© 2021 by Elsevier GmbH
Bitte nutzen Sie das untenstehende Formular um uns Kritik, Fragen oder Anregungen zukommen zu lassen.
Willkommen
Mehr InformationenB978-3-437-21833-0.00057-7
10.1016/B978-3-437-21833-0.00057-7
978-3-437-21833-0
Elsevier GmbH
Ganzheitliches („psychosomatisches“) Modell der Entstehung von AbhängigkeitAbhängigkeitserkrankungenEntstehungsmodell, ganzheitliches SituationskreismodellAbhängigkeitserkrankungenAbhängigkeitserkrankungenSituationskreis-Modell
[L106]

Typische Begleiterkrankungen bei Patienten mit AlkoholentzugssyndromAlkoholentzugsdelir/-syndromBegleiterkrankungen und AlkoholentzugsdelirWernicke-Korsakow-SyndromPotenzstörungenAlkoholabhängigkeit/-missbrauchPlasma-KatecholamineHypertonieAlkoholabhängigkeit/-missbrauchHyperlipidämieAlkoholabhängigkeit/-missbrauchHyperkortisolismusAlkoholabhängigkeit/-missbrauchHirnatrophie, Alkoholabhängigkeit/-missbrauchDelirAlkoholabhängigkeit/-missbrauchAmenorrhöAlkoholabhängigkeit/-missbrauchAlkoholembryopathieAlkoholabhängigkeit/-missbrauchDelirAlkoholabhängigkeit/-missbrauchBegleiterkrankungen
(modifiziert nach Soyka 2003)
Organe | Erkrankungen |
Leber | Fettleber, Alkoholhepatitis, erhöhte Aktivität von GGT, S-GOT, S-GPT, alkalischer Phosphatase, erhöhtes Ammoniak und Bilirubin; Erniedrigung von Quick, Albumin und Cholinesterase; Fibrose, Zirrhose, Zieve-Syndrom |
Pankreas | Akute/chronische Pankreatitis |
Gastrointestinaltrakt | |
|
Stomatitis, Gingivitis, Karies, Parotisschwellung |
|
Refluxösophagitis |
|
Motilitätsstörung, akute Gastritis, Mallory-Weiss-Syndrom |
|
Duodenojejunitis, Motilitätsstörungen, bakterielle Fehlbesiedlung, Resorptionsstörungen (Glukose, Laktose, Aminosäuren, Thiamin, Folsäure, Vitamin B12, Wasser und Natrium) |
Endokrines System | |
|
Hypogonadismus, Hodenatrophie, Feminisierung, Potenzstörungen |
|
Ovarialinsuffizienz mit Oligo- und Amenorrhö, Hyperkortisolismus (Pseudo-Cushing-Syndrom), Hemmung der Vasopressinsekretion |
Stoffwechsel | Erhöhte Plasmakatecholamin-Konzentration; Hyperlipidämie (meist Typ IV und V); Hypoglykämie, Hyperurikämie, Porphyria cutanea tarda, akute intermittierende Porphyrie |
Kardiovaskuläres System | Alkohol-Kardiomyopathie, Hypertonie, pulmonale Erkrankungen (v. a. bei Nikotinabusus) |
Hämatologisches System, Immunsystem | Makrozytose und Hyperchromie der Erythrozyten, Anämie, Hämolyse; Leukozytose, Leukopenie, Thrombopenie, Funktionsstörung der B- und T-Lymphozyten, Hemmung der Phagozytoseleistung → gehäuft bakterielle Infektionen, Risikoerhöhung für Pharynx-, Larynx- und Ösophagussystem, Leber-, Pankreas-, Kolorektalkarzinome |
Zentrales Nervensystem | Entzugssymptome bis zum Delir; epileptische Anfälle, Wernicke-Korsakow-Syndrom, Hirnatrophie, Tremor |
Peripheres Nervensystem | Polyneuropathie |
Skelett, Muskulatur | Alkoholische Osteopathie, Myopathie, Schädel-Hirn-Traumata (cave: epidurales und subdurales Hämatom!), Rhabdomyolyse, Alkoholembryopathie |
Abhängigkeitssyndrom nach ICD-10 (F1x.2)
-
1.
Starker Wunsch oder Zwang, die Substanz zu konsumierenICD-10AbhängigkeitserkrankungenAbhängigkeitserkrankungenICD-10
-
2.
Verminderte Kontrolle bzgl. Beginn, Beendigung und Menge des Konsums
-
3.
Auftreten eines körperlichen Entzugssyndroms
-
4.
