102.2
ÄAppO 2002 und 2012: Implikationen für den Fachbereich Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
Mit der Novellierung der ärztlichen Approbationsordnung (ÄAppO) im Jahre 2002 (Approbationsordnung für Ärzte 2002) wurden insbesondere affektive Lehr- und Lerninhalte in Form von sozialen, kommunikativen und interpersonellen Kompetenzen in den Mittelpunkt der Ausbildung von Medizinstudierenden gerückt. Bei der Umsetzung und Integration dieser Ausbildungsziele kommt damit dem Fach Psychosomatische Medizin und Psychotherapie eine besondere Rolle und Verantwortung zu (Strauß und Köllner 2003). Dieser Auftrag wurde mit der neuen ÄAppO 2012 noch erweitert, indem die „ärztliche Gesprächsführung“ nicht nur ausdrücklich als Lerngegenstand, sondern auch als relevanter Prüfungsinhalt der Staatsexamina zum Studienabschluss aufgenommen wurde (Approbationsordnung für Ärzte 2012).
102.2.1
Psychosomatische Medizin und Psychotherapie als zentrales Kernfach
Psychische und psychosomatische Störungen sind für das Gesundheitssystem von zentraler Bedeutung. Zudem werden der Verlauf sowie die Prognose von primär somatischen Erkrankungen maßgeblich durch psychische Komorbiditäten mitbestimmt (Herzog et al. 2003; Klesse et al. 2008). Hierdurch kommt der Vermittlung psychosomatischer Fachkompetenzen ein hoher Stellenwert in der Ausbildung der angehenden Medizinstudierenden zu. Von besonderer Wichtigkeit ist hierbei, dass die zu vermittelnden Lerninhalte den Studierenden im Rahmen von praxisorientierten Unterrichtseinheiten direkt erfahrbar und zugänglich gemacht werden. Dies geschieht derzeit vor allem durch die Vorstellung von Patienten in Seminaren und Praktika, bei Unterrichtsveranstaltungen auf Station sowie durch die Einbindung von Medizinstudierenden im Zuge des Praktischen Jahres (PJ) (Schrauth et al. 2006).
Methodisch werden neben etablierten Unterrichtseinheiten wie der Anamneseerhebung in Kleingruppen (z. B. Keifenheim et al. 2014) oder interaktiv gestalteten Vorlesungen häufig auch innovative Lehrformen wie Arztsoziale, kommunikative, interpersonelle KompetenzenVideoanalysen der Arzt-Patient-Kommunikation oder Elemente der Selbsterfahrung (z. B. Balint-Gruppen) eingesetzt. Wichtig für ein erfolgreiches Arbeiten sind dabei die kontinuierliche Begleitung eines Kurses durch ein und denselben Dozenten sowie ein für die Studierenden erkennbarer „roter Faden“ in Bezug auf Inhalte und Ziele (Fritzsche et al. 2008). Dieser Ansatz der psychosomatischen Lehre, Studierenden nicht nur Wissen, sondern insbesondere die zugehörigen Fähigkeiten und Haltungen im Sinne von ärztlichen Kompetenzen zu vermitteln, entspricht erfreulicherweise den nationalen und internationalen Entwicklungen einer kompetenzbasierten Lehre (Frenk 2010).
