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10.1016/B978-3-437-22061-6.50356-6
978-3-437-22061-6
Elsevier Inc.
Beispiel für eine Testkarte

Blutentnahme durch Fersenpunktion. [Abbildungen aus www.gelifesciences.com/whatman. Mit freundlicher Genehmigung.]

Trocknung auf Schubladeneinsatz

Typische Fehler für Qualitätsmängel
Qualitätsmangel | Mögliche Ursachen | |
zu wenig Material |
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mechanisch beschädigte Blutflecken | – Blut unsachgemäß mit Kapillare oder Kanüle aufgetragen, dabei Filterpapier angekratzt, durchstochen oder eingerissen | |
nasse Blutflecken | – Probe vor Versand nicht ausreichend getrocknet | |
„ausgelaugte”, hell verfärbte, mit „Serumringen” umgebene oder verunreinigte Blutflecken |
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zu viel Probenmaterial, „gelackte” Blutflecken |
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|
dunkle Blutflecken, nicht eluierbar |
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![]() |
richtig: | Feld vollständig durchtränkt |
![]() |
falsch: | „ausgelaugte” Probe (falsch getrocknet oder verdünnt mit Alkohol, Wasser etc.) |
![]() |
falsch: | mehrfach an gleicher Stelle betropfte Probe |
![]() |
Falsch: | zu wenig Material |
Störfaktoren für das Neugeborenenscreening
Zielkrankheit | Mögliche Ursachen für falsch-positive Befunde | Mögliche Ursachen für falsch-negative Befunde |
Hypothyreose | BE < 36 Lebensstunden, Jodkontakt des Kindes (Desinfektion, Kontrastmittel, Medikamente), Thyreostatika (Mutter) |
|
AGS (Adrenogenitales Syndrom) | BE < 36 Lebensstunden, Stress, Frühgeburt, EDTA-Blut | Steroidtherapie der Mutter oder des Kindes, Blut- oder Plasmaprodukte |
Biotinidase-Mangel | Hitze-Einwirkung auf die Probe, Frühgeburt, Ikterus | Blut- oder Plasmaprodukte |
Galaktosämie |
|
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PKU (Phenylketonurie) |
|
BE < 36 Lebensstunden |
MSUD (Ahornsirupkrankheit) |
|
BE < 36 Lebensstunden |
MCAD-Mangel | BE > 72 Lebensstunden kompensierte Stoffwechsellage | |
|
BE > 72 Lebensstunden kompensierte Stoffwechsellage |
BE: Blutentnahme SSW: Schwangerschaftswoche
Einfluss mütterlicher Erkrankungen oder Therapie auf den Screeningbefund
Mütterliche Bedingungen | Betroffener Parameter des Screenings | Folge |
mit Thyreostatika behandelte mütterliche Hyperthyreose | erhöhtes TSH niedriges T4 | transiente Hypothyreose |
substituierte Hypothyreose | keine | keine |
Steroidtherapie (auch für die Lungenreife) | niedriges oder möglicherweise falsch-normales 17-OHP | supprimierte kindliche NNR-Funktion; evtl. falsch-negativer Befund |
AGS | erhöhtes 17-OHP | evtl. falsch-positiver Befund |
maternale PKU oder HPA unbehandelt | erhöhtes Phe, Ratio Phe/Tyr normal | evtl. falsch-positiver Befund bei sehr früher BE |
BE: Blutentnahme; SSW: Schwangerschaftswochen
Bei der pränatalen Verwendung von plazentagängigen Steroiden muss von einem Effekt auf den Fetus ausgegangen werden, da die verwendeten Substanzen (Betamethason und Dexamethason) nicht durch die plazentare 11-b-Hydroxylase inaktiviert werden. Da es einen nachweisbaren Effekt auf den Fetus (Lungenreife) gibt, ist auch beim Fetus von pharmakologisch wirksamen Medikamenten-Spiegeln auszugehen. Hierbei konnte gezeigt werden, dass der Effekt zu insgesamt niedrigeren 17-OHP-Spiegeln im Trockenblut führt und damit theoretisch auch zu falsch-negativen Fällen führen kann (4, 15). Unklar bleibt, ob oder inwieweit der Effekt durch wiederholte Steroidgabe beeinflusst wird (4). Die Dauer des Effekts ist unklar und nicht systematisch untersucht – bei der Gabe von Dexamethason an Frühgeborene wird die HPA-Achse über 14 Tage supprimiert und bis zu 21 Tage beeinflusst – die Daten zu längeren Beobachtungszeiträumen sind unklar (4, 15).
