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978-3-437-22325-9
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Differenzierung der Fraktur
Jakob et al. (16) | von Laer (20) | |
Typ I | Inkompletter Abriss, Gelenkfläche intakt | Inkomplette Fraktur, lateral „hängend”, zentral undisloziert |
Typ II | Kompletter Abriss, Verkippung nach lateral | Vollständige (komplette) Fraktur, undisloziert |
Typ III | Kompletter Abriss, Verdrehung um eigene Achse | Vollständige Fraktur, disloziert |
Eine Fraktur Jakob II ist eine dislozierte Fraktur, während von Laer für den Typ II eine vollständige, aber undislozierte Fraktur postuliert.
Intraartikuläre Frakturen des distalen Humerus im Kindesalter (S2k)
DEFINITION UND KLASSIFIKATION
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13-E/4.1 (Condylus radialis oder ulnaris)
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13-E/4.2 (T- oder Y-Fraktur)
EPIDEMIOLOGIE UND PRÄKLINIK
Häufigkeit
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Häufigste Gelenkfraktur im Kindesalter, 2% aller Frakturen im Kindesalter
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10–20 % der Ellenbogenfrakturen, 1/3 der distalen Humerusfrakturen
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Altersgipfel 4.–5. Lebensjahr
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T- oder Y-Fraktur 9.–16. Lebensjahr (Altersgipfel: 15 Jahre)
Klinik
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Meist lateral betonte Schwellung des distalen Humerus
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Lokalisierte Einblutung in die Weichteile (Ekchymosis)
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Gelenkerguss
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Schmerzhafte Bewegungseinschränkung
Begleitverletzungen
Präklinik
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Lagerung auf einer Oberarmschiene in bequemer Spontanhaltung
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Adäquate Analgesie
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Dokumentation von peripherer Durchblutung, Motorik und Sensibilität (DMS)
DIAGNOSTIK
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Beurteilung des Weichteilschadens
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Dokumentation von DMS
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Konventionelle Röntgenaufnahme in zwei Ebenen
Anmerkungen zur Diagnostik
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Ist nach einer Röntgenaufnahme in nur einer Ebene die OP-Indikation gegeben, zweite Ebene gegebenenfalls in Narkose ergänzen.
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Röntgen der Gegenseite ist obsolet!
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Fettkörperzeichen („fat pad”) und Gelenkerguss sind indirekte Frakturzeichen (10).
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Die zentrale Dislokation liegt beim Kleinkind im chondralen Bereich (15) und ist in dieser Altersgruppe im Röntgenbild nicht beurteilbar.
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Die initial für die distale Tibia ausgesprochene „2-mm-Empfehlung” von Spiegel (35, 36) ist nicht evidenzbasiert und nicht experimentell in ihrer klinischen Bedeutung nachgewiesen.
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Die Sonographie ist bei einem erfahrenen Untersucher eine Ergänzung, kann aber bisher das konventionelle Röntgen nicht ersetzen. Sie zeigt eine Gelenkstufe, ein subperiostales Hämatom und die Periostzerreißung (38, 23). Die Darstellung ist bei schmerzhaftem und geschwollenem Ellenbogen schwierig, der Zeitaufwand hoch, aber bei chondralen Läsionen sehr hilfreich (11). Die Sensitivität ist hoch (98%), die Spezifität erreicht 70% (27) bis 90% (9).
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Die CT ist kein primäres Diagnoseverfahren, sondern speziellen Fragestellungen vorbehalten, dann Spiral-(oder Volumen-)CT ohne KM mit Rekonstruktion, aber mit möglichst geringer Strahlendosis.
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Die MR ist kein primäres Diagnoseverfahren. Sie stellt exakt die Verletzung der Knorpelzone dar (17, 14) und dient zusätzlich der Beurteilung der begleitenden Weichteilverletzungen (Nerven, Gefäße). Hoher logistischer (gegebenenfalls Sedierung oder Narkose) und finanzieller Aufwand relativieren die Einsatzhäufigkeit. Minimales Sequenzprotokoll: T1-, T2- und fettgesättigte T2-Sequenz in mindestens zwei Raumorientierungen.
THERAPIE
Condylus-radialis-Fraktur
Therapieentscheidung | ||
Undislozierte Frakturen | Jakob I; von Laer I | konservativ |
Dislozierte Frakturen | Jakob II, III; von Laer III | operativ |
Konservative Therapie
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Zirkulärer, gespaltener Oberarmgips oder Oberarmgipsschiene, die Kondylen umgreifend; 90 Grad Ellenbogenflexion und Neutralstellung des Unterarms.
