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978-3-437-22335-8
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Anomalien des Lungenvenenrückflusses bei PAPVC

Totale Lungenvenenfehleinmündung (TAPVC) (S2)
KRANKHEITSBEZEICHNUNG
DEFINITION, KLASSIFIKATION UND BASISINFORMATION
Partielle Lungenvenenfehlmündung (PAPVC)
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Rechtsseitige PAPVC in die proximale SVC (74%), seltener in distale SVC oder die V. azygos; 87% dieser Patienten weisen einen Sinus-venosus-Defekt auf,
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rechtsseitige PAPVC in den RA (10%),
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linkssseitige PAPVC via Vertikalvene in V. anonyma (9%); meist mit PFO/ASD,
•
rechtsseitige PAPVC in IVC proximal der Lebervenen (6%):
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–
pulmonalarterielle Hypertonie,
-
–
aortopulmonale Kollateralen zur rechten Lunge aus der Aorta descendens,
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–
bzw. der abdominellen Aorta,
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–
Lungensequester,
-
–
Hypoplasie der RPA,
-
–
Lungenvenenstenosen.
Totale Lungenvenenfehlmündung (TAPVC)
•
Suprakardiale Lungenvenenfehlmündung [44–49%]
Die häufigste Form ist eine Konnektion der Drainagevene zur V. anonyma über eine links senkrecht nach kranial verlaufende Vertikalvene (vor der LPA und dem linken Hauptbronchus); seltener besteht eine Konnektion der Drainagevene zur SVC bzw. zur V. azygos, die dann aber häufiger zu Obstruktionen neigt. Insgesamt treten Obstruktionen des pulmonalvenösen Abstroms in ca. 45% der Fälle auf (11, 14).
•
Kardiale Lungenvenenfehlmündung [16–21%]
Der pulmonalvenöse Konfluenz drainiert in den Koronarsinus (90%) oder seltener direkt in den RA. Eine Obstruktion des Lungenvenenabflusses besteht bei < 20% der Patienten (11).
•
Infrakardiale Lungenvenenfehlmündung [26–28%]
Das aus dem pulmonalvenösen Konfluenz entspringende Sammelgefäß verläuft nach kaudal durch den ösophagealen Hiatus des Zwerchfells und mündet in die Pfortader (häufigste Form), den Ductus venosus, die IVC oder in eine der Lebervenen. Eine Obstruktion des pulmonalvenösen Abstroms tritt dabei in > 85% der Fälle auf (11, 15).
•
Gemischte Lungenvenenfehlmündungen [5–9%]
Die gemischten Formen kommen vor allem bei komplexen Herzfehlern in Verbindung mit einem singulären Ventrikel und Heterotaxie-Syndromen vor. Dabei können sehr unterschiedliche Kombinationen der Fehlmündungen vorhanden sein. Im Gegensatz zu den zuvor beschriebenen Formen fehlt hier der gemeinsame pulmonalvenöse Konfluenz hinter dem LA.
Prävalenz
LEITSYMPTOME
Partielle Lungenvenenfehlmündung (PAPVC)
Totale Lungenvenenfehlmündung (TAPVC)
DIAGNOSTIK
Zielsetzung
Apparative Diagnostik inklusive Bewertung der diagnostischen Verfahren
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Wegweisende Befundkonstellation bei PAPVC:
–
Vergrößerung von rechtem Vorhof, rechtem Ventrikel und Pulmonalarterie
–
weniger als vier Lungenvenen sind mit dem linken Vorhof verbunden
–
Dilatation von SVC, V. anonyma oder IVC
–
Darstellung eines Sinus-venosus-Defekts mit interatrialem Shunt
-
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Scimitar-Syndrom: Nachweis der fehlmündenden rechten Lungenvene, evtl. der aortopulmonalen Kollateralen bzw. des Sequesters; oft Hypoplasie der rechten Art. pulmonalis
-
•
Wegweisende Befundkonstellationen bei TAPVC:
–
fehlende Konnektion der Lungenvenen zum linken Vorhof
–
deutliche Vergrößerung von rechtem Vorhof und rechtem Ventrikel
–
scheinbare Hypoplasie von linkem Vorhof und linkem Ventrikel
–
Rechts-links-Shunt auf Vorhofebene (cave: Restriktion!)