Neugeborenenscreening auf angeborene Stoffwechselstörungen und Endokrinopathien (2k + IDA**Interdisziplinärer Abgleich)
EINLEITUNG
ZIELKRANKHEITEN DES SCREENINGS
1.
Hypothyreose
2.
Adrenogenitales Syndrom (AGS)
3.
Biotinidasemangel
4.
Galaktosämie
5.
Phenylketonurie (PKU) und Hyperphenylalaninämie (HPA)
6.
Ahornsirupkrankheit (MSUD)
7.
Medium-Chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase-(MCAD-)Mangel
8.
Long-Chain-3-Hydroxy-Acyl-CoA-Dehydrogenase-(LCHAD-)Mangel
9.
Very-Long-Chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase-(VLCAD-)Mangel
10.
Carnitinzyklusdefekte
a.
Carnitin-Palmitoyl-Transferase-I-(CPT-I-)Mangel
b.
Carnitin-Palmitoyl-Transferase-II-(CPT-II-)Mangel
c.
Carnitin-Acylcarnitin-Translokase-(CACT-)Mangel
11.
Glutarazidurie Typ I (GA I)
12.
Isovalerianazidurie (IVA)
AUFKLÄRUNG UND EINWILLIGUNG
SICHERSTELLUNG DER PROZESSQUALITÄT
•
den Eltern aller Kinder (auch bei ambulanter Geburt und Hausgeburt) die Durchführung des Screenings angeboten, hierüber aufgeklärt und dieses dann durchgeführt wird,
•
der Rücklauf der Befunde kontrolliert wird,
•
die Eltern über einen auffälligen Befund rasch und kompetent aufgeklärt werden.
•
Sicherstellung der Vollständigkeit
Die Daten (nicht Befunde) der gescreenten Kinder werden entweder mit den in einer Region geborenen Kindern abgeglichen oder die Geburtenbuchnummern werden auf Vollständigkeit geprüft. Eltern von nicht gescreenten Kindern werden über das Screening informiert, die Untersuchung wird ihnen nochmals angeboten. Es hat sich gezeigt, dass auf diese Weise in nicht wenigen Fällen der Verlust von Testkarten auf dem Weg ins Labor oder ein z.B. bei Verlegung des Kindes vergessenes Screening entdeckt werden kann. Dies erlaubt ein Nachholen des Screenings (16).
•
Tracking der pathologischen und wiederholungsbedürftigen Befunde
Im Trackingzentrum wird überprüft, ob die angeforderten Kontroll- und Wiederholungsuntersuchungen zeitnah durchgeführt werden. Geschieht dies nicht, so werden der Einsender und – soweit nötig – die Eltern kontaktiert. Ohne dieses Tracking würden ca. 20% der angeforderten zweiten Untersuchungen nicht durchgeführt (17).
DURCHFÜHRUNG DER UNTERSUCHUNGEN
Durchführungsverantwortung
Zeitpunkt der Probennahme
Normalfall: Blutentnahme im Alter von 36 bis 72 Lebensstunden
Sonderfall: Frühgeborene
Sonderfälle: Blutentnahme vor vollendeten 36 Lebensstunden
-
•
Ambulante Geburt bzw. Entlassung aus der Geburtsklinik vor dem Alter von 36 Lebensstunden
Bei Entlassung aus der Klinik ist auch vor vollendeten 36 Lebensstunden eine Blutentnahme in den Kinder-Richtlinien vorgesehen. Ein Zweitscreening ist dann nach vollendeten 36 und bis zu 72 Lebensstunden durchzuführen. Es ist hilfreich, wenn die entlassende Klinik die Notwendigkeit des Zweitscreenings im gelben Untersuchungsheft dokumentiert und eine Screeningkarte ins gelbe Kinderuntersuchungsheft legt. Sollte die Frühabnahme abgelehnt werden, so empfiehlt sich die Dokumentation von Aufklärung und Ablehnung in der Patientenakte. Den Eltern sollte eine Bestätigung über die erfolgte Aufklärung und eine leere Testkarte mitgegeben werden. Die Blutentnahme kann dann durch den weiterbetreuenden Kinderarzt oder auch die Hebamme (3) erfolgen.
