Therapie der akuten Migräneattacke
Bei der Migräne im Kindes- und Jugendalter besteht eine deutliche Diskrepanz zwischen der Erfahrung von Kopfschmerzexperten und der mangelnden Studienlage (14).
Tabelle Q14-1 fasst die Empfehlungen aufgrund von Studienlage und Expertenkonsens zusammen.
Bei leichten Anfällen helfen bereits reizabschirmende Maßnahmen wie Hinlegen in einem ruhigen, abgedunkelten Raum. Unterstützend wirkt oft ein kalter Lappen auf der Stirn. In der Regel ist jedoch eine Analgetikagabe notwendig, die bei Migräne früh und ausreichend hoch dosiert erfolgen sollte. Ibuprofen (10 mg/kg KG) ist die einzige Substanz, die in mehreren doppelblinden plazebokontrollierten Studien mit ausreichender Patientenzahl und in allen Altersstufen eine Wirksamkeit zeigte (Empfehlungsgrad A, Evidenzstärke Ib). Von 7,5 mg/kg KG profitierten nur Jungen nicht aber Mädchen. Eine höhere Dosierung von 15 mg/kg erscheint im Alltag oft besser wirksam, hierfür liegen jedoch keine Studien vor. Paracetamol (15 mg/kg KG) war in einer Studie signifikant besser wirksam als Plazebo (Empfehlungsgrad B, Evidenzstärke Ib), jedoch Ibuprofen signifikant unterlegen. Für andere Analgetika wie Acetylsalicylsäure (ASS) und Metamizol (Empfehlungsgrad B, Evidenzstärke V), die bei Erwachsenen in der Migräneattacke wirksam sind, liegen keine Studien für Kinder und Jugendliche vor.
Sind bei Migräne Analgetika nicht ausreichend wirksam, ist bei Erwachsenen der Einsatz eines Triptans fest etabliert. Die früher vermutete Altersabhängigkeit der Wirksamkeit von Triptanen hat sich nicht bestätigt. Sumatriptan-Nasenspray war mit 5 mg bis 20 mg in einer doppelblinden plazebokontrollierten Crossover-Studie und einer offenen Studie bei Kindern sowie in doppelblinden plazebokontrollierten Studien bei Jugendlichen konsistent signifikant wirksam; in einer weiteren doppelblinden plazebokontrollierten Studie wurde Signifikanz bei sekundären Parametern erreicht (Empfehlungsgrad A, Evidenzstärke Ib). Für schwere, durch Analgetika nicht beherrschbare Attacken kann intranasales Sumatriptan empfohlen werden. Es ist ab dem 12. Lebensjahr in der Dosis von 10 mg in Deutschland zugelassen, ab einem Körpergewicht von 30 kg scheinen jedoch 20 mg besser wirksam. Auch bei Kindern unter 12 Jahren ist die Wirksamkeit von Sumatriptan belegt; es wird in aller Regel gut vertragen.
Auch andere Triptane waren in doppelblinden plazebokontrollierten Studien wirksam. Dies gilt bei Kindern und Jugendlichen für Zolmitriptan Schmelztablette 2,5 mg (Empfehlungsgrad B, Evidenzstärke Ib) und Rizatriptan 5 mg bis 10 mg (Empfehlungsgrad B, Evidenzstärke Ib) sowie bei Jugendlichen für Zolmitriptan Nasenspray 5 mg und Almotriptan 12,5 mg bis 25 mg (Empfehlungsgrad B, Evidenzstärke Ib). Post-hoc-Analysen von zwei doppelblinden, plazebokontrollierten Studien ergaben für Zolmitriptan 2,5 bis 5 mg bei Jugendlichen ebenfalls eine signifikante Wirksamkeit. Orale Triptane zeigten ansonsten in vielen plazebokontrollierten Studien bei Kindern und Jugendlichen keine Wirksamkeit, dies gilt für Sumatriptan 50 mg bis 100 mg, Rizatriptan 5 mg, Zolmitriptan 2,5 mg bis 10 mg, Eletriptan 40 mg und Naratriptan 0,25 mg bis 2,5 mg. Dies lag vor allem an einer sehr hohen Plazeborate in Parallelgruppenstudien. Somit können Zolmitriptan 2,5 mg als Schmelztablette, Zolmitriptan 5 mg als Nasenspray, Rizatriptan 5 mg bis 10 mg und Almotriptan 12,5 mg in Ausnahmefällen eingesetzt werden. Die widersprüchlichen Ergebnisse der plazebokontrollierten Triptan-Studien bei Kindern und Jugendlichen können möglicherweise durch das Studiendesign erklärt werden.
