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10.1016/B978-3-437-22485-0.00025-7
978-3-437-22485-0
Elsevier GmbH
Inhalte einer strukturierten Psychotherapie bei ADHS im Erwachsenenalter im Freiburger KonzeptFreiburger Gruppentherapieprogramm, ADHSADHSFreiburger Gruppentherapieprogramm
Sitzungen | Inhalte | |
Gruppe mit 7–9 Teilnehmern Abstand: wöchentlich Dauer: 2 h |
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1. | Klärung |
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2. | Neurobiologie Achtsamkeit I |
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3. | Achtsamkeit II | Achtsamkeitsübungen trainieren und in den Alltag integrieren lernen |
4. | Chaos und Kontrolle |
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5. | Verhaltensanalyse I |
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6. | Verhaltensanalyse II | Ziel: Verhaltensanalysen in Eigenregie durchführen lernen |
7. | Gefühlsregulation |
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8. | Depression Medikamente bei ADHS |
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9. | Impulskontrolle | Verhaltensanalysen bzgl. Impulskontrollstörungen, kurz- und langfristige Konsequenzen von Impulsivität, typische Situationen, zielorientiertes Verhalten erlernen, „Was macht die Zündschnur länger?“ |
10. | Stressmanagement |
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11. | Sucht |
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12. | Beziehungen Selbstachtung |
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13. | Rückblick und Ausblick |
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Klassifikation der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung im Erwachsenenalter nach DSM-5 (APA 2015)
A. Ein durchgehendes Muster von Unaufmerksamkeit und/oder Hyperaktivität, wie in (1) und/oder (2) beschrieben, welches das Funktionsniveau oder die Entwicklung beeinträchtigt:
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1.
Unaufmerksamkeit: Sechs (oder mehr) der folgenden Symptome sind während der letzten 6 Monate beständig in einem mit dem Entwicklungsstand nicht zu vereinbarenden Ausmaß aufgetreten und wirken sich direkt negativ auf soziale und schulische/berufliche Aktivitäten aus:
Beachte: Die Symptome sind nicht ausschließlich ein Ausdruck von oppositionellem Verhalten, Trotz, Feindseligkeit oder der Unfähigkeit, Aufgaben oder Anweisungen zu verstehen. Für ältere Jugendliche und Erwachsene (17 Jahre und älter) sind mindestens fünf Symptome erforderlich:
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a.
Beachtet häufig Einzelheiten nicht oder macht Flüchtigkeitsfehler bei den Schularbeiten, bei der Arbeit oder bei anderen Tätigkeiten (z. B.: übersieht Einzelheiten oder lässt sie aus; arbeitet ungenau).
-
b.
Hat oft Schwierigkeiten, längere Zeit die Aufmerksamkeit bei Aufgaben oder beim Spielen aufrechtzuerhalten (z. B.: hat während Unterricht, Vorträgen, Unterhaltungen oder längerem Lesen Schwierigkeiten, konzentriert zu bleiben).
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c.
Scheint häufig nicht zuzuhören, wenn andere ihn bzw. sie ansprechen (z. B.: scheint mit den Gedanken anderswo zu sein, auch ohne ersichtliche Ablenkungen).
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d.
Führt häufig Anweisungen anderer nicht vollständig durch und bringt Schularbeiten, andere Arbeiten oder Pflichten am Arbeitsplatz nicht zu Ende (z. B.: beginnt mit Aufgaben, verliert jedoch schnell den Fokus und ist leicht abgelenkt).nicht aufgrund oppositionellen Verhaltens oder von Verständnisschwierigkeiten)
-
e.
Hat häufig Schwierigkeiten, Aufgaben und Aktivitäten zu organisieren (z. B.: hat Probleme, sequenziell aufeinander folgende Aufgaben zu bewältigen; Schwierigkeiten, Materialien und eigene Sachen in Ordnung zu halten; unordentliches, planlos-desorganisiertes Arbeiten; schlechtes Zeitmanagement; hält Termine und Fristen nicht ein).
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f.
Vermeidet häufig, hat eine Abneigung gegen oder beschäftigt sich häufig nur widerwillig mit Aufgaben, die länger andauernde geistige Anstrengungen erfordern (z. B.: Mitarbeit im Unterricht oder Hausaufgaben; bei älteren Jugendlichen und Erwachsenen: Ausarbeiten von Berichten, Ausfüllen von Formularen, Bearbeiten längerer Texte).
