem aktuellen Kenntnisstand erfolgen und ist in schriftlicher Form festzuhalten.
Verfahren zur Konsensbildung
Die vorliegende Leitlinie wurde erarbeitet von der Arbeitsgemeinschaft Pädiatrische Endokrinologie (APE
2) als Sektion der DGKJ und der DGE – Sektion Pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie.
Leitliniensekretariat der DGKED
3
Dr. Anja Moß
AWMF-Leitlinienberaterin
Sektion Pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie
Interdisziplinäre Adipositasambulanz
Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universität Ulm
Eythstr. 24
89075 Ulm
Tel.: 0731 – 500 57401
Erstellungsdatum: 01/2011
Nächste Überprüfung geplant: 01/2016