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Konventionelle Röntgenkontrolle in zwei Ebenen gipsfrei nach 4–7 Tagen und in fraglichen Fällen nach 14 Tagen zum Ausschluss einer sekundären Dislokation.
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Späte Dislokationen nach > 7 Tagen wurden beobachtet (3, 10, 30).
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Konsolidationskontrolle gipsfrei nach 4 Wochen.
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Freigabe zur spontanen Mobilisation.
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Fragmentverschiebung in der Röntgenkontrolle nach 4–7 Tagen oder später erfordert Therapiewechsel mit offener Reposition und Osteosynthese.
Hinweise für die Eltern bei der Therapieberatung
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Sekundäre Dislokation möglich, wenn Typ II primär nicht erkennbar war, dann Therapiewechsel notwendig
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Bewegungsstörung, Wachstumsstörung, Pseudarthrose
Operative Therapie
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Zügig geplante Operation.
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Notfallmäßige Versorgung selten erforderlich.
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Geschlossene Repositionsversuche meist ineffektiv (21), einzelne Serien zeigen gute Ergebnisse (33), auch die arthroskopisch gestützte geschlossene Reposition mit perkutaner Kirschner-Draht-Fixation wurde vorgeschlagen (13).
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Rückenlagerung, Armtisch, Zugang lateral (Kocher) häufig benutzt, gute Übersicht.
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Weniger üblich: Bauch- oder Seitenlage oder Zugang von dorsolateral (25, 18, 2).
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Dislokation und Instabilität regelhaft größer als vermutet.
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Blutsperre oder Blutleere fakultativ.
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Offene Reposition, exakte Wiederherstellung und Einstellung der Gelenkfläche erforderlich.
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Abgescherte Knorpelfragmente müssen refixiert werden (selten).
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Schonende Präparation (cave: Gefäßversorgung), keine Skelettierung (cave: iatrogene Nekrose).
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Mini-Redon fakultativ.
Hinweise für die Eltern bei der OP-Aufklärung
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Blutung, Infektion, sekundäre Dislokation, Gefäß- und Nervenverletzung
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Durchblutungsstörung des Kondylus mit Nekrose
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Bleibende Bewegungseinschränkung, Wachstumsstörung, Cubitus varus oder valgus
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Pseudarthrose, Knorpelschaden, Arthrose, Folgeoperationen
Fixation
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2–3 divergierende K-Drähte, die die Gegenkortikalis fassen (21, 6), sichern die anatomische Position des Fragments, haben aber keine Kompressionswirkung; führen nicht zur Fugenstörung, wenn nicht multipel gebohrt wurde.
K-Drähte umbiegen und im Periost versenken; Haut verschließen, das verhindert Dislokation von Drähten (bei unversenkten Drähten mehr Infekte, Risiko vorzeitiger Metallentfernung [21]).
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1 rein metaphysär platzierte (!), durchbohrte, selbstbohrende und selbstschneidende Spongiosazugschraube, die die Gegenkortikalis fasst (8, 31, 25, 12), ist nur bei ausreichend großem metaphysärem Fragment indiziert.
Unterlegscheibe ist fakultativ.
Kompression der Fraktur, gegebenenfalls Rotationsschutz mit transepiphysärem Kirschner-Draht; Literaturhinweise vor allem aus den USA auf die perkutane Kirschner-Draht-Fixation nicht/wenig dislozierter Abrisse mit drohender Instabilität werden sehr kritisch gesehen. Sie sollen einer sekundären Dislokation vorbeugen, die dann der offenen Reposition bedürfte (prophylaktische Fixation), und die einfache Entfernung der perkutanen, nicht versenkten Drähte in der Ambulanz ermöglichen (24, 34). Die Risiken dieser Vorgehensweise (spontane Drahtdislokation, Infektion, Pseudarthrose) wurden bisher nicht evaluiert. Für eine prophylaktische Fixation undislozierter stabiler Frakturen gibt es bisher keine akzeptierte Indikation.
Zum Abschluss der OP immer Prüfung der Ellenbogenstabilität, v.a. nach Luxationen, Begleitverletzungen ausschließen, Röntgendokumentation (s. Abschnitt „Nachkontrollen”).
