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978-3-437-22345-7
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Verschiedene ketogene Diäten (22)

Absolute Kontraindikationen
Absolute Kontraindikation | Mechanismen | Empfohlene Diagnostik |
Fettsäureoxidations-störungen | Gestörter Fettsäureabbau hemmt Ketonproduktion | Acylcarnitin1a, organische Säuren2, Ketone1,2 |
Ketoneogenesedefekte/Ketolysedefekte | Gestörter Aufbau von Ketonen Gestörter Abbau von Ketonen | Acylcarnitin1a, Ketone1,2 Spezialdiagnostik |
Glukoneogenesedefekte (GSDI) | Lebensbedrohliche Hypoglykämien bei Einleitung der ketogenen Diät | Laktat1, Ketone1,2, organische Säuren2, Glukose1, Blutgasanalyse1 Anamnese |
Hyperinsulinismus | Durch Insulinwirkung (s.o.) | Insulin1, Kortisol1, Anamnese |
Pyruvatcarboxylase-Mangel | Durch gestörte Glukoneogenese (s.o.) | Laktat1,3, Aminosäuren1 |
Mangelnde Compliance von Patient und Familie/Schule etc.; Sprachbarrieren | Unzureichende Behandlungsbasis | Aufklärungsgespräch |
1
Blut;
1a
Trockenblut;
2
Urin;
3
Liquor
Relative Kontraindikationen
Relative Kontraindikation | Mechanismus | Empfohlene Diagnostik |
Atmungskettendefekte (auβer Komplex-I-Defekt) | Ketose verstärkt Laktatazidose Mangelhafte ATP-Synthese | Ausschluss Mitochondriopathie (Muskelbiopsie, Genetik) |
Nephrolithiasis, renale tubuläre Azidose | Vermehrte Nierensteine durch niedrigen Urin-pH bei Ketose | Sonographie Nieren => evtl. Alkalisierung des Urins |
Leber-/Nieren-/Pankreaserkrankung | Labor | |
Intermittierende Porphyrie | Kohlenhydratmangel kann Schub auslösen | 5-Aminolävulinsäure*, Porphobilinogen*, PBG-Desaminase-Aktivität(Erys) |
Kardiomyopathie, kardiale Arrhythmien, Long-QT-Syndrom | Beschriebene Nebenwirkung unter ketogenen Diäten | EKG, evtl. Langzeit-EKG |
Relative Kontraindikation | Mechanismus | Empfohlene Diagnostik |
Osteoporose, Osteopenie | Kalziummangel unter ketogenen Diäten; Azidose | Kalzium-Phosphat im Urin, Vitamin-D, Knochendichte |
V.a. ungeklärte metabolische Erkrankung | Unklar | Weiterführende Abklärung |
Störungen des Lipidstoff-wechsels (fam. Hyper-cholesterinämie u.a.) | Fettreiche ketogene Diäten verstärken Lipidstoffwechselstörung | Cholesterin (Gesamt, HDL, LDL) Triglyzeride |
Selenmangel | Potenziell arrhythmogen | Selenspiegel |
Carboanhydrase-Hemmer (Topiramat, Sultiam, Zonisamid) | Verstärken Azidose | Blutgasanalyse |
*
Urin
Ketogene Diät
Ketogene Diät | Empfehlung | Kommentar |
Energie | DACH | Individuelle Anpassung an Alter, Gewicht und körperliche Aktivität |
Protein | DGE 1991 | Altersabhängige Referenzwerte der DACH beziehen sich auf die Zufuhr von Protein mit hoher biologischer Wertigkeit, die unter ketogener Diät nicht gewährleistet ist |
Fett | Verhältnis | |
Kohlenhydrate | Verhältnis | |
Mikronährstoffe | DACH | Optimale Versorgung unter ketogener Diät nicht möglich, müssen supplementiert werden |
Supplemente | Altersabhängig KH-frei (wenn nicht berechnen!) | Laut ärztlicher Verordnung Dosis abhängig von Blutanalysen und Lebensmittelauswahl Säuglinge: Vitamin D + Fluorid (Prophylaxe) |
Trinkmenge | Ad libitum | Risiken bei zu geringer Flüssigkeitszufuhr: Obstipation, Nierensteine |
