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978-3-437-44446-3
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Neugeborenen-Hörscreening mittels TEOAE (transitorisch evozierte otoakustische Emissionen)TEOAE (mit freundlicher Genehmigung der MAICO Diagnostics GmbH)
[V589]

Neugeborenen-Hörscreening mittels AABR (Automated Auditory Brainstem Response)AABR (mit freundlicher Genehmigung der MAICO Diagnostics GmbH)
[V589]

Freifeld-Freifeld-VerhaltensaudiometrieVerhaltensaudiometrie. Konditionierung durch visuellen Reiz
[L231]

Kindgerechter Sprachhörtest, kindgerechterSprachhörtest unter Verwendung von Bildmaterial (mit freundlicher Genehmigung der MAICO Diagnostics GmbH)
[V589]

HdO-HdO-GerätGerät für die Versorgung eines Kleinkinds (mit freundlicher Genehmigung der KIND Hörgeräte GmbH & Co. KG)
[K588]

Hörschwelle:Kindesalter, frühesHörschwelle im frühen Kindesalter ab Knochenleitung:Hörschwelle, subjektiveGeburt
Alter (Monate) | subjektive Hörschwelle im Freifeld (dB) | subjektive Hörschwelle bei Knochenleitung (dB) | objektive Hörschwelle BERA (dB) | Interpeak-Latenz I-V BERA (ms) |
0–1 | 80 | 40 | 30 | 5,0 |
3–6 | 60–70 | 20 | 4,6 | |
6–9 | 50–60 | |||
9–12 | 30–40 | 25 | ||
12–24 | 20–30 | 20 | 4,1 | |
24–48 | 10 | 10 | 10 | |
ab 48 | 0 | 0 | 0 | 4,0 |
Interpeak-Latenz: Zeitdauer zwischen den Potenzial-Gipfeln I und V in der Hirnstammaudiometrie
Einteilung der Schwerhörigkeit:Schweregrad, WHO-EinteilungSchwerhörigkeit nach dem Schweregrad (WHO)∗ReintonaudiogrammHörverlust:Reintonaudiogramm
Grad der Schwerhörigkeit | mittlerer Hörverlust im Reinton-Audiogramm | klinischer Befund | Empfehlung |
0 – normalhörig | 25 dB oder besser | keine oder nur leichte Probleme bei der Kommunikation, Patient kann Flüstersprache hören | Beratung, Verlaufskontrolle, bei Schallleitungsschwerhörigkeit OP-Indikation |
1 – geringgradige Schwerhörigkeit | 26–40 dB | Umgangssprache wird 1 m vor dem Ohr verstanden | Beratung, Hörgerät ggf. empfehlenswert, bei Schallleitungsschwerhörigkeit ggf. operative Versorgung |
2 – mittelgradige Schwerhörigkeit | 41–60 dB | lautes Sprechen wird 1 m vor dem Ohr verstanden | Hörgerät ist zu empfehlen, bei Schallleitungsschwerhörigkeit oder kombinierter Schwerhörigkeit ggf. operative Versorgung |
3 – hochgradige Schwerhörigkeit | 61–80 dB | einige Wörter werden bei sehr lautem Sprechen auf dem besseren Ohr verstanden | Hörgerät nötig; falls kein Hörgerät möglich, prüfen, ob andere Hörsysteme in Frage kommen (implantierbares Hörgerät, Cochlea-Implantat); Lippenlesen und Zeichensprache unterstützend |
4 – Hörreste oder Taubheit | 81 dB oder mehr | keinerlei Sprachverständnis bei maximaler Lautstärke | Hörgerätetrageversuch, bei Scheitern i. d. R. heute Indikation zur Cochlea-Implantation, ggf. auch Hirnstammimplantatversorgung, ergänzend ggf. Lippenlesen/Zeichensprache |
Grad 2, 3 und 4 sind klassifiziert als behindernde Hörschädigung.
Für den mittleren Hörverlust:mittlererHörverlust werden für jedes Ohr getrennt die Mittelwerte des Hörverlusts für die Frequenzen 500, 1.000, 2.000, 4.000 Hz ermittelt.
