9.1
Definitionen
Um euch den in Lehrbüchern fast schon obligatorischen Exkurs zur Definition von Säuren und Basen im Verlauf der vergangenen Jahrhunderte zu ersparen, kommen wir sofort zu den beiden Definitionen, die euch im Studium begegnen werden (eine solltet ihr bereits kennen):
•
Brønsted (die wichtigere): Säuren sind Verbindungen, die ein Proton abgeben (Protonendonatoren). Basen sind Verbindungen, die ein Proton aufnehmen (Protonenakzeptoren).
•
Lewis: Säuren lagern Elektronenpaare an (Elektronenpaarakzeptoren). Basen geben Elektronenpaare ab (Elektronenpaardonatoren).
Lerntipp
Bernd singt polnische Dancehits – Brønsted-Säure = Protonendonator
Weil die Definitionen überaus wichtig sind, gibt es nun eine kleine Beispielfrage. Nutzt die Eselsbrücken, damit auch unter Stress keine Unsicherheiten aufkommen! Eine typische Frage wäre z. B. nach der richtigen Definition aus mehreren falschen:
a)
Lewis Säuren sind Protonenakzeptoren
b)
Brønsted Basen sind Protonenakzeptoren
c)
Lewis Basen sind Elektronenpaarakzeptoren
Ihr seht, dass hier mit den Begriffen Akzeptor/Donator, wie auch mit Proton/Elektron, „gespielt“ wird. Am wenigsten verwirrt werdet ihr sein, wenn ihr euch nur den Anfang der Antwortmöglichkeit anschaut, euch die Definition (also z. B. was eine Lewis Säure macht) selbst herleitet und dann schaut, ob dies mit dem Rest der Antwort übereinstimmt! Dieser Ansatz ist bei MC Klausuren generell hilfreich.
In diesem Fall ist b) die richtige Antwort.
Diese Definitionen zu lernen ist zunächst schön und gut, allerdings ist das Nachvollziehen der Zusammenhänge insofern lohnenswert, als dass es euch helfen wird, den Verlauf einer chemischen Reaktion vorherzusagen und auch eine gute Wiederholung der chemischen Grundlagen darstellt:
Betrachten wir eine Verbindung der Elemente Wasserstoff und Fluor (Atombindung) (
Abb. 9.1).
Um zu verstehen, warum dieser Stoff ein Proton abgibt, erinnern wir uns an das Konzept der Elektronegativität (das Vermögen eines Stoffes, Elektronen an sich zu ziehen).
Wie bereits erklärt, nimmt diese im Periodensystem von „links unten“ nach „rechts oben“ zu!
In unserem Fall bedeutet das, dass Fluor das bindende Elektronenpaar fast gänzlich zu sich zieht. Sobald nun ein anderer Stoff auftaucht, der z. B. ein freies Elektronenpaar besitzt, wird sich das positiv geladene Proton zur negativen Ladung dieses Elektronenpaars hingezogen fühlen und an dieses binden. Das ursprünglich bindende Elektronenpaar des HF verbleibt beim Fluor und verursacht dort eine negative Ladung. Als Beispiel soll uns die Reaktion des Fluorwasserstoffs (auch
Flusssäure genannt) mit Wasser dienen:
H2O+HF→H3O++F-
Das „Zerfallen“ einer Säure (in diesem Fall ist HF schließlich der Protonendonator) bezeichnet man auch als Dissoziation oder Protolyse. Zu beachten ist, dass dieser Zerfall nur stattfindet, wenn auch ein Akzeptor für das Proton vorhanden ist. Warum? Weil das Proton eine im Vergleich zu seiner Ladung sehr kleine Masse hat! Es wird quasi von seiner Ladung sofort zu einem Teilchen „geschleift“, an das es binden kann. Euch wird auffallen, dass bei der Reaktion geladene Teilchen entstanden sind – und wie man geladene Moleküle oder Atome bezeichnet, habt ihr bereits gelernt:
Es sind Ionen entstanden!