-
•
Verlegung in eine andere Institution oder in eine andere Abteilung (z.B. Intensivstation) Vor Verlegung in eine andere Institution/Abteilung sollte nach Möglichkeit (auch vor vollendeten 36 Lebensstunden) eine Blutentnahme erfolgen. Ein Zweitscreening ist dann nach der vollendeten 36. und bis zur 72. Lebensstunde durchzuführen. Falls kein Screening abgenommen wurde, muss die Folgeinstitution/-abteilung darauf aufmerksam gemacht werden. Kliniken bzw. Abteilungen, die Neu- und Frühgeborene aufnehmen, müssen sich über das Vorhandensein oder Fehlen eines Screenings versichern.
-
•
Intensivmedizinische Maßnahmen, Medikamente
Auf jeden Fall sollte ein erstes Screening vor Bluttransfusionen, Plasmagaben oder Medikamentengaben, insbesondere Dopamin und Steroide, erfolgen. Ein Kontrollscreening ist dann nach Ende der Maßnahmen erforderlich, Details siehe Abschnitt „Besonderheiten bei Therapie des Neugeborenen”.
Beschriftung der Testkarte
•
Erst- oder Folgekarte
•
Name und Vorname des Kindes
•
Geschlecht des Kindes
•
Datum und Uhrzeit der Geburt
•
Datum und Uhrzeit der Probenentnahme
•
Geburtenbuch-Nummer
•
Telefonnummern, unter denen die Eltern (Personensorgeberechtigten) zum Zeitpunkt der evtl. nötigen mündlichen Befundübermittlung zu erreichen sind
•
Nachweis über die Einwilligung der Personensorgeberechtigten (Kreuz auf einem entsprechenden Feld genügt)
•
Name des verantwortlichen Einsenders
•
Adresse und Telefonnummer des Einsenders (Krankenhaus, einsendender Arzt, Hebamme)
•
Kostenträger
•
Angabe des Gestationsalters und des Geburtsgewichts
•
Angaben zu parenteraler Ernährung
•
Angaben zu Transfusion, Kortikosteroidgabe, Katecholamingabe
•
Besonderheiten wie positive Familienanamnese
•
Evtl. Durchführung des Neugeborenen-Hörscreenings (sofern ein Feld vorhanden ist)
Blutentnahme
•
Es sollten möglichst alle Kreise von einer Seite betropft werden. Auch Stellen außerhalb der markierten Kreise können verwendet werden. Die Entnahme muss rasch erfolgen. Mit zunehmender Dauer werden gerinnungsaktive Substanzen freigesetzt, die die Tropfenbildung hemmen.
•
Auf keinen Fall darf ein angetrockneter Blutfleck mehrfach oder derselbe Kreis von Vorder- und Rückseite betropft werden. Es muss darauf geachtet werden, dass das Filterpapier vollständig durch den von einer Seite aufgetragenen Blutstropfen durchtränkt ist.
•
Das Filterpapier sollte nicht gegen die Punktionsstelle gedrückt werden, die Ferse nicht „melken” oder quetschen (Gefahr einer Verdünnung der Blutstropfen durch Gewebsflüssigkeit).
•
Wird venöses Blut verwendet, sollte dieses frei auf die Testkarte aufgetropft werden.
•
Die betropften Karten sollten mindestens zwei (besser 3–4) Stunden an der Luft getrocknet werden (keine künstlichen Wärmequellen wie Lampen, Föhn, Inkubatoren etc. verwenden). Es ist unbedingt darauf zu achten, dass die Proben vor dem Versand gut durchgetrocknet sind. Die Karten sollten beim Trocknen nirgends aufliegen (Tischkante, Nierenschale). Wärme, Feuchtigkeit, Desinfektionsmittel, Cremes etc. können die Testsubstanzen zerstören bzw. zu falsch positiven Analyseergebnissen führen. Die Karten müssen vor direkter Sonneneinstrahlung geschützt werden und dürfen nicht in unmittelbarer Nähe der Zimmerheizung oder dort liegen, wo beispielsweise Desinfektionsmittel versprüht werden (Wickeltisch etc.). Das Filterpapier darf an den Stellen, die mit Blut betropft werden, und deren Umgebung weder vor noch nach der Probennahme mit bloßen Fingern angefasst werden. Die Hygienevorschriften sind zu beachten (z.B. betropfte Karten nicht auf dem Schreibtisch trocknen oder lagern) (Beispiel s. Abb. B9–3).