∗
Mathers, C. et al. (2000). Deutsche Fassung nach Zahnert, Th. (2011)
Auswirkungen bei unversorgter prä- und Schwerhörigkeit:prä-/perilinguale, Auswirkungenperilingualer Schwerhörigkeit
Grad | Hörverlust auf dem besseren Ohr | sprachliche Einschränkungen |
geringgradig | 20–39 dB | Artikulationsstörung∗, Lautdiskriminationsschwäche, Sprachentwicklung leicht verzögert (bis 6 Monate) |
mittelgradig | 40–69 dB | Sprachenentwicklung ist deutlich (über 6 Monate) verzögert, Sprachleistung ist in allen Komponenten vermindert, Prosodie und Stimmklang sind auffällig durch fehlende audio-phonatorische Kontrolle∗∗ |
hochgradig bis taub | ab 70 dB | Verstummen nach erster Lallphase, spontane Sprachentwicklung bleibt aus |
∗
Fachbegriffe zu Sprache und Sprechen Kap. 9.1.1 und Kap. 9.1.2Kap. 9.1.1Kap. 9.1.2
∗∗
Unbewusste Hörkontrolle des eigenen Sprechens
Passagere kindliche Schallleitungsschwerhörigkeit:kindlicheSchallleitungsschwerhörigkeit.Schallleitungsschwerhörigkeit:passagere Einzelheiten zur Klinik (Kap. 2.3.2 bis 2.3.4Kap. 2.3.2Kap. 2.3.3Kap. 2.3.4)Fremdkörper:Gehörgang
Diagnose | Therapie |
Gehörgangsverlegung durch Zerumen, Fremdkörper | mechanische Reinigung, topische Pharmaka-Therapie |
Schwellung und Sekretstau bei Gehörgangsentzündung | Reinigung, topische abschwellende antibiotische/antimykotische Therapie |
akute Tubenventilationsstörung | Nasenspray, nasotubale Luftinsufflation |
chronische Tubenfunktionsstörung | Paukenröhrchen, Adenotomie, Infektsanierung |
akute Otitis media | Nasenspray, bei bakterieller Genese Antibiotikum, selten Myringotomie nötig |
Trommelfellverletzung | Schienung, selten Myringoplastik nötig |
Permanente kindliche Schallleitungsschwerhörigkeit:permanenteSchallleitungsschwerhörigkeit. Einzelheiten zur Klinik (Kap. 2.3.1 bis 2.3.4Kap. 2.3.1Kap. 2.3.2Kap. 2.3.3Kap. 2.3.4)Tympanofibrose/-sklerose:SchallleitungsschwerhörigkeitOtitis media:SchallleitungsschwerhörigkeitMittelohr:FehlbildungenGehörknöchelchen:Verletzung, SchallleitungsschwerhörigkeitGehörgangsatresie:SchallleitungsschwerhörigkeitFelsenbeinfraktur:SchallleitungsschwerhörigkeitCholesteatom:Schallleitungsschwerhörigkeit
Diagnose | Therapie |
Gehörgangsatresie |
|
Mittelohrfehlbildungen | beidseitig: LL-HG oder KL-HG, ab Jugendalter OP, evtl. teilimplantiertes HG |
chronische Otitis media, Cholesteatom | OP im Jugendalter, bei Cholesteatom in jedem Alter; wenn danach noch SLS besteht: LL-HG |
Tympanosklerose, Adhäsivprozess | OP im Jugendalter oder LL-HG |
Gehörknöchelchenverletzung, Felsenbeinfraktur | OP im Jugendalter oder LL-HG |
KL-HG: Knochenleitungshörgerät, LL-HG: Luftleitungshörgerät, OP: Operation
Genetisch bedingte Schallleitungsschwerhörigkeit:genetisch bedingte SyndromeSyndrome mit Ullrich-Turner-Syndrom:SchallleitungsschwerhörigkeitTreacher-Collins-Franceschetti-Syndrom:SchallleitungsschwerhörigkeitPierre-Robin-Syndrom:Schallleitungsschwerhörigkeitorofaziodigitales Syndrom:SchallleitungsschwerhörigkeitGoldenhar-Syndrom:SchallleitungsschwerhörigkeitDown-Syndrom (Trisomie 21):SchallleitungsschwerhörigkeitCrouzon-Syndrom:SchallleitungsschwerhörigkeitSchallleitungsschwerhörigkeitDysostosis:mandibulofacialisDysostosis:craniofacialis