Orales Dihydroergotamin war in einer älteren Studie mit geringer Patientenzahl bei ansonsten therapieresistenten Migräneattacken wirksam. Es sollte nur mit Zurückhaltung eingesetzt werden, zumal es ein ungünstiges Nebenwirkungsprofil zeigt (Empfehlungsgrad B, Evidenzstärke Ib). Ergotamintartrat war in einer vorzeitig beendeten Studie nicht erfolgreich.
Zur intravenösen Applikation von Analgetika wie Paracetamol oder Metamizol, wie sie bei schweren Migräneattacken im Erwachsenenalter sinnvoll sind, liegen für das Kindes- und Jugendalter keine Studien vor (Empfehlungsgrad B, Evidenzstärke V). Offene Studien deuten auf eine Wirksamkeit von subkutanem Sumatriptan (0,05–0,2 mg/kg, maximal 6 mg; Empfehlungsgrad B, Evidenzstärke IVb), intravenösem Dihydroergotamin (0,1–0,5 mg; Empfehlungsgrad C, Evidenzstärke IVb) oder intravenöser Valproinsäure (Empfehlungsgrad C, Evidenzstärke IVb) hin. Die Gabe dieser Medikamente sollte einem hiermit erfahrenen Spezialisten vorbehalten bleiben. Auch zur Behandlung eines Status migraenosus mit Kopfschmerzen, die länger als 48 bis 72 Stunden dauern, gibt es für Kinder und Jugendliche keine Studien. Hier werden gegebenenfalls Kortikoide und Diuretika eingesetzt (Empfehlungsgrad C, Evidenzstärke V).
Im Erwachsenenalter haben Antiemetika zur Behandlung der Übelkeit und zur Steigerung der Analgetikaresorption ihren festen Platz, für Kinder und Jugendliche liegen hierzu keine Studien vor. Sie werden bei starker Übelkeit empfohlen. Unter Bezugnahme auf Studien bei anderen Indikationen im Kindes- und Jugendalter können Dimenhydrinat (1–2 mg/kg KG), Domperidon (1 mg/kg KG), Metoclopramid (0,1–0,2 mg/kg KG), im Einzelfall eventuell auch Ondansetron (0,1–0,15 mg/kg KG) oder Granisetron (0,01–0,05 mg/kg KG) eingesetzt werden (für Migräne Empfehlungsgrad B, Evidenzstärke V). Domperidon und insbesondere Metoclopramid haben bei Kindern und Jugendlichen häufiger extrapyramidale Nebenwirkungen als bei Erwachsenen.
Grundsätzlich ist bei der medikamentösen Behandlung von Kopfschmerzen zu beachten, dass an nicht mehr als 10 Tagen im Monat Analgetika oder Triptane eingenommen werden dürfen, weil sonst die Gefahr von Kopfschmerzen bei Medikamentenübergebrauch (s. Abschnitt „Kopfschmerz bei Medikamentenübergebrauch”) steigt. Wie häufig in der Pädiatrie, sind etliche der empfohlenen Medikamente für diese Altersgruppe oder für diese Indikation nicht offiziell zugelassen. Hierüber ist gegebenenfalls aufzuklären.
Medikamentöse Prophylaxe der Migräne
Im Einzelfall ist auch im Kindes- und Jugendalter die Indikation für eine medikamentöse Prophylaxe der Migräne zu stellen (5, 14, 20). Die Indikation dafür wird bei mangelndem Effekt der unten beschriebenen nicht-medikamentösen Maßnahmen sowie bei hoher Frequenz (mehr als drei pro Monat), extremer Intensität oder langer Dauer (< 48 h) der Attacken, bei sehr ausgeprägten Aurasymptomen und bei fehlender Wirksamkeit der Akutbehandlung gestellt. Die zur Einleitung einer medikamentösen Prophylaxe führenden Kriterien sollten durch einen Migränekalender gut belegt sein. Die Wirksamkeit einer Prophylaxe kann erst nach mehreren Wochen beurteilt werden; sie sollte dann über einen Zeitraum von ca. sechs Monaten erfolgen.