Das positiv geladene H
3O
+-Ion wird
Oxonium-Ion genannt.
Für Ahnungslose
Warum kann man die Begriffe Proton, Wasserstoffkern und H+ als Synonyme verwenden? Aus dem Periodensystem erkennt ihr, dass Wasserstoff die Ordnungs- und Massenzahl 1 hat. Sein Kern besteht folglich nur aus einem Proton. Da er keine Ladung hat, muss sich in seiner Hülle noch ein negativ geladenes Elektron befinden. Ein Wasserstoffkern ist also ein Wasserstoffatom ohne das Elektron in der Hülle – und der besteht eben aus dem Proton. Ohne das Elektron kommt es zu einer positiven Ladung, weshalb man H+ schreibt, um den Unterschied zum ungeladenen Atom zu verdeutlichen.
Wir haben gesehen, dass Moleküle Protonen abgeben, wenn ein Wasserstoffteilchen an einer kovalenten Bindung beteiligt ist, bei der ihm das bindende Elektronenpaar fast völlig entzogen ist.
Wann könnte ein Stoff außerdem Protonen abgeben? Ganz einfach: Wenn es mehr hat „als es braucht“, also das Molekül insgesamt positiv geladen ist. Dies trifft u. a. auf das Oxonium-Ion aus unserem Beispiel zu.
Wir erkennen: Aus dem Wasser, das ein Proton aufnimmt, also als Base reagiert, entsteht ein Stoff, der selbst ein Proton abgeben könnte, also als Säure reagieren kann! Umgekehrt ist aus HF ein Ion entstanden, das negativ geladen ist, sodass positiv geladene Protonen von ihm angezogen werden. Es kann demnach Protonen akzeptieren und als Base reagieren (Warum es das meistens aber nicht tun wird, erfahrt ihr später)!
Dass aus einer Säure im Zuge einer Dissoziation eine Base wird, ist nicht ungewöhnlich, sondern die Regel! Eine Säure und die aus ihr entstandene Base bezeichnet man als
konjugiertes/korrespondierendes Säure-Base-Paar (das gilt natürlich auch für die aus einer Base entstandene Säure!).
Für die Klausur
Ihr solltet in einer Reaktion Säure-Base-Paare erkennen können! Schaut einfach, wo Protonen abgegeben, und wo sie aufgenommen werden. Die Ladungen können dabei ein hilfreicher Anhaltspunkt sein. Wenn ihr die Definitionen draufhabt, sollte das allerdings kein Problem sein. Bleibt einfach ruhig und bedenkt, dass ein Säure-Base-Paar mit Sicherheit nicht aus Stoffen besteht, die auf derselben Seite des Reaktionspfeils stehen!
9.1.1
Typische Säuren
Man kann Säuren grob in zwei Gruppen gliedern: Die
Sauerstoff- bzw.
Oxosäuren, in denen die Protonen, die abgegeben werden sollen, an Sauerstoffatome gebunden sind, und alle anderen Säuren. Auch wenn dies in der Regel nicht abgeprüft wird, kann man mit einigen zusätzlichen Informationen leicht die Stärke von Säuren, auch ohne Kenntnis der pH- und pKs-Werten, die ihr noch kennenlernen werdet, abschätzen, was durchaus nützlich ist:
•
Die „Nicht-Oxosäuren“: Wie im Fluorwasserstoff ist das Proton direkt an ein elektronegatives Atom gebunden. Grundsätzlich ist zu beachten, dass die Säurestärke, wie oben beschrieben, mit hoher Elektronegativität zunimmt. Allerdings spielt der Atomradius noch eine größere Rolle. H+-Ionen können sich leichter von Atomen mit großem Radius lösen als von solchen mit einem kleinen Radius, sodass etwa Tellurwasserstoff trotz der geringeren Elektronegativität des Tellurs eine wesentlich stärkere Säure ist als Schwefelwasserstoff.