Syndrom | zusätzliche Leitsymptome |
Treacher-Collins-Franceschetti (Dysostosis mandibulofacialis) |
Mikrotie, Gehörgangsatresie, Hypoplasie des Ober- und Unterkiefer, schräge Lidachse, Lidfalte, Iriskolobom (Regenhautspalt) |
Crouzon (Dysostosis craniofacialis) |
Turmschädel, Gesichtsfehlbildung |
Goldenhar | Aurikularanhänge, Augenbindehauttumor (Dermoid) Wirbelfehlbildung, evtl. Schallempfindungsschwerhörigkeit |
Pierre-Robin (orofaziodigitales Syndrom) |
Hypoplasie des Unterkiefers, Gaumenspalte, Glossoptose (Zungenverlagerung in Rachen) |
Down (Trisomie 21) | Tubenfunktionsstörung, selten Mittelohrfehlbildung |
Ullrich-Turner-Syndrom (X0) | Kleinwuchs, Tubenfunktionsstörung, häufig Otitis media, Kieferfehlbildung |
Genetisch bedingte Syndrome mit Waardenburg-SyndromUsher-SyndromPendred-SyndromJervell-Lange-Nielsen-SyndromBOR-SyndromAlport-SyndromSchallempfindungsschwerhörigkeit
Syndrom | Hauptsymptom | Schwerhörigkeit |
Alport | Niereninsuffizienz | progredient, nach 10. Lebensjahr beginnend |
Brancho-oto-renales Syndrom BOR |
|
kombiniert |
Jervell-Lange-Nielsen | Herzrhythmusstörung | hochgradig |
Pendred | Schilddrüsenfunktionsstörung, Struma | hochgradig, LVAS∗ |
Usher | Retinitis pigmentosa (Netzhauterkrankung) | progredient |
Waardenburg | Partieller Albinismus (Haar, Iris), Lidfehlbildung | hochgradig |
∗
LVAS: Large Vestibular Aquaeduct Syndrome (Kap. 2.3.1)
Sehr späte kortikale Mismatch-Negativitykortikale evozierte Potenziale:sehr späteereigniskorrelierte Potenziale (ERP)contingent negative VariationPotenziale
Bezeichnung | Potenzial | Stimuli | Interpretation |
Mismatch∗-Negativity-Potenzial | N 200 | in gleichartige Reihe von Reizen sind abweichende Reize zufällig eingestreut | bei auditiver Aufmerksamkeitsstörung ist die Potenzialamplitude vermindert |
Ereigniskorrelierte Potenziale | P 300 | zusätzlich: Patient zählt eingestreute Reize | Auftreten des Potenzials zeigt bewusstes Erkennen an |
Contingent Negative Variation | N 400 | zusätzlich: Erwartung eines durch Warnsignal angekündigten Reizes | Unterscheidung von sprachlichen und nichtsprachlichen Reizen |
∗
Mismatch: unpassende, ungewöhnliche Zusammenstellung, contingent: zufällig
Kindliche Hörstörungen
Lernziele
-
•
Gehörentwicklung
-
•
Klinik, Diagnostik und Therapie der peripheren kindlichen Hörstörungen
-
•
Klinik, Diagnostik und Therapie der auditiven Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung
Für das Hörstörungen:kindlicheVerständnis dieses Kapitels ist der Inhalt des Kapitels 2 Voraussetzung.
3.1
Physiologie und Pathophysiologie
•
Früherfassung, das bedeutet Erkennung und Abklärung
•
Frühversorgung, das bedeutet Anpassung von Hörprothesen oder operative Therapie
•
Frühförderung, das bedeutet Elternberatung und Einleitung hörpädagogischer Maßnahmen.
3.1.1
Entwicklung des Gehörs
Neuroanatomische Entwicklung
•
ab der 22. Schwangerschaftswoche (SSW) ist die Cochlea anatomisch ausdifferenziert
•
ab der 26. SSW reagiert der Fetus auf akustische Stimulation mit Bewegung
•
ab der 30. SSW wurden intrauterin Änderungen der fetalen Hirnstromkurve auf akustische Reize nachgewiesen.