In Deutschland spiegelt dies der Nationale Lernzielkatalog Medizin
Nationaler Kompetenzbasierter Lernzielkatalog Medizin (NKLM) wider (
Fischer 2015;
www.nklm.de/kataloge/nklm/lernziel/uebersicht), in dem für alle Lerninhalte des Medizinstudiums (inkl. affektiver und kommunikativer Lernziele) die erforderlichen Kompetenzstufen sowie Ausbildungsphasen (z. B. Grundlagenkompetenz vs. PJ-Kompetenz) definiert sind, bis zu denen die Studierenden diese Kompetenzen zu erlangen haben. Insbesondere die Arbeitspakete zur ärztlichen Gesprächsführung (Arbeitspakete 7 „Der Arzt und die Ärztin als Kommunikator“ und 14c „Fertigkeiten ärztlicher Gesprächsführung“) und „Professionell Handelnder“ (Arbeitspaket 11) spiegeln in besonderer Weise die zentralen Anliegen des Fachs Psychosomatische Medizin und Psychotherapie wider (
Jünger et al. 2016;
Weidner et al. 2015;
Tab. 102.1). Die Etablierung eines nationalen Lernzielkatalogs reflektiert auch internationale Bemühungen und Initiativen, prozedural-kommunikative Kompetenzen als zentral für die Tätigkeit des Arztes zu verankern und zu operationalisieren und steht damit u. a. in der Tradition der sog. CanMEDs-Kriterien (Canadian Medical Education Directives for Specialists)
CanMEDs (Canadian Medical Education Directives for Specialists) des kanadischen
Royal College of Physicians and Surgeons (Frank 2014).
Es gilt jetzt, die konsensuell erstellten Lernziele in die Ausbildungscurricula der Fakultäten in Deutschland zu integrieren.
102.2.2
Vermittlung kommunikativer Fertigkeiten als zentrale Kernkompetenz
Psychosomatische MedizinKernkompetenzenDie in der neuen ÄAppO betonten sozialen, kommunikativen und interpersonellen Fähigkeiten stellen zentrale Kernkompetenzen der psychosozialen Fächer dar. Im Sinne eines constructive alignment sollten dabei die jeweils eingesetzten Lehrmethoden passend zu den entsprechenden Lernzielen gewählt werden. Hierzu stehen unterschiedliche Methoden zur Verfügung: Für die Vermittlung kommunikativer und interpersoneller Fertigkeiten bietet z. B. das RollenspielPsychosomatische MedizinLehreRollenspiel einen wertvollen Einstieg. Bei den hierbei simulierten Arzt-Patient-Kontakten (Nestel und Tierney 2007; Dieckmann et al. 2008) werden den Studierenden neue Einblicke in die Patient- und Arztperspektive gewährt.
Dies unterstützt den Lernprozess hin zu einer verbesserten Selbst- und Fremdeinschätzung und ermöglicht somit eine nachhaltige Reflexion der Arzt-Patient-Begegnung. Besonders der im Rollenspiel erlangte Einblick in die Patientenrolle und das Sich-Einfühlen in dieselbe ermöglicht im Verlauf einen verbesserten Zugang zu den Bedürfnissen der Patienten (Bosse et al. 2012).
Als sehr wertvolle Ergänzung und Erweiterung sind mittlerweile an allen Fakultäten die erstmals von Barrows (1968) beschriebenen sog. standardisierten PatientenPatientenstandardisierteStandardisierte Patienten (SP) etabliert (Nikendei et al. 2003; Ortwein 2006)Psychosomatische MedizinLehrestandardisierte Patienten. SP sind nach einem spezifischen Training in der Lage, anhand von Rollenskripten selbst komplexe Krankheitsbilder und Lebensgeschichten darzustellen. Die SP bieten eine sehr hohe Realitätstreue, die sich u. a. darin zeigt, dass diese von erfahrenen Ärzten nicht als Schauspieler erkannt werden (Vu und Barrows 1994) und ähnliche psychophysiologische Reaktionen wie in realen Gesprächskontakten hervorrufen (Rieber et al. 2009). Die durch die SP gebotene Bandbreite an für den späteren Berufsalltag relevanten Simulationen von Patient-Arzt-Begegnungen eröffnet den Studierenden vielfältige Übungsmöglichkeiten. Neben alltäglichen Standardsituationen können dabei auch solche dargestellt werden, die realen Patienten nicht zumutbar (z. B. Überbringen schwerwiegender Diagnosen) oder aus zeitlich-organisatorischen Gründen im Rahmen der Studentenkurse nicht umsetzbar sind (z. B. Folge-Konsultationen im Therapieverlauf). Zudem helfen derartige Übungseinheiten nachweislich, das Verständnis kommunizierter Inhalte aufseiten der Patienten zu verbessern (Werner et al. 2013).