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g.
Verliert häufig Gegenstände, die für bestimmte Aufgaben oder Aktivitäten benötigt werden (z. B. Schulmaterialien, Stifte, Bücher, Werkzeug, Geldbörsen, Schlüssel, Arbeitspapiere, Brillen, Mobiltelefone).
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h.
Lässt sich oft durch äußere Reize leicht ablenken (bei älteren Jugendlichen und Erwachsenen können auch mit der aktuellen Situation nicht in Zusammenhang stehende Gedanken gemeint sein).
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i.
Ist bei Alltagstätigkeiten häufig vergesslich (z. B. bei der Erledigung von häuslichen Pflichten oder Besorgungen; bei älteren Jugendlichen und Erwachsenen umfasst das Vergessen auch Telefonrückrufe zu tätigen, Rechnungen zu bezahlen, Verabredungen einzuhalten).
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2.
Hyperaktivität und Impulsivität: Sechs (oder mehr) der folgenden Symptome sind während der letzten 6 Monate beständig in einem mit dem Entwicklungsstand nicht zu vereinbarenden Ausmaß aufgetreten und wirken sich direkt negativ auf soziale und schulische/berufliche Aktivitäten aus:
-
3.
Beachte: Die Symptome sind nicht ausschließlich ein Ausdruck von oppositionellem Verhalten, Trotz, Feindseligkeit oder der Unfähigkeit, Aufgaben oder Anweisungen zu verstehen. Für ältere Jugendliche und Erwachsene (17 Jahre und älter) sind mindestens fünf Symptome erforderlich.
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a.
Zappelt häufig mit Händen und Füßen oder rutscht auf dem Stuhl herum.
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b.
Steht in Situationen auf, in denen Sitzenbleiben erwartet wird (z. B.: verlässt eigenen Stuhl im Klassenraum, im Büro oder an anderem Arbeitsplatz oder in anderen Situationen, die erfordern, am Platz zu bleiben).
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c.
Läuft häufig herum oder klettert exzessiv in Situationen, in denen dies unpassend ist. (Beachte: Bei älteren Jugendlichen oder Erwachsenen kann dies auf ein subjektives Unruhegefühl beschränkt bleiben.)
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d.
Hat häufig Schwierigkeiten, ruhig zu spielen oder sich mit Freizeitaktivitäten ruhig zu beschäftigen.
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e.
Ist häufig „auf dem Sprung“ oder handelt oftmals, als wäre er bzw. sie „getrieben“ (z. B.: kann nicht über eine längere Zeit hinweg ruhig an einem Platz bleiben bzw. fühlt sich dabei sehr unwohl, z. B. in Restaurants, bei Besprechungen; dies kann von anderen als Ruhelosigkeit oder als Schwierigkeit erlebt werden, mit dem Betreffenden Schritt zu halten).
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f.
Redet häufig übermäßig viel.
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g.
Platzt häufig mit den Antworten heraus, bevor die Frage zu Ende gestellt ist (z. B.: beendet die Sätze anderer; kann in Unterhaltungen nicht abwarten, bis er bzw. sie mit Reden an der Reihe ist).
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h.
Kann häufig nur schwer warten, bis er bzw. sie an der Reihe ist (z. B. beim Warten in einer Schlange).
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i.
Unterbricht und stört andere häufig (z. B.: platzt in Gespräche, Spiele oder andere Aktivitäten hinein; benutzt die Dinge anderer Personen, ohne vorher zu fragen oder ohne Erlaubnis; bei älteren Jugendliche und Erwachsenen: unterbricht oder übernimmt Aktivitäten anderer).
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B. Mehrere Symptome der Unaufmerksamkeit oder der Hyperaktivität-Impulsivität treten bereits vor dem Alter von 12 Jahren auf.
C. Mehrere Symptome der Unaufmerksamkeit oder der Hyperaktivität-Impulsivität bestehen in zwei oder mehr verschiedenen Lebensbereichen (z. B. zu Hause, in der Schule oder bei der Arbeit: mit Freunden oder Verwandten; bei anderen Aktivitäten).
D. Es sind deutliche Hinweise dafür vorhanden, dass sich die Symptome störend auf die Qualität des sozialen, schulischen oder beruflichen Funktionsniveaus auswirken oder dieses reduzieren.