Entwicklung zentraler Hörfunktionen
•
ab Geburt: erste Tonhöhen- und Schallmusterunterscheidung und damit Erkennen der mütterlichen Stimme
•
ab 2. Monat: auditive Aufmerksamkeit, das bedeutet zielgerichtetes Lauschen
•
ab 4. Monat: Schalllokalisation mit Blick- und Kopfdrehung
•
ab 6. Monat: zunehmend Verständnis für Lautmuster und Prosodie (Kap. 9.1.2) der Muttersprache mit Angleichen der Lautproduktion an die muttersprachlichen Phoneme
•
ab 9. Monat: Spezialisierung der auditiven Wahrnehmung auf Spracherwerb, Beginn des Wortverständnisses
•
ab 12. Monat: Verstehen einfacher Aufforderungen
•
ab 30. Monat: zunehmend konsequentes Angleichen der Phonemverwendung an die der Zielsprache
•
ab 5. Jahr: zunehmende Bewusstheit, dass Sprache aus austauschbaren Einzelelementen zusammengesetzt ist (phonologische Bewusstheit, Kap. 9.1.4).
3.1.2
Hörstörungen im Kindesalter
Typen kindlicher Hörstörungen
•
Störung oder Ausfall des Schalltransports in Gehörgang oder Strukturen des Mittelohrs führt zur Schallleitungsschwerhörigkeit:kindlicheSchallleitungsschwerhörigkeit (Konduktionsschwerhörigkeit s. SchallleitungsschwerhörigkeitKonduktionsschwerhörigkeit Kap. 3.2.2)
•
Störung oder Ausfall der sensorischen Schallumwandlungsstörungen, sensorischeSchallumwandlung in elektrische Potenziale (Transduktion) in den Haarzellen führt zur sensorischen Schwerhörigkeit:sensorischeSchwerhörigkeit bis TaubheitTaubheit (Kap. 3.2.3)
•
Störung der elektrochemischen Übertragung der Information von den Haarzellen auf die Fasern des Hörnerven (senso-dendritische Transformation) oder Störung der Fortleitung der Potenziale im Hörnerv führt zur neuralen Schwerhörigkeit bis Taubheit (Kap. 3.2.3)
•
Störung der neuralen Verarbeitung zwischen Hörnerv und Großhirnrinde sowie in den auditiven Hirnrindenfeldern führt zu zentralen Hörstörungen (Kap. 2.3.10); die häufigste zentrale Hörstörungen:zentraleHörstörung betrifft die auditive Verarbeitung und Wahrnehmung (Kap. 3.3.1)
•
unbewusste Verhaltensstörung bei subjektiven Hörprüfungen wird als psychogene Hörstörungen:psychogeneHörstörung bezeichnet, die keine Schwerhörigkeit darstellt (Kap. 2.3.10).
Zeitverlauf kindlicher Hörstörungen
•
genetisch bedingt und
–
bei Geburt vorhanden oder
–
werden im Laufe des Lebens manifest
•
prä-, peri- oder postnatal (vor, während, nach der Geburt) erworben.
•
passager (vorübergehend)
•
rezidivierend (wiederkehrend)
•
permanent, persistierend (dauerhaft, lebenslang).
•
stationär (gleichbleibend)
•
fluktuierend (wechselnd)
•
progredient (zunehmend)
•
regredient (abnehmend).
3.2
Periphere kindliche Hörstörungen
•
Schallleitungsschwerhörigkeit mit maximal mittelgradigem Hörverlust
•
Schallempfindungsschwerhörigkeit mit Hörverlust bis Taubheit
•
kombinierte Schallleitungs-Schallempfindungsschwerhörigkeit mit Hörverlust bis Taubheit.
3.2.1
Ausmaß und Auswirkung
Ausmaß der Hörschädigung
Auswirkungen peripherer kindlicher Schwerhörigkeit
•
sie beidseitig besteht
•
der Hörverlust mindestens gering- bis mittelgradig (über 25 dB) in den Hauptsprachfrequenzen (0,5; 1; 2; 4 kHz) ist
•
der Hauptsprachbereich, also der Frequenzbereich von 500 bis 4.000 Hz, betroffen ist
•
in der sensiblen Phase der Hörbahnreifung vor Ende des 3. Lebensjahrs einsetzt
•
länger als 3 Monate im Jahr besteht.