•
Oxosäuren: Die Mehrzahl der Säuren, die euch im Verlauf eurer Medizinerkarriere begegnen werden, sind Sauerstoffsäuren. Die Summenformel einer solchen Säure besteht typischerweise aus mehreren Wasserstoffatomen, Sauerstoffatomen und einem Atom einer anderen Sorte.
Die
Phosphorsäure soll uns als typisches Beispiel einer Oxosäure dienen. Ihre Summenformel lautet:
H3PO4
Versucht, bevor ihr weiterlest, die Strukturformel dieser Säure zu zeichnen! Ihr werdet hier mit dem Problem konfrontiert, die Oktettregel nicht erfüllen zu können, egal wie ihr die Atome auch anordnet. Das müsst ihr allerdings auch nicht: Da ab der dritten Periode eine sogenannte
Oktettaufweitung möglich ist, kann der Phosphor mehr als acht Valenzelektronen haben, also die Edelgaskonfiguration überschreiten! Wenn ihr eine Sauerstoffsäure zeichnen wollt, könnt ihr euch mit einer zugegebenermaßen recht unwissenschaftlichen Methode helfen, solange euch die Summenformel bekannt ist:
1.
Ordnet alle Sauerstoffatome um das „Nicht-Wasser-nicht-Sauerstoffatom“ an.
2.
Ordnet jedem Sauerstoff- ein Wasserstoffatom zu (sofern genug vorhanden).
3.
Zeichnet die Bindungselektronenpaare ein (Sauerstoff will in der Regel zwei Bindungen eingehen).
4.
Ergänzt die freien Elektronenpaare.
Mit diesem Wissen könnt ihr alle für euch wichtigen Sauerstoffsäuren zeichnen. Versucht nun einmal einige Säuren, ausgehend von ihrer Summenformel, zu zeichnen und schaut euch im Anschluss ihre Strukturformeln an.
Wovon hängt nun die Stärke einer Sauerstoffsäure ab? Vor allem von der
Elektronegativität des Atoms in der Mitte!
Für Ahnungslose
Hier wird der etwas umständliche Begriff „Atom in der Mitte“ verwendet, da Zentralteilchen oder Zentralatom Begriffe aus der Komplexchemie sind!
Denn je stärker diese ist, desto mehr werden die Elektronen des Sauerstoffs zu ihm hingezogen, sodass auch das bindende Elektronenpaar zwischen Wasserstoff und Sauerstoff vom Kern des Wasserstoffs weggezogen wird, was es diesem erleichtert, sich zu lösen. Wenn mehrere OH-Gruppen um das Atom in der Mitte angeordnet sind, „ziehen“ sie quasi alle an dessen negativ geladenen Elektronen, was dazu führt, dass das Atom selbst positiver wird und nun ebenfalls stärkere Anziehungskräfte auf die Elektronen der gesamten Verbindung auswirkt. Folglich steigt die Säurestärke auch mit der Anzahl der O-Atome, die sich um das Atom in der Mitte anordnen, was sich ganz leicht aus der Summenformel herauslesen lässt.
Wichtige Säuren: Schwefelsäure, Chlorwasserstoff, „Kohlensäure“, Phosphorsäure, Zitronensäure
Für Ahnungslose
Wann spricht man von einer starken Säure? Auch bei der Dissoziation von Säuren und Basen stellt sich ein Gleichgewicht ein. Da die Reaktion nicht vollständig abläuft, geben nicht alle Säuremoleküle ihre Protonen ab. Bei starken Säuren ist das aber nur bei vergleichsweise wenigen Molekülen der Fall.
Das Gleichgewicht der Protolyse liegt auf der Produktseite. Somit liefert eine starke Säure in Wasser wesentlich mehr H3O+-Ionen als die gleiche Menge einer schwachen Säure.
