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10.1016/B978-3-437-23149-0.00006-8
978-3-437-23149-0
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Fagerström-Fagerström-TestTest
[L157]

Unterteilung der Psychotrope Substanzen:AbhängigkeitssyndromeAbhängigkeitssyndromeAbhängigkeitssyndrome
F1x.20 | Gegenwärtig abstinent |
F1x.21 | Gegenwärtig abstinent, aber in beschützter Umgebung (z. B. ther. Gemeinschaft, Gefängnis usw.) |
F1x.22 | Gegenwärtig Teilnahme an einem ärztlich überwachten Abgabe- oder Ersatzdrogenprogramm (kontrollierte Abhängigkeit) (z. B. Methadon, Nikotinkaugummi oder -pflaster) |
F1x.23 | Gegenwärtig abstinent, aber in Behandlung mit aversiven oder hemmenden Medikamenten (z. B. Naloxon oder Disulfiram) |
F1x.24 | Gegenwärtiger Substanzgebrauch |
F1x.25 | Ständiger Substanzgebrauch |
F1x.26 | Episodischer Substanzgebrauch |
Unterteilung des Psychotrope Substanzen:EntzugssyndromEntzugssyndrom:EinteilungEntzugssyndroms
F1x.30 | Ohne Komplikationen |
F1x.31 | Mit Komplikationen |
Unterteilung des Entzugssyndroms mit Entzugssyndrom:mit DelirEntzugssyndrom:EinteilungDelirPsychotrope Substanzen:Entzugssyndrom
F1x.40 | Ohne Krampfanfälle |
F1x.41 | Mit Krampfanfällen |
Restzustand: weitere RestzustandUnterteilung
F1x.70 | Nachhallzustände (Flashbacks); häufig sehr kurz, gelegentlich Wdh. früherer Erlebnisse unter Substanzeinfluss |
F1x.71 | Persönlichkeits- oder Verhaltensstörung, welche die Kriterien für eine organische Persönlichkeitsstörung erfüllt (F07.0) |
F1x.72 | Affektive Zustandsbilder, welche die Kriterien von F06.3 erfüllen |
F1x.73 | Demenz, welche die allg. Kriterien für Demenz (F00–F09) erfüllt |
F1x.74 | Sonstige anhaltende kognitive Beeinträchtigungen, die nicht die Kriterien eines alkohol- oder substanzbedingten amnestischen Sy. (F1x.6) oder einer Demenz (F1x.73) erfüllen |
Symptome des Rausch:SymptomeRausch:SchweregradeBlutalkoholspiegelAlkohol(abhängigkeit):SymptomeAlkohol(abhängigkeit):RauschAlkoholrauschs
Blutalkoholspiegel (‰) | Schweregrad | Symptome |
Ab 0,3 | Erste Symptome | Reduktion der Aufmerksamkeit, Abnahme der Konzentration, Hebung der Stimmung, Verlust von Ängsten, Gefühl der Leistungssteigerung, Verminderung der Selbstkritik, Verlangsamung des Reaktionsvermögens |
0,8–1,2 | Angetrunkenheit | Zusätzlich Störungen des Gleichgewichts, erste Koordinationsstörungen und Störungen der Feinmotorik |
1,2–1,6 | Leichter Rausch | Verwaschene lallende Sprache, Enthemmung, Situationsverkennung, Selbstüberschätzung und Nichterkennen von Gefahrensituationen, Gangstörung, erhebliche Abnahme von Aufmerksamkeit und Reaktion |
1,6–2,0 | Mittelschwerer Rausch | Verstärkung der Sympt. |
> 2,0 | Schwerer Rausch | Stimmungswechsel von Euphorie in depressiv möglich, kognitive Einschränkungen, Somnolenz, Beginn der eingeschränkten Steuerungsfähigkeit im forensischen Sinn |
Ab 3,0 | Bei entsprechenden Rauschsympt. aufgehobene Steuerungsfähigkeit | |
Ab 5 | Meist tödlich |
Typen des Alkoholkonsums (nach Jellinek 1960) Süchtiger TrinkerSpiegeltrinkerGewohnheitstrinkerGamma-TrinkerEpsilon-TrinkerEpisodischer TrinkerDelta-TrinkerBeta-TrinkerAlpha-TrinkerAlkohol(abhängigkeit):Typologie
Art des Alkoholkonsums | Versuch einer Typisierung | Suchtkennzeichen | Abhängigkeit | Häufigkeit (Zirkawerte, %) |
Alpha | Konflikttrinker | Kein Kontrollverlust, Fähigkeit zur Abstinenz | Nur psychisch | 5 |
Beta | Gelegenheitstrinker | Kein Kontrollverlust, Fähigkeit zur Abstinenz | Keine | 5 |
Gamma | Süchtiger Trinker | Kontrollverlust, jedoch zeitweilige Fähigkeit zur Abstinenz, Toleranzerhöhung | Zuerst keine, später physisch | 65 |
Delta | Gewohnheitstrinker („Spiegeltrinker“) | Unfähigkeit zur Abstinenz, rauscharmer, kontinuierlicher Alkoholkonsum | Physisch | 20 |
Epsilon | Episodischer Trinker | Mehrtägige Exzesse mit Kontrollverlust | Psychisch | 5 |
Benzodiazepin-Benzodiazepine:EntzugssyndromEntzugssymptome
Symptomschweregrad | Beschreibung |
Leicht (subjektiv) | |
Neuropsychopathologische Sympt. | Angst, innere Unruhe, Irritabilität, depressive Verstimmung, emotionale Labilität, Agitiertheit, bizarre, oft angstbesetzte Träume |
Neurovegetative Sympt. | Inappetenz, Übelkeit, „Muskelkrämpfe“ (nicht objektivierbar), Palpitationen, Kopfschmerzen, retroorbitale Schmerzen |
Störungen der sensorischen Perzeption (am ehesten typisch für das Benzodiazepin-Entzugssy.) | Augenflimmern, Verschwommensehen, Mikro-/Makropsie, Verminderung des Geruchs- oder Geschmackssinns; Überempfindlichkeit ggü. Licht, Geräuschen, Berührung; Tinnitus (am häufigsten), Körperschemastörungen |
Leicht (objektiv) | Schlafstörungen, Inappetenz, Schwitzen, Tachykardie und Hypertonie (selten so ausgeprägt wie beim Alkoholentzug, selten behandlungsbedürftig); Muskelzuckungen, Tremor, Hyperkinesien, unkoordinierte Bewegungen |
Schwer Selten! (2–3 % bei Hochdosis), Entzug vom Sedativa-/Hypnotikatyp |
Illusionäre Verkennungen, Halluzinationen, Verfolgungsideen, Delir, Krampfanfall, Hyperpyrexie (extrem selten) |
Benzodiazepin-Benzodiazepine:ÄquivalenzdosenBenzodiazepine:ÄquivalenzdosenÄquivalenzdosen und Benzodiazepine:EliminationshalbwertszeitenBenzodiazepine:EliminationshalbwertszeitenEliminationshalbwertszeiten
Wirkstoff | Äquivalenzdosis (mg) | Elim.-HWZ (h) | Aktive Metaboliten mit Akkumulationsgefahr |
Bromazepam | 6 | 15–28 | Gering |
Chlordiazepoxid | 25 | 6–37 | Ja |
Clonazepam | 2 | 25–40 | Ja |
Diazepam (Standard-Benzodiazepin) | 10 | 20–100 | Nordazepam |
Dikaliumclorazepat | 20 | 2–2,5 | Nordazepam |
Flunitrazepam | 1 | 16–35 | Ja |
Flurazepam | 30 | 2,3–3,4 | Ja |
Lorazepam | 2 | 12–16 | Gering |
Lormetazepam | 1 | 10–14 | Lorazepam |
Midazolam | 7,5 | 1,5–2,5 | Gering |
Nitrazepam | 5 | 25–30 | Gering |
Nordazepam | 20 | 25–82 | Nein |
Oxazepam (Standard-Benzodiazepin) | 30 | 6–12 | Nein |
Temazepam | 20 | 7–11 | Gering Oxazepam |
Tetrazepam | 20 | 13–55 | Ja |
Triazolam | 0,5 | 2–5 | Nein |
„Neue Benzodiazepine“ | Vor allem Drogenabhängige beziehen übers Internet oft aus Russland stammende Benzodiazepin-Präparate, deren Pharmakokinetik, Reinheit und evtl. spezif. Wirkungen weitgehend unbekannt sind. Beispiele: Etizolam, Phenazepam, Pyrazolam etc. |
Short Opiate Withdrawal Scale (SOWS (Short Opiate Withdrawal Scale)SOWS)Short Opiate Withdrawal Scale (SOWS)
0 = nicht vorhanden | 1 = mild | 2 = mäßig | 3 = schwer | |
Krankheitsgefühl | ||||
Magenkrämpfe | ||||
Muskelzucken/Krämpfe | ||||
Herzklopfen | ||||
Muskelspannung | ||||
Schmerzen | ||||
Gähnen | ||||
Augentränen | ||||
Schlafprobleme |
Medikamente zur symptomatischen Behandlung von Opiat-EntzugssymptomenOpiate/Opioide:Entzug
Symptom | Medikament | Dosis | Häufigste NW |
Vegetative Sympt.: Schwitzen, Hypertonie, Tachykardie, Unruhe | Clonidin | 3 × 150 μg | Bradykardie, Hypotonie, Darmatonie |
Diarrhö | Loperamid | 4 mg | Obstipation |
Erbrechen | Ganisedron (Metoclopramid unwirksam) | 2 mg | Kopfschmerz, Obstipation |
Unruhe, Schlaflosigkeit | Doxepin | 50–75 mg | |
Zolpidem | 10 mg | ||
Quetiapin | bis 200 mg/d | ||
Kicking Feet | Levodopa/Benserazid | 100/25 mg |
Steigerung des Tumorrisikos bei Nikotin(abhängigkeit):TumorrisikoRauchern
Lokalisation | Männer | Frauen |
Mundhöhle | 27,5-fach | 5,6-fach |
Lunge | 22-fach | 11,9-fach |
Kehlkopf | 10,5-fach | 17,8-fach |
Speiseröhre | 7,6-fach | 10,3-fach |
Psychische Störungen und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen
-
6.1
Gemeinsamkeiten der Störungen Rupert Müller212
-
6.2
Alkohol Rupert Müller219
-
6.3
Medikamentenabhängigkeit Rudi Pfab232
-
6.4
Drogen Rudi Pfab240
6.4.1
Opiate240
6.4.2
Kokain246
6.4.3
Amphetamine (ohne Ecstasy)248
6.4.4
Ecstasy248
6.4.5
„Designerdrogen“, „neue psychoaktive Substanzen“ (NPS)249
6.4.6
Drogen mit dissoziativer Wirkung249
6.4.7
Halluzinogene250
6.4.8
Cannabis250
6.4.9
Anticholinergika252
6.4.10
Pflanzliche Drogen252
6.4.11
Schnüffelstoffe, Lösungsmittel253
-
6.5
Nikotin Rupert Müller253
6.1
Gemeinsamkeiten der Störungen
6.1.1
Einleitung
(ICD-10 F1x). Alle psychotropen Psychotrope Substanzen:CharakteristikaAbhängigkeitssyndrome:psychotrope SubstanzenSubstanzen bewirken eine Veränderung der Hirnfunktion. Daraus erklärt sich trotz der Unterschiedlichkeit der Substanzen eine gewisse Ähnlichkeit der klin. Erscheinungsbilder. Meist korreliert die Dosis der konsumierten Substanz mit der Schwere der Intox. Klin. entscheidend ist, ob eine vitale Bedrohung besteht. Hinweise können sein: quantitative (Somnolenz, Präkoma, Koma) oder qualitative Bewusstseinsstörungen:psychotrope SubstanzenBewusstseinsstörungen (Desorientiertheit).