Toleranzentwicklung
-
5.
Eingeengtes Verhaltensmuster im Umgang mit psychotropen Substanzen. Es wird viel Zeit damit verbracht, die Substanz zu bekommen, zu konsumieren oder sich davon zu erholen. Fortschreitende Vernachlässigung anderer Interessen.
-
6.
Anhaltender Substanzgebrauch trotz eindeutiger körperlicher und sozialer Schädigungen
Psychische Störungen durch psychotrope Substanzen nach ICD-10 (F10-F19)
-
1.
Akute Psychotrope Substanzenpsychische StörungenPsychische Störungenpsychotrope SubstanzenIntoxikation (F1x.0)
-
2.
Entzugssyndrom (F10.3)
-
3.
Entzugssyndrom mit Delir (F1x.4)
-
4.
Psychotische Störungen (F1x.5) – treten direkt nach Einnahme oder innerhalb von 2 Wochen nach Substanzeinnahme auf:
-
–
schizophreniform (F1x.50)
-
–
vorwiegend wahnhaft (F1x.51)
-
–
vorwiegend halluzinatorisch (F 1x.52)
-
–
vorwiegend polymorph (F1x.53)
-
–
vorwiegend affektiv (depressiv/manisch oder gemischt) (F1x.54–56)
-
-
5.
Amnestisches Syndrom (F1x.6): Störungen des Kurz- und Langzeitgedächtnisses
-
6.
Restzustände (F1x.7):
-
–
Nachhallzustände (Flashbacks) (F1x.70)
-
–
Persönlichkeits- oder Verhaltensstörungen (F1x.71)
-
–
Affektive Störungen (F1x.72)
-
–
Demenz (F1x.73)
-
–
Anhaltende kognitive Beeinträchtigungen (F1x.74)
-
–
Verzögert auftretende psychotische Störung (F1x.75)
-
Abklärung einer alkoholbezogenen Störung nach AWMF-S3-Leitlinie 2015
-
•
Ausführliche Eigen- und FremdanamneseAlkoholabhängigkeit/-missbrauchAbklärung
-
•
Klinisch somatische Untersuchung
-
•
Bestimmung klinisch relevanter Laborparameter
-
•
Anwendung von Fremd- und Selbstbeurteilungsinstrumenten (fakultativ)
Zur Alkoholanamnese sind folgende Informationen zu explorierenAlkoholabhängigkeit/-missbrauchAnamnese:
-
•
Aktuelle Trinkmenge und Trinkhäufigkeit, trinkfreie Tage bzw. Abstinenzperioden?
-
•
Familienanamnese bzgl. Substanzabhängigkeiten?
-
•
Bisherige Entgiftungs-/Entwöhnungsbehandlungen (ambulant, stationär)?
-
•
Gab es Komplikationen: z. B. Anfälle, delirante Syndrome, „pathologischer Rausch“?
-
•
Verlust der Fahrerlaubnis, Straftaten unter Alkoholeinfluss, Veränderung im sozialen Umfeld in Zusammenhang mit exzessivem Trinken?
Kriterien der Internetabhängigkeit (nach Kratzer 2006)
-
1.
Beschäftigung mit dem Internet, Internetnutzung, pathologische (Internet Addiction Disorder)Kriterienauch wenn man offline ist
-
2.
Toleranzsteigerung: immer mehr Zeit im Internet verbringen, um zufrieden zu sein
-
3.
Unfähigkeit, den Internetgebrauch zu kontrollieren
-
4.
Nervosität und Reizbarkeit bei dem Versuch, den Internetgebrauch zu reduzieren oder ganz darauf zu verzichten
-
5.
Das Internet als Mittel, um vor Problemen zu fliehen oder schlechtes Befinden (Hilflosigkeits- oder Schuldgefühle, Angst, Depression) zu bessern
-
6.
Verheimlichung des Ausmaßes der Beschäftigung mit dem Internet vor der Familie oder Freunden
-
7.
Gefahr oder Verlust von Arbeit, Ausbildungs- oder Karrieremöglichkeiten oder zwischenmenschlichen Beziehungen wegen der übermäßigen Beschäftigung mit dem Internet
-
8.
Weiterführen der übermäßigen Beschäftigung mit dem Internet, auch wenn negative Folgen bekannt sind
-
9.
Entzugserscheinungen im Offline-Zustand
-
10.