Für die Klausur
Strukturformeln zeichnen zu müssen wird euch in Multiple-Choice-Prüfungen natürlich nicht begegnen. Allerdings könnt ihr in mündlichen Prüfungen (etwa in der Biochemieprüfung im Physikum) Prüfer beeindrucken, indem ihr dieses Wissen demonstriert. Auch in Antestaten von Praktikumstagen kann solches Wissen abgeprüft werden. Zu guter Letzt erleichtert euch natürlich das Zeichnen von Strukturformeln auch das Erkennen derselben.
9.1.2
Typische Basen
Nach Brønsted-Definition sind Basen
Protonenakzeptoren. Eine Verbindung wie
Ammoniak kann in Wasser an seinem freien Elektronenpaar H
+-Ionen anlagern, und bildet so ein
Ammonium-Ion (
Abb. 9.2). Das Wassermolekül, das ein H
+-Ion abgegeben hat, ist nun ein negativ geladenes OH
−-Ion.
Alle Basen bilden in Wasser OH–-Ionen. So gibt es auch Verbindungen, die bereits ein OH
−-Ion enthalten, und dieses in Wasser lediglich freisetzten, wie z. B.
NaOH (Natriumhydroxid, in Wasser gelöst spricht man von
Natronlauge). Das heißt allerdings nicht, dass alle OH
−-Ionen, die letztlich im Wasser herumschwimmen, genau die aus dem NaOH sind. Schließlich kann ein OH
−-Ion auch ein Proton von einem Wassermolekül aufnehmen, das nun seinerseits zu einem OH
−-Ion wird.
Da OH−-Ionen negativ geladen sind, enthalten die basisch reagierenden Verbindungen, in denen sie vorkommen, meist noch positive Metall-Ionen, wodurch sie sich gut identifizieren lassen!
9.1.3
Ampholyte
Wir haben gesehen, dass Wasser, wenn es mit Fluorwasserstoff (HF) reagiert, Protonen aufnimmt und H3O+-Ionen bildet, also als Base reagiert. In der Reaktion mit Ammoniak (NH3) gibt Wasser jedoch Protonen ab, bildet also OH−-Ionen. Es reagiert als Säure. Verbindungen, die sowohl als Base wie auch als Säure reagieren können, bezeichnet man als amphotere Verbindungen oder auch Ampholyte.
Exkurs: Zusammengesetzte Ionen
Vielleicht erinnert ihr euch: Gegen Ende des Kapitels 4.2 zur Ionenbindung war von Ionen die Rede, die nicht nur aus einem einzigen geladenen Atom bestehen. Mittlerweile habt ihr schon Ionen kennengelernt, bei denen es sich nicht um geladene Atome, sondern um
geladene Moleküle handelt, wie etwa das OH
−-Ion. Ihr könnt die Salzformeln für Salze, die solche Ionen enthalten, nach dem gleichen Muster aufstellen, mit dem ihr bereits arbeitet, denn die Verhältnisse der Ionen im Salz richten sich
nur nach der Ladung.
Lerntipp
Um euch die Ladung von solchen Ionen schnell herleiten zu können, müsst ihr eigentlich nur die Verbindungen kennen, aus denen sie entstehen. Wenn ihr wisst, dass Hydroxid-Ionen aus Wasser durch Abgabe eines Protons entstehen, wisst ihr, dass sie einfach negativ geladen sein müssen.
Die Nomenklatur dieser Ionen kann sich allerdings schwieriger gestalten: Da sie in der Regel aus Stoffen hervorgehen, die als Säure reagieren, sind sie negativ geladen, also
Anionen, sodass man den lateinischen Namen des Elements verwendet. Für große Verwirrung unter Studenten sorgen häufig die Endungen:
Normalerweise verwenden wir für Anionen
id. Sind die Anionen allerdings durch
Dissoziation einer Sauerstoffsäure entstanden, kommen die Endungen
at oder
it infrage. Sich hier zu sehr in Details zu verlieren, lohnt sich nicht. Prägt euch einfach Namen von zusammengesetzten Ionen, die euch
oft begegnen, ein.