6.1.2
Epidemiologie
6.1.3
Ätiologie
•
Biolog. Faktoren: Drogen wurden zu allen Zeiten von allen Völkern konsumiert. Dies ist ein Hinweis auf eine biolog. Grundlage. Verschiedene Substanzen mit Suchtpotenz steigern die dopaminerge Transmission (z. B. Alkohol, Nikotin, Opiate, Kokain) → Aktivierung des Belohnungsvorhersagesystems im Gehirn. Belohnungssystem moduliert durch Endorphinsystem. Entscheidend sind die dopaminergen Fasern der Area tegmentalis ventralis, die im Mittelhirn liegen und über das mediale Vorderhirnbündel zum Ncl. accumbens u. a. Strukturen des Vorderhirns führen. Eine Aktivierung dieses Systems ist entscheidend daran beteiligt, dass Drogen und Alkohol immer wieder konsumiert werden. Die Neurotransmittersysteme, die durch die Suchtstoffe agonisiert und antagonisiert werden, adaptieren sich an diese Substanzen. Mechanismen, die dem Effekt der Substanzen entgegenwirken, werden aktiviert → Toleranz und Dosissteigerung, beim Absetzen Entzugssympt. Kontrollverlust und Craving sind Folgen einer umgekehrten Toleranzentwicklung und Sensitivierung. Risiko durch Störungen im zentralen serotonergen System durch Entwicklungsprobleme (z. B. sozialer Stress)
•
Erstkonsum: abhängig von Kosten, Verfügbarkeit, Verhalten Gleichaltriger, Gesetzen, sozialer Haltung und kultureller Tradition. Auslösend: aktuelle Belastungen, Konflikte, Einsamkeit, als „Problemlöser“, zur Erleichterung und Entspannung. Bei Jugendlichen Geltungsbedürfnis, Imitationsverhalten von Erw., Zwang zur Konformität
•
Lerngeschichte: Lern- und Konditionierungsprozesse durch Auslösung angenehmer Empfindungen pos. (prim.) Verstärker; sek. Verstärkung durch soziale Gruppenanerkennung. Ursprünglich neutrale Rituale, Requisiten, Drug Talking und Drug Seeking können eine verstärkende Wirkung entfalten. Über die gelernte Reaktion kommt es zur Entwicklung eines Suchtgedächtnisses v. a. in den dopaminergen Bahnen des frontalen Kortex
•
Motive: Lösung von Verstimmungszuständen, Leistungssteigerung, Einsamkeit, Langeweile, Erlebnissucht bei innerer Leere (Flucht aus frustrierendem Alltag), Schmerzlinderung, Wunsch nach Betäubung
•
Soziale Faktoren: im frühkindlichen Milieu häufig Broken-Home-Situation, Fehlen orientierender Leitbilder, neg. Identifikation/Vorbildfunktion im Elternhaus oder übermäßige Verwöhnung, Sucht (insb. Automaten- und Glücksspielsucht) gelten u. a. als Partner- und Liebesersatz. Soziale Verstärkung mittels Anerkennung durch soziale Gruppe
•
Umweltfaktoren: „Griffnähe“, Konsumsitten, Werbe- und Modeeinflüsse, staatlich-gesetzgeberische Restriktionen. Epochale Einflüsse, berufliche Einflüsse (Gastronomie), Permissivkulturen erhöhen die Gefahr für prädisponierte Personen. In sozioökonomisch niedrigen Schichten erhöhtes Risiko durch persistierende Stress-Situationen
•
Genetisches Risiko: Ein erhöhtes genetisches Risiko, v. a. der Alkoholabhängigkeit, gilt als weitgehend sicher. Bei Angehörigen um 3- bis 4-fach erhöhte Wahrscheinlichkeit. Vermutlich werden Risikofaktoren wie bestimmte Persönlichkeitseigenschaften (dissoziale PS, erhöhtes Stimulationsbedürfnis), ADHS, affektive Störungen, unterschiedliche Verträglichkeit vererbt
6.1.4
Charakteristika abhängig machender Substanzen
-
•
Toleranz (ToleranzentwicklungGewöhnung)Psychotrope Substanzen:CharakteristikaGewöhnung: Abnahme der Substanzwirkung nach wiederholter Einnahme mit der Folge einer erhöhten Zufuhr. Ursache: u. a. verstärkter Abbau der Substanz, synaptische Adaptionsprozesse
-
•
Körperliche Abhängigkeit: Entzugssy. nach Absetzen Abhängigkeitder Substanz. Sympt. sind oftmals gegensätzlich zur Wirkung der Substanz. Ursache: Anpassung der neuronalen Prozesse an Drogenwirkung und Fehlanpassung nach Absetzen der Substanz. Häufig sind auch der Zellstoffwechsel u. a. Organsysteme betroffen
-
•
Psychische Abhängigkeit: starkes, als unwiderstehlich Abhängigkeitempfundenes Verlangen nach der Droge (Craving), zudem reduzierte CravingKontrolle, automatisches Verhalten. Aktiver Zugriff auf die Substanz führt früher zu psychischer Abhängigkeit als passive Zufuhr
Die Angst vor dem Entzug ist nicht der eigentliche Grund für das Suchtverhalten. Ursache ist vielmehr die Aktivierung des Belohnungssystems.
6.1.5
Unterteilung und diagnostische Einordnung der Störung
Nach Substanzgruppe
-
•
F10: Störungen durch AlkoholPsychotrope Substanzen:Störungen
-
•
F11: Störungen durch Opioide
-
•
F12: Störungen durch Cannabinoide
-
•
F13: Störungen durch Sedativa oder Hypnotika
-
•
F14: Störungen durch Kokain
-
•
F15: Störungen durch sonstige Stimulanzien einschl. Koffein
-
•
F16: Störungen durch Halluzinogene
-
•
F17: Störungen durch Tabak
-
•
F18: Störungen durch flüchtige Lösungsmittel
Nach Wirkungsgrad und Folgen der akuten/chronischen Einnahme
Akute Intoxikation
Schädlicher Gebrauch
Abhängigkeitssyndrom
Diagnostische Leitlinien „Abhängigkeitssyndrom“
•
Starker Wunsch oder Zwang, psychotrope Substanzen zu konsumieren
•
Verminderte Kontrollfähigkeit bzgl. Beginn, Beendigung und Menge des Konsums
•
Körperliches Entzugssy. (F1x.4) nachgewiesen durch substanzspezif. Entzugssympt. oder die Aufnahme der gleichen oder einer nahe verwandten Substanz, um die Entzugssympt. zu mindern oder zu vermeiden
•
Nachweis einer Toleranz (u. U. werden Dosen konsumiert, die ohne Toleranzentwicklung zum Tod führen würden, z. B. Opiate)
•
Fortschreitende Vernachlässigung anderer Vergnügen oder Interessen zugunsten des Substanzkonsums; erhöhter Zeitaufwand, um die Substanz zu beschaffen, zu konsumieren oder sich von den Folgen zu erholen
•
Anhaltender Substanzkonsum trotz Nachweises eindeutiger schädlicher Folgen, z. B. Leberschädigung, depressive Verstimmung infolge starken Substanzkonsums oder drogenbedingte Verschlechterung kognitiver Funktionen. Dabei sollte sich der Konsument über die schädlichen Folgen im Klaren sein.
Nicht süchtig sind nach dieser Definition Pat., die Opioide zur Schmerzlinderung erhalten haben und einen Opioid-Entzug entwickeln, aber kein inneres Verlangen haben.
Entzugssyndrom
•
Das Entzugsy. ist zeitlich begrenzt, abhängig von der Substanzart.
•
Es kann durch Krampfanfälle kompliziert werden.
•
Das Entzugssy. ist einer der Indikatoren des Abhängigkeitssy.
•
Häufig auch psychische Probleme (z. B. Angst, Depression/depressive Störungen:EntzugssyndromeDepression und Schlafstörungen).
Entzugssy. können durch konditionierte Reize auch ohne unmittelbar vorhergehende Substanzzufuhr ausgelöst werden.
Entzugssyndrom mit Delir
Psychotische Störung
Diagnostische Leitlinien „Psychotische Störung“
•
Auftreten während oder unmittelbar nach Einnahme einer Substanz (gewöhnlich innerhalb von 48 h)Psychosen/psychotische Störungen:diagnostische Leitlinien
•
Nicht Ausdruck eines Entzugssy. mit Delir F1x.4 oder einer verzögert auftretenden psychotischen Störung F1x.75
•
Bei Amphetamin und Kokain Folge von hoher Dosierung
•
Bei Halluzinogenen eher akute Intox. F1x.0
Amnestische Störung
Diagnostische Leitlinien „Amnestische Störung“
•
Störungen des Kurzzeitgedächtnisses (Aufnahme von neuem Lernstoff): Störungen des Zeitgefühls (Zeitgitterstörungen, Zusammenziehen verschiedener Ereignisse zu einem usw.)
•
Fehlende Störung des Immediatgedächtnisses, des Wachbewusstseins und fehlende allg. Beeinträchtigung kognitiver Funktionen
•
Anamnestische oder objektive Beweise für einen chron. und besonders hoch dosierten Missbrauch von Alkohol oder psychotropen Substanzen
Restzustand und verzögert auftretende psychotische Störung
Diagnostische Leitlinien „Restzustand und verzögert auftretende psychotische Störung“
•
Der Beginn dieser Störung sollte in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Konsum von Alkohol oder einer psychotropen Substanz stehen. Bei verzögertem Beginn sollten klare und eindeutige Beweise vorliegen, die für eine Residualwirkung der Substanz sprechen.Psychosen/psychotische Störungen:verzögert auftretende
•
Die Störung muss über den Zeitraum der direkten Substanzwirkung hinausreichen.