Didaktisch von herausragender Bedeutung und für den Lernerfolg von entscheidender Wichtigkeit ist die durch das Medium SP gebotene Möglichkeit eines strukturierten und professionellen Feedbacks bzgl. der Kommunikation und Interaktion (Bokken et al. 2009).
Hierfür werden die SP nicht nur medizinisch-inhaltlich, sondern auch didaktisch-schauspielerisch geschult, was einen erhöhten finanziellen und organisatorischen Aufwand erfordert. Obwohl der Einsatz von SP als Lehrmethode an den medizinischen Fakultäten weit verbreitet ist (Kruppa et al. 2009), erschließt sich damit für den Fachbereich der Psychosomatik ein methodisch-didaktisches Potenzial, das zukünftig in einem noch größeren Ausmaß genutzt werden sollte.
Grundvoraussetzung für eine hochwertige Vermittlung kommunikativer Elemente stellt dabei die entsprechende Ausbildung von ärztlichen Dozierenden dar. An zahlreichen Standorten existieren qualifizierende Dozentenschulungen im Sinne des faculty development (Roos et al. 2014), innerhalb derer die Teilnehmer im Rahmen von Selbsterfahrungseinheiten und Simulationen an die Aufgabe der Vermittlung kommunikativer Kompetenzen herangeführt werden. Diese Form der Qualifizierungsmaßnahmen kann auf Landes- (z. B. Hochschullehrerzertifikat Baden-Württemberg) oder Bundesebene (z. B. MME-D, Master of Medical Education; Huwendiek und Scheffer 2006; Jünger et al. 2008) fortgesetzt oder verstetigt werden.
Ebenso spielen die Ausbildung und der Einsatz studentischer TutorenPsychosomatische MedizinLehrestudentische Tutoren eine große Rolle (Ringel et al. 2015); neueste Entwicklung ist hier die Etablierung einer bundesweiten Summer School (Fellmer-Drueg et al. 2016). Auch im Hinblick auf solche Qualifizierungsmaßnahmen ist das aktive Engagement von Vertretern des Fachs Psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowohl aufseiten der Teilnehmenden als auch aufseiten der Dozierenden in besonderem Maße gefordert, um als Experten und Multiplikatoren sichtbar zu werden.
102.2.3
Longitudinale Aspekte der Lehre
Psychosomatische MedizinLehreLängsschnittcurriculaIm Lauf der ärztlichen Sozialisation ist bereits in frühen Abschnitten des Studiums ein Rückgang an Empathiefähigkeit zu beobachten, der häufig eher einem Zynismus der Medizinstudierenden weicht (Wolf et al. 1991; Hojat et al. 2004). Zudem ist über die letzten 20 Jahre eine Verschlechterung des Arztbildes im Bereich der zugeschriebenen interpersonellen Fertigkeiten zu verzeichnen (Schrauth et al. 2009). Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, ist eine möglichst frühe Vermittlung affektiver Lerninhalte in kleinen Lerngruppen anzustreben. Diese Forderung entspricht auch den Wünschen der Medizinstudierenden (Inselmann et al. 1998, Bahrke et al. 1999; Nickel et al. 2004).
Die curriculäre Umsetzung sollte vorzugsweise in Form einer frühen Kontaktaufnahme sowie einer longitudinalen, kontinuierlichen Begleitung in Längsschnittcurricula erfolgen, welche die Studierenden im Sinne einer Lernspirale ärztlicher Basisfertigkeiten durch deren gesamte vorklinische und klinische Ausbildung begleiten.
Aufgrund der Gemeinsamkeiten und Überschneidungsbereiche mit den anderen psychosozialen Fachbereichen ist es möglich, in enger Verknüpfung mit diesen eine Abstimmung bzgl. der gelehrten Inhalte zu erreichen und somit zu gewährleisten, dass die Studierenden im Verlauf der Lernspirale aufeinander aufbauende Lernerfahrungen machen können. Ein solch früher Zugang zu affektiven LerninhaltenPsychosomatische MedizinLehreaffektive Lerninhalte wird häufig durch integrierte Kursanteile unter Leitung studentischer Tutoren (peer-group learning) wie POL-Seminaren (Problemorientiertes LernenProblemorientiertes Lernen; Köhle et al. 1999) oder Konzepten wie den Anamnesegruppen (Schüffel et al. 2003, Köllner et al. 2015) sowie im Rahmen von Balint-Gruppen für Studierende (Söllner et al. 1992; Köhle et al. 2003) ergänzt.