Immer wieder länger online bleiben als geplant
Selbstschädigendes Verhalten bei Abhängigkeitserkrankungen
-
57.1
Einleitung610
-
57.2
Epidemiologie610
-
57.3
Diagnosestellung611
-
57.4
Abhängigkeit613
-
57.5
Therapie616
-
57.6
Ausblick617
Patientengeschichte
Herr R. (33 J.), verheiratet, gelernter Bauschlosser, kam zum sechsten Mal in alkoholintoxiziertem Zustand vom Übergangswohnheim für Bewährungshilfe in unsere stationäre psychiatrische Behandlung. Der Pat. zeigte bei der Aufnahme einen deutlichen Händetremor mit Tachykardie, wirkte ängstlich und unruhig. Der Blutalkoholgehalt ergab 2,0 ‰. Er berichtete, seit 2 Jahren völlig alkohol-, medikamenten- und drogenabstinent gewesen zu sein. Zwei Wochen vor der Aufnahme sei es bei ihm zu einem massiven Rückfall gekommen, als er in seinem früheren Stammlokal einkehrte und sich dort mit dem festen Vorsatz, abstinent zu bleiben, ein Mineralwasser bestellte. Beim Beobachten seiner Bier trinkenden Kumpane sei er augenblicklich von einer starken Unruhe und einem massiven Drang nach Alkohol ergriffen worden.
Seitdem trinke er wieder täglich ungefähr einen Kasten Bier und mehrere Schnäpse. Außerdem habe er jeden Abend wieder Haschisch geraucht. Wegen Entzugssymptomen nahm er außerdem wiederum Distraneurin® (2 Tbl. alle 2–3 h) und bis zu 5 mg Rohypnol® täglich ein. Die Tabletten habe er sich von verschiedenen Ärzten verschreiben lassen.
Aufgrund der Vorgeschichte mit schwer beherrschbaren Entzugsanfällen wurde der Pat. medikamentös mit Carbamazepin retard, Clomethiazol und Clonidin behandelt. Danach wurde er mit folgenden Diagnosen in ein benachbartes Krankenhaus verlegt: „Schwere Polytoxikomanie (ICD-10: F19.2) im Rahmen einer kombinierten Persönlichkeitsstörung (F61).“
Zur Biografie ist erwähnenswert, dass sein leiblicher Vater ebenfalls schwerer Alkoholiker war. Unser Pat. wurde unmittelbar nach seiner Geburt von der Mutter in ein Säuglingsheim gegeben und wuchs ebenso wie sein jüngerer Bruder in einem Kinder- und Jugenddorf auf. Von dort aus habe er dann seine Lehre als Kunst- und Bauschlosser mit Erfolg absolviert. Seit dem 17. Lj. begann er vermehrt Alkohol zu trinken, konsumierte gelegentlich Haschisch, Kokain, Amphetamin und auch Heroin. Bei einer heroinabhängigen Frau infizierte er sich mit Hepatitis C. Wegen schwerer Alkoholvergiftungen wurde er mehrfach notfallmäßig in der Klinik behandelt.
Von Anfang Juni bis Ende Juli 1989 wurde er erstmals stationär auf einer Psychotherapiestation behandelt. Nach Hinterfragen seiner flapsigen Art konnte der Pat. wenige Tage nach Aufnahme zugeben, dass er sich nirgendwo heimisch gefühlt habe.
Im Rahmen eines strukturierten Stationsablaufs wurde durch tiefenpsychologisch orientierte Einzel- und Gruppengespräche, Rollenspiele, Gestaltungstherapie und themenzentrierte Interaktionsgruppen versucht, konfliktverarbeitende Strategien zu entwickeln. Das Engagement des Pat. auf Station gestaltete sich äußerst wechselhaft, wobei immer wieder seine Stimmungsschwankungen auffielen und insbesondere seine Ambivalenz bzgl. der Langzeittherapie ein großes Problem darstellte. Durch seine häufigen Regelverstöße und sein lautes, provozierendes Verhalten war der Umgang mit dem Pat. sehr schwierig. Immer wieder versuchte er, seine Eskapaden durch Freundlichkeit und Überanpassung „wiedergutzumachen“, so wie er auch an seinen früheren Arbeitsstellen seine alkoholbedingten Versäumnisse durch enormes Engagement in nüchternem Zustand wieder auszugleichen versucht hatte. Nach mehreren Rückfällen wurde er nach einer Entgiftungsbehandlung von Juni bis Dezember 1990 erneut auf einer Psychotherapiestation behandelt, deren gruppenorientiertes Setting gestalt- und verhaltenstherapeutische sowie interaktionelle und analytisch orientierte Anteile integriert. Herr R. hatte während des Aufenthalts überraschenderweise keine wesentlichen Schwierigkeiten, sich in die Gemeinschaft einzuordnen. Es entstand der Eindruck, als würde er die therapeutische Gruppe als „Ersatz-Zuhause“ annehmen. Es kam zu deutlichen Übertragungen im Sinne von Elternfiguren gegenüber den Therapeuten. Der Pat. konnte im Rahmen der Gruppentherapie (30 h/Wo.) neue Verhaltensmuster sich und anderen gegenüber erarbeiten. Dieser Prozess wurde durch die Forderung seiner alkoholabhängigen schwangeren Freundin unterbrochen, die von ihm die Rückkehr nach Hause verlangte. Herr R. flüchtete zunächst in die Beziehung zu einer älteren Mitpatientin und wurde schließlich erneut alkoholrückfällig. Entlassungsdiagnosen: 1. Alkoholabhängigkeit, gegenwärtig abstinent, aber in beschützender Umgebung (F10.21); 2. kombinierte Persönlichkeitsstörung (F61.0).