•
Die alkohol- oder substanzbezogene Demenz ist nicht immer irreversibel.
•
Die Störung muss sorgfältig von Entzugssy. unterschieden werden.
Psychische oder Verhaltensstörung
Nicht näher bezeichnete psychische oder Verhaltensstörung
Neu im DSM-5
•
Störungen im Zusammenhang mit psychotropen Substanzen und abhängigen Verhaltensweisen werden zusammengefasst. Psychotrope Substanzen:Störungen
•
Bezieht sich auf 10 Substanzklassen: Alkohol, Koffein, Cannabis, Halluzinogene, Inhalanzien, Opioide, Sedativa u. Hypnotika sowie Anxiolytika, Stimulanzien (Amphetamine, Kokain u. a.), Tabak, andere Substanzen.
•
Als Gemeinsamkeit wird die Wirksamkeit auf das Belohnungssystem gesehen.
•
Im selben Kapitel wird Glückspiel codiert, da der Wirkmechanismus über das Belohnungssystem hier ebenfalls als nachgewiesen erachtet wird.
•
Für andere Verhaltenssüchte gilt dieser Zusammenhang noch nicht als erwiesen.
•
Codierung für Störung durch Substanzkonsum, Substanzintoxikation sowie Substanzentzug.
•
Zusatzcodierung möglich für: psychotische Störung, bipolare Störung, depressive Störung, (Zwangsstörung), Schlafstörung, sexuelle Funktionsstörung, Delir, neurokognitive Störung, Substanzabhängigkeit.
•
Die (A-)Kriterien können in die Gruppen beeinträchtigte Kontrolle, soziale Beeinträchtigung, riskanter Konsum und pharmakolog. Kriterien eingeordnet werden.
•
Eingeteilt wird in Schweregrad der Substanzkonsumstörung von leicht- bis schwergradig nach Anzahl der Kriterien.
6.1.6
Folgen der Störung
6.2
Alkohol
6.2.1
Epidemiologie
-
•
Bei 9,3 Mio. Menschen in D besteht alkoholbedingter Beratungs- und Behandlungsbedarf.
-
•
Alkohol(abhängigkeit)Alkoholabhängigkeit: 1,9 Sucht(erkrankungen):AlkoholMio.
-
•
Schädlicher Gebrauch: 1,6 Mio.
-
•
Riskanter Konsum: 5 Mio.
-
•
„Binge-Drinking“ als neueres Konsummuster Binge-Drinkingnimmt insb. bei Jugendlichen zu.
-
•
Das Trinkverhalten von Mädchen hat europaweit große Besorgnis ausgelöst.
-
•
Der Konsum liegt in D bei 9,6 l reinem Alkohol pro Kopf/J.
-
•
13 % der 24- bis 44-Jährigen haben eine Lebenszeitprävalenz für das Vorliegen mind. einer Alkoholdiagnose.
-
•
Nur etwa 1 % der Alkoholabhängigen unterzieht sich einer Behandlung.
-
•
25 % machen eine Entgiftungsbehandlung.
-
•
Nach dem körperlichen Entzug ist Psychother. mit dem Ziel der Abstinenz der Königsweg.
Riskanter Alkoholkonsum
> 24 g/d bei Männern (2 × 0,3 l Bier)Alkohol(abhängigkeit):riskanter Konsum
> 12 g/d bei Frauen (0,3 l Bier)
6.2.2
Symptome/Alkoholwirkung
Allgemeine Symptome
-
•
In unterschiedlichen Krankheitsphasen: reduzierter AZ, Alkohol(abhängigkeit):SymptomeInappetenz, Gewichtsverlust, Muskelatrophie (primär Waden), gerötete Gesichtshaut mit Teleangiektasien, Spider naevi, Gastroenteritiden mit Erbrechen, Durchfällen, Magen- und Duodenalulzera. Vermehrte Schweißneigung, feuchte, kühle Akren, Schlaf- und Potenzprobleme, Wadenkrämpfe, Verletzungen, Blutergüsse, auch ungepflegte Erscheinung bis hin zur Depravation
-
•
Psychische Symptome: Angstneigung, dysphorische und depressive Verstimmungen, innere Unruhe, Interessenverlust, Stimmungsschwankungen, Gleichgültigkeit, Störungen des Kritikvermögens, Reizbarkeit, Suizidgefährdung. Alkoholische Wesensänderung mit Stimmungslabilität, Egoismus, Rücksichtslosigkeit. Verzahnung von Persönlichkeitsmerkmalen, alten und neuen Konflikten sowie hirnorganische Persönlichkeitsveränderung. Einschränkung der intellektuellen Fähigkeiten bis hin zur Demenz
-
•
Verhaltensweisen: Beschönigen, Verleugnen, Bagatellisieren, Dissimulieren und Verheimlichen. Das Selbstwertgefühl ist durch Schuldgefühle reduziert, meist findet sich eine erniedrigte Frustrationstoleranz. Störung und Beeinträchtigung der zwischenmenschlichen Beziehungen sowie der sozialen Funktionen (z. B. Abmahnung am Arbeitsplatz, Vernachlässigung der Familie)
Rausch
-
•
Rausch:AlkoholAlkohol(abhängigkeit):RauschVorübergehende (reversible) akute organische psychische Störung. Selbstüberschätzung, Euphorie, Gereiztheit, Denk- und Konzentrationsstörungen verbunden mit Rededrang, depressive Gestimmtheit, z. T. Suizidgedanken
-
•
Pulsbeschleunigung, Gesichtsrötung, Erweiterung der Gefäße in Gesichtshaut und Konjunktiven sowie Koordinationsstörungen beim Sprechen und Gehen, z. T. auch Blickrichtungsnystagmus, gehobene Stimmung, Abbau von Ängsten und Hemmung und eine Steigerung von Antrieb und Motorik
-
•
Bei höheren Dosen: Dysphorie, Dysarthrie, Störungen der Koordination, Aufmerksamkeit, Wahrnehmung und Urteilskraft. Gereiztheit, Ermüdung, Bewusstseinsstörungen, Benommenheit bis Koma
Die Sympt. des akuten Rauschs verschwinden ohne erneute Zufuhr immer vollständig. Folgeerscheinung eines Rauschs ist der „Kater“: ein kurzfristiges Entzugssymptom!
Dosis-Wirkungs-Beziehung
-
•
Symptome des Alkoholrauschs: Ataxie, Nystagmus, Dysarthrie, Foetor alcoholicus (Tab. 6.5) Alkohol(abhängigkeit):RauschAlkohol(abhängigkeit):Dosis-Wirkungs-Beziehung
-
•
Atypische Rauschsympt.: Rausch:Symptomepsychomotorische Erregungszustände, delirante Sy., schwere depressive Sympt. und Suizidalität. In seltenen Fällen auch paranoid-halluzinatorische Sy., Dämmerzustand, kognitive Beeinträchtigung und Ratlosigkeit wie bei einer Demenz
-
•
Komplizierter oder path. Rausch:komplizierterRausch:Rausch:pathologischer bei geringer Alkoholzufuhr Dämmerzustand mit hochgradiger Erregung, Halluzinationen, Affekten von Angst und Wut, Dauer Min. bis Std. Endet im Schlaf mit anschließender Amnesie für diese Ereignisse Persönlichkeitsfremdes aggressives Verhalten. Prädisponiert sind Epileptiker, Pat. mit posttraumatischen organischen Störungen, Schizophrenien, zerebraler Vorschädigung
-
•
Alkoholhalluzinose: akustische AlkoholhalluzinoseHalluzinationen Halluzinose:alkoholbedingtebeschimpfenden Charakters. Keine Bewusstseinsstörung, keine Desorientierung. Ther.: hochpotente Antipsychotika. Progn.: abhängig von der Abstinenz
-
•
Alkoholischer Eifersuchtswahn: Eifersuchtswahn:alkoholischerAlkoholischer EifersuchtswahnEifersuchtsvorstellungen sind häufig. Selten Eifersuchtswahn. Faktoren: verstehbare misstrauische und enttäuschte Abwehrhaltung des Partners, alkoholbedingte partnerschaftliche Zerwürfnisse, gestörtes Verhältnis zur mitmenschlichen Umwelt, Demütigung, unerträgliche Schuldgefühle, relative sexuelle Insuff., Impotenz bei zeitweilig gesteigerten sexuellen Wünschen. Im Eifersuchtswahn wird die Schuld am eigenen Versagen abgewehrt und auf den Partner projiziert. Die Verdächtigungen nehmen groteske Formen an.
-
•
Erregungszustand: KO bei leichtem bis mittelschwerem Rausch ist ein Erregungszustand. Beruhigendes Gespräch, Empathie, aber deutliche Grenzen. Mittel der Wahl: Haloperidol:ErregungszustandHaloperidol
Schwerer Rausch (ab ca. 3,5–4,0‰; auch schon früher): Intensivstation
Medikamente erst bei einem Alkoholspiegel von < 1,0 ‰
Symptome nach Absetzen von Alkohol bei Alkoholabhängigen
-
•
Vegetatives Sy. ( Vegetatives Syndrom Prädelir):
-
–
Prädelir, Alkohol Magen-Darm-Trakt: Brechreiz, Durchfälle
-
–
Kreislauf: Tachykardie, Hypertonie
-
–
Atmung: Tachypnoe
-
–
Vegetativum: erhöhte Schweißneigung, Schlafstörungen, feuchte Akren
-
–
ZNS: generalisierte Krampfanfälle (Grand-Mal), Tremor, Dysarthrie, Ataxie, innere Unruhe, Antriebssteigerung, ängstliche, dysphorische, depressive Verstimmung, Halluzinationen (vorwiegend optisch), Schreckhaftigkeit, kurze Episoden von Wahrnehmungsstörungen
-
–
Craving
-
-
•
Entzugssy.: klingt nach 3–Alkohol(abhängigkeit):Entgiftung/Entzug7 d ab, selten längere Verläufe, bei ⅓ ist eine medikamentöse Ther. erforderlich
-
•
Alkoholdelir (Delirium tremens): Delir:alkoholbedingtes (Delirium tremens)häufigste psychiatrische Folgekrankheit, Alkoholdelir15 % aller Alkoholpat., meist als Entzugsdelir. Zusätzlich zu den o. g. Sympt.: häufig Beginn mit Krampfanfall. Verwirrtheit, Störung der Orientierung (nicht orientiert zu Ort, Zeit, Situation, manchmal auch zur Person). Meist Bewusstseinsminderung. Optische Halluzinationen. Aufmerksamkeitsstörungen, Suggestibilität, Unruhe, Nesteln. KO: pulmonale, kardiale Störungen, Myopathie, E'lytentgleisung, Pankreatitiden, gastrointestinale Blutungen
-
•
Auslöser: Erkr., Operationen. Beginn 3.–4. Tag nach der Abstinenz, sehr individuell, Dauer i. d. R. 3–7 d
Das Delir ist ein lebensbedrohlicher psychiatrischer Notfall!