Eine Weiterführung dieser Impulse kann in longitudinalen Curricula umgesetzt werden, wobei beispielhaft für bereits erfolgreich etablierte Modelle das Projekt „Medizinische Psychologie, Psychotherapie und Psychosomatik“ in Ulm (Allert et al. 2002; Schüppel et al. 1998), das DIPOL-Curriculum der TU Dresden („Dresdner Integratives Problem-/Praxis-/Patienten-Orientiertes Lernen“; Köllner et al. 2003) und Medi-KIT in Heidelberg (Medizinisches Kommunikations- und Interaktionstraining; Schultz et al. 2007; Jünger et al. 2003, Jünger et al., 2015) genannt werden können.
Bundesweit wurde zudem im Februar 2016 das Nationale longitudinale Mustercurriculum Kommunikation
KommunikationNationales longitudinales MustercurriculumNationales longitudinales Mustercurriculum Kommunikation mit einem Kerncurriculum von 300 Unterrichtseinheiten verabschiedet (
www.medtalk-education.de;
Abb. 102.1).
102.2.4
Das Praktische Jahr (PJ) im Fachbereich Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
Psychosomatische MedizinPraktisches JahrDas Praktische JahrPraktisches Jahr (PJ) stellt die letzte Stufe der studentischen Ausbildung vor Erreichen der ärztlichen Approbation dar. Neben den festgelegten Pflichttertialen in Innerer Medizin und Chirurgie können die Studierenden sich im Rahmen des PJ-Wahlfachs noch einmal intensiv mit unserem Fach auseinandersetzen (ÄAppO). Um eine strukturierte Ausbildung zu ermöglichen, werden seit April 2014 auch für die Wahlfachbereiche PJ-verpflichtend Logbücher eingesetzt, welche die durchgeführten Tätigkeiten der Studierenden festhalten. Darüber hinaus definieren sie Lernziele und Erwartungshorizont für die Tätigkeiten der PJ-Studierenden und können als Kommunikationsinstrument in den Gesprächen mit den fachspezifischen PJ-Betreuern sowie den betreuenden Ärzten auf Station oder in der Praxis fungieren.
Eine große Rolle spielen hierbei sog. Entrustable Professional Activities (EPAsEPAs (Entrustable Professional Activities)).Entrustable Professional Activities (EPAs) Sie bestehen aus arbeitsbezogenem Wissen, Fähigkeiten und Haltungen und beziehen sich auf definierte operationalisierte Kompetenzen im Rahmen umschriebener professioneller Handlungen, die überprüft werden können.
EPAs erlauben eine individuelle Betrachtung jedes einzelnen Studierenden, indem sie definieren, wie viel Supervision nun genau dieser Studierende bei genau jener Tätigkeit benötigt bzw. welche Dinge bereits allein ohne Supervision durchgeführt werden können (Hauer et al. 2013). Eine Besonderheit des PJ-Tertials in der Psychosomatik ist zudem die Gelegenheit, unter Supervision psychotherapeutisch tätig zu werden. Dies eröffnet den Studierenden die Möglichkeit, nicht nur intensiv mit Patienten in Kontakt zu treten, sondern unter Anleitung auch ihre eigene ärztliche bzw. therapeutische Haltung zu entwickeln und zu reflektieren.