Sämtliche Studien zur medikamentösen Prophylaxe der Migräne im Kindes- und Jugendalter wurden ohne ausreichende statistische Powerberechnung durchgeführt.
Kalzium-Antagonisten
Für Flunarizin (5 mg pro Tag) liegen zwei randomisierte kontrollierte Studien sowie weitere offene Studien mit positivem Ergebnis vor (Empfehlungsgrad A, Evidenzstärke Ib). Häufig beschriebene Nebenwirkungen sind Gewichtzunahme und vermehrte Müdigkeit. Nimodipin erwies sich in einer randomisierten kontrollierten Studie einer Plazebogabe nicht überlegen.
Betablocker
Propranolol (2–3 mg/kg pro Tag) war in einer randomiserten kontrollierten Studie einem Plazebo überlegen, in zwei weiteren Studien fand sich kein Vorteil (Empfehlungsgrad B, Evidenzstärke Ib). Im randomisierten Vergleich war Propranolol dem Flunarizin tendenziell überlegen. Eine kleine randomisierte kontrollierte Studie mit Timolol ergab keine Überlegenheit gegenüber Plazebo. In einer doppelblinden Vergleichsstudie waren Metoprolol und Dihydroergotamin im direkten Vergleich nicht unterschiedlich wirksam; Metoprolol zeigte aber anders als Dihydroergotamin im Vergleich zu Plazebo eine signifikante Attackenreduktion (Empfehlungsgrad B, Evidenzstärke Ib).
Alkaloide
Das Opiumalkaloid Papaverin war in einer randomisierten kontrollierten Studie einem Plazebo nur tendenziell überlegen. Für die früher häufig prophylaktisch eingesetzten Mutterkornalkaloide liegen kaum Daten vor. Sie können zu Kopfschmerz bei Medikamentenübergebrauch führen. Dihydroergotamin war in einer doppelblinden plazebokontrollierten Studie nicht wirksam.
Serotoninerge Substanzen
Für die Serotonin-2-Rezeptorantagonisten Pizotifen und Trazodon zeigten je eine randomisierte kontrollierte Studie keinen Vorteil gegenüber Plazebo. Auch L-5-Hydroxytryptophan war in zwei plazebokontrollierte Studien nicht überlegen.
Alpha2-Agonisten
In zwei randomisierten kontrollierten Studien war Clonidin einem Plazebo nicht überlegen.
Trizyklische Antidepressiva
In offenen Studien senkte Amitriptylin (bis 1 mg/kg pro Tag) die Attackenfrequenz der Migräne. Eine weitere offene Studie zeigte bei Patienten mit „häufigen Kopfschmerzen”, wobei 70% eine Migräne hatten, ebenfalls eine Senkung der Attackenfrequenz. (Empfehlungsgrad B, Evidenzstärke IVb)
Antiepileptika
Antiepileptika wurden in der Migräneprophylaxe bei Kindern und Jugendlichen in den letzten Jahren in zahlreichen Studien untersucht. Topiramat zeigte in Fallserien und in randomisierten plazebokontrollierten Studien in niedriger Dosierung (1–3 mg/kg pro Tag) einen positiven Effekt (Empfehlungsgrad A, Evidenzstärke Ib). Eine randomisierte doppelblinde Vergleichsstudie ergab für die Migräne vom Basilaristyp – bei klarer Wirksamkeit – keinen Unterschied zwischen 25 mg pro Tag und 100 mg pro Tag. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Gewichtsabnahme sowie kognitive und sensorische Störungen. In offenen Studien senkte Valproinsäure (bis 45 mg/kg pro Tag) die Attackenhäufigkeit. Jedoch ergab sich in randomisierten Vergleichsstudien mit Plazebo und mit Propranolol für Valproinsäure kein signifikanter Vorteil (Empfehlungsgrad C, Evidenzstärke IVb). In den Studien wurde Valproinsäure gut vertragen. Sein Einsatz verlangt jedoch eine sorgfältige Beachtung der Kontraindikationen (unklare familiäre Hepatopathien, fragliche Stoffwechselerkrankungen) und entsprechendes Labor-Screening. In offenen Studien reduzierte auch Levetiracetam (bis 40 mg/kg pro Tag) die Attackenfrequenz der Migräne. In einer retrospektiven Fallanalyse senkte Zonisamid bei Kindern und Jugendlichen mit Migräne die Attackenfrequenz. Trotz dieser Wirksamkeitsnachweise wird der Einsatz von Antiepileptika aufgrund ihrer Nebenwirkungen in der Migräneprophylaxe bei Kindern und Jugendlichen nur zurückhaltend empfohlen.