E. Die Symptome treten nicht ausschließlich im Verlauf einer Schizophrenie oder anderen psychotischen Störung auf und können auch nicht durch eine andere psychische Störung besser erklärt werden (z. B. affektive Störung, Angststörung, dissoziative Störung, Persönlichkeitsstörung, Substanzintoxikation oder -entzug).
Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) des Erwachsenenalters
-
25.1
Terminologie717
-
25.2
Epidemiologie und Verlauf717
-
25.3
Symptomatik und Typisierung718
-
25.4
Ätiologie und Pathogenese720
-
25.5
Differenzialdiagnostischer Prozess721
-
25.6
Therapie722
25.1
Terminologie
Resümee
Die ADHS, eine der häufigsten Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter, kann unter einem Symptomwandel bis ins Erwachsenenalter persistieren und gilt als eigenständiges und klinisch relevantes Krankheitsbild.
25.2
Epidemiologie und Verlauf
25.2.1
Prävalenz
25.2.2
Verlauf
25.2.3
Komplikationen und Komorbidität
Resümee
Die ADHS des Erwachsenenalters ist ein Risikofaktor für viele andere psychische Störungen (insbesondere Suchterkrankungen, affektive und Persönlichkeitsstörungen) sowie negative psychosoziale Konsequenzen.
25.3
Symptomatik und Typisierung
25.3.1
Symptomatik
-
•
KonzentrationsproblemeKonzentrationsstörungenADHS, leicht ablenkbar, unaufmerksam oder verträumt
-
•
Nervös, zappelig, geringes Durchhaltevermögen mit vorzeitigem Abbruch von Tätigkeiten (z. B. Hausaufgaben, Spielen)
-
•
Aufbrausend, Wutanfälle (z. B. Streit mit anderen), Gefühlsausbrüche, häufig ärgerlich, starke Stimmungsschwankungen
-
•
Impulsiv, Handeln ohne nachzudenken, Verlust der Selbstkontrolle, Neigung zu unvernünftigen Handlungen (z. B. Unfälle, riskante Spiele, Schulauffälligkeiten, Schlägereien), Tendenz zu Unreife
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•
Einerseits oft ungehorsam, rebellisch, aufsässig, andererseits oft ängstlich, besorgt, depressiv, unglücklich; geringes Selbstwertgefühl und Schuldgefühle
-
•
Probleme mit anderen Kindern, keine beständigen Freundschaften, Probleme mit Autoritäten (Schule), insgesamt mäßiger Schüler mit langsamem Lerntempo, insbesondere Probleme in Mathematik und/oder Rechtschreibung
-
•
Unaufmerksamkeit und Konzentrationsstörungen: DieAufmerksamkeitsstörungenADHSKonzentrationsstörungenADHS Patienten sind vergesslich oder „mit ihren Gedanken woanders“, sie wirken geistesabwesend oder verträumt und unaufmerksam. Im Gespräch hören sie schlecht zu und wechseln oft das Thema, haben ständig neue Einfälle oder sind ablenkbar mit dem Eindruck eines „chaotischen Gesprächsstils“, der manchmal sogar den Verdacht auf eine schizophrene Denkstörung aufkommen lässt.
-
•
Desorganisiertheit: SieDesorganisiertheit, ADHS kann Folge der kognitiven Beeinträchtigungen und/oder der Impulsivität (s. u.) sein: Die Patienten halten Arbeiten und Tätigkeiten, die eine lange Aufmerksamkeitsspanne erfordern (z. B. Vorlesungen, Seminare, Sitzungen), nicht durch. Sie verlieren häufig Gegenstände (z. B. Geldbeutel, Schlüssel) oder vergessen Termine. Arbeiten zu organisieren, zu planen und selbstständig Aktivitäten in Angriff zu nehmen ist i. d. R. mit großen Schwierigkeiten verbunden. Begonnene Aktivitäten werden nicht beendet, Anordnungen nicht durchgeführt. Berufliche und private Probleme resultieren aus der Unfähigkeit, sich unterzuordnen, und dem Unvermögen, sich seine Zeit einzuteilen. Die Betroffenen können sich nicht entscheiden oder beginnen mehrere Aktivitäten planlos gleichzeitig. Häufige, oft schwer erklärliche Arbeitsplatzwechsel und -verluste sind typisch. Im anderen Extrem (vor allem beim rein aufmerksamkeitsgestörten Typ ohne Hyperaktivität, s. u.) wirken sie antriebslos, ohne Eigeninitiative, wortkarg und ziehen sich sozial zurück.