–
Dilatation von SVC und V. anonyma mit beschleunigtem Fluss sowie direkte Darstellung der nach kranial drainierenden Vertikalvene bei suprakardialer TAPVC
–
Darstellung der unter das Zwerchfell verlaufenden Drainagevene sowie atypischer beschleunigter Fluss im Bereich der Portal- oder Lebervenen bei infrakardialer TAPVC
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kann in Ergänzung zur Echokardiographie zur detaillierten Darstellung atypischer Gefäßverläufe bei PAPVC und TAPVC eingesetzt werden.
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kann indiziert sein zur gezielten Evaluation einer pulmonalvenösen Obstruktion.
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kann zur Shuntbestimmung und zur Bestimmung der seitengetrennten Lungenperfusion genutzt werden.
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bevorzugte Bildgebung beim Scimitar-Syndrom zur Darstellung der hypoplastischen rechten Lunge inkl. möglicher Bronchialfehlbildungen oder Lungensequester.
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kann in Ausnahmefällen zur detaillierten Darstellung atypischer Gefäßverläufe bei PAPVC und TAPVC bei unzureichender echokardiographischer Bildgebung eingesetzt werden.
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kann indiziert sein zur gezielten Evaluation einer pulmonalvenösen Obstruktion.
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zur Diagnosestellung einer PAPVC und einer TAPVC heute meist entbehrlich.
nur bei speziellen Befundkonstellationen zur detaillierten angiographischen Darstellung atypischer Gefäßverläufe bei PAPVC (z.B. RPA-Hypoplasie bei Scimitar-Syndrom) und TAPVC (mit Obstruktion der Lungenvenendrainage) sinnvoll; bei einer TAPVC mit Obstruktion besteht ein erhöhtes Risiko für eine Dekompensation.
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kann indiziert sein zur detaillierten Evaluation begleitender Herzfehler.
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indiziert im Zusammenhang mit geplanten palliativen Katheterinterventionen (s. dort).
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kann indiziert sein zur invasiven (Re-)Evaluation bei pulmonalarterieller Hypertonie.
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kann indiziert sein zur gezielten Evaluation einer pulmonalvenösen Obstruktion:
Kriterien der Lungenvenenstenose (11, 19):
–
Reduktion des Durchmessers auf < 50% des max. Gefäßdurchmessers
–
mittlerer Druckgradient von > 4 mmHg
–
langsame Transitionszeit des Kontrastmittels
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suprakardialer TAPVC: „Schneemannzeichen” (rundliche „Doppel-Kugel”-Kontur durch Dilatation von aszendierender Vertikalvene, V. anonyma, SVC, RA).
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Scimitar-Syndrom: Lungenhypoplasie rechts, Dextropositio cordis, Scimitar-Vene als vertikale rechts-parakardiale; Lu-Struktur (bei ca. 50% der Pat. mit der „adulten” Verlaufsform) (8); Lungensequester, meist rechts basal gelegen.
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TAPVC mit pulmonalvenöser Obstruktion: bilaterale Transparenzminderung mit feinretikulärer Zeichnungsvermehrung.
Ausschlussdiagnostik/Differenzialdiagnosen
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PAPVC: hämodynamisch relevanter ASD.
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„Infantile” Variante des Scimitar-Syndroms: pulmonale Fehlbildungen mit pulmonalarterieller Hypertonie (z.B. Lungensequester mit signifikanten AP-Kollateralen).
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TAPVC: andere Vitien mit Kombination aus Zyanose und Systemkreislaufinsuffizienz aufgrund pulmonaler Rezirkulation: TGA, Truncus arteriosus.
Durchführung der Diagnostik
THERAPIE
Zielsetzung
Symptomatische Behandlung und medikamentöse Therapie
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PAPVC: in aller Regel nicht notwendig.