9.4
Mehrprotonige Säuren
Ihr habt bereits eine Säure kennengelernt, die mehr als ein Proton abgeben kann: Die
Phosphorsäure (H3PO4
). Säuren dieser Art haben mehrere pKs-Werte, was sich auch relativ leicht erklären lässt: Das erste Proton wird noch relativ einfach abgegeben. Ein einfach negativ geladenes Ion bleibt zurück. Dessen Ladung erklärt auch, warum das nächste Proton nun nicht mehr so leicht abgegeben wird: Die elektrostatischen Anziehungskräfte hindern es daran. Der pKs Wert ist höher als der der ersten Dissoziationsstufe. Passiert es nun doch, entsteht ein zweifach negativ geladenes Ion. Für die letzte Dissoziationsstufe gilt das Gleiche. Die Protolysegleichungen für die Phosphorsäure lauten:
H3PO4+H2O⇌H3O++H2PO4-
H2PO4-+H2O⇌H3O++HPO42-
HPO42-+H2O⇌H3O++PO43-
Für die pKs-Werte gilt dabei:
pKs1<pKs2<pKs3
Um die Anionen bei der Benennung unterscheiden zu können, macht man die Anzahl ihrer Wasserstoffteilchen zur Vorsilbe:
H2PO4− = Dihydrogenphosphat
HPO42− = Hydrogenphosphat
PO43− = Phosphat
Das Dihydrogenphosphat-Ion ist ein weiteres Beispiel für einen Ampholyten. Es kann entweder als Säure unter Protonenabgabe zum Hydrogenphosphat-Ion reagieren oder als Base unter Protonenaufnahme wieder Phosphorsäure bilden. Das Hydrogenphosphat-Ion ist ebenfalls ein Ampholyt.
Exkurs: Indikatoren
Im Chemiepraktikum kommt man am Bestimmen von pH-Werten von Lösungen nicht vorbei.
Man nutzt dafür sogenannte Indikatoren, also schwache Säuren, bei denen die Säure eine andere Farbe hat als die konjugierte Base.
Methode der Wahl sind dabei zumeist Indikatorstreifen, die ihre Farbe je nach pH-Wert ändern. Da sie durch ihre Färbung grundsätzlich bei jeder Lösung Auskunft über den pH-Wert geben können, bezeichnet man sie auch als Universalindikatoren.
Wenn beim Mischen etwa von einer Säure und einer Base ermittelt werden soll, wann ein bestimmter pH erreicht ist, nutzt man andere Indikatoren, bei denen bekannt ist, bei welchem pH Säure und konjugierte Base in etwa gleichem Verhältnis vorliegen, sprich, wann sie ihre Farbe ändern. Man träufelt also Indikator zu seiner Lösung und mischt, bis sich die Farbe ändert, was einem zu erkennen gibt, dass ein bestimmter pH erreicht ist.
9.5
Pufferlösungen
In vielen Bereichen des alltäglichen Lebens, wie auch im Körper des Menschen, ist es wichtig, dass der pH-Wert von Lösungen annähernd konstant bleibt. Dies kann über eine
Pufferlösung erreicht werden. Eine Pufferlösung besteht aus einer
schwachen Säure und ihrer konjugierten Base. Gibt man zu solch einer Lösung eine starke Säure wie HCl, werden die Protonen, die das HCl freisetzt, von der Base des Puffers aufgenommen, ohne dass H
3O
+-Ionen entstehen. Bei Zugabe einer starken Base wie NaOH geben die Säuremoleküle des Puffers Protonen ab, um die OH
−-Ionen „abzufangen“ und zu H
2O zu neutralisieren. Natürlich kann man auch aus einer
schwachen Base und ihrer konjugierten Säure eine Pufferlösung herstellen.
Für Ahnungslose
Warum verwendet man eine schwache Säure und die konjugierte Base für Pufferlösungen? Würde man eine starke Säure verwenden, wäre die konjugierte Base sehr sehr schwach. Somit würden Protonen, die bei Zugabe einer anderen Säure entstehen, nicht abgefangen werden, sondern könnten ungehindert H3O+-Ionen bilden und so den pH-Wert senken.