57.1
Einleitung
-
•
Welche Faktoren sind es, die für den Abhängigen das Suchtmittel so bedeutsam machen? (Bedeutungserteilung) AbhängigkeitserkrankungenBedeutungserteilung/-verwertung
-
•
Was veranlasst den Süchtigen, sich so zu verhalten, wie er sich verhält? (Bedeutungsverwertung)
57.2
Epidemiologie
57.3
Diagnosestellung
57.3.1
Diagnostische Kriterien
57.3.2
Psychische und somatische Komorbidität
57.3.3
Anamnese
Fragebögen
-
•
Zur standardisierten Diagnosesicherung von Missbrauch bzw. Abhängigkeit von psychotropen Substanzen spielt das Composite International Diagnostic Interview Substance Abuse Module (CIDI-SAM) derzeit CIDI-SAM (Composite International Diagnostic Interview Substance Abuse Module)Psychotrope SubstanzenCIDI-SAMeine wichtige Rolle (Wittchen und Pfister 1996).
-
•
Der einfachste Test zur Feststellung einer Alkoholabhängigkeit ist der CAGE-TestCAGE-Test, Alkoholabhängigkeit/-missbrauch (Mayefield et al. 1974), der vier Fragen umfasstAlkoholabhängigkeit/-missbrauchFragebögenCAGE-Test:
CAGE-Test
-
•
Cut-down: Haben Sie (erfolglos) versucht, Ihren Alkoholkonsum zu reduzieren?
-
•
Annoyed: Ärgern Sie sich über kritische Bemerkungen Ihrer Umgebung wegen Ihres Alkoholkonsums?
-
•
Guilt feelings: Haben Sie Schuldgefühle wegen Ihres Trinkens?
-
•
Eye-opener: Brauchen Sie morgens Alkohol, um erst richtig leistungsfähig zu werden?
-
•
Der Münchner Alkoholismus-Test (MALT) ist als Münchner Alkoholismustest (MALT)Alkoholabhängigkeit/-missbrauchFragebögenMünchner Alkoholismus-Test (MALT)Screeninginstrument mit 24 Items umfangreicher (Feuerlein et al. 1989). Er kombiniert einen Selbstbeurteilungs- mit einem Fremdbeurteilungsbogen, womit etwa 90 % der Alkoholkranken eindeutig diagnostiziert werden können.
-
•
Da der MALT auch Laborwerte beinhaltet und deswegen aufwendig ist, wird von der WHO der Alcohol Use Disorders Identification Test (AUDIT) Alkoholabhängigkeit/-missbrauchFragebögenAUDITAUDIT (Alcohol Use Disorders Identification Test)Alcohol Use Disorders Identification Test (AUDIT)empfohlen, weil er besser als CAGE oder MALT geeignet ist, den momentanen Alkoholkonsum und damit mögliche Komplikationen abschätzen zu können (Wetterling und Veltrup 1997). Wenn die Durchführung des AUDIT zu umfangreich ist, wird die aus drei Fragen bestehende Kurzfassung AUDIT-C empfohlen. Ab einem summierten Wert von 4 Punkten bei Frauen und 5 Punkten bei Männern kann der Verdacht auf eine alkoholbezogene Störung gestellt werden.