Acetylsalicylsäure
In einer kleinen doppelblinden kontrollierten Vergleichsstudie zwischen niedrig dosiertem ASS (2–4 mg/kg pro Tag) und Flunarizin reduzierten beide Substanzen die Attackenfrequenz ohne signifikante Differenz zwischen beiden (Empfehlungsgrad B, Evidenzstärke Ib).
Phytopharmaka
Das Pestwurz-Extrakt Petasites (Petadolex®) reduzierte in einer doppelblinden und einer offenen Studie die Attackenfrequenz (Empfehlungsgrad B, Evidenzstärke Ib). Ein ähnliches Präparat wurde in der Schweiz vom Markt genommen, weil einzelne schwere Hepatopathien mit ihm im Zusammenhang gebracht wurden. Diese Bewertung ist jedoch stark umstritten; insgesamt wird das Präparat gut vertragen. Petasites ist nicht verschreibungspflichtig und bis zum Alter von 12 Jahren erstattungsfähig.
Spurenelemente
In einer randomisierten kontrollierten Studie zeigte sich für Magnesium, und nicht für Plazebo, eine signifikante Reduktion der Attackenhäufigkeit, wobei sich für den direkten Vergleich zwischen Magnesium und Plazebo kein signifikanter Unterscheid ergab (Empfehlungsgrad B, Evidenzstärke Ib).
Vitamine, Nahrungsergänzungsmittel
Bei Erwachsenen hatten Vitamin B2 (Riboflavin) und Koenzym Q10 in plazebokontrollierten Studien einen migräneprophylaktischen Effekt. Kinder und Jugendliche mit Migräne, bei denen ein erniedrigter Koenzym-Q10-Spiegel gemessen wurde, berichteten in einer offenen Studie nach Substitution über weniger Attacken. Gegenwärtig kann keine abschließende Wertung erfolgen. Eine routinemäßige Bestimmung von Koenzym-Q10-Spiegeln wird nicht empfohlen.
Zusammenfassende Bewertung
Topiramat und Flunarizin sind die am besten untersuchten wirksamen Migräneprophylaktika im Kindes- und Jugendalter. Beide Medikamente haben nicht unerhebliche Nebenwirkungen. Die vorliegenden Studien für Betablocker sind nicht eindeutig; die Einordnung als ein Mittel der ersten Wahl beruht auf Analogien zum Erwachsenenalter und auf Experteneinschätzung. Niedrig dosiertes ASS kann als dem Flunarizin ebenbürtig angesehen werden und zeigt dabei weniger Nebenwirkungen. Amitriptylin wird bei einschleichender Dosierung (z.B. mit Tropfen) meist gut vertragen und zeigt einen den Betablockern vergleichbaren Effekt. Auch Magnesium oder Pestwurz-Extrakt haben als nebenwirkungsarme Medikamente ihren Platz.
Tabelle Q14-2 gibt eine Übersicht über die medikamentöse Migräneprophylaxe im Kindes- und Jugendalter.
Nicht-medikamentöse Prophylaxe der Migräne
Es besteht Konsens, dass in der Prophylaxe Allgemeinmaßnahmen wie Aufklärung über die grundsätzliche Ungefährlichkeit der Erkrankung und Beratung hinsichtlich regelmäßigem Ausgleichssport, ausreichender Flüssigkeitszufuhr, Stressabbau, ausreichendem und regelmäßigem Schlaf und Begrenzung der Zeit am Monitor an erster Stelle stehen. Hierzu liegen jedoch insbesondere für Kinder und Jugendliche so gut wie keine Studien vor. Eine kontrollierte randomisierte Studie zeigte die prophylaktische Wirksamkeit schlafhygienischer Maßnahmen (ausreichender Schlaf ohne Müdigkeit am Tage, weitgehend feste Zeiten des Einschlafens und Aufwachens, kein Koffein am Nachmittag) bei Kindern (Empfehlungsgrad B, Evidenzstärke Ib; 4). Der therapeutische Effekt eines Kopfschmerztagebuches wurde bereits erwähnt (Empfehlungsgrad B, Evidenzstärke V).