Um den pH-Wert eines Puffers berechnen zu können, kann man sich aus dem Massenwirkungsgesetz eine Gleichung herleiten. Einmal mehr ist die Herleitung allerdings wenig klausurrelevant – die Formel (namens Henderson-Hasselbalch-Gleichung) dafür umso mehr!
Man erkennt: Der pH-Wert der Pufferlösung hängt nur vom pKs-Wert der Säure sowie vom Verhältnis der Konzentrationen von Säure und konjugierter Base zueinander ab. Auch wenn man den Puffer mit Wasser verdünnt, ändert sich sein pH-Wert nicht. Die Kapazität eines Puffers wird natürlich auch durch die Anzahl der Moleküle, die vorhanden sind, beeinflusst.
Wenn Säure und Base in gleicher Konzentration vorliegen, ist der Quotient gleich 1. Der Logarithmus zur Basis 10 von 1 ist 0. Somit ist der pKs- gleich dem pH-Wert, wenn die Konzentrationen von Säure und Base identisch sind. Der Puffer ist hier am wirkungsvollsten.
Wenn die Konzentration der Säure 10-mal größer ist als die Konzentration der Base oder umgekehrt, verliert der Puffer seine Wirkung. Ein Puffer arbeitet also im Bereich von pH = pKs ±1.
Das Faktenwissen zu Pufferlösungen (Woraus bestehen sie? In welchem Bereich entfalten sie ihre Wirkung? etc.) lässt sich leicht abprüfen. Nebenbei kann man sich bereits jetzt merken, dass dem
Kohlensäurepuffer im menschlichen Blut die größte Bedeutung zukommt, wobei dieser von
Hämoglobin und
Proteinatpuffer unterstützt wird. Zudem bieten sich zu diesem Thema Rechenaufgaben an, bei denen man ohne Grundkenntnisse von Logarithmen schnell an seine Grenzen stößt!
Für Ahnungslose
Lasst euch nicht davon irritieren, dass in einigen Beispielaufgaben, auf die ihr in eurer Ausbildung stoßen könntet, von Natriumacetat und nicht von Acetat-Ionen die Rede ist. Acetat-Ionen (Anionen der Essigsäure) liegen in der Realität in einem Salz vor, welches man in Wasser löst, um den Puffer herzustellen, in diesem Fall zusammen mit Natrium-Ionen. Die Formulierung kann zwar zunächst verwirrend wirken, muss einen in der Prüfung aber nicht weiter kümmern, da sich die Natriumionen nicht auf den pH-Wert auswirken.
Da die Kohlensäure am wichtigsten Puffersystem unseres Blutes beteiligt ist, lohnt es sich, sich mit ihr zu beschäftigen: Kohlensäure (H
2CO
3) entsteht, wenn CO
2 in Wasser gelöst wird, etwa wenn Zellen CO
2 als Stoffwechselprodukt ins Blut abgeben:
CO2+H2O⇌H2CO3
Da das Kohlensäuremolekül aber vergleichsweise gern sein Proton abgibt, dissoziiert es und bildet mit einem weiteren Wassermolekül ein H
3O
+-Ion:
H2CO3+H2O⇌H3O++HCO3-
Die weitere Dissoziation zum CO32−-Ion soll uns an dieser Stelle nicht interessieren.
Die gesamte Reaktionsgleichung lautet folglich:
CO2+2H2O⇌H3O++HCO3-
9.6
Titration
Was passiert, wenn man eine Säure und eine Base miteinander reagieren lässt? Die Reaktion zwischen Salzsäure und Natriumhydroxid verläuft folgendermaßen:
HCl+NaOH⇌NaCl+H2O
Die OH
−-Ionen des NaOH bilden mit den H
+-Ionen aus dem HCl Wasser, während die Cl
−-Ionen mit den Na
+-Ionen ein Salz bilden, sodass allgemein gilt:
Säure+Base⇌Salz+Wasser
Diese Reaktion nennt man auch Neutralisation, da Ionen, die sonst den pH-Wert beeinflussen würden, sich gegenseitig neutralisieren, was zu einem neutralen pH von 7 führt.