Probenversand
Befundmitteilung
Pathologische Befunde
SONDERFÄLLE
Besonderheiten bei Therapie des Neugeborenen
Bluttransfusion, Gabe von Erythrozyten-Konzentraten oder Plasma
Kortikosteroidtherapie
Katecholamintherapie
Besonderheiten bei kranken Müttern
QUALITÄTSSICHERUNG DES NEUGEBORENENSCREENINGS
KURZE BESCHREIBUNG DER ZIELKRANKHEITEN
-
•
http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/027-017.html → Kap. E22
-
•
http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/027-018.html → Kap. C8
-
•
http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/027-047.html → Kap. E16
Hypothyreose
Hintergrund
Symptomatik
Positiver Befund aus dem Screeninglabor
Maßnahmen
•
Messung Schilddrüsenhormone – TSH, fT4 bzw. T4 im Serum.
•
Bei einer TSH-Konzentration im Trockenblut (Screeningkarte) von > 50 mU/l bei Reifgeborenen sollte sofort nach Entnahme der Serumproben zur Konfirmationsdiagnostik mit der Behandlung mit L-Thyroxin in einer Anfangsdosis von 50 μg/Tag bei reifen eutrophen Neugeborenen (10–15 μg/kg × Tag) begonnen werden.
•
Sonographie der Schilddrüse.
•
Bei einer TSH-Konzentration von < 50 mU/l können die Ergebnisse der Kontrolluntersuchung abgewartet werden.
Prognose
-
•
http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/027-017html → Kap. E22
Adrenogenitales Syndrom (AGS)
Hintergrund
Symptomatik
Befund aus dem Screeninglabor
Maßnahmen
•
Wiederholung der Untersuchung aus Trockenblut bei leicht erhöhten Werten.
•
Sofortige Klinikeinweisung bei deutlich erhöhten Werten, nach Möglichkeit in eine Klinik mit einem Schwerpunkt für pädiatrische Endokrinologie.
•
Überprüfung von Elektrolyten, Blutzucker und Säure-Basen-Status.
•
Bestimmung von 17-OHP im Serum und der Plasmareninaktivität.
•
Konfirmationsdiagnostik bei weiter bestehendem Verdacht: Bestimmung der Hormonprofile in Blut/Trockenblut und/oder Urin.
•
Mutationsanalytik im CYP21 A2-Gen.
•
Bei Erhärtung des Verdachts eines AGS: Beginn der Behandlung mit Hydrokortison und 9α-Fluorkortisol, evtl. zusätzliche Kochsalzgabe.
Prognose
-
•
http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/027-047.html → Kap. E16
Weitere Informationen zur Konfirmationsdiagnostik der folgenden Krankheiten finden sich in der Leitlinie: Konfirmationsdiagnostik bei Verdacht auf angeborene Stoffwechselkrankheiten aus dem Neugeborenenscreening der APS.
-
•
http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/027-021.html → Kap. E9
Biotinidase-Mangel
Hintergrund
Symptomatik
Befund aus dem Screeninglabor
Maßnahmen
•
Wiederholung der Untersuchung aus Trockenblut oder
•
prompte Abklärung durch ein pädiatrisches Stoffwechselzentrum.
•
Konfirmationsdiagnostik bei weiter bestehendem Verdacht durch Quantifizierung der Biotinidase-Aktivität in Plasma oder Serum.
•
Behandlung mit 5–10 mg Biotin pro Tag per os.
Prognose
Galaktosämie
Hintergrund
Symptomatik der klassischen Galaktosämie
Befund aus dem Screeninglabor
Maßnahmen
Notfallsituation!
-
•
Unverzügliche stationäre Aufnahme des Neugeborenen auf eine Neugeborenen-Intensivstation, nach Möglichkeit in einem pädiatrischen Stoffwechselzentrum.
-
•
Gerinnung (oft bereits bei sonst unauffälligem Kind deutlich eingeschränkt), Transaminasen, Bilirubin, Blutzucker und Säure-Basen-Status sind zu prüfen.
-
•
Achtung: hohe Suszeptibilität für E-coli-Sepsis.
-
•
Konfirmationsdiagnostik bei weiter bestehendem Verdacht: quantitative Bestimmung der GALT-Aktivität in Erythrozyten, Messung der G-1-P-Konzentration in Erythrozyten; Mutationsanalytik im GALT-Gen.
-
•
Unverzüglich Stopp der Milchernährung! Weitere Ernährung mit laktosefreier Milch auf Sojabasis (z.B. Humana SL, Aptamil Soja). Gegebenenfalls bei schwerer Leberfunktionsstörung supportive Therapie.
Prognose
Phenylketonurie (PKU) und milde Hyperphenylalaninämie (MHP)
Hintergrund
Symptomatik
Befund aus dem Screeninglabor
Maßnahmen
•
Wiederholung der Untersuchung aus Trockenblut.