-
•
Impulsivität: DieImpulsivität, ADHS Patienten handeln unüberlegt ohne Risikoeinschätzung (z. B. im Straßenverkehr oder beim Sport) oder entscheiden ohne differenzierte Überlegung (z. B. häufige Partnerwechsel, Arbeitsplatzwechsel, s. auch unter Desorganisiertheit). Einfache Formen sind Dazwischenreden, Unterbrechen der Gesprächspartner, Ungeduld und Unvermögen, Handlungen im Verlauf zu protrahieren, ohne dabei Unwohlsein zu empfinden.
-
•
Emotionale Instabilität: AuffälligADHSemotionale Instabilität/Überreagibilität sind häufig rasche Stimmungswechsel, die kurz anhalten und schnell durch gegenteilige Affekte abgelöst werden. Die Palette reicht von Wut und Aggressivität über Deprimiertheit bis hin zu Euphorie, oft vor dem Hintergrund allgemeiner Unzufriedenheit, Langeweile und Suche nach Stimulation. Typischerweise führen kleine Anlässe zu solchen Stimmungswechseln, und die affektiven Reaktionen sind oft durch die beschriebene Impulsivität kompliziert. Die Patienten reagieren überschießend auf alltägliche Stressoren, beschreiben sich als gestresst (emotionale Überreagibilität) und/oder sind andauernd gereizt mit verminderter Frustrationstoleranz.
-
•
Hyperaktivität: DieHyperaktivitätADHS motorische UnruheUnruhemotorische des Kindesalters verschwindet oft im Erwachsenenalter oder wird diskreter, während die anderen Symptome persistieren. Ein Teil der Patienten bleibt dennoch sichtbar motorisch unruhig (typisch sind z. B. ständiges Wippen mit den Füßen oder Händetrommeln, Rutschen auf dem Stuhl nach einiger Zeit). Häufiger wird im Erwachsenenalter innere UnruheUnruheinnere berichtet, die Patienten sind chronisch angespannt und unfähig zu entspannen. Sie sind zu ruhigen Tätigkeiten oft nicht in der Lage, schnell gelangweilt, brauchen ständig Anregung und Aktivität (entsprechend werden Handlungen, die nicht unmittelbar belohnt werden, selten beibehalten). Viele Patienten „brauchen“ regelmäßig motorische Bewegung (z. B. Laufen, Radfahren), um im Alltag überhaupt „funktionieren“ zu können.
25.3.2
Diagnosekriterien
Ausblick auf ICD-11
6A05 Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS)
25.3.3
Zusatzdiagnostik
Resümee
Die ADHS im Erwachsenenalter ist durch Aufmerksamkeitsstörungen, Desorganisiertheit, Impulsivität und fakultativ durch Hyperaktivität und emotionale Instabilität gekennzeichnet. Die Symptome sind durchgehend seit der Kindheit und Adoleszenz vorhanden. Wie im Kindesalter sind erwachsene Patienten mit reinen Aufmerksamkeitsstörungen von solchen mit zusätzlicher Hyperaktivität zu differenzieren.
25.4
Ätiologie und Pathogenese
Resümee
Bei der ADHS handelt es sich primär um eine genetische Erkrankung. In Studien wurden u. a. Auffälligkeiten im Katecholaminsystem und im frontostriatalen Regelkreis gefunden.
25.5
Differenzialdiagnostischer Prozess
-
•
Organische Störungen: In der Kindheit sind vor allem schwerere Hirnerkrankungen, Epilepsien (z. B. Absencen) und Ticstörungen, Chorea, fragiles X-Syndrom, beim Erwachsenen vor allem Schilddrüsenerkrankungen, RLS und alle primären Hirnerkrankungen zu nennen. Sie sollten vor der Diagnose einer primären ADHS ausgeschlossen werden.
-
•
Schizophrenien: Desorganisiertheit, kognitive Störungen, „Knick in der Lebenslinie“, multiple unspezifische Symptome und formale Denkstörungen mit gelegentlichen Phobien machen Verwechslungen mit „symptomarmen, blanden“ oder „prodromalen“ Schizophrenien möglich. Umgekehrt kommen tatsächlich Symptome der ADHS auch bei gesicherten Schizophrenien als Residual- bzw. Prodromalsymptome vor.