6.2.3
Häufige körperliche Folgeerkrankungen
Alkoholpat. sind meist zusätzlich abhängige Zigarettenraucher mit den entsprechenden gesundheitlichen Problemen.
Schädigung von Organen und Funktionssystemen
-
•
Zähne: Zahnstatus, Zahnruinen durch schlechte Hygiene/Erbrechen → verwaschene Sprache, Probleme bei Nahrungsaufnahme. Häufig Zahnsanierung erforderlich
-
•
Mundhöhle und Rachen: Oropharynx-, Larynx-Ca durch harte Alkoholika und/oder Nikotin → Schmerzen, Schwellungen, Erosionen
-
•
Ösophagus:
-
–
Refluxösophagitis. Retrosternales Brennen, Schmerzen beim Schlucken. Erhöhtes Risiko für Barrett-Ösophagus und Ösophagus-Ca.
-
–
Ösophagusvarizenblutung als Folge der portalen Hypertonie mit Umgehungskreislauf, bei z. B. Leberzirrhose. Bluterbrechen, Teerstühle
-
–
Ösophagus-Ca durch konz. Alkohol, Rauchen. Unspezif. Klinik, Schluckbeschwerden
-
–
Mallory-Weiss-Sy.: Mallory-Weiss-SyndromSchleimhauteinrisse mit Blutungen im Ösophagus-Kardia-Bereich durch Erbrechen
-
-
•
Magen, Darm: akute Gastritis. Übelkeit, Erbrechen, epigastrischer Druckschmerz, evtl. Magenblutung durch erosive Gastritis
-
•
Leber: Alkohol wird durch die Enzymsysteme Alkoholdehydrogenase und mikrosomales Ethanol oxidierendes System (MEOS) in der Leber abgebaut. Der entstehende Acetaldehyd ist lebertoxisch.
–
Alkoholische Fettleber (bei 90 % der Pat. GGT und Transaminasen ↑)
–
Alkoholische Steatohepatitis (Fettleberhepatitis; bei 50 % der Pat. GGT und Transaminasen ↑)
–
Leberzirrhose, Ikterus, hämolytische Anämie, Hyperlipoproteinämie
–
Prim. Leberzell-Ca. Druckschmerz, Gewichtsverlust, Dekompensation einer Leberzirrhose
–
Zieve-Sy. bei Zieve-Syndromalkoholtoxischer Schädigung. Ikterus, hämolytische Anämie und Hyperlipoproteinämie
-
•
Pankreas: akute Pankreatitis, chron. kalzifizierende Pankreatitis
-
•
Herz, Kreislauf:
-
–
Herzrhythmusstörungen: alkoholtoxisch mit paroxysmalem Vorhofflimmern u. a. (Holiday-Heart-Sy.), Holiday-Heart-Syndromalkoholtoxische dilatative Kardiomyopathie
-
–
Arterielle Hypertonie, erhöhtes Schlaganfallrisiko, KHK, Risiko ist im Vergleich zum Konsum U-förmig, leichter Abfall bei sehr geringem Konsum, steiler Anstieg bei erhöhtem Konsum, PAVK (zusätzlich Nikotin)
-
-
•
Stoffwechsel: Hypertriglyzeridämie, Hyperurikämie, Hypoglykämie bei Alkoholintox. und bestehendem Diab. mell., Porphyria cutanea tarda
-
•
Knochenmark: toxische Störung des Mineralstoffwechsels
-
•
Immunsystem: vermehrte Inf. durch alkoholtoxische Immunschwäche (u. a. Tbc)
-
•
Endokrine Störungen: Testosteronabnahme (Libidoverlust), Östrogenabnahme (Amenorrhö), Pseudo-Cushing-Sy.
-
•
Haut: Gesichtsrötung mit Teleangiektasien, Rhinophyme, Rosazea, Dupuytren-Kontrakturen
-
•
Lunge: Lungen-Ca häufig in Verbindung mit Zigarettenrauchen
-
•
Störungen des Vitaminhaushalts: durch Fehlernährung und veränderte Resorption. Relevant sind Vit. B1, B2, B12 und Folsäure.
-
•
Neurotoxische Alkohol(abhängigkeit):Folge(erkrankunge)nWirkung: Alkohol ist lipophil und penetriert die Blut-Hirn-Schranke leicht, die Wirkung erfolgt direkt toxisch durch den im Körper präsenten Alkohol, durch nutritive Mängel.
–
Peripher neurolog. Schäden: 20–40 % aller Alkoholpat. leiden an einer PNP. Umfasst motorische, sensible und autonome Bahnen. Zunächst strumpfförmig begrenzte Bereiche mit Hypästhesien in den Beinen, Parästhesien und Schmerzen. Reflexabschwächung, beginnend mit Achillessehnenreflex, Muskelatrophien. Gestört sind auch Oberflächen- und Tiefensensibilität. Kann auf Arme übergreifen. Trophische Veränderungen, Störungen der Schweißproduktion, Potenzstörungen kommen hinzu.
–
Kleinhirndegeneration, atrophische Veränderungen des Kleinhirnoberwurms. Intentionstremor, Gangataxie, Nystagmus, Dysarthrie u. a. häufiger als früher angenommen (bei 30–50 % der Pat.). Unter Abstinenzbedingungen Funktionsverbesserung nachgewiesen.
–
Großhirnatrophie. Vorwiegend Marklager. Korreliert in gewissem Umfang mit Einbußen der psychischen Leistungsfähigkeit. Defizite und Atrophie sind teilweise reversibel, jedoch keine Restitutio ad integrum. Atrophische Hirnveränderungen: 50 % aller Alkoholkranken. Bei Persistieren der Störungen und Störung der Persönlichkeit im Sinne einer Verflachung, Distanzminderung: alkoholbedingte „Wesensänderung“.
–
Durch hepatotoxische Wirkung resultieren weitere neuropsychiatrische Schäden: hepatische Enzephalopathie (Diät, Neomycin-Gabe).
–
Zentrale pontine Myelinolyse. Bei forcierter Substitution einer Hyponatriämie
–
Epileptische Anfälle; insb. im Entzug
Wernicke-Korsakow-Syndrom
1.
Bewusstseinsstörungen und Verwirrung
2.
Augenmuskelparese (Ophthalmoplegie, konjugierte Blickparese, Pupillenstörungen, Nystagmus)
3.
Ataxie
Manche Autoren gehen davon aus, dass bis 10% aller Demenz:AlkoholDemenzen durch Alkohol bedingt sind.
Fetales Alkoholsyndrom (Alkoholembryopathie)
-
1.
Prä- und postnatale Wachstumsretardierung
-
2.
Dysfunktion des ZNS (jede neurolog. Auffälligkeit, Entwicklungsverzögerung, intellektuelle Schädigung/Störung)
-
3.
Kraniofaziale Auffälligkeiten: Mikrozephalie, schmale Lidspalten, schmale Oberlippe, wenig modelliertes Philtrum, Abflachung des Mittelgesichts
6.2.4
Komorbidität
53% der Pat. mit Substanzmissbrauch haben eine weitere psychische Störung.
-
•
50–60 % der alkoholabhängigen Frauen leiden unter Angststörungen, depressiven Sy. oder Persönlichkeitsstörungen (PS).
-
•
20–40 % der alkoholabhängigen Männer leiden unter depressiven Störungen, Angststörungen oder PS.Alkohol(abhängigkeit):KomorbiditätDepression/depressive Störungen:Alkoholabhängigkeit
-
•
Am häufigsten kommt die antisoziale PS vor. 80 % der Menschen mit antisozialer PS haben Alkoholprobleme.
-
•
10 % Abhängigkeit von einer anderen Substanz (ohne Nikotin).
-
•
Abhängige weisen nach längerfristigem Konsum und bei Entzug ausgeprägte Angst- und Depressionssympt. auf. Deshalb besteht der Verdacht, dass die Komorbiditätsraten Artefakte sind. Pat. mit weiteren psychiatrischen Erkr. haben häufig schlechte Therapieergebnisse.
-
•
Prävalenz für Alkoholismus
–
bei Pat. mit Schizophrenien: 20–50 %
–
bei Pat. mit affektiven Erkr.: 20–40 %
-
•
Hohe Komorbidität für Angsterkr. und Alkohol
-
•
Komorbidität Alkohol und Manie oder schizophreniforme Erkr.: Männer 6,3 %, Frauen 10,0 %
6.2.5
Einteilung der Alkoholkrankheit
Alkoholkrankheit modellhaft in vier Stufen: mit Veränderungen im Trinkverhalten, zunehmendem Kontrollverlust, sozialen Folgen, Entwicklung der psychischen und körperlichen Abhängigkeit.
Stufenmodell (Jellinek 1951)
-
•
Stufe 1: Voralkoholische (präalkoholische) Alkohol(abhängigkeit):Phasenmodell nach JellinekPhase: Stadium des progredienten Erleichterungstrinkens, weithin sozial motiviert. Nachlassen der Tragfähigkeit für seelische Belastungen. Die Verträglichkeit für Alkohol wird größer, allmähliche Dosissteigerung, Trinken um der Wirkung willen.
-
•
Stufe 2: Prodromalphase: Stadium der Toleranzsteigerung. Räusche mit Erinnerungslücken; Schuldgefühle; Vermeiden von Anspielungen auf Alkohol. Gedächtnislücken stellen sich ein (Blackouts). Die Trinkart ändert sich (allein, heimlich, morgens). Denken an Alkohol. Das erste Glas wird häufig schnell getrunken.