3.2.2
Klinik der Schallleitungsschwerhörigkeit
Ätiologie der Schallleitungsschwerhörigkeit
Passagere Schallleitungsschwerhörigkeit
-
•
Gehörgangsverlegung durch Schallleitungsschwerhörigkeit:passagereZerumen oder Fremdkörper
-
•
Gehörgang:äußerer, EntzündungGehörgangshautentzündung (Otitis Otitis externa:Schallleitungsschwerhörigkeitexterna) mit Hautschwellung und Sekret
-
•
akute Tubenfunktionsstörung:SchallleitungsschwerhörigkeitTubenfunktionsstörung, evtl. mit Sero(muko)tympanon:SchallleitungsschwerhörigkeitSerotympanon, durch häufige Infektionen, adenoide Vegetationen, Atemwegsallergie
-
•
rezidivierende bis chronische Tubenfunktionsstörung mit Mukotympanon, Übergang in Adhäsivprozess möglich, durch Adenoidrezidive, manifeste oder submuköse Gaumenspalte, Down-Syndrom; bei negativer Jahreshörbilanz ist operative Therapie nötig: Adenotomie, PaukenröhrchenPaukenröhrchen, evtl. auch mehrfach
-
•
akute Otitis Otitis media:Schallleitungsschwerhörigkeitmedia durch Bakterien oder Viren, bei häufigem Rezidiv Übergang in Tympanofibrose/-sklerose:SchallleitungsschwerhörigkeitTympanosklerose möglich, selten Komplikationen mit permanenter Schwerhörigkeit, z. B. Labyrinthitis
-
•
Trommelfellverletzung oft durch Manipulation mit Wattestäbchen (Tab. 3.4).
Permanente Schallleitungsschwerhörigkeit
•
Gehörgangs- und Mittelohrfehlbildungen
•
chronische Otitis media und Cholesteatom, bei Kindern angeboren
•
Tympanosklerose, tympanaler Adhäsivprozess als Folge chronischer Belüftungsstörung und rezidivierender Entzündungen
•
Felsenbeinfraktur oder sonstige Verletzung der Ossicula.
•
enge, mit trockener Hautabschilferung verlegte Gehörgänge, sehr häufig
•
chronische Tubenfunktionsstörung durch muskuläre Hypotonie (Unterspannung) und enge anatomische Verhältnisse im Nasopharynx (häufig)
•
angeborene Schallempfindungsschwerhörigkeit und Mittelohrfehlbildungen (selten).
3.2.3
Klinik der Schallempfindungsschwerhörigkeit
Passagere kindliche Innenohrschwerhörigkeit
•
Knalltrauma
•
Hörsturz
•
Labyrinthreizung während einer akuten Otitis media
•
akute Verschlechterung einer vorbestehenden Innenohrschwerhörigkeit.
Angeborene und frühkindlich erworbene permanente Innenohrschwerhörigkeit
Häufigkeit
Ätiologie
•
genetisch in 21,5–54,0 % bedingt, davon sind
–
70 % non-syndromal monosymptomatisch
–
30 % syndromal polysymptomatisch
•
pränatal erworben: 2,0–9,3 %
•
perinatal erworben: 6,7–18,8 %
•
postnatal erworben: 1,8–14,0 %
•
unbekannte Ursachen: 30,0–49,1 %.
Genetisch (hereditär) bedingte Schallempfindungsschwerhörigkeit
•
70–80 % mit autosomal-rezessivem Erbgang: beide Eltern müssen Träger des Gens sein. Die Schwerhörigkeit besteht kongenital, ist meist hochgradig, nicht progredient. Eine häufige Ursache für autosomal-rezessiv ererbte Schwerhörigkeit ist die Mutation des Gens Connexin 26 (andere Bezeichnung: GJB2 Gen)
•
10–25 % mit autosomal-dominantem Erbgang: nur ein Elternteil muss Genträger sein, die Schwerhörigkeit tritt oft erst postlingual, aber progredient auf, weniger schwergradig
•
2–3 % mit X-chromosomal-rezessiver Erbgang: nur männliche Betroffene, Schwerhörigkeit unterschiedlich in Schweregrad und Zeitpunkt des Auftretens, oft mit Pubertät.