Verhaltensmedizinische Maßnahmen z.B. Verfahren der kognitiven Verhaltenstherapie weisen eine sehr hohe Erfolgsrate aufweisen (2, 4, 9, 18, 19). Die Verfahren sind in kontrollierten Studien evaluiert, wobei die Kriterien von EBM für nicht-medikamentöse Studien nur begrenzt anwendbar sind.
Die verhaltensmedizinischen Verfahren bei Kopfschmerzen im Kindes- und Jugendalter lassen sich drei Hauptgruppen zuordnen (2, 18, 19):
1.
Entspannungsverfahren wie die progressive Muskelrelaxation nach Jacobson und Phantasiereisen sowie mit Einschränkungen das Autogene Training
2.
Biofeedback-Verfahren (Handerwärmungstraining, Vasokonstriktionstraining, EMG-Feed-back, Neurofeedback)
3.
Kognitiv-verhaltenstherapeutische oder stärker hypnotherapeutische „Multikomponentenprogramme”, die neben den beiden erst genannten Therapieansätzen das Erlernen von Stress- und Schmerzbewältigung und das Reizverarbeitungstraining in den Mittelpunkt der Behandlung stellen. Diese Programme berücksichtigen neben dem Erlernen von Techniken auch die Elternarbeit und die Edukation.
Entspannungsverfahren
Bei der progressiven Muskelrelaxation nach Jacobson wird gelernt, verschiedene Muskeln und deren Anspannung wahrzunehmen, sie für kurze Zeit anzuspannen und wieder zu entspannen (4, 19). Sie wird bei Kindern und Jugendlichen durch Imagination (z.B. Phantasiereisen) erweitert. Das Autogene Training ist wahrscheinlich weniger wirksam und unter 10 Jahren nicht empfehlenswert. In einer neueren Metaanalyse werden Entspannungsverfahren gegenüber einer Warteliste als überlegen eingestuft, nicht aber gegenüber Plazebobehandlung, was mit der Aufmerksamkeitsförderung auch in der Plazebogruppe erklärt wird (4).
Biofeedback
Beim Biofeedback werden meist die elektrische Aktivität von M. frontalis oder M. temporalis oder die Hauttemperatur an den oberen Extremitäten aufgezeichnet und den Kindern akustisch oder optisch zurückgemeldet. Hierfür ergaben Metaanalysen eine Erfolgsrate von bis zu 70% Attackenreduzierung (4, 9, 19). Die Kombination aus Biofeedback und Relaxation zeigt sich als besonders effektiv (4, 19). Beim „Neurofeedback” wird versucht, die kortikale Verarbeitung über die Messung und Rückmeldung langsamer Hirnpotenziale zu beeinflussen. Hierfür liegen noch zu wenig kontrollierte Studien bei Kindern vor, so dass eine Beurteilung noch nicht möglich ist.
Multikomponentenprogramme
Multikomponentenprogramme sind meist aus folgenden Bausteinen zusammengesetzt:
1.
Aufklärung über die Kopfschmerzen, Entwicklung eines einfachen Schmerzmodells (Edukation)
2.
Erkennen von Auslösern durch Führen eines Kopfschmerztagebuchs
3.
Erlernen eines Entspannungsverfahrens (alternativ oder additiv Biofeedbackbehandlung)
4.
Erkennen eines Zusammenhangs zwischen Stress- bzw. Reizsituationen und körperlichen Reaktionen
5.
Erlernen von Stressbewältigung bzw. Reizverarbeitung wie Erkennen negativer Gedanken, kognitive Umstrukturierung, gedankliche Schmerzkontrolle, Selbstsicherheit, Problemlösestrategien
6.