-
•
Stufe 3: Kritische Phase: Stadium des Zwangstrinkens; Verlust der Kontrolle; Widerstand gegen Vorhaltungen; großspuriges aggressives Benehmen; Zerknirschung; Wechsel der Perioden völliger Abstinenz mit ständiger Niedergeschlagenheit; Freunde fallen lassen; Arbeitsplatz aufgeben; das Verhalten auf den Alkohol konzentrieren; Verlust an Interessen; Selbstmitleid; gedankliche oder tatsächliche Ortsflucht; ungünstige Veränderungen im Familienleben; grundloser Unwillen; Bestreben „seinen Vorrat zu sichern“, Vernachlässigung angemessener Ernährung; erste Einweisung ins Krankenhaus wg. „körperlicher“ alkoholischer Beschwerden (die aber vom Pat. anders gedeutet werden); Abnahme des Sexualtriebs; alkoholische Eifersucht; regelmäßiges morgendliches Trinken. Nach Trinkbeginn Verlust der Kontrolle über die weitere Trinkmenge, Trinkpausen nach Kontrollverlust, Erklärungen und Ausreden werden nötig, das Verhalten ändert sich. Fortschreitende Isolierung. Die körperliche Abhängigkeit vom Alkohol wird deutlich, körperliche Folgeschäden treten auf. Abstinenzunfähigkeit.
-
•
Stufe 4: Chronische Alkohol(abhängigkeit):chronischePhase: Stadium der Sensibilisierung; verlängerte, tagelange Räusche; ethischer Abbau; Beeinträchtigung des Denkens; passagere alkoholische Psychosen; Trinken mit Personen unter dem Niveau des Pat.; Zuflucht zu technischen Produkten (Haarwasser, Rheumamittel, Brennspiritus); Verlust der Alkoholtoleranz; Angstzustände; Zittern; psychomotorische Hemmung; Trinken vom Charakter der Besessenheit; leichter der Behandlung zugänglich.
Typologie nach Jellinek (1960; Tab. 6.6)
Primärer und sekundärer Alkoholismus
Typologie nach Cloninger et al. (1987)
•
Typ I: späterer Krankheitsbeginn, kaum familiäre Belastung, keine Geschlechtspräferenz, bessere Progn., stärker durch Umweltfaktoren bestimmt, Missbrauch entwickelt sich eher später
•
Typ II: Beginn vor dem 25. Lj., erhöhte familiäre Belastung (stark genetisch determiniert), klares Überwiegen des männlichen Geschlechts, häufiges Auftreten von antisozialen Zügen, schlechte Progn. (eher ungünstiger Verlauf)
•
Novelty Seeking (Novelty Seekingintensives Verlangen nach neuen Eindrücken und anregenden Stimuli)
•
Harm Avoidance (Tendenz Harm Avoidancezur Meidung aversiver Stimuli)
•
Reward Dependence (starkes Reward DependenceAnsprechen auf Belohnung und Bestätigung, v. a. im zwischenmenschlichen Bereich)
6.2.6
Diagnosestellung
Verdacht auf Alkoholismus
•
„Cut Down“: Haben Sie (erfolglos) versucht, Ihren Alkoholkonsum zu reduzieren?
•
„Annoyed“: Haben Sie sich geärgert, weil Ihr Trinkverhalten von anderen kritisiert wurde?
•
„Guilty“: Haben Sie Schuldgefühle wg. Ihres Trinkens?
•
„Eye Opener“: Haben Sie Alkohol benutzt, um morgens „in Gang“ zu kommen?
Diagnose der Alkoholabhängigkeit
Je früher die Diagnosestellung, desto besser.
1.
Drei von sechs typischen Leitsymptomen (F1x.2):
–
Starker Wunsch oder Zwang, (psychoaktive) Substanzen oder Alkohol zu konsumieren
–
Verminderte Kontrollfähigkeit bzgl. Beginn, Beendigung und Menge des Substanz- oder Alkoholkonsums
–
Ein körperliches Entzugssy.
–
Nachweis einer Toleranz: Um die ursprünglich durch niedrigere Dosen erreichte Wirkung der Substanz hervorzurufen, sind zunehmend höhere Dosen erforderlich.
–
Fortschreitende Vernachlässigung anderer Vergnügungen oder Interessen zugunsten des Substanzkonsums
–
Anhaltender Substanz- oder Alkoholkonsum trotz Nachweises eindeutiger schädlicher Folgen körperlicher, sozialer oder psychischer Art
2.
Path. Laborwerte weisen auf einen erhöhten Alkoholkonsum hin, sind aber kein Beweis für Abhängigkeit. Alkohol(abhängigkeit):Laborwerte
–
Alkoholnachweis in Atemluft und Blut
–
GGT: Bei 70–80 % ↑, rasches Absinken innerhalb von einigen Wo. (DD: andere Lebererkr.)
–
GOT, GPT: geringe Trennschärfe zu anderen Lebererkr.
–
Glutamatdehydrogenase (GLDH)
–
HDL-Cholesterin
–
MCV: bei ⅔ aller Alkoholabhängigen ↑(DD: megaloblastäre Anämie durch Vit.-B12- oder Folsäuremangel)
–
Carbohydrate-deficient Transferrin (CDT): spezif. Marker für einen erhöhten regelmäßigen Konsum in den letzten 24 d: Sensitivität bei Frauen nicht ausreichend
–
Ethylglucuronid (EtG): ein direkter, wasserlöslicher Metabolit des Alkohols. Ausscheidung erfolgt nur über die Nieren. Nachweis im Urin 13–80 h, in den Haaren bis 3 Mon.
–
Weiter: Fettsäureethylester, 5-Hydroxytryptophol, 5-Hydroxyindolessigsäure
Differenzialdiagnosen
-
•
SHT, subdurales Hämatom
-
•
Akute psychotische Störungen, Manie, depressive Störung u. a. psychiatrische Erkr.
-
•
Diabetische Ketoazidose: BZ > 400 mg/dl
-
•
Hypoglykämie: BZ < 50 mg/dl
-
•
Enzephalopathie (hepatisch, infektiös): NH3 ↑, Laktat ↑, Albumin ↓, Quick ↓, CHE ↓
-
•
Urämie: Harnstoff ↑, Krea ↑, BGA
-
•
Hyperthyreose, Thyreotoxikose: T3 ↑, T4 ↑
-
•
Infekt: Fieber, BSG ↑, Leukozytose, CRP ↑
-
•
Andere Intox.
-
•
Andere hirnorganische Veränderungen
6.2.7
Therapie
Hierarchie der Therapieziele bei Alkoholabhängigkeit
-
1.
Sicherung des Alkohol(abhängigkeit):TherapieÜberlebens
-
2.
Behandlung von Folge- und Begleitkrankheiten
-
3.
Förderung von Krankheitseinsicht und Motivation zur Veränderung
-
4.
Aufbau alkoholfreier Phasen
-
5.
Verbesserung der psychosozialen Situation
-
6.
Dauerhafte Abstinenz
-
7.
Angemessene Lebensqualität
Motivation zur Veränderung
•
Motivationsstufe 1: Abstinenzwunsch ist nicht vorhanden, in der Wertorientierung der Abhängigen besitzt der Suchtstoff die höchste Priorität.
•
Motivationsstufe 2: Die Sorge um die eigene Gesundheit und Person wächst, Arzt- und Krankenhauskontakte nehmen zu. Therapeutisch sind Entzugsbehandlung, Informationen über Drogenwirkung und niedrigschwellige Hilfsangebote indiziert.
•
Motivationsstufe 3: Das Interesse an Bezugspersonen erwacht wieder, die Gesundheitssorge führt zu tagelanger Abstinenz; ther. ist die ambulante oder stationäre Entwöhnungsbehandlung indiziert.
•
Motivationsstufe 4: Die Lebensgewohnheiten normalisieren sich, es kommt zu wochen- und monatelangen Abstinenzzeiten, weitergehende Ziele werden verfolgt. Hierzu gehören Pat., die eine Entwöhnungsther. absolviert und ihre Suchtproblematik bearbeitet haben und von ihrer Sucht distanziert, aber doch episodisch abstinenzunfähig sind. Trotzdem sind die Betroffenen bestrebt, ein normales Leben zu führen.
Frühintervention
-
•
Alkohol(abhängigkeit):FrühinterventionBei Diagnose „schädlicher Gebrauch“: ist eine Minimalintervention angezeigt, z. B. ärztliches Gespräch. Bereits der ärztliche Rat kann zu einer signifikanten Verringerung der Trinkmenge führen. Kurzinterventionen (15 Min.) gelten schon als effektiv.
Hausärztliche Maßnahmen veranlassen bis zu 50% der Pat. mit riskantem Gebrauch, weniger zu konsumieren. Kontrollierter Konsum kann noch möglich sein.
-
•
Bei Abhängigkeit: Aufklärung und Konfrontation. Empathie ist unbedingt erforderlich. Bekräftigung aufkommender Hoffnung. Einbeziehung der Angehörigen wg. Abwehrverhalten und Bagatellisierungstendenzen sehr wichtig
Entscheidend für den Erfolg ist oftmals der frühzeitige Beginn der Intervention.
Therapiephasen
-
•
Alkohol(abhängigkeit):TherapieKontaktphase: Motivation. Behutsam und konsequent auf den Weg der Therapie führen. Schwankende Behandlungsmotivation stärken, Möglichkeiten aufzeigen
Jegliches Moralisieren und Angriffe vermeiden. Resignation und Widerstand erschweren die Behandlung.
-
•
Entgiftungsphase: Entgiftung:Alkoholkörperlicher Entzug, i. d. R. stationär. Motivierung zur Abstinenz (qualifizierter Entzug). Pat. soll Diagnosekriterien der Abhängigkeit für sich erarbeiten; Analyse der Konsummuster, negative Folgen, bisherige Abstinenzversuche und positive Substanzeffekte mit abschließender „Kosten-Nutzen-Analyse“; Änderungsperspektiven, Therapiemöglichkeiten aufzeigen
-
•
Entwöhnungsphase: Der Suchtprozess muss unterbrochen werden. Individuelle Dauer und Art der Therapie. Protrahierte Entziehungserscheinungen: Schwankungen von Stimmung, Antrieb, vegetative und Schlafstörungen. Inappetenz, Gewichtsschwankungen. Depressive Sympt.
-
•
Nachsorge: Die Lebensbedingungen sind so zu gestalten, dass die Flucht in die Sucht nicht mehr zwingend erscheint.
Am meisten Erfolg verspricht eine Therapiekette: Die vier Phasen sind verzahnt. Wdh. der einzelnen Phasen sind möglich. Rückfälle können in das ther. Konzept integriert und möglichst früh aufgefangen werden. Der Notwendigkeit mehrerer Anläufe kann Rechnung getragen werden. Die Mitbehandlung der Angehörigen ist unentbehrlich. Ziel sollte zufriedene Abstinenz sein.
„Kontrollierter Konsum“ kann nur bei Missbrauch oder Gefährdung ein akzeptables Therapieziel sein.