Erworbene Schallempfindungsschwerhörigkeit
-
•
intrauterine Infektion:Schallempfindungsschwerhörigkeit:erworbene Röteln (Rubeola), Zytomegalie, Toxoplasmose, Herpes, Lues
-
•
intrauterine Toxen (Gifte): Einnahme von Alkohol, Drogen, Medikamente durch Mutter
-
•
sonstige intrauterine Noxen: Sauerstoffmangel, radioaktive Bestrahlung.
-
•
Früh- und Mangelgeburt
-
•
Asphyxie (Pulslosigkeit)
-
•
Geburtstrauma mit Hirnblutung und/oder Innenohreinblutung
-
•
Rhesus-Blutgruppenunverträglichkeit mit neurologischen Komplikationen
-
•
intrapartale Infektion: Herpes, Zytomegalie, Humanes Immundefizit Virus.
-
•
Infektion mit neurotropen Viren (Masern, Mumps, Röteln), insbesondere Meningitis/Enzephalitis
-
•
bakterielle Meningitis:bakterielle/virale, Labyrinthitis, akuteMeningitis und/oder Labyrinthitis. Die bakterielle Meningitis führt zur beidseitigen Verknöcherung der membranösen Cochlea und ist eine dringliche Indikation für ein Cochlea-Implantat, da nach Verknöcherung kein Elektrodeneinschub möglich ist.
-
•
ototoxische („ohrvergiftende“) Medikamente wie bestimmte Antibiotika
-
•
Schädel-Hirn-Schädel-Hirn-Trauma:SchallempfindungsschwerhörigkeitTrauma mit Felsenbeintrauma (Kap. 2.3.2).
Auditorische Synaptopathie, auditorische Neuropathie
3.2.4
Diagnostik
Universelles Neugeborenen-Hörscreening
•
sie beidseitig und länger als 3 Monate im Jahr besteht
•
der phonetische Hauptsprachbereich, also der Frequenzbereich von 500 bis 4.000 Hz, betroffen ist
•
der Hörverlust in diesem Bereich 35 dB oder mehr beträgt
•
sie in der sensiblen Phase der Hörbahnreifung bis zum Ende des 3. Lebensjahrs einsetzt.
•
Erkennung beidseitiger Hörstörungen:beidseitigeHörstörungen ab 35 dB Hörverlust bis zum Ende des 3. Lebensmonats
•
Therapieeinleitung bis zum Ende des 6. Lebensmonats.
Umfang
•
für Kinder mit auffälligem Ergebnis erfolgt eine Kontrolluntersuchung mittels AABR
•
für Kinder mit auffälligem Ergebnis erfolgt in der Kontrolluntersuchung eine pädaudiologische pädaudiologische KonfirmationsdiagnostikKonfirmationsdiagnostik:pädaudiologischeKonfirmationsdiagnostik (Bestätigungsdiagnostik) mit
–
pädaudiologischer Anamnese
–
Binokularmikroskopie der Trommelfelle
–
Tympanometrie
–
TEOAE und DPOAE
–
Hörschwellenbestimmung in mindestens zwei Frequenzbereichen mittels frequenzspezifscher BERA oder ASSR
–
subjektiver Hörprüfung mittels Reflexprüfung oder Verhaltensbeobachtung als Plausibilitätskontrolle der objektiven Messung.
Erstuntersuchung
Kontrolluntersuchung
Konfirmationsdiagnostik
Diagnostik der peripheren Hörstörung im Kindesalter
•
umfassende Anamnese
•
subjektive Hörprüfungen
•
HNO-Untersuchung
•
objektive Hörprüfungen
•
im Einzelfall spezielle Untersuchungen unter Einbeziehung anderer Fachdisziplinen.
Anamnese
•
fehlende Reaktion auf Schallreize
•
Ausbleiben oder Verzögerung der imitatorischen Lallphase und der Sprachentwicklung
•
Familienanamnese: Schwerhörigkeit bei Eltern und Geschwistern, Erbkrankheiten
•
Schwangerschaft: Infektionen der Mutter, Blutungen, Medikamente
•
Geburtsanamnese: termingerecht, Verlauf, Apgar-Wert, Beatmungs- oder Inkubatorpflicht, Austauschtransfusion
•
frühkindliche Anamnese: Masern, Mumps, Meningitis, häufige Otitis media, Schädel-Hirn-Trauma
•
aktuelle Anamnese: Reaktion auf Schallreize, Lallphase, Sprachentwicklung, schulische Leistungen.