-
•
Angst- und affektive Störungen: Angststörungen und affektive AngststörungenDDStörungen sind häufige Affektive StörungenADHSKomplikationen bzw. komorbide Störungen der ADHS: Werden die zugehörigen Diagnosekriterien erfüllt, sollten diese Diagnosen gestellt und entsprechend behandelt werden. Manchmal ist nicht sicher zu entscheiden, ob die im Verlauf der Hyperaktivitätsstörung oft untypischen, häufig nur kurz oder reaktiv ausgelösten affektiven und Angstsymptome bereits als behandlungsbedürftige Angststörung oder als affektive Störung zu diagnostizieren sind. Situationsabhängige Auslösung und Beendigung (z. B. durch erzwungene Inaktivität, fehlende Stimulation), Fehlen von Periodizität und längeren abgrenzbaren Phasen (über einige Tage oder sogar Wochen) sprechen gegen eine komorbide affektive Störung.
-
•
Persönlichkeitsstörungen (PS; vor allem PersönlichkeitsstörungenADHSemotional instabile, dissoziale, ängstlich-vermeidende PS): Die Diagnose mancher PS basiert auf ähnlichen Diagnosekriterien wie die ADHS, und tatsächlich ähnelt die persistierende ADHS in ihrem Verlauf einer PS, da es sich um früh beginnende durchgehende Merkmale handelt, die als Persönlichkeitszüge imponieren. Sind die Kriterien einer ADHS erfüllt (Symptome bereits in der Kindheit vorhanden), ist es nicht notwendig, eine weitere PS mit ähnlichen Symptomen zu diagnostizieren (z. B. emotional instabile oder ängstlich-vermeidende PS). Dissoziale Verhaltensweisen sind zwar häufige Folgen der ADHS, gehören aber nicht primär zu ihrer Symptomatik und sollten deswegen im Erwachsenenalter zusätzlich als dissoziale PS diagnostiziert werden. In der Regel handelt es sich bei dieser Gruppe um eine auch genetisch (familiär) abgrenzbare Untergruppe der ADHS, die bereits in der Kindheit und Jugend die Kriterien der hyperkinetischen Störung des SozialverhaltensSozialverhaltensstörungenhyperkinetische erfüllte. Auch die Selbstverletzungen und die chronische Selbstschädigung/-verletzungADHSSuizidalität der Borderline-SuizidalitätADHSADHSSuizidalitätStörung gehören nicht primär zur ADHS, auch wenn sich die sonstigen Kriterien der beiden Störungen überlappen. Neuere Untersuchungen weisen darauf hin, dass es sich beim impulsivenEmotional instabile Persönlichkeitsstörungimpulsiver Typ Subtyp der emotional instabilen PS primär um Patienten mit ADHS handeltEmotional instabile PersönlichkeitsstörungADHS-Symptome. Die Selbstverletzungen werden meist zur Spannungsregulation eingesetzt, die bei ADHSSelbstverletzungender ADHS (Anspannungszustände sind bei der ADHS ähnlich häufig!) z. B. durch Sport, Sexualität, Impulsivität, Aggressivität oder Substanzen präferenziell durchgeführt wird. Wenn diese Möglichkeiten bei einer ADHS verwehrt sind, z. B. durch gehäuften Missbrauch mit PTBS (ADHS-Patienten haben ein höheres Risiko, missbraucht zu werden), entsteht aus einer unkomplizierten ADHSADHSKomorbidität eine Borderline-Störung, die zusätzlich diagnostiziert wird. Entsprechend lassen sich bei ca. 50 % der Patienten mit Borderline-Störung ADHS-SymptomeBorderline-PersönlichkeitsstörungADHS-Symptome in der Kindheit, bei ca. 15–30 % in das Erwachsenenalter persistierende ADHS-Symptome nachweisen; in klinischen Populationen ist der Anteil sogar noch erheblich höher.
-
•
Schlafstörungen: Bei Patienten SchlafstörungenADHSmit Aufmerksamkeitsschwierigkeiten und erhöhtem BMI (vor allem > 25) sollte auch an ein Schlafapnoe-Syndrom gedacht und die Schlafapnoe-SyndromDDentsprechende Diagnostik in einem Schlaflabor veranlasst werden.