Psychotherapeutische Strategien
•
Motivationssteigerungsansatz (Motivational Interviewing)
•
(Kognitiv-verhaltensther.) Bewältigungstraining
•
Soziales Kompetenztraining
•
Paar- und Familienther.
•
Das gemeindenahe Verstärkermodell (Community Reinforcement Program)
•
Reizexposition
Merkmale der motivierenden Gesprächsführung
•
Empathische Grundhaltung mit Verzicht auf Motivierende GesprächsführungKonfrontation
•
Förderung der Diskrepanzwahrnehmung und Veränderungsbereitschaft
•
Aufbau von Vertrauen in die Selbstwirksamkeit
•
Vereinbarung von gemeinsam erarbeiteten Behandlungszielen
Techniken der motivierenden Gesprächsführung
•
Offene Fragen ohne implizite Wertung
•
Reflektierendes Zuhören
•
Positive Rückmeldung
•
Strukturierende Zusammenfassung
Entzugsbehandlung (Entgiftung)
-
•
Ambulant: Alkohol(abhängigkeit):Entgiftung/EntzugTägl. Entgiftung:AlkoholAlkoholeinnahme < 150 g/d ohne Hinweise auf drohende KO. Ärztlich begleitete Trinkmengenreduktion
-
•
Alkohol(abhängigkeit):TherapieMedikamente: in ⅓ aller Fälle erforderlich, ausreichende Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme
–
Bei RR-Erhöhung: Clonidin (75 μg oral, max. 600 μg/d)
–
Carbamazepin, 600–900 mg/d nicht retardiert, oder Oxcarbazepin, 300–900 mg/d. Evtl. Minderung des „Kindling“-Effekts (Kindling-Effektzunehmende Sensibilisierung bei wiederholten Entzügen)
–
Komb. von Carbamazepin und Tiapridex zur Entzugs- und Anfallsprophylaxe meist über 5 d mit z. B. 4 × 300 mg/d Tiapridex und 400 mg/d Carbamazepin über 6 d
Alle Therapien sind „off-label“, da keine Zulassung für eine ambulante Entzugsbehandlung vorliegt.
-
•
Stationär: „qualifizierte Entzugsbehandlung“, neben der med. Versorgung ther. Maßnahmen zur Motivationsbildung bzgl. der Abstinenz. Dies verringert die Rückfallraten nach Entzug deutlich. Sollte 3 Wo. Dauer nicht unterschreiten.
–
Medikamente: Clomethiazol (Distraneurin®2 Kps./2–4 h, max. 24 Kps./d) oder Benzodiazepine (z. B. Diazepam 10–20 mg alle 2 h)
–
Delirium Delir:alkoholbedingtes (Delirium tremens)tremens: AlkoholdelirDesorientiertheit, Halluzinationen, schwere vegetative Entzugssympt., manchmal Grand-Mal-Anfälle: Vollbild ist lebensbedrohlich, Pat. intensivpflichtig. Ther.: Benzodiazepine, hochpotente Antipsychotika, E'lyt- und Flüssigkeitssubstitution, Thiamingabe zur Prophylaxe der Wernicke-Enzephalopathie. Abklingen nach 2–4 d
-
•
Teilstationär: tagesklin. Behandlung, mit Vorteil großer Alltagsnähe. Geeignet für Pat., die noch gut sozial integriert und nicht chronifiziert sind
Rehabilitation (Rückfallprophylaxe)
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•
Stationäre Rehabilitation: Alkohol(abhängigkeit):Rückfallprophylaxe8–16 Wo. in Suchtfachkliniken. Von Rentenversicherungsträgern finanziert. Tendenz zur VT. Nach 18 Mon. 53 %, nach 4 J. 46 % abstinent
-
•
Ambulante Rehabilitation: durch psychosoziale Beratungsstellen. Ind.: gute soziale Integration, Fähigkeit, Abstinenz im ambulanten Setting halten zu können. 1–2 h/Wo. über 1 J.
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•
Therapiebausteine: Rückfall ist kein plötzliches Ereignis, sondern eher ein Entwicklungsprozess mit Abfolge von kognitiven und verhaltenswirksamen Ereignissen, die schließlich zum Rückfall führen. Deshalb können geeignete Maßnahmen einen Rückfall weniger wahrscheinlich machen. Erarbeitung von Sensibilisierung für rückfalltypische Situationen und Bewältigungsstrategien.
–
Aufbau von Selbstkontrolle, Selbstmanagement: Tagebücher führen, Verhaltensverträge, Einübung von Verhaltensweisen ohne Alkohol, Selbstbelohnung bei Erreichen erster Ziele
–
Soziales Kompetenztraining: Ziel ist die Einübung von erfolgreichem und funktionalem Verhalten in zwischenmenschlichen Beziehungen. Wichtig ist auch die Kompetenz in der Ablehnung einer Einladung zum Konsum von alkoholischen Getränken. Als Einzel- oder Gruppentherapie denkbar
–
Paar- und Familientherapie: Kooperation und aktive Teilnahme der Familie ist Grundvoraussetzung. Konflikte in der Beziehung oder der Familie sind häufig. Alkohol kann der Grund dafür sein, oder Spannungen können Ursache für Konsum sein.
–
Stressbewältigung: Entspannungstraining, Aufbau angenehmer Aktivitäten, Veränderung von stressauslösenden Situationen
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Reizexpositionsverfahren: Veränderung der Reaktionsmöglichkeiten bei Auslösesituationen, die vorher zum Konsum von Alkohol geführt haben
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•
Medikamentöse Rückfallprophylaxe:
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–
Acamprosat: Acamprosat, Alkohol-RückfallprophylaxeGlutamatmodulator mit erwiesener Wirksamkeit zur Aufrechterhaltung der Abstinenz. Erhöht nicht die Toxizität von Alkohol. Dos.: 3 × 2 Tbl. à 333 mg. NW: selten Diarrhö. KI: Niereninsuff.
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Naltrexon: M-Naltrexon:Alkohol-RückfallprophylaxeOpiat-Rezeptorantagonist. Vermindert die Rückfallwahrscheinlichkeit nach Entzugsbehandlung. Nur Off-Label-Gebrauch. Erhöht nicht die Toxizität von Alkohol. Dos.: 1 Tbl. (50 mg)/d. NW: Übelkeit
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–
Nalmefen, Alkohol-RückfallprophylaxeNalmefen: Ziel ist Reduktion der Trinkmenge. Selektive Bindung an Opioidrezeptoren. Agonistische Aktivität an μ- und δ-Rezeptoren. An κ-Rezeptoren partiell agonistische Aktivität. Dos.: 1 Tbl. (20 mg)/d. NW: Übelkeit, Schwindel, Kopfschmerzen, Schlafprobleme
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Disulfiram: blockiert Disulfiram, Alkohol-Rückfallprophylaxedie Acetaldehyd-Dehydrogenase; es kommt zur Akkumulation von Acetaldehyd. Dies führt zu Hautrötung, Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, RR-Abfall. Abgabe nur bei intensiver, möglichst tägl. Begleitung. Bei „supervidierter Einnahme“ gute Abstinenzraten möglich. Dos.: 1. Tag 3 Tbl. (Antabus®0,5 Dispergetten), = 1,5 g; 2. Tag 2 Tbl.; 3. Tag 1 Tbl. KI: KHK, Herzrhythmusstörungen, Kardiomyopathien, zerebrale Durchblutungsstörungen, Ösophagusvarizen, Hypothyreose, Depression, Schizophrenie, Leberzirrhose etc. Aufgrund der zahlreichen KI und NW gilt Disulfiram zwar als wirksam, aber nicht als Mittel der 1. Wahl. Nur über internationale Apotheken erhältlich.
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Baclofen: GABA-B-BaclofenRezeptoragonist zur Behandlung der Spastizität der Skelettmuskulatur. Dos.: 30–75 mg. NW: Schläfrigkeit, Abstumpfung, Depression. Geringe Hinweise auf Wirksamkeit, keine Zulassung für die Behandlung der Alkoholabhängigkeit
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•
Nachsorge: Die Nachsorge bei Fachambulanzen und Beratungsstellen verbessert die Progn. Evtl. ambulante Psychother. indiziert, v. a. bei neurotischen Faktoren und Komorbidität in der Genese der Abhängigkeit
Selbsthilfegruppen
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•
AA: 12-Selbsthilfe(gruppen):AlkoholabhängigkeitAlkohol(abhängigkeit):SelbsthilfegruppenPunkte-Programm. Schonungsloses Selbstbekenntnis des Trinkers vor den Leidensgenossen: „Ich bin Alkoholiker“. Der Akzent liegt darauf, dass der Alkohol stärker ist als alle Willensanstrengungen, dass man allein nicht von ihm loskommt, dass nur der Alkoholiker den Alkoholiker versteht und ihm helfen kann: Keiner kann je geheilt werden, er bleibe immer in der Gefahr, das erste Glas werfe ihn wieder voll in seine Krankheit zurück. Ehemalige = nichtaktive Alkoholiker.
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•
Prinzip der kleinen Schritte: Grundsätzliches Verbot stellt Überforderung dar → Forderung, zunächst 23 h alkoholfrei zu sein. Der Einzelne wird vom Kontrollierten zur Kontrollinstanz. Bei Rückfall fühlen sich die anderen verantwortlich und begleiten den Rückfälligen. Erfolge sind bei entsprechendem Engagement bemerkenswert.
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•
Weitere Selbsthilfegruppen: Blaues Kreuz, Kreuzbund, Guttempler, Freundeskreis, u. a.
6.2.8
Verlauf und Prognose
-
•
Auftreten von Missbrauch und Abhängigkeit in jedem Lebensalter, häufigstes Auftreten 20.–40. Lj. Alkohol(abhängigkeit):Verlauf/Prognose
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•
Bei frühem Beginn: häufig ADHS, dissoziale PS, ungünstige Progn.
-
•
Abhängigkeit im höheren Alter: Untergruppe bei vorher kontrolliertem Konsum.
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•
Abstinenz ohne Ther.: Bei Alkoholabhängigkeit erreichen etwa 20 % nach einem Entzug ohne Ther. eine Heilung bzw. längerfristige Abstinenz (meist Pat., bei denen die Abhängigkeit weniger ausgeprägt ist). Bei schwerer Kranken dürfte die Remissionsrate nur 5 % oder weniger betragen.
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•
Langzeitther.: 65 % der Pat., die eine Langzeitther. abschließen, sind mind. 1 J. abstinent, nach 4 J. 45 %. Allerdings brechen 50 % der Pat. die Behandlung vorzeitig ab oder sind erst gar nicht dazu motiviert.