Verhältnis | < 2 Jahre: 3:1 > 2 Jahre: 4:1 | Säuglinge: hoher Proteinbedarf, daher Verhältnis 4:1 nicht möglich Kleinkinder: Verhältnis 3:1 reicht meist aus, um eine ausreichende Ketose zu erlangen |
Verhältnis auβerdem abhängig von | Ketose Anfallskontrolle Mitarbeit |
Bei zu geringer Ketose/Anfallskontrolle: Verhältnis erhöhen (z.B. von 3:1 auf 4:1) Bei schlechter Mitarbeit: Verhältnis senken |
Verhältnis/Mahlzeit | Konstant | Das verordnete Verhältnis muss bei jeder Mahlzeit eingehalten werden |
MCT/LCT | LCT | Bei Obstipation oder zur Verstärkung der Ketose kann ein geringer Teil der LCT-Fette durch MCT-Fett ersetzt werden |
Fettempfehlung | Pflanzenöl Margarine |
Pflanzenfette mit mehrfach ungesättigten Fettsäuren (z.B. Distel-, Walnuss-, Sonnenblumenöl) als Ausgleich zu den gesättigten Fettsäuren der tierischen Lebensmittel verwenden |
Anzahl der Mahlzeiten/Tag | Nach Bedarf Mind. 3 ×/Tag | Abhängig von den Essgewohnheiten des Kindes |
Energiemenge/Mahlzeit | Variabel | Abhängig vom Appetit des Kindes |
Lactose/Fructose in industriell herge-stellten Produkten | Eingeschränkt erlaubt | Analyse und Berechnung (E-, F-, KH-Gehalt) durch Diätassistenten/Diätologen erforderlich |
Süβstoffe/Stevia | Erlaubt | Angemessen dosieren |
Zuckeraus-tauschstoffe | Eingeschränkt erlaubt mit Berechnung | Nur nach Rücksprache mit Diätassistenten/Diätologen |
Ballaststoffe | Nicht resorbierbar Ohne Berechnung | Zugabe steigert Volumen der Mahlzeiten/Sättigungs-gefühl; Verwendung bei Obstipation |
Modifizierte Atkins-Diät
Modifizierte Atkins-Diät | Empfehlung | Kommentar |
Energie | Ohne Berechnung | |
Protein | Ohne Berechnung | |
Fett | 60–65% | Reichlich zu jeder Mahlzeit verwenden: z.B. Butter, Sahne, Öl, Mascarpone, Crème fraîche |
Kohlenhydrate | Beginn 10 g/Tag Nach dem 1. Monat schrittweise auf 20 g/Tag steigern | Kohlenhydrate in sehr fettreichen Lebensmitteln (s.o.; Wurst, Käse) werden nicht angerechnet |
Mikronähr-stoffe | DACH | Optimale Versorgung unter modifizierter Atkins-Diät nicht möglich, müssen supplementiert werden |
Supplemente | Altersabhängig KH-frei (wenn nicht berechnen!) | Laut ärztlicher Verordnung Dosis abhängig von Blutanalysen und Lebensmittel-auswahl |
Trinkmenge | Ad libitum | Risiken bei zu geringer Flüssigkeitszufuhr: Obstipation, Nierensteine |
LCT/MCT | LCT | Bei Obstipation oder zur Verstärkung der Ketose kann ein geringer Teil der LCT-Fette durch MCT-Fett ersetzt werden |
Fett-empfehlung | Pflanzenöl Margarine | Pflanzenfette mit mehrfach ungesättigten Fettsäuren (z B. Distel-, Walnuss-, Sonnenblumenöl) als Ausgleich zu den gesättigten Fettsäuren der tierischen Lebensmittel verwenden |
Anzahl der Mahlzeiten/Tag | Nach Bedarf Mind. 3 ×/Tag | Abhängig von den Essgewohnheiten des Kindes |
Süβstoffe/Stevia | Erlaubt | Angemessen dosieren |
Zuckeraustauschstoffe | Eingeschränkt erlaubt mit Berechnung | Nur nach Rücksprache mit Diätassistenten/Diätologen |
Ballaststoffe | Nicht resorbierbar ohne Berechnung | Zugabe steigert Volumen der Mahlzeiten/Sättigungs-gefühl; Verwendung bei Obstipation |
Mindestdiagnostik bei ketogenen Diäten nach Ausschluss der Kontraindikationen