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„Infantile” Variante des Scimitar-Syndroms: die medikamentöse Therapie der pulmonalarteriellen Hypertonie dient der klinischen Stabilisierung der Patienten.
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TAPVC ohne pulmonalvenöse Obstruktion: Supportivtherapie der Systemkreislaufinsuffizienz bis zur kurzfristig zu planenden operativen Korrektur.
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TAPVC mit pulmonalvenöser Obstruktion: Stabilisierung der oft kritisch kranken Neugeborenen/Säuglinge bis zur unverzüglich zu planenden operativen Korrektur; bei schwerer pulmonaler Hypertonie mit Lungenödem und Lymphangiektasien kann auch die maximale intensivmedizinische Versorgung (Beatmung; medikamentöse Therapie der akuten Systemkreislaufinsuffizienz; Prostaglandininfusion) in Einzelfällen erfolglos sein. Die Applikation einer extrakorporalen Membranoxygenierung (ECMO) kann in Situationen mit therapierefraktärer Zyanose und Kreislaufinsuffizienz mit Azidose trotz maximaler intensivmedizinischer Therapie eine Stabilisierung der kardiopulmonalen Situation erreichen, um dann die unverzügliche herzchirurgische Versorgung zu ermöglichen.
Interventionelle Therapiemaßnahmen
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PAPVC: keine.
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„Infantile” Variante des Scimitar-Syndroms: der katheterinterventionelle Verschluss relevanter aortopulmonaler Kollateralen zur rechten Lunge ist indiziert und kann als Erstmaßnahme – vor allem bei großem Sequester mit High flow-Situation – eine deutliche Stabilisierung der Patienten erzielen (8, 19, 20).
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TAPVC ohne pulmonalvenöse Obstruktion: Ballonatrioseptostomie bei restriktivem Vorhofseptum.
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TAPVC mit pulmonalvenöser Obstruktion: Stentangioplastie (ggf. als Notfallintervention) bei hochgradig stenosierten Drainagevenen zur Stabilisierung kritisch kranker FG/Neugeborener/Säuglinge vor operativer Korrektur.
Chirurgische Therapiemaßnahmen
PAPVC
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Die häufigste Form mit Fehlmündung rechtsseitiger Lungenvenen in die proximale SVC und Sinus-venosus-Defekt wird meist mit Einnaht von zwei Perikardpatches korrigiert. Die Lungenvenen werden mit einem Patch zum LA umgeleitet und die SVC mit einem zweiten Patch erweitert. Eine alternative chirurgische Technik ist das Absetzen der SVC kranial der Lungenveneneinmündung mit anschließender Reimplantation am rechten Herzohr (OP nach Warden).
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Die Umleitung der direkt in den RA fehldrainierenden rechten Lungenvenen kann mit Einnaht eines Perikardpatches erfolgen.
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Zur Umleitung bei der häufigsten Form der linksseitigen PAPVC wird die Vertikalvene kaudal der V. anonyma und kranial der Lungenveneneinmündung abgesetzt, nach unten geschwenkt und an das linke Herzohr anastomosiert.
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Die Korrektur der rechtsseitigen PAPVC in die IVC beim Scimitar-Syndrom erfolgt mittels Umleitung der Scimitar-Vene durch einen aus Perikardpatch konstruierten Tunnel zum ASD. Die Ligatur der Kollateralen zum Lungensequester wird angestrebt, sofern sie chirurgisch gut erreichbar sind. Die Indikation zur rechtsseitigen Pneumektomie bei Patienten mit Scimitar-Syndrom sind ein gescheiterter Korrekturversuch oder ein nicht resezierbarer Lungensequester.
TAPVC
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Beim suprakardialen und infrakardialen Typ wird nach entsprechender Exposition der pulmonalvenöse Konfluenz inzidiert und mit der dorsalen Wand des LA anastomosiert, wobei eine möglichst große, restriktionsfreie Kommunikation hergestellt werden soll. Die Drainagevene wird durchtrennt und ligiert. Anschließend wird der ASD mit einem Perikardpatch verschlossen.