Man macht sich dies zunutze, wenn man die Konzentration von H3O+-Ionen in einer unbekannten sauren Lösung bestimmen will und nutzt dafür die sogenannte Titration. Man gibt kontinuierlich eine alkalische Lösung zu, deren Konzentration an OH−-Ionen bekannt ist, solange, bis sich die Ionen gegenseitig vollständig neutralisiert haben. Aus dem Volumen der zugegebenen alkalischen Lösung und deren Konzentration kann man nun berechnen, wie viele OH−-Ionen zur Neutralisation nötig und damit auch wie viele H3O+-Ionen ursprünglich in der Ausgangslösung vorhanden waren. Wichtig ist allerdings, ob die verwendeten Säuren und Basen schwach oder stark sind.
9.6.1
Titration einer starken Säure mit einer starken Base
Zum Verständnis ist es hilfreich, zunächst eine Titration zu betrachten, bei der die Konzentrationen von Säure und Base bekannt sind:
In einem Gefäß befinden sich 10 ml 0,1M Salzsäure. Die Formel zur Berechnung des pH-Werts einer starken Säure wurde bereits vorgestellt (pH = −log([Säure])), sodass der pH-Wert zu Beginn der Neutralisation gleich 1 ist.
Nun beginnt man mit der Zugabe von 0,1M Natriumhydroxid. Wenn man den pH-Wert im Auge behält, kann man eine Titrationskurve zeichnen (
Abb. 9.4).
Im Verlauf der Titration gelangt man zu dem Punkt, an dem sich identische Mengen HCl und NaOH im Gefäß befinden. Man bezeichnet ihn als Äquivalenzpunkt. An diesem Punkt sind alle H3O+-Ionen der Säure mit OH−-Ionen der Base neutralisiert worden, sodass der pH = 7 ist. Der Äquivalenzpunkt entspricht deshalb in diesem Fall auch dem Neutralpunkt.
Gibt man nun noch mehr NaOH hinzu, wird der pH-Wert immer alkalischer, solange, bis die Konzentration an OH
−-Ionen nahezu genauso hoch ist wie die in der reinen NaOH-Lösung, mit der man titriert hat.
Für Ahnungslose
Warum ändert sich der pH-Wert um den Äquivalenzpunkt herum sehr stark, auch wenn man nur wenig Säure zugibt? Hierfür muss man sich klarmachen, dass der pH-Wert als Logarithmus definiert ist. Wenn man von 10–2 (also 0,01) auf 10–1 (also 0,1) kommen möchte, muss man 0,09 zugeben. Um von 10–7 (0,0000001) auf 10–6 (0,000001) zu kommen, muss man nur 0,0000009 zugeben. Die starke Änderung des pH-Werts in diesem Bereich beruht also letztlich darauf, dass die „Abstände“ auf der Skala kleiner werden. Simple Mathematik!
9.6.2
Titration einer starken Base mit einer starken Säure
Die Kurve beginnt beim hohen pH-Wert der Ausgangslösung und nimmt, unter Säurezugabe, immer weiter ab. Ansonsten gibt es keine wesentlichen Unterschiede.
9.6.3
Titration einer schwachen Säure mit einer starken Base
Bereits der Ausgangs-pH-Wert berechnet sich bei der Titration einer schwachen Säure nicht wie bei der einer starken, denn schließlich ergibt sich deren pH nach der Formel:
pH=0,5×(pKs-log([Säure]))
Am Beispiel einer 0,1M Essigsäure erhält man:
pH=0,5×(4,75-log([0,1]))=2,875
Bei der Titration schwacher Säuren sind die Halbäquivalenzpunkte von besonderer Bedeutung. Das ist der Punkt, an dem die Hälfte der Säure neutralisiert ist.