PARAMETER | Vor Einleitung | Induktions-phase | Vor Entlassung | Verlaufs-kontrollen |
BZ, OHB, BGA | x | x (alle 4–6 h) (bedside) | x | x |
Elektrolyte | x | x | x | |
Groβes BB, CRP | x | x | ||
Leber-/Nierenwerte | x | x | x | |
Amylase | x | x | ||
Lipidstatus | x | x | ||
Med.-Spiegel | x | x | ||
Carnitinspiegel | x | x | ||
Urinstatus | x | x | x | |
Urinketone | x | x | x | x |
Kalzium-Kreatinin- | x | x | ||
Quotient* | ||||
EEG | x | x | x (1 x unter KD) | |
EKG | x | |||
Sono Abdomen | x | x | x (halbjährlich) |
BZ = Blutzucker; OHB = Hydroxybutyrat; BGA = Blutgasanalyse; BB = Blutbild;
*
= 10 ml Morgenurin
Antikonvulsiva und ketogene Diäten
Wirkstoff | Interaktion mit ketogener Diät | Mögliche Folgen |
|
Hemmt die β-Oxidation von Fettsäuren | Unzureichende Ketose |
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|
||
|
||
|
Carboanhydrasehemmer | Metabolische Azidose |
|
Lipophil, vermehrte Freisetzung durch Fettabbau im Fasten/unter ketogener Diät veränderte Resorption | Wirkspiegel erhöht |
|
Hemmen den GLUT1-Transporter in vitro (klinische Bedeutung unklar) | Verstärken GLUT1-Defekt? |
Ketogene Diäten
EINLEITUNG
Was gibt es Neues?
-
•
Neben der klassischen ketogenen Diät wurden neue Diätformen wie die modifizierte Atkins-Diät (33) oder die niedrig glykämische Index-Therapie (LGIT) entwickelt. Sie sind durch den geringeren Fettanteil schmackhafter und bekömmlicher, praktisch leichter durchführbar und verbessern so die Compliance. Ärztliche und diätetische Begleitung ist jedoch weiter erforderlich, die erzielte Ketose deutlich niedriger. Ihr Einsatz bei Erwachsenen wird zunehmend diskutiert.
-
•
Ketogene Diäten werden in der Regel stationär eingeleitet, mittlerweile meist ohne initiales Fasten – für eine ambulante Einleitung fehlt in Deutschland und Österreich eine geeignete Infrastruktur und Finanzierung.
-
•
Folgende Epilepsiesyndrome scheinen besonders gut auf ketogene Diäten anzusprechen: Dravet-Syndrom, tuberöse Sklerose und myoklonisch-astatische Epilepsie (Doose-Syndrom).
-
•
Neuroprotektive Effekte ketogener Diäten bei neurodegenerativen und onkologischen Erkrankungen sind im Tiermodell erfolgreich und zunehmend Gegenstand aktueller Forschung.
-
•
Orale Ketone als mögliche Alternative zu ketogenen Diäten sind derzeit nicht verfügbar.
Die wichtigsten Empfehlungen auf einen Blick
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•
Haupteinsatzgebiet und anerkannte Indikation für ketogene Diäten sind pharmakoresistente Epilepsien im Kindes- und Jugendalter. Bei Nichtansprechen auf zwei oder mehr fachgerecht eingesetzte Antikonvulsiva sind die kurz- und mittelfristigen Effekte der klassischen ketogenen Diät bei Kindern vergleichbar mit modernen Antikonvulsiva (30).
-
•
Ketogene Diäten sind Therapie der Wahl bei seltenen Defekten des zerebralen Energiestoffwechsels wie dem GLUT1-Defekt und dem Pyruvatdehydrogenase-Mangel (PDH-Mangel).
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•
Ketogene Diäten werden unter ärztlicher Aufsicht durchgeführt und gelingen nur im Team von Patient, Eltern, Pädiatern und spezialisierten Diätassistenten/Diätologen.