•
Vorstellung am nächsten Werktag in einem pädiatrischen Stoffwechselzentrum zur Konfirmationsdiagnostik.
•
Konfirmationsdiagnostik bei weiter bestehendem Verdacht, Aminosäurenanalyse im Plasma, Bestimmung der Pterin-Metabolite im Urin, Aktivitätsbestimmung der Dihydropteridin-Reduktase (DHPR) im Trockenblut, BH4-Belastungstest (24 h).
•
Bei Vorliegen einer behandlungsbedürftigen Hyperphenylalaninämie oder PKU ist unmittelbar nach Abschluss der Probenentnahme für die Konfirmationsdiagnostik mit der Diättherapie zu beginnen. Zur Senkung hoher Phenylalaninkonzentrationen wird eine volladaptierte phenylalaninfreie Flaschennahrung verabreicht. Angepasst an die Höhe der Phenylalaninkonzentration und die individuelle Phenylalanintoleranz des Patienten kann sofort oder baldmöglichst Muttermilch zugefüttert werden. Sollte sich herausstellen, dass ein Defekt im Tetrahydrobiopterin-(BH4-)Stoffwechsel vorliegt, so ist sofort mit einer Behandlung mit Neurotransmittervorstufen (5-Hydroxytryptophan und L-Dopa/Carbidopa) zu beginnen. Diese Behandlung muss unbedingt in einem pädiatrischen Stoffwechselzentrum in Zusammenarbeit mit einem Neuropädiater erfolgen.
Prognose
Maternale PKU
Ahornsirupkrankheit (MSUD)
Hintergrund
Symptomatik
Befund aus dem Screeninglabor
Maßnahmen
•
Unverzügliche Einweisung des Neugeborenen auf eine Neugeborenen-Intensivstation, nach Möglichkeit in einem pädiatrischen Stoffwechselzentrum, bei einer Konstellation, die eindeutig für das Vorliegen einer Ahornsirupkrankheit spricht
•
oder bei grenzwertigen Befunden Wiederholung der Untersuchung aus Trockenblut.
•
Konfirmationsdiagnostik bei weiter bestehendem Verdacht mit Aminosäureanalyse im Plasma, Analyse der organischen Säuren im Urin, evtl. Messung der Enzymaktivität in Hautfibroblasten oder Mutationsanalyse.
•
Ob eingreifende Maßnahmen wie Hämodialyse/Hämofiltration erforderlich sind, hängt von der Höhe der aktuellen Plasma-Leucin-Konzentration und dem klinischen Zustand des Kindes ab. Evtl. kann die Versorgung mit Glukose/Insulin und einer leucinfreien Nahrung ausreichend sein.
•
Nach der Akutbehandlung wird mit einer auf den Patienten zugeschnittenen leucin-, valinund isoleucinarmen Ernährung (unter Verwendung spezieller Aminosäuremischungen) begonnen.
Prognose
Medium-Chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase-(MCAD-)Mangel
Hintergrund
Symptomatik
Befund aus dem Screeninglabor
Maßnahmen
Die Eltern müssen unbedingt sofort darüber aufgeklärt werden, dass ihr Kind mit Muttermilch oder üblicher Säuglingsnahrung in ausreichender Menge und in den üblichen Abständen (3–4 Stunden) versorgt werden muss (22, 23).
•
Bei der Vorstellung des Kindes durch die Eltern in einem Pädiatrischen Stoffwechselzentrum am nächsten Werktag sollten Diagnoseeröffnung, Bestätigungsdiagnostik und Besprechung von Vorsorgemaßnahmen bei Inappetenz und interkurrenten Erkrankungen sowie die Ausstellung eines Notfallausweises erfolgen.
•
Konfirmationsdiagnostik bei weiter bestehendem Verdacht: Acylcarnitin-Profil im Trockenblut oder Plasma, Acylglyzine im Urin, Mutationsanalytik im ACADM-Gen.
•
Vermeidung von längeren Nüchternperioden.
•
Maßnahmen zur Anabolisierung bei interkurrenter Erkrankung, Inappetenz, Erbrechen und Durchfall durch orale Gabe von Maltodextrin-Lösung. Gegebenenfalls ist bei Nahrungsverweigerung und/oder Erbrechen eine Glukose/Elektrolytlösung i.v. unter stationären Bedingungen zu verabreichen. Cave: Operationen (Katabolismus-Risiko in perioperativen Nüchternphasen)!