Erlernen spezieller Schmerzbewältigungsstrategien wie z.B. Aufmerksamkeitsumlenkung
7.
Informationen für Eltern
Studien zum Einsatz verhaltensmedizinischer Verfahren zeigten, dass Entspannungsverfahren und Biofeedback-Verfahren in der Beeinflussung von Kopfschmerzen im Kindesalter vergleichbar effektiv sind (4, 19). Entspannungsverfahren haben den Vorteil, dass sie von Geräten unabhängig, direkt im Alltag, z.B. vor oder gar während einer Klassenarbeit, einsetzbar sind. Biofeedback-Verfahren sind motivierend, da sie methodisch am heutigen Medienverhalten ansetzen. Evaluierte kognitiv-verhaltenstherapeutische oder stärker hypnotherapeutische Programme liegen ebenfalls vor (4, 6, 18, 19). Alle Programme können therapeutengeleitet in einem Einzelkontakt oder in einer Gruppe durchgeführt werden. Studien, die die Überlegenheit eines bestimmten Settings belegen, liegen nicht vor. Metaanalysen zeigen, dass verhaltensmedizinische Verfahren in der Kopfschmerzprophylaxe vergleichbar effektiv sind wie medikamentöse Verfahren; wahrscheinlich haben sie sogar eine bessere Langzeitwirkung (19).
Ernährung
Es gibt Hinweise, dass eine oligoantigene Ernährung Frequenz und Intensität der Migräne bei Kindern senken kann; ein ausreichender Wirksamkeitsnachweis nach den Kriterien der EBM ist jedoch noch nicht erbracht (Empfehlungsgrad C, Evidenzstärke IVb; 17). Die bisherigen Studien zeigten einen Effekt insbesondere bei hoher Migränefrequenz und weiteren Begleitsymptomen. Das Fortlassen folgender Nahrungsbestandteile beeinflusste Migräne bei Kindern positiv: Kuhmilch, Lebensmittelfarbstoffe, Konservierungsstoffe, Schokolade, Weizenmehl, Eier, Käse, Tomaten, Fisch, Schweinefleisch, Soja. Weitere Auslöser können sein: Carrageen, Vanillin, Aspartam und Glutamat. Hoher täglicher Koffeinkonsum kann zu täglichen Kopfschmerzen führen, die durch ausschleichenden Koffeinentzug erfolgreich bekämpft werden können. Für den Ausschluss vasoaktiver Amine in der Ernährung bzw. für deren Anreicherung mit Omega-3-Fettsäuren zeigten randomisierte Studien keinen signifikanten Vorteil. Bei Einsatz einer Diät muss individuell getestet werden, welche Nahrungsbestandteile die Migräne verstärken und ob deren Elimination Erfolg hat. Welche Mechanismen dabei die Migräne beeinflussen, ist nicht belegt. Möglicherweise ist hier auch die veränderte Familieninteraktion auf Verhaltensebene wirksam.
Akupunktur
Eine kleine randomisierte, plazebo-kontrollierte Studie zur Nadelakupunktur sowie eine randomisierte, plazebo-kontrollierte Studie zur Softlasertherapie an Akupunkturpunkten legen eine Wirksamkeit bei Kindern nahe (Empfehlungsgrad C, Evidenzstärke Ib). Insgesamt kann – ähnlich wie bei Erwachsenen – noch keine abschließende Empfehlung zur Akupunktur bei kindlicher Migräne gegeben werden; eine Wirksamkeit ist möglich.
Physiotherapie, Manuelle Therapie
Studien zur Wirksamkeit zur Physiotherapie und zur manuellen Therapie der Migräne in der Migräneprophylaxe liegen für Kinder nicht vor.
Homöopathie
Studien zur Wirksamkeit von Homöopathie bei kindlichen Kopfschmerzen liegen nicht vor. Eine Übersicht über die in der nicht-medikamentösen Prophylaxe der Migräne und zum Teil auch des Kopfschmerzes vom Spannungstyp empfohlenen Verfahren gibt
Tabelle Q14-3. Aus ökonomischen Gründen und aufgrund mangelnder Verfügbarkeit kommen diese Verfahren im Alltag nur für Kinder mit einer überdurchschnittlich starken Migräne und bei Versagen der anderen Therapiemaßnahmen in Betracht.