Aber warum ist der Halbäquivalenzpunkt bei der Titration einer schwachen Säure mit einer starken Base so wichtig?
Da hier bereits die Hälfte der Säure neutralisiert wurde, liegen die schwache Säure und die konjugierte Base zu gleichen Teilen vor – und das nennt man
Puffer! Nach der Henderson-Hasselbalch-Gleichung ist der
pH = pK
s und
ändert sich auch bei weiterer Titration zunächst kaum (
Abb. 9.5).
Für die Klausur
An den horizontalen Pufferbereichen kann man in Klausuren relativ gut erkennen, ob die gezeigte Titrationskurve zu einer schwachen Säure gehört.
Bei weiterer Titration gelangt man zum
Äquivalenzpunkt. In diesem Fall
entspricht er allerdings nicht dem Neutralpunkt. Warum nicht? Aus der Essigsäure entstehen bei der Dissoziation Acetat-Ionen. Acetat-Ionen können als Base reagieren und tun dies auch, sodass OH
−-Ionen entstehen. Da sich die Natrium-Ionen aus NaOH nicht auf den pH-Wert auswirken, wird die Lösung leicht alkalisch.
Lerntipp
Wer sich nicht immer herleiten möchte, welche Ionen den Äquivalenzpunkt wie beeinflussen, kann sich einfach merken, dass der „starke“ Titrationspartner den Äquivalenzpunkt auf seine Seite zieht (starke Base führt zu alkalischem Äquivalenzpunkt).
Mit diesem Wissen sollte die Titration einer schwachen Base mit einer starken Säure auch kein Problem mehr sein!
9.6.4
Titration einer schwachen Base mit einer schwachen Säure
Diese Titration ist eher von nachrangiger Bedeutung. Die Kurve ist in y-Richtung gestaucht, da die pH-Werte zu Anfang und am Ende näher am Neutralpunkt liegen, denn schließlich stellen sich bei schwachen Säuren und Basen keine so extremen pH-Werte ein.
9.6.5
Titration mehrprotoniger Säure
Diese Titrationen lassen sich leicht daran erkennen, dass sich an jedem der pKs-Werte Pufferbereiche bilden, die zu einem mehr oder weniger ausgeprägten horizontalen Verlauf der Kurve führen. Dies lässt sich z. B. bei der Titration der Phosphorsäure mit einer starken Base beobachten (
Abb. 9.6).
Exkurs: Mesomerie
Ein wichtiges Phänomen, mit dem wir uns an dieser Stelle vertraut machen wollen, ist die Mesomerie. Wir erinnern uns: Das Ziel eines Atoms ist es, Edelgaskonfiguration zu erreichen. In einem Molekül ist es manchmal möglich, dass es mehrere Strukturformeln gibt, bei denen alle Atome des Moleküls die Oktettregel erfüllen. Welche Struktur nimmt das Molekül dann letztlich an? Man kann es nicht wirklich sagen, da sich die Elektronen permanent zwischen diesen Zuständen hin und her bewegen. Man kann lediglich die zwei extremsten Zustände (zwischen denen die Elektronen sich bewegen) als
Grenzstrukturen angeben und macht sie durch einen
Doppelpfeil (nicht zu verwechseln mit „⇋“ für Gleichgewichtsreaktionen) als solche erkennbar (
Abb. 9.7).
Ihr solltet wissen, dass sich mesomere Strukturen energetisch sehr günstig auswirken, und dass Teilchen, die zur Mesomerie in der Lage sind, daher bevorzugt entstehen. Kann z. B. eine Säure ein Proton abgeben, wobei das Anion zur Mesomerie befähigt ist, wird das Anion stabilisiert und die Dissoziation findet verstärkt statt.
Beispiele hierzu folgen in den Kapiteln zur organischen Chemie.