•
Optional: Substitution von Carnitin bei niedrigem freien Plasma-Carnitinspiegel.
Prognose
Long-Chain-3-Hydroxyacyl-CoA-Dehydrogenase-(LCHAD-)/mTFP-Mangel
Hintergrund
Symptomatik
Befund aus dem Screeninglabor
Maßnahmen
•
Unverzügliche Einweisung des Neugeborenen auf eine Neugeborenen-Intensivstation, nach Möglichkeit in einem pädiatrischen Stoffwechselzentrum bei einer Konstellation, die hochverdächtig für das Vorliegen eines LCHAD/mTFP-Mangels ist.
•
Säure-Basen-Status, Laktat, Ammoniak, Glukose, Leberfunktionstests, CK, Harnsäure, Acylcarnitin-Profil.
•
Intensivbehandlung bei Vorliegen einer schweren Symptomatik
•
oder bei grenzwertigen Befunden Wiederholung der Untersuchung aus Trockenblut.
•
Konfirmationsdiagnostik bei weiter bestehendem Verdacht: Acylcarnitin-Profil im Trockenblut oder Plasma, Messung der Aktivität der Long-Chain-3-Hydroxyacyl-CoA-Dehydrogenase in Lymphozyten oder Hautfibroblasten, Mutationsanalytik im LCHAD-α-(HADHA-)Gen (einheitliche Mutation beim Großteil aller mitteleuropäischen Patienten) oder LCHAD-α-(HADHB-)Gen.
•
Bei einem unauffälligen oder wenig akuten Verlauf: Beginn einer Diättherapie mit reduzierten Mengen an langkettigen Fetten unter Zusatz von MCT-Fetten und essenziellen Fettsäuren. Vermeidung von längeren Nüchternperioden durch Festlegung kurzer Abstände zwischen den Mahlzeiten, gegebenenfalls nächtliche Dauersondierung über PEG-Sonde.
•
Maßnahmen zur Anabolisierung bei interkurrenter Erkrankung, Inappetenz, Erbrechen und Durchfall durch orale Gabe von Maltodextrin-Lösung. Gegebenenfalls ist bei Nahrungsverweigerung und/oder Erbrechen eine Glukose-/Elektrolytlösung i.v. unter stationären Bedingungen zu verabreichen.
•
Die Indikation zur stationären Aufnahme ist großzügig zu stellen, da oft bereits banale Infekte zu bedrohlichen Stoffwechselentgleisungen führen können. Beeinträchtigungen des Bewusstseinszustands treten auch ohne Hypoglykämie auf. Häusliche Blutzuckerkontrollen sind daher nicht angezeigt! Cave: Operationen (Katabolismus-Risiko in perioperativen Nüchternphasen)!
Prognose
Very-Long-Chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase-(VLCAD-)Mangel
Hintergrund
Symptomatik
Befund aus dem Screeninglabor
Maßnahmen
•
Unverzügliche Einweisung des Neugeborenen auf eine Neugeborenen-Intensivstation, nach Möglichkeit in einem pädiatrischen Stoffwechselzentrum, bei einer Konstellation, die für das Vorliegen eines VLCAD-Mangels spricht.
•
Säure-Basen-Status, Ammoniak, Laktat, Glukose, Leberfunktionstests, CK, Harnsäure, Acylcarnitin-Profil.
•
Supportive Intensivbehandlung bei Vorliegen einer schweren Symptomatik
•
oder bei grenzwertigen Befunden Wiederholung der Untersuchung aus Trockenblut.
•
Konfirmationsdiagnostik bei weiter bestehendem Verdacht: Acylcarnitin-Profil im Trockenblut oder Plasma, Messung der VLCAD-Aktivität in Lymphozyten oder Hautfibroblasten, Mutationsanalytik im ACADVL-Gen.
•
Bei einem klinisch und laborchemisch (CK, ALT, AST) unauffälligen Verlauf: Beginn einer Diättherapie mit reduzierten Mengen an langkettigen Fetten unter Zusatz von MCT-Fetten und essenziellen Fettsäuren und Weiterführung des Stillens (50% [7]). Bei symptomatischen Patienten Muttermilch-Stopp und ausschließlich Diättherapie. Vermeidung von Nüchternperioden durch Festlegung von (kurzen) Abständen zwischen den Mahlzeiten.