•
familiäre Schallempfindungsschwerhörigkeit
•
über 48 Stunden postpartal im Inkubator z. B. wegen
–
Asphyxie peripartal
–
Frühgeburt mit Geburtsgewicht unter 1.000 g
–
notwendiger Austauschtransfusion wegen Blutgruppenunverträglichkeit des Neugeborenen
–
intrauteriner Infektion
•
kraniofaziale Fehlbildung.
Asphyxie-Index
•
Herzfrequenz
•
Atemanstrengung
•
Reflexauslösbarkeit
•
Muskeltonus
•
Hautfarbe.
Klinische HNO-Untersuchung
•
Inspektion des gesamten Kopfes und Halses zur Erfassung von Fehlbildungen des äußeren Ohrs und sonstiger kraniofazialer Dysmorphien
•
Binokularmikroskopie der Gehörgänge und Trommelfelle, ergänzt um die Tympanometrie (Kap. 2.2.5)
•
Inspektion von Mundhöhle und Oropharynx mit Beurteilung des Gaumensegels und evtl. Palpation des Gaumens zum Ausschluss einer submukösen Gaumenspalte. Ab Kleinkindesalter wird der gesamte HNO-Status (Kap. 1.2.2) erhoben.
Subjektive Bestimmung der Hörschwelle
Reflexaudiometrie
•
AtmungsreflexAtmungsreflex: vertiefte Einatmung und Anhalten des Atmens für 5–10 s
•
AuropalpebralreflexAuropalpebralreflex: kurzer, schneller Lidschluss
•
Moro-Moro-ReflexReflex: Ausbreiten und Beugen der Arme
•
SchreireflexSchreireflex: unbehaglicher Gesichtsausdruck, Schreien
•
ÜberraschungsreflexÜberraschungsreflex: Schreien oder Körperbewegungen hören kurzfristig auf
•
WeckreflexWeckreflex: Erwecken aus Schlaf.
Reaktionsaudiometrie (Verhaltensaudiometrie)
Zuwendungsaudiometrie
1.
Kind sitzt freiZuwendungsaudiometrie auf Schoß der Mutter. Im Winkel von 90 Grad sind beidseitig ein Lautsprecher und ein Bildschirm aufgestellt.
2.
Die Prüfung wird für Reize von 500, 1.000, 2.000, 4.000 Hz vorgenommen, eine Seitenzuordnung ist im Freifeld nicht möglich.
3.
Der optische Reiz (Bilder, Videoclip) wird zeitgleich mit einem deutlich überschwelligen akustischen Reiz 10 s angeboten.
4.
Sobald die Hinwendung einwandfrei erfolgt, wird der optische Reiz zunehmend später nach dem akustischen gegeben.
5.
Sobald die Hinwendung auch ohne den optischen Reiz erfolgt, wird der Schallpegel des Reizes vermindert, bis keine Reaktion mehr erfolgt, die Reaktionsschwelle unterschritten ist.
Tonschwellenaudiometrie nach Instruktion
Spielaudiometrie
•
Das Kind sitzt Spielaudiometrieallein oder auf dem Schoß der Bezugsperson am Untersuchungstisch.
•
Die Spielhandlung wird ohne Prüfschall erklärt, dann mit überschwelliger Freifeldbeschallung und – sobald toleriert – auch mit Kopfhörer-Beschallung eingeübt.
•
Die Prüfung beginnt mit überschwelligen Reizen, deren Pegel zunehmend vermindert wird, bis keine Spielantwort mehr erfolgt, die Hörschwelle unterschritten ist.
•
Die Prüfung wird für möglichst viele Frequenzen durchgeführt.
Subjektive überschwellige Audiometrie
•
Unbehaglichkeitsschwelle (Kap. 2.2.4) wird für Töne, Schmalbandrauchen und Sprache ermittelt
•
Lautheitsausgleich wird z. B. nach der Würzburger Würzburger Hörfeldskalierung, LautheitsausgleichLautheitsausgleich:Würzburger HörfeldskalierungHörfeldskalierung geprüft: 5 Lautheitskategorien, 4 Frequenzen, maximaler Pegel 90 dB.
Sprachaudiometrie
-
•
3 Untertests zu je Mainzer Kindersprachtest5 Gruppen von ein- und zweisilbigen Nomina, mit Bildkarten
-
•