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Bei kardialem Typ mit Einmündung der Lungenvenen in den Koronarsinus (cave: die Einmündungsstelle ist in ca. 20% der Fälle obstruiert!) wird – ggf. nach deren chirurgischer Erweiterung – der Sinus coronarius inzidiert und ein Verschluss des ASD mit Perikardflicken so durchgeführt, dass der Koronarsinus zusammen mit den Lungenvenen in den LA drainiert.
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Bei direkter Einmündung von Lungenvenen in den RA muss in der Regel der ASD vergrößert werden, um mittels Patchimplantation eine Redirektion des Pulmonalvenenblutes zum LA herstellen zu können.
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Bei gemischten Formen hängt das operative Vorgehen von der individuellen Anatomie ab und kann mit verschiedenen Techniken erfolgen.
Perioperatives Management
OP-Ergebnisse und Risikofaktoren
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PAPVC: geringe perioperative Mortalität: Säuglinge 3,4%, ältere Kinder 0,4% (21).
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Scimitar-Syndrom: die perioperative Mortalität (0–6%) konnte in den letzten Jahren mit verbessertem perioperativem Management deutlich reduziert werden (8, 20, 21); Risikofaktoren für ein perioperatives Versterben waren
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TAPVC: die perioperative Mortalität der isolierten TAPVC in den großen Zentren beträgt < 10% (14, 15), die aktuellen europäischen Daten (21) bestätigen diese Tendenz: Gesamtgruppe 8%, Neugeborene 10,6%, ältere Säuglinge 3,9%. Die größte europäische Studie (11) berichtet bei isolierter TAPVC über ein 3-Jahres-Überleben von 85%. Risikofaktoren für ein perioperatives Versterben waren
–
präoperative pulmonalvenöse Obstruktion und jüngeres Operationsalter, die als Surrogat für einen Notfalleingriff bewertet werden (14),
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assoziierte kardiale Fehlbildungen,
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infrakardiale bzw. kardiale Konnektion,
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postoperative pulmonalvenöse Obstruktion bzw. postoperative pulmonalarterielle Hypertonie.
Prognose
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PAPVC (ohne Scimitar-Syndrom): Risiko postoperativer PVO < 2% nach 15 Jahren (7).
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Scimitar-Syndrom: in einem historischen Gesamtkollektiv waren nach 5 Jahren ca. 50% der Patienten betroffen, im Säuglingsalter bis zu 100% (7, 19); Multicenter-Daten aus Europa berichten unabhängig von OP-Verfahren über ein Risiko für eine postoperative PVO von ca. 15% nach 3 Jahren (20).
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TAPVC: das Risiko für eine postoperative PVO liegt nach 6 Monaten bei 11–15% (11, 12); Risikofaktoren (11):
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Präoperativ hypoplastische bzw. stenotische Pulmonalvenen mit präoperativer pulmonalvenöser Obstruktion
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Gemischte Lungenvenenfehlmündungen
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Präoperative respiratorische Insuffizienz
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Obstruktionen der SVC nach Umleitung zum RA im Rahmen der Korrektur der häufigsten Variante der PAPVC (Warden-OP: SVC-Stenosen in 10–17 % (22–23),
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Verlust der Sinusknotenfunktion nach Korrektur der PAPVC rechts mit Doppel-Patch-Technik. Die Häufigkeitsangaben notwendiger Schrittmacher-Implantationen wird zwischen 1% nach 15 Jahren (7) und 17% nach 30 Jahren (24) angegeben.
NACHSORGE
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Reobstruktionen des pulmonalvenösen Abstroms,
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Obstruktion der SVC,
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persistierende pulmonalarterielle Hypertonie,
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seitendifferente Lungendurchblutung (cave: Pulmonalvenenstenosen!),
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Sinusknotendysfunktion mit Bradyarrhythmien.
PRÄVENTION
LITERATUR
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Aktuelle (06/2015) Abfrage der ECHSA-Datenbank (European Congenital Heart Surgeons Association).22
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