•
Maßnahmen zur Anabolisierung bei interkurrenter Erkrankung, Inappetenz, Erbrechen und Durchfall durch orale Gabe von Maltodextrin-Lösung. Gegebenenfalls ist bei Nahrungsverweigerung und/oder Erbrechen eine Glukose-/Elektrolytlösung i.v. unter stationären Bedingungen zu verabreichen.
•
Die Indikation zur stationären Aufnahme ist bei den schweren Formen großzügig zu stellen, da oft bereits banale Infekte zu bedrohlichen Stoffwechselentgleisungen führen können. Beeinträchtigungen des Bewusstseinszustandes treten auch ohne Hypoglykämie auf. Häusliche Blutzuckerkontrollen sind daher nicht angezeigt!
Prognose
Carnitinzyklusdefekte
Hintergrund
Symptomatik
Befund aus dem Screeninglabor
Maßnahmen
•
Kontakt sofort; Wiederholung der Untersuchung aus Trockenblut oder
•
baldige Abklärung (nächst möglicher Werktag) durch ein pädiatrisches Stoffwechselzentrum.
•
Konfirmationsdiagnostik bei weiter bestehendem Verdacht: Konzentration des freien Carnitins im Trockenblut oder Plasma, Verhältnis von freiem Carnitin zu Acylcarnitinen (> 100), Messung der CPT-I-Enzymaktivität in Hautfibroblasten, Mutationsanalytik im CPT1A-Gen.
•
Beginn einer Ernährung mit reduzierten Mengen an langkettigen Fetten unter Zusatz mittelkettiger (MCT) Fette und essentieller Fettsäuren.
•
Vermeidung von unphysiologisch langen Nüchternperioden.
•
Bei Erbrechen sollte ein enterales oder parenterales kohlenhydratreiches Notfallregime Anwendung finden.
Hintergrund
Symptomatik
Befund aus dem Screeninglabor
Maßnahmen
•
Bei einer Konstellation, die für das Vorliegen eines CPT-II-Mangels spricht, ist die unverzügliche Einweisung des Neugeborenen auf eine Neugeborenen-Intensivstation, nach Möglichkeit in einem pädiatrischen Stoffwechselzentrum, erforderlich.
•
Säure-Basen-Status, Ammoniak, Laktat, Glukose, Leberfunktionstests, CK, Harnsäure, Acylcarnitin-Profil.
•
Supportive Intensivbehandlung bei Vorliegen einer schweren Symptomatik. Sorgfältige Überwachung während der ersten Lebenstage. Unberechenbare Situation!
•
Oder bei grenzwertigen Befunden Wiederholung der Untersuchung aus Trockenblut.
•
Konfirmationsdiagnostik bei weiter bestehendem Verdacht: Acylcarnitin-Profil im Trockenblut oder Plasma, Messung der CPT-II-Aktivität in Lymphozyten oder Hautfibroblasten, Mutationsanalytik im CPT2-Gen.
•
Bei einem wenig akuten oder unauffälligen Verlauf Beginn einer Diättherapie mit reduzierten Mengen an langkettigen Fetten unter Zusatz von MCT-Fetten und essenziellen Fettsäuren.
•
Vermeidung von langen Nüchternperioden.
Hintergrund
Symptomatik
Befund aus dem Screeninglabor
Maßnahmen
•
Bei einer Konstellation, die eindeutig für das Vorliegen eines CACT-Mangels spricht, ist die unverzügliche Einweisung des Neugeborenen auf eine Neugeborenen-Intensivstation, nach Möglichkeit in einem pädiatrischen Stoffwechselzentrum, erforderlich.
•
Säure-Basen-Status, Ammoniak, Laktat, Glukose, Leberfunktionstests, CK, Harnsäure, Acylcarnitin-Profil.
•
Supportive Intensivbehandlung bei Vorliegen einer schweren Symptomatik. Sorgfältige Überwachung während der ersten Lebenstage. Unberechenbare Situation!
•
Konfirmationsdiagnostik bei weiter bestehendem Acylcarnitin-Profil im Trockenblut oder Plasma, Messung der CACT-Aktivität in Lymphozyten oder Hautfibroblasten, Mutationsanalytik im CAC-Gen.
•
Bei einem wenig akuten oder unauffälligen Verlauf: Beginn einer Diättherapie mit reduzierten Mengen an langkettigen Fetten unter Zusatz von MCT-Fetten und essenziellen Fettsäuren.
•
Vermeidung von langen Nüchternperioden.