-
•
Nach der ICD-10 bestehen die diagnostischen Hauptmerkmale für pathologisches Spielen in häufig wiederholtem episodenhaftem Glücksspiel, das die Lebensführung des Betroffenen beherrscht und zum Verfall der sozialen familiären, beruflichen und materiellen Werte und Verpflichtungen führt. Glücksspieler beschreiben einen kaum kontrollierbaren Drang mit ständiger gedanklicher und bildlicher Vorstellung des Spielvorgangs. Für den deutschsprachigen Raum wurde ein Kurzfragebogen zum GlücksspielverhaltenGlücksspiel(sucht)Kurzfragebogen (KGF) (KGF) Kurzfragebogen zum Glücksspielverhalten (KGF)entwickelt, der die Erfassung einer behandlungsrelevanten Glücksspielproblematik ermöglicht (Petry 2003).
57.3.4
Labor- und bildgebende Untersuchungen
In der klinischen Routine hat sich bei Männern eine Kombination aus dem CDT und der GGT, bei Frauen eine Kombination aus CDT, GGT und MCV als hinreichend sensitiv und spezifisch erwiesen. CDT ist ein verlässlicher spezifischer Marker für rückfälliges Trinken (> 60 g Alkohol/Tag) in den letzten 2 Wochen.
57.4
Abhängigkeit
57.4.1
Grundlagen der Neuropharmakologie und Genetik
Die akute Wirkung von AlkoholAlkoholakute Wirkung kann schlagwortartig dahingehend zusammengefasst werden, dass Alkohol im Prinzip Hemmvorgänge aktiviert und die neuronale Erregung dämpft. Diese Effekte führen bei vielen Menschen zu den bekannten entspannenden und auch angstreduzierenden Wirkungen des Alkohols.
Fortgesetzter Konsum von Suchtstoffen trotz negativer Konsequenzen ist somit kaum als Ausdruck von „Freiheit“, sondern als substanzinduzierte Störung auf das motivationale System des Gehirns zu verstehen. Hieraus leitet sich der medizinische und psychotherapeutische Handlungsbedarf ab.
57.4.2
Neurobiologische und psychologische Modelle zur Entstehung von Abhängigkeit
-
•
Typ 1 beginnt nach dem Alter von 25 Jahren, wobei die Risikovermeidung (harm avoidance) Alkoholabhängigkeit/-missbrauchRisikovermeidung (harm avoidance)besonders ausgeprägt ist.
-
•
Typ 2 ist auf Männer beschränkt und beginnt bereits in der späten Pubertät. Im Persönlichkeitsprofil erscheint Typ 2 als anreizsuchend, impulsiv und leicht erregbar (Soyka 1995). Der Drang nach neuen Erfahrungen (novelty seeking, sensation seeking) ist im Sensation Seeking, Alkoholabhängigkeit/-missbrauchAlkoholabhängigkeit/-missbrauchNovelty/sensation seekingVergleich zu anderen Persönlichkeitsmerkmalen ausgeprägt (Zuckerman 1994).
57.5
Therapie
57.5.1
Psychotherapie
57.5.2
Somatische Therapie mit Anticraving-Substanzen, Antidepressiva und Phasenprophylaktika
Anticraving-Substanzen müssen sinnvoll in ein suchttherapeutisches Gesamtkonzept mit Psychotherapie und soziotherapeutischen Maßnahmen integriert werden. Medikamentös bieten sich bei komorbider Depression nach Evidenzkriterien trizyklische Antidepressiva und alternativ Serotonin-Wiederaufnahmehemmer an. Für die Behandlung bipolarer Störungen sind der Einsatz von KVT und eine Lithium- oder Valproinsäure-Therapie in Betracht zu ziehen.
57.5.3
Typische Fehler bei der Behandlung von Suchtkranken
57.6
Ausblick
Die künftige Therapieforschung muss daher zwei Ziele verfolgen: AbhängigkeitserkrankungenForschungsthemen
-
1.
Primär ambulante psychotherapeutische Behandlungsangebote (evtl. in Kombination mit einem pharmakologischen Rückfallschutz) müssen ausgebaut werden.
-
2.
Durch niedrigschwellige und verbesserte Beratungs- und Motivationsarbeit sollen mehr Suchtkranke frühzeitiger in eine qualifizierte Suchttherapie vermittelt werden. Abstinenzverhalten stabilisiert sich langfristig nur, wenn es einen Vorteil darstellt, neue positive Lebensperspektiven zu entwickeln.
Literaturauswahl
AWMF, 2015
Dilling et al.
Grawe, 1998
Hermle et al., 2013
Papst et al., 2013
Petry, 2003
Singer et al., 2011
Soyka, 2003
Jahrbuch Sucht, 2015
Mann et al., 2006