Nachbehandlung
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Gipsruhigstellung in Funktionsstellung wie bei konservativer Therapie für mindestens 3 Wochen (37), üblich aber für 4 Wochen
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Postoperative Analgesie
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Metallentfernung nicht vor 4 Wochen postoperativ bei sicherer radiologischer Konsolidierung, bei Verwendung von Zugschrauben alternativ erst nach weitgehender Wiederherstellung der Beweglichkeit, ca. 3 Monate postoperativ
Nachkontrollen
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Röntgen in zwei Ebenen: bei konservativer Therapie Tag 4–7 gipsfrei (gegebenenfalls Sonographie) – evtl. Tag 14–28
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Röntgen in zwei Ebenen: bei operativer Therapie unmittelbar postoperativ – Tag 28 – gegebenenfalls vor ME
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Weitere Röntgenkontrollen bei Wachstumsstörungen oder Komplikationen
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Klinisch: bei ME/nach 3 Monaten – nach 1 Jahr
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Weitere klinische Kontrollen individuell bei bestehender Bewegungs- oder Wachstumsstörung bis zur freien Beweglichkeit/Wachstumsabschluss/Korrektur
Physiotherapie
Probleme | |
Bewegungsstörung | Weichteilbedingt (Kapsel) |
Fehlpositionierung des Fragments oder zu frühe Metallentfernung | |
Pseudo-Cubitus varus | Überschießende laterale Knochenapposition, kosmetisches Problem |
Cubitus varus | Unzureichende Reposition, nichtanatomische Fixation oder stimulative |
Wachstumsstörung bei unzureichender Stabilität (19) | |
Keine funktionelle Einschränkung, sondern kosmetische Auffälligkeit | |
Korrektur kaum erforderlich, bis zum Wachstumsende aufschieben | |
Cubitus valgus | Selten durch frühzeitigen Verschluss der Kapitulumfuge (7) |
Pseudarthrosen | Bei übersehenen Frakturen |
+/− Cubitus valgus | Nach konservativer Therapie nicht korrekt klassifizierter Frakturen |
+/− Nervus-ulnaris- | Nach konservativer Therapie dislozierter Frakturen |
Affektion | Nach ungenügender Reposition und Fixation |
Nach verfrühter Metallentfernung | |
Korrektur sollte Zentren mit großer kindertraumatologisch-kinderortho-pädischer Erfahrung überlassen werden! | |
Epiphyseodese | Zentral (Fischschwanzdeformität), meist ohne funktionelle Relevanz, verschwindet oft wieder (19) |
Osteonekrose | Betrifft Kapitulum bei Durchblutungsstörung (grobe Dislokation, iatrogen) |
Prognose
Condylus-ulnaris-Fraktur (22)
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Selten.
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Diagnostik, Therapieentscheidung und Behandlung wie beim radialen Kondylus.
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Radiologische Diagnose erschwert wegen mehrkerniger Trochlea-Anlage.
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Offene Reposition von medial oder dorsomedial.
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Fixation bei kleinen Kindern mit 2–3 divergierenden K-Drähten, die in der Gegenkortikalis verankert werden; bei größeren Kindern 2 quere Schrauben mit Fixation des medialen Kondylus an das Kapitulum und den Schaft.
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N. ulnaris ist darzustellen.
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Prognose wegen meist schwererer Begleitverletzungen ungünstiger.
Epikondylusabrisse sind primär keine intraartikulären Verletzungen, sondern apophysäre Verletzungen und werden gegebenenfalls in einer separaten Leitlinie behandelt.
T- oder Y-Fraktur
Bei jüngeren Kindern (1)
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Entspricht suprakondylärer Fraktur mit kondylärer Beteiligung.
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Mittleres Patientenalter bei 7,5 Jahren.
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Therapie: 3–4 K-Drähte zur Fixation beider distaler Fragmente an den Schaft.
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•
Gegebenenfalls querer Draht zur Fragmentverbindung.
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Prognose entspricht der der suprakondylären Humerusfraktur, besser als bei T- oder Y-Fraktur des Adoleszenten.
Bei Adoleszenten (28, 29)
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Beide Kondylen zum Block verbinden (quere Zugschraube)
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Kondylenblock an den Schaft fixieren (Schrauben, Platten, Drähte)
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Zugang: posteromedial (Bryan-Morrey) oder posterolateral oder Olekranonosteotomie
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Prognose ungünstiger als bei isolierten Kondylenfrakturen (Streckverlust)
LITERATUR
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39
Verfahren zur Konsensbildung
1.
Delphi-Konferenz per E-Mail ab 06. Mai 2005
2.
Delphi-Konferenz per E-Mail ab 03. September 2005
3.
Delphi-Konferenz per E-Mail ab 20. Dezember 2005
1.
Update als Delphi-Konferenz ab 01. Dezember 2009
2.
Update als Delphi-Konferenz ab 15. September 2011
3.
Update als Delphi-Konferenz ab 31. August 2014