-
•
Prognostisch ungünstig: Arbeitslosigkeit, früher Krankheitsbeginn, hoher Neurotizismus-Score, organische Persönlichkeitsveränderungen („Depravation“), Verfall der sittlichen und moralischen Verhaltensweisen.
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•
Prognostisch günstig: höheres Lebensalter, gute Schul- und Berufsausbildung, Berufstätigkeit und Zusammenleben mit Partner.
-
•
Alkoholmissbrauch: geht bei etwa jedem 2. innerhalb von 5–6 J. zur Abhängigkeit über. Von Personen, die bereits vor dem 13. Lj. Alkohol getrunken haben, wurden 40 % später abhängig.
-
•
Spontanremission: Die spontane Abstinenzrate beträgt vermutlich bis zu 19 %/J.
-
•
„Drittelregel“: ⅓ gebessert, ⅓ geheilt (abstinent), ⅓ ungebessert. Drittelregel, Alkoholabhängigkeit
Suizidalität:AlkoholabhängigkeitAlkohol(abhängigkeit):SuizidalitätSuizidgefahr: 10–20% der Abhängigen begehen nach Schätzungen Suizid. Dabei sind 75% zusätzlich Depression/depressive Störungen:Alkoholabhängigkeitdepressiv. Die Lebenserwartung ist um ca. 15% oder 12J. reduziert.
6.3
Medikamentenabhängigkeit
6.3.1
Einleitung
In D sind ca. 1,5Mio. Menschen abhängig von Medikamenten, davon 1,1Mio. von Benzodiazepinen. In den meisten Fällen verläuft diese Form der Abhängigkeit von der weiteren Umgebung dieser Pat. unbemerkt, da sie im Gegensatz zur Abhängigkeit von illegalen Drogen und Alkohol nicht mit psychosozialen Deviationen verläuft. Krankheitseinsicht und Leidensdruck sind wesentlich geringer. Diagnosestellung und Motivationsarbeit stellen eine besondere Herausforderung dar. Die Intox. -und Entzugsympt. sowie deren Therapie werden im Folgenden bei den Einzelsubstanzen bzw. Substanzgruppen besprochen. An eine somatische Entgiftung muss sich eine Entwöhnungsther. anschließen.
6.3.2
Sedativa/Hypnotika
Benzodiazepine
Wirkmechanismus
-
•
MedikamentenabhängigkeitSucht(erkrankungen):MedikamenteBenzodiazepine:AbhängigkeitMedikamentenabhängigkeit:Hypnotika/SedativaMedikamentenabhängigkeit:BenzodiazepineBenzodiazepine:WirkmechanismusBenzodiazepine binden an den GABA-A-Rezeptor und verstärken dort die GABA-Wirkung (= Linksverschiebung der Dosis-Wirkungs-Beziehung von GABA durch allosterische Rezeptorbindung) → sedierende, antikonvulsive und anxiolytische, muskelrelaxierende und amnestische Wirkung.
-
•
Chron. Benzodiazepin-Exposition → Anpassungsreaktion: Desensitivierung der GABAergen Neurone und Sensitivierung der antagonistisch erregenden glutamatergen Rezeptoren = neurobiolog. Korrelat der Toleranzentwicklung. Zusätzlich längerfristige Veränderungen der intraneuronalen Genexpression. Bei Beendigung der Benzodiazepin-Zufuhr überwiegt die Aktivität der erregenden Neurone, es kommt zu Entzugserscheinungen.
-
•
8 Wo. Dauerbehandlung mit ther. Dosen von Benzodiazepinen genügen, um beim Absetzen Entzugssympt. zu provozieren.
-
!
Die nach Absetzen nur 2 d anhaltende harmlose Rebound-Insomnie zählt Rebound-Insomniehierbei nicht als Entzugssy. (s. u.).
-
•
Bei kurz wirkenden Substanzen treten Entzugserscheinungen nach dem Absetzen rascher auf als bei lang wirkenden.
Intoxikation (F13.0)
Flumazenil mit Vorsicht anwenden, da bei Mischvergiftungen aus Benzodiazepinen und prokonvulsiven Substanzen wie TZA durch den Benzodiazepin-Antagonisten die antikonvulsive Wirkung des Benzodiazepins aufgehoben wird. Mögliche Auslösung von epileptischen Anfällen. Bei chron. Benzodiazepin-Konsumenten Provokation eines Entzugssy. möglich.
Abhängigkeit (F13.2)
Benzodiazepin-Entzugssyndrom (F13.3)
Imidazolpyridine (Zolpidem, Zopiclon, Zaleplon)
Clomethiazol
GHB und Vorläufersubstanzen
Barbiturate
-
•
Überdosierung: zunächst sympt. mit ggf. Beatmung und Katecholaminen. Kein Antidot, aber sek. Giftentfernungsverfahren wie Kohleperfusion, Hämodialyse und alkalische Diurese können bei schweren Vergiftungen die Elimination beschleunigen.
-
•
Entzug: Verlauf i. d. R. heftiger als Alkoholentzug, mit häufigeren Krampfanfällen und Delirien. Einsatz von Benzodiazepinen, aber auch von Barbituraten, die dann heruntertitriert werden.
Sonstige: Chloralhydrat, Meprobamat, Bromid
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•
Chloralhydrat ist in D als ChloralhydratBeruhigungs- und Schlafmittel erhältlich.
-
•
Meprobamat, AbhängigkeitMeprobamat wird in Österreich noch als Sedativum und Muskelrelaxans vermarktet. Erlebt in Form seiner Pro-Drug Carisoprodol derzeit eine CarisoprodolRenaissance auch als Suchtmittel.
-
•
Natriumbromid wird noch Natriumbromidsehr selten als Antiepileptikum verwendet und ist als Chemikalie erhältlich.
Frei verkäufliche Hypnotika/Sedativa
6.3.3
Analgetika
Ätiologie der Abhängigkeit (F55.2)
Medikamenteninduzierter Kopfschmerz (G44.4)
Entzugssyndrom
6.3.4
Psychostimulanzien
6.3.5
Entwöhnungstherapie
6.4
Drogen
6.4.1
Opiate
Rezeptoren und Wirkung
Intoxikation (F11.0)
Entzug (F11.3)
Symptomatik
Früher beobachtete man bei Opiatentzügen lebensbedrohliche vegetative Entgleisungen mit Hyperthermie, Hyperglykämie und Exsikkose. Heute kommen diese Sympt. unter sympt., auch unter opioidfreier Ther. nicht mehr vor.
Vorgehen
•
Polamidon (Methadon:OpiatentzugMethadon): Polamidon:OpiatentzugMit beginnendem Entzugssy. wird L-Polamidon in 1- bis 2-h-Abständen und 5–15 mg Einzeldosen (Methadon 10–30 mg) so oft gegeben, bis das Entzugssy. abklingt. Max. sinnvolle Dosis 50 mg (Methadon 100 mg). Anschließend wird 1 × (ggf. auch 2 ×) tägl. eine um einen vorher festgesetzten Betrag verminderte Dosis gegeben, sodass innerhalb von 5–15 d das Ziel 0 mg erreicht ist. Typischerweise tritt das Entzugssy. erst 2 d nach der letzten Gabe auf und dauert dann noch etwa 1 Wo.
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Buprenorphin:OpiatentzugBuprenorphin: Als partieller μ-Antagonist kann Buprenorphin beim Opiatabhängigen ein Opiat-Entzugssy. präzipitieren. Buprenorphin erst geben, wenn das Opiat-Entzugssy. objektivierbar ist. Dann Buprenorphin in 2- bis 4-mg-Schritten und 2-h-Abständen aufdosieren, bis das Entzugssy. sistiert, anschließend tägl. Dosisreduktion 0,4–1,6 mg, nach 5–10 d letzte Buprenorphin-Gabe. Alternativ nach Beginn des Entzugssy. 8–16 mg Buprenorphin geben, dann tägl. 0,4–1,6 mg abdosieren. Starker First-Pass-Effekt → sublinguale (oder transdermale) Applikation!
Entwöhnungstherapie
Abstinenzerhaltung
Substitutionsbehandlung (Z51.83)
Heroin, Diacetylmorphin, Diamorphin
Methadon/Polamidon
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L-Polamidon: Dosis als Schmerzmittel max. 6 × 7,5 mg; Wirkdauer Schmerzmittel 4–8 h. Toxische Dosis unadaptiert: Kind ≥ 0,5 mg; Erw. nichttolerant ≥ 10 mg. Substitutionsdosis max. 60 mg (in Einzelfällen höher) sinnvoll (60 mg für Nichtadaptierte potenziell letal!). Zur Substitution zu Beginn Dosisfindung, um Überdosierung zu vermeiden, max. Einzeldosis 15 mg. Zielvorstellung: Vermeidung von Entzugserscheinungen. Weitere Gabe bei noch Vorhandensein von Opiat-Entzugserscheinungen frühestens nach 2 h, bis keine Opiat-Entzugserscheinungen mehr objektivierbar sind. Später kann die Tagesdosis auf einmal gegeben werden. Entzugsbeginn frühestens 36 h, meistens 2–5 d nach letzter Gabe. Entzug langwierig, aber oft mit wenig sichtbaren Sympt. Drogenfreiheit im Urin meistens nach ca. 7 d
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Methadon-Racemat: L-Polamidon-Dosis (in mg) verdoppeln – in Milliliter: bleibt Dosis gleich, falls L-Polamidon 0,5 % und Methadon (Racemat) 1 % konfektioniert
Buprenorphin
Dihydrocodein/Codein
Missbräuchlich verwendete Opioid-Pharmaka
Tramadol
Tilidin
Fentanyl
Andere synthetische Opioide, „neue Opioide“
6.4.2
Kokain
Hauptalkaloid der Blätter des südamerikanischen Kokastrauchs. Wirkt im ZNS als Wiederaufnahmehemmer von Noradrenalin und v.a. Dopamin; am peripheren Nerv und im Herz als Na-Kanalblocker. Letzteres ist neben der vasokonstriktiven Wirkung für die Kardiotoxizität verantwortlich. Wesentliche Wirkung im ZNS: verstärkte Dopaminwirkung im mesolimbisch-mesokortikalen Belohnungssystem.
Missbräuchliche Anwendung
Wirkung
Intoxikation (F14.0)
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Leichte Fälle: Sedieren mit Benzodiazepinen, Antipsychotika wg. des unter Kokain verstärkten Dyskinesierisikos meiden. Hypertonie, falls nach Sedierung noch bestehend: keine Betablocker isoliert, sondern in Komb. mit Alphablocker, z. B. Carvedilol oder Urapidil
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Sonstige Ther.: sympt., ggf. intensivmed.; bei maligner Hyperthermie rigoroses Kühlen
Entzug (F14.3)
6.4.3
Amphetamine (ohne Ecstasy)
Amphetamin Speed, Methamphetamin, Crystal, Ice und verwandte Substanzen wirken ähnlich wie Kokain indirekt stimulierend auf noradrenerge und dopaminerge Neurone, aber zusätzlich auch auf Serotonin-Rezeptoren.