102.2.5
Quervernetzungsaspekte mit den klassischen somatischen Fächern
Neben der vertikalen Vernetzung muss dem hohen Anteil psychischer und psychosomatischer Erkrankungen in den klassischen somatischen Fachbereichen (Friederich et al. 2002) auch durch horizontale Verknüpfungen Rechnung getragen werden. Außer im Rahmen oben beschriebener Längsschnittcurricula sind für diese Aufgabe Wahlpflichtfächer (WPV)Wahlpflichtfächer (WPV) sowie Querschnittsbereiche (QB)Querschnittsbereiche (QB) geeignete Formate:
-
•
Wahlpflichtfächer (WPVPsychosomatische MedizinLehreWahlpflichtfächer (WPV)) dienen der Inhaltsvertiefung in Neigungsbereichen der Medizinstudierenden. Das Potenzial der WPV begründet sich insbesondere auch darin, dass sie eine exzellente Gelegenheit darstellen, das Fach Psychosomatische Medizin und Psychotherapie in seiner genuinen Funktion als „Bindeglied“ und „Übersetzungshilfe“ zwischen somatischen und psychosozialen Fachbereichen zu fungieren.
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Querschnittsbereiche (QBPsychosomatische MedizinLehreQuerschnittsbereiche (QB)) vermitteln als interdisziplinäre Seminare fest curriculär verankert übergeordnete Themenbereiche, die in einem interdisziplinären Zugang unterrichtet werden. Hier bietet sich je nach Themenschwerpunkt für die Psychosomatik eine Gelegenheit zur interdisziplinären Lehre. Neben den bereits im Zuge der ÄAppO von 2002 eingerichteten, für die Psychosomatik interessanten QB sind in den letzten Jahren noch zwei weitere relevante QB entstanden: Im QB 13 „PalliativmedizinPalliativmedizin“ findet der breite Aspekt der Psychoonkologie Platz. Im QB 14 „SchmerzmedizinSchmerzmedizin“ hingegen bietet sich die Möglichkeit, den Studierenden die psychosoziale Dimension chronischer Schmerzen zu verdeutlichen (Seidemann et al. 2015).
Eine weitere neue Herausforderung für die Psychosomatische Medizin und Psychotherapie als ein Verbindung schaffendes Fach ist die Integration von verschiedenen Gruppen innerhalb der Medizinstudierenden, aber auch der unterschiedlichen Berufsgruppen. So ist es eine neue Aufgabe, interkulturelle und interprofessionelle Unterrichtsformate zu schaffen und hier insbesondere den Austausch über unterschiedliche Ansätze hinsichtlich Kommunikation und Interaktion, aber auch hinsichtlich eines Verständnisses von Gesundheit sowie von Krankheitskonzepten zu ermöglichen und zu fördern (Hahnich et al. 2013).
102.2.6
Überprüfung von Lerninhalten
Um die Vermittlung der Lehr- und Lerninhalte zu überprüfen, wurde die Prüfungskultur im Rahmen der neuen ÄAppO ebenfalls modernisiert und angepasst. Zum einen muss sich die PsychosomatikPsychosomatische MedizinÜberprüfung von Lerninhalten wie alle anderen Fächer der Herausforderung einer Standardisierung und Objektivierung von dezentralen, in der Verantwortung der Fakultät liegenden Prüfungen stellen und zum anderen für jede Lehrveranstaltung eine eigenständige Note vergeben, die in eine Gesamtnote für das Fach eingeht und im Endzeugnis der Studierenden abgebildet ist.
Die zunehmende Orientierung von medizinischen Inhalten an zuvor definierten Kompetenzen zeigt sich auch im kompetenzorientierten Prüfen. Führende Leitfrage ist hierbei, was die Medizinstudierenden am Ende der Unterrichtseinheit können sollen und welche Fertigkeiten hierfür notwendig sind. Beispiele für praxisnahe Prüfungsformen sind OSCE-OSCE-PrüfungenPsychosomatische MedizinÜberprüfung von LerninhaltenOSCE (Objective Structured Clinical Examination; z. B. Jünger et al. 2005) oder Mini-CEX-PrüfungenMini-CEX-PrüfungenPsychosomatische MedizinÜberprüfung von LerninhaltenMini-CEX (z. B. Norcini et al. 2003). Hierbei werden im Rahmen von simulierten Szenarien Handlungen und Verhalten im Kontext direkt beobachtbar gemacht und aufgrund der hohen Standardisierung (z. B. durch Checklisten) reliable und valide Prüfungsinstrumente geschaffen. Mit der Entwicklung solch neuer Prüfungsformen werden eine möglichst realitätsnahe Prüfung am Patienten und der explizite Einbezug von Haltung und Professionalität der Studierenden gewährleistet.