-
•
Neue ketogene Diäten sind zunehmend eine Option bei älteren Kindern, Jugendlichen oder schwieriger Compliance; im Erwachsenenalter sind ketogene Diäten bisher nicht hinreichend etabliert.
-
•
Eine individuelle Berechnung und kohlenhydratfreie Supplemente (Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente) sind bei allen ketogenen Diäten essenziell.
GRUNDLAGEN UND WIRKMECHANISMEN
Wirkmechanismus bei pharmakoresistenten Epilepsien im Kindesalter
Wirkmechanismus bei Störungen des zerebralen Energiestoffwechsels
Weitere Wirkmechanismen
INDIKATIONEN (56)
Gesicherte Indikation
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•
Behandlung pharmakoresistenter Epilepsien im Kindesalter (30) (mangelnde Anfallskontrolle trotz mindestens zwei fachkundig eingesetzter Antikonvulsiva)
Zunehmend erfolgreich eingesetzt bei:
Einzelberichte bei nicht etablierten Indikationen
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•
Isolierte metabolische Erkrankungen wie Glykogenose Typ III, V oder SSADH-Defekt
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•
Anfallskontrolle bei epilepsieassoziierten metabolischen Erkrankungen (10)
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Rett-Syndrom (31)
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•
Landau-Kleffner-Syndrom (48)
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•
Phosphofruktokinase-Mangel mit Arthrogrypose (50)
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•
Ketogene Diät bei Erwachsenen (26)
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•
Ketogene Diät bei Tumorerkrankungen (1)
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•
Ketogene Diäten als Neuroprotektion bei Alzheimer- und Parkinson-Krankheit (48)
Aus pädiatrischer Sicht abzulehnen
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•
Ketogene Diät zur Gewichtsreduktion
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•
Ketogene Diät zur Anabolie („Bodybuilding“)
KONTRAINDIKATIONEN
VORAUSSETZUNG UND DURCHFÜHRUNG
Diätetische Empfehlungen
DIE VERSCHIEDENEN KETOGENEN DIÄTEN
Klassische ketogene Diät (KD)
Modifizierte Atkins-Diät (33)
Niedrig glykämische Index-Therapie (LGIT)
STATIONÄRE EINLEITUNG (EMPFOHLEN)
•
50–100 ml Orangensaft p.o.
•
0,9%-NaCl-Lösung i.v. (bei Erbrechen)
•
Glukoselösung i.v./p.o. (0,5 g/kg)
SUPPLEMENTE
ANTIKONVULSIVA
SCHULUNG
•
Ernährungsgrundlagen
•
Geeignete Lebensmittel für die ketogenen Diäten
•
Berechnung der ketogenen Diäten (Austauschtabellen und Computerprogramme stehen zur Verfügung)
•
Abwiegen der Lebensmittel (in Gramm)
•
Zubereitung der ketogenen Diäten
•
Vorbereitungen für den Start der ketogenen Diäten zu Hause/im Kindergarten/in der Schule
•
Stolpersteine: versteckter Zucker, Zuckeraustauschstoffe, Softdrinks, Lebensmittelkennzeichnung
•
Kontrolle der Ketose in Blut und Urin
•
Richtlinien für Mahlzeiten außer Haus, Reisen, Krankheit, Medikamente, Arztkonsultation etc.
•
Umgang mit Diätfehlern
•
Verhalten im Krankheitsfall (z.B. Erhöhung der Flüssigkeitszufuhr; kompatible Medikamente bei interkurrenten Erkrankungen)
VERLAUFSKONTROLLE
Prozedere im Notfall/bei operativen Eingriffen
ABBRUCH/BEENDEN KETOGENER DIÄTEN
THERAPIEERFOLG
NEBENWIRKUNGEN
Verfahren zur Konsensusbildung
Mitglieder der Expertengruppe
Beteiligte Fachgesellschaften
-
•
Gesellschaft für Neuropädiatrie (GNP)
-
•
Arbeitsgemeinschaft für Pädiatrische Diätetik (APV)
-
•
Verband der Diätassistentinnen – Deutscher Bundesverband e.V. (VDD)
-
•
Society for the Study of Inborn Errors of Metabolism – Dietitians Group (SSIEM-DG)
Leitlinienkoordination
LITERATUR
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