Missbräuchliche Anwendung
Intoxikation (F15.0)
Entzug (F15.3)
Kreuzreaktivität der Ak-Assays bei Amphetamin-Derivaten oft gering, eigene Assays für Methamphetamin und Ecstasy.
6.4.4
Ecstasy
Methylendioxyamphetamin (MDA), Methylendioxymethamphetamin (MDMA): weitverbreitete „Partydrogen“, meist in Tablettenform. „Pillen“ mit Einzeldosen 50–100mg. Wirkungseintritt nach 60–90Min., Wirkdauer 4–6h.
Wirkung
Intoxikation
Entzug
6.4.5
„Designerdrogen“, „neue psychoaktive Substanzen“ (NPS)
(4.9.2). Heterogene Gruppe: unterschiedlich substituierte Cathinone (synthetische Analoga der in Kat-Blättern enthaltenen Alkaloide): Metcathinon, „CAT“; Mephedron, MDPV („Badesalz“) unterschiedlich substituierte Amphetamine: z.B. DOM, MDEA; „FLY“, unterschiedlich substituierte Benzylpiperazine: z.B. 1-BzP, „A2“, MCPP. Gemeinsam ist ihnen der Konsum als „Partydrogen“ oder „Legal Highs“, häufig von Drogenexperimentierern. Zurzeit werden jährlich >80 neue Substanzen in Verkehr gebracht. Früheste Informationen erhältlich über Userforen im Internet, z.B. Erowid, Bluelight, „Land der Träume“, in med. Fachjournalen über EMCDDA (Europ. Drogenüberwachung) und Wikipedia.
Wirkung
6.4.6
Drogen mit dissoziativer Wirkung
Drogen(abhängigkeit):Drogen mit dissoziativer WirkungHeterogene Gruppe, die Phencyclidin, MissbrauchPhencyclidin (PCP), Ketamin, MissbrauchKetamin, Methoxetamin und Dextromethorphan, MissbrauchDextromethorphan (DMX) umfasst. Gemeinsam ist ihnen die partialantagonistische Wirkung auf NMDA-Rezeptoren und die agonistische Wirkung am Sigma-Rezeptor (4.9.2).
Missbräuchliche Anwendung
Intoxikation
Entzug
6.4.7
Halluzinogene
LSD und LSD-ähnliche Tryptaminverbindungen wie Psilocybin (enthalten in Magic Mushrooms). Übers Internet zunehmend „neue“ Tryptamine: z.B. DMT, 5-MeO-DALT. Alkaloide der Holzrose (Argyreia nervosa) u.ä. Windengewächsen (z.B. Qloliuhqui), Bufotenin (enthalten in Krötenhaut); alkoxysubstituierte Phenylethylamine wie Mescalin (enthalten in Peyote-Kaktus). NPS wie Dragon-FLY, Bromo-Dragon-FLY, 25-I-NBOMe zusätzliche Stimulanzieneffekte–u.a. NW wie z.B. Vasospasmen.
Missbräuchliche Anwendung
6.4.8
Cannabis
Missbräuchliche Anwendung
Folgeschäden
Cannabiskonsum und Schizophrenie
Diagnostik
Entzug (F12.3)
Therapie
Synthetische Cannabinoid-Rezeptor-(CB1-)Agonisten
6.4.9
Anticholinergika
Missbräuchliche Anwendung
6.4.10
Pflanzliche Drogen
6.4.11
Schnüffelstoffe, Lösungsmittel
Vor allem unter Jugendlichen in der Dritten Welt verbreitet, aber auch vereinzelt in D. Geschnüffelt werden Lösungsmittel (Toluol, Methylethylketon), Ether (vorwiegend Erw.), Treibgas von Sprühdosen (Butan, Propan). Diese Kohlenwasserstoffe wirken narkotisierend. Todesfälle kommen vor durch Hypoxie, aber auch durch Herzrhythmusstörungen. Dauergebrauch kann irreversible Hirnschäden und PNP verursachen. Ein spezif. Entzugssy. ist nicht bekannt.
Lachgas
6.5
Nikotin
6.5.1
Epidemiologie
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Sucht(erkrankungen):NikotinEtwa Nikotin(abhängigkeit)14,7 Mio. Menschen in D rauchen (2009). Es kommt zu ca. 110.000 tabakassoziierten Todesfällen und ca. 3.300 Todesfällen durch Passivrauchen.
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In D rauchen 30,5 % der Männer und 21,2 % der Frauen im Alter von 25–74 J. (2009), 20–60 % sind abhängig.
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Nikotinhaltige E-Inhalatoren: E-Zigaretten und E-Shishas. Stetige Zunahme seit 2006. Probatorischer Konsum bei 20 % der Raucher, insb. Jugendliche (Versuch der harm reduction).
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Raucher konsumieren in höherem Maß als Nichtraucher andere Substanzen. 80–90 % der Alkoholabhängigen sind starke Raucher. Pat. mit Schizophrenie rauchen zu 70–90 %, Angstpat. zu 60 %.
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60 % aller Raucher haben den Wunsch aufzuhören.
50% aller regelmäßigen Raucher sterben an den Folgen des Rauchens, davon 50% vor dem 70.Lj.
6.5.2
Pharmakologie des Rauchens
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Nikotin(abhängigkeit)Hauptwirkstoff des Tabaks ist das Tabakalkaloid Nikotin. Es bindet sehr schnell an nikotinerge Acetylcholinrezeptoren (nAChR) mit unterschiedlichen Subtypen.
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Anstieg der Konz. von Acetylcholin, Adrenalin, Noradrenalin, β-Endorphin, Dopamin, Vasopressin, GABA und der Bioverfügbarkeit von Serotonin. Steigerung des Wohlbefindens, bessere Gedächtnisleistung, Aufmerksamkeit und psychomotorischen Leistungsfähigkeit. Die Stresstoleranz nimmt zu; Angst, Anspannung und Aggressivität gehen zurück. Muskelrelaxation und Verringerung des Hungergefühls.
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Rauchen macht abhängig. Nikotin hat auf der pharmakolog. und der Verhaltensebene Ähnlichkeit mit suchtauslösenden Substanzen wie Heroin und Kokain.
6.5.3
Nikotinintoxikation
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Nikotin(abhängigkeit):IntoxikationIntoxikationen:NikotinHäufig bei Kindern und Jugendlichen. Sympt.: Nausea, Bauchschmerzen, Erbrechen, Diarrhö, Hypersalivation, Kopfschmerzen, Benommenheit und Kaltschweißigkeit. Bei hohen Dosen Verwirrtheit, Wahrnehmungsstörungen, Tachykardie und starke Hypertonie
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Sympt. bis zum Atemstillstand
6.5.4
Nikotin-Entzugssyndrom
6.5.5
Folgeschäden
Tumorrisiko
Bei zusätzlichem Alkoholkonsum steigt das Risiko um ein Vielfaches.
6.5.7
Entwöhnungstherapie
Die Abstinenzraten von 10 und 30% nach 1J. liegen zwischen den Resultaten, die bei Alkohol- und Opiatabhängigkeit erzielt werden. Depressive scheinen besondere Schwierigkeiten zu haben, mit dem Rauchen aufzuhören.
Therapieansatz: „Die 5 A“
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Ask – Pat. auf Rauchen ansprechen RaucherentwöhnungNikotin(abhängigkeit):Entwöhnung\t\"siehe RaucherentwöhnungRaucherentwöhnung:5-A-Ansatz
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Assess – Diagnostik (Abhängigkeit, Motivation)
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Advise – Entscheidung, Festlegen einer Strategie
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Assist – Unterstützung durch Medikation, Coaching
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Arrange – Folgekontakt vereinbaren, Vermittlung (Helpline, Beratungsstellen)
Kurzinterventionen
Systematisches Screening unter den Pat.
Der Rat eines Arztes, das Rauchen aufzuhören, hat einen Effekt von 5 %.
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Vorgehen nach Schlusspunktmethode: häufigste Methode, die Raucher selbst anwenden
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Nach Entschluss wird das Rauchen abrupt beendet.
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Langsames Reduzieren ist deutlich weniger erfolgreich!
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Erfolge sind am besten bei Rauchern, die nicht körperlich abhängig sind, ohne bisherige häufige Misserfolge.
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Bibliotherapie: Vermittlung von Inhalten über ther. Manuale. Abstinenzrate von 10–15 %, gilt als erfolgreiche Kurzzeitther.
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Quit Line: z. B. Rauchertelefon der BZgA: 0 120 5–3 13 1 31
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Internetbasierte Selbsthilfeprogramme
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Suggestive Methoden: z. B. Hypnose, erfolgreich, jedoch nicht von Dauer. Besser als Heterohypnose sind autohypnoide Verfahren, z. B. autogenes Training in Komb. mit anderen Verfahren. Durch formelhaftes Vorsatzbilden kann kognitive Umstrukturierung erzielt werden.
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Akupunktur: durchaus Erfolge. Spezif. Wirkung unklar, sicher suggestive Elemente
Verhaltenstherapie
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Aversive Ther. hat sich nicht bewährt Verhaltenstherapie:RaucherentwöhnungRaucherentwöhnung:Verhaltenstherapie
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Motivierende Gesprächsführung
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Moderner Ansatz mit Löschung der alten Verhaltensmuster und Verstärkung neu erlernter Verhaltensweisen, kognitive Umstrukturierungen. Motivation zu Abstinenz muss erhalten und verstärkt werden. Vermittlung von Fertigkeiten des Selbstmanagements, Selbstinstruktion und Selbstkontrolle hat sich bewährt. Strichlisten, Erfolgskurven, Tagesprotokolle, Rauchertagebücher
Medikamentöse Verfahren
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Bupropion:RaucherentwöhnungBupropion (Zyban®): Raucherentwöhnung:medikamentöse TherapieAD
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Varencilin (Champix®): Nikotinacetylcholin-Rezeptoragonist. Cave: Suizidalität überwachen Varencilin, Raucherentwöhnung
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Substitutionsbehandlung zur Milderung des Cravings:
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Nikotinkaugummis, Lutschtablette, Microtab, kurz wirksames Nikotin
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Nikotinpflaster, lang wirksames Nikotin
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Nikotinnasenspray, schnell wirksam
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Mundspray, schnell wirksam
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Inhalator, kurz wirksames Nikotin