Glutarazidurie Typ I (GA 1)
Hintergrund
Symptomatik
Befund aus dem Screeninglabor
Maßnahmen
-
•
Konfirmationsdiagnostik bei weiter bestehendem Verdacht: Glutarylcarnitin im Plasma, organische Säuren im Urin, Enzymaktivität der Glutaryl-CoA-Dehydrogenase in kultivierten Hautfibroblasten oder Lymphozyten und Mutationsanalytik im GCDH-Gen sind nicht zwingend notwendig.
-
•
Sorgfältige neurologische Evaluation (einschließlich zerebraler Bildgebung)
-
•
oder bei grenzwertigen Befunden Wiederholung der Untersuchung aus Trockenblut.
-
•
Baldmöglichst Beginn einer Spezialdiät mit einem reduzierten Tryptophan- und Lysingehalt sowie Verabreichung von L-Carnitin.
-
•
Training der Eltern im Erkennen von interkurrenten Erkrankungen mit der Gefahr einer akuten enzephalopathischen Krise, mit dem Ziel eine Striatumdegeneration mit der nachfolgenden schweren neurologischen Symptomatik zu vermeiden.
-
•
Bei erhöhten Körpertemperaturen ist eine konsequente medikamentöse Fiebersenkung zu betreiben.
-
•
Die Indikation zur stationären Aufnahme ist in den ersten 2 Lebensjahren, insbesondere bei Nahrungsverweigerung und/oder Erbrechen großzügig zu stellen. In dieser Situation müssen L-Carnitin und Glukose intravenös verabreicht werden.
Prognose
Isovalerianazidurie (IVA)
Hintergrund
Symptomatik
Befund aus dem Screeninglabor
Maßnahmen
•
Sofortige Vorstellung in einem pädiatrischen Stoffwechselzentrum.
•
Säure-Basen-Status, Elektrolyte, Ammoniak, Laktat, Glukose.
•
Bei schwerem Verlauf supportive Intensiv-Therapie, evtl. Hämodialyse/Hämofiltration. Beginn einer Dauerbehandlung mit einer im Proteingehalt eingeschränkten Ernährung unter Zusatz von Carnitin und Glycin
•
oder bei grenzwertigen Befunden Wiederholung der Untersuchung aus Trockenblut.
•
Konfirmationsdiagnostik bei weiter bestehendem Verdacht: Konzentration von Isovalerylcarnitin im Trockenblut oder Plasma, organische Säuren im Urin, gegebenenfalls Mutationsanalytik des IVD-Gens. Die Messung der Enzymaktivität der Isovaleryl-CoA-Dehydrogenase in Hautfibroblasten ist nicht zwingend notwendig.
•
Bei Verdacht auf eine leichte, möglicherweise asymptomatisch verlaufende Ausprägung der Stoffwechselstörung (Isovalerylcarnitin im Blut und Isovaleriansäure-Derivate im Urin sind nur leicht erhöht!) sollte diese durch Nachweis entsprechender Mutationen im IVD-Gen bestätigt werden.
•
Bei der leichten Form der Isovalerianazidämie sollte keine diätetische Therapie, sondern lediglich mit einer Gabe von Carnitin begonnen werden. Das Risiko einer metabolischen Entgleisung während interkurrenter Erkrankung ist bei dieser Form derzeit noch unklar, daher sollten die Betroffenen zum jetzigen Zeitpunkt in der Betreuung eines pädiatrischen Stoffwechselzentrums bleiben.
Prognose
Verfahren zur Konsensbildung
-
•
Arbeitsgemeinschaft für Pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie (APE), Anette Grüter-Kieslich, K. Mohnicke
-
•
Arbeitsgemeinschaft für Pädiatrische Stoffwechselerkrankungen, H. Böhles, G. F. Hoffmann
-
•
Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), Uta Nennstiel-Ratzel, federführend, G. F. Hoffmann
-
•
Deutsche Gesellschaft für Neugeborenenscreening (DGNS), Uta Nennstiel-Ratzel, C. Fusch
-
•
Deutsche Gesellschaft für Perinatale Medizin, R. Rossi
-
•
Gesellschaft für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin (GNPI) Orsolya Genzel-Boroviczeny, R. Rossi
LITERATUR
1
AWMF-Leitlinie Konfirmationsdiagnostik bei Verdacht auf angeborene Stoffwechselkrankheiten aus dem Neugeborenenscreening 2010.2
3
BT Ausschuss für Gesundheit: Drs. 160502 17.03.2009.4
5
6
7
8
9
10
11
Gesetz über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG) Bundesgesetzblatt Teil I Nr. 50, 2009.12
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