Zunehmende Bedeutung haben in den letzten Jahren arbeitsplatzbasierte PrüfungsverfahrenPsychosomatische MedizinÜberprüfung von Lerninhaltenarbeitsplatzbasierte gewonnen, die direkt im klinischen Kontext bei der Durchführung umschriebener Aufgaben (z. B. Führen eines Aufklärungsgesprächs, Übergabe eines Patienten an Pflege oder Kollegen, strukturierte Falldiskussion) angewandt werden (AMEE Guide 31, Norcini et al. 2008).
Die Notwendigkeit klinisch-praktischer Prüfungen ist zwar unumstritten, doch werden sie bisher noch nicht allen Fakultäten konsequent um- und eingesetzt und sollten auch verstärkt in unserem Fachbereich Einzug halten (Kruppa et al. 2009; Schrauth et al. 2006; Weiss et al. 2016).
102.2.7
Wissenschaftlichkeit des Fachbereichs Psychosomatik und Psychotherapie und deren Vermittlung
Psychosomatische MedizinWissenschaftlichkeitViele relevante Befunde aus dem Bereich der Psychosomatischen Medizin und Psychotherapie sind nicht zuletzt Verdienst einer professionalisierten Wissenschaftsexpertise (
Ehrenthal et al. 2014). Dass Wissenschaftlichkeit im Fachbereich der Psychosomatischen Medizin und Psychotherapie auf Begeisterung und Erfolg stoßen kann, zeigen Initiativen im postgraduierten Bereich. In dem Zusammenschluss mehrerer deutscher Fakultäten (Berlin, Hamburg, Heidelberg, München, Tübingen) werden jedes Jahr mehr als 30 Bewerber in einem 2-jährigen Qualifizierungsprogramm
Psychosomatische MedizinQualifizierungsprogramme an die Entwicklung, Umsetzung und Auswertung wissenschaftlicher Fragestellungen im Bereich der Psychosomatik herangeführt. Neben der hohen Akzeptanz eines solchen Programms (
Hartmann et al. 2008) konnte gezeigt werden, dass diese Innovation zu einer Verbesserung der Wissenschaftsleistung führt (
Löwe et al. 2008). Dieses Modell steht für eine früh in der Weiterbildung etablierte Verankerung wissenschaftstheoretischer bzw. anwendungsbezogener Wissenschaftlichkeit in der Psychosomatischen Medizin und Psychotherapie. Dies entspricht auch den aktuellen Forderungen des Wissenschaftsrates von 2014, dass medizinische Lehre auf Wissenschaftlichkeit fußen und die Studierenden zu selbstständigem wissenschaftlichem Denken und Handeln befähigen soll (Dokument zu beziehen unter
www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/4017–14.pdf).
102.3
Ausblick
Der Paradigmenwechsel in der medizinischen Ausbildung hin zu einer kompetenzorientierten Lehre bedeutet eine große Chance, das biopsychosoziale Modell nicht nur in der Psychosomatik, sondern in der kompletten vorklinischen und klinischen Lehre zugrunde zu legen. So hat sich z. B. die neu gegründete medizinische Fakultät in Augsburg das biopsychosoziale Modell als Leitbild gegeben.
In diesem Sinne bietet sich hier die Möglichkeit, dem Fach Psychosomatische Medizin und Psychotherapie zugehörige Inhalte integriert in die komplette medizinische Ausbildung zu vermitteln und somit bei allen Studierenden ein Bewusstsein für die psychosomatische Denk- und Arbeitsweise zu schaffen.
Im Internet-Bereich des Uexküll Psychosomatische Medizin, 8. Auflage, stehen den Lesern im „Forum Lehre“ weitere Informationen zu neuen Lehrkonzepten zur Verfügung. Mit dem Verlag abzusprechen.