Resümee
Die ADHS muss vor allem gegen organische psychische Störungen, affektive Störungen, Angststörungen und Persönlichkeitsstörungen abgegrenzt werden.
25.6
Therapie
25.6.1
Pharmakotherapie
EbM
Verglichen mit Placebo profitieren Erwachsene mit ADHS im Kurzzeitverlauf von einer Stimulanzienmedikation bei einer allerdings aufgrund von Nebenwirkungen signifikant erhöhten Abbruchrate (Evidenzstufe Ia: Castells et al. 2011).
Durchführung einer Stimulanzientherapie
25.6.2
Psychotherapie (
)
Leitlinien
Die NICE Guidelines und die S3-Leitlinien empfehlen kognitiv-behaviorale Therapie bei gering ausgeprägter ADHS, Kontraindikationen gegen eine Medikation, Residualsymptomatik unter einer ADHS-spezifischen Medikation und/oder dem expliziten Wunsch des Patienten, auf eine Medikation zu verzichten.
EbM
Verglichen mit unbehandelten Kontrollen profitieren erwachsene ADHS-Patienten im Kurzzeitverlauf von einer kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) hinsichtlich Aufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität (Evidenzstufe Ia: Lopez et al. 2018). KVT in Verbindung mit einer medikamentösen Therapie war in dieser Metaanalyse einer medikamentösen Monotherapie überlegen. Aufgrund der noch immer im Vergleich zur Medikation eher spärlichen Datenlage besteht zur Absicherung dieser Befunde noch der Bedarf an weiteren, insbesondere länger angelegten Studien mit entsprechenden Follow-up-Untersuchungen zur Beurteilung des Langzeitverlaufs.
Resümee
Die ADHS im Erwachsenenalter kann pharmakotherapeutisch behandelt werden: Am wirksamsten sind Stimulanzien.
Literatur
Die Literatur zu diesem Kapitel finden Sie auf der Homepage zu diesem Buch unter http://else4.de/literatur-kap25.


Literatur
25.1 Übersichtsarbeiten
Faraone et al., 2000
Krause et al., 1998
Overmeyer and Ebert, 1999
Wender, 1995
25.2 Epidemiologie und Verlauf
Kim et al., 2011
Philipsen et al., 2006
Polanczyk et al., 2007
25.3 Symptomatik und Typisierung
Caye et al., 2016
Christiansen et al., 2011
Retz-Junginger et al., 2002
Rösler et al., 2004
Ward et al., 1993
Wender, 2000
25.4 Ätiologie und Pathogenese
Cubillo and Rubia, 2010
Jokiranta-Olkoniemi et al., 2016
Krause et al., 2000
Todd and Boderon, 2001
25.5 Therapie
Adler et al., 2005
Adler et al., 2006
Adler et al., 2009
Bramham et al., 2009
Castells et al., 2011
Durell et al., 2010
Ebert et al., 2003
Faraone and Glatt, 2010
Faraone et al., 2004
Groß et al., 2017
Hesslinger et al., 2002
Kösters et al., 2009
Matthies et al., 2008
Michelson et al., 2003
Peterson et al., 2008
Philipsen et al., 2007
Philipsen et al., 2015
Rostain and Ramsay, 2006
Safren et al., 2005
Safren et al., 2010
Spencer et al., 2005
Solanto et al., 2010
Stevenson et al., 2002
Stevenson et al., 2003
Verbeeck et al., 2009
Virta et al., 2008
Virta et al., 2010
Wilens et al., 2002
Wilens et al., 2003
Wilens et al., 2005
Zylowska et al., 2008
Links
ADHS Deutschland,
ADHS Deutschland e. V., gemeinnützig anerkannter Bundesverband zahlreicher Eltern- und Betroffeneninitiativen in Deutschland: www.adhs-deutschland.de/Vorstand der Bundesärztekammer,
Vorstand der Bundesärztekammer: Stellungnahme zur „Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS)“ www.bundesaerztekammer.de/page.asp?his=0.7.47.3161.3163Leitlinien
AWMF, 2017
Systematische Cochrane Reviews (www.cochrane.de/deutsch
Castells et al., 2011
Lopez et al., 2018
Patientenratgeber
Hallowell and Ratey, 1999
NICE, 2008
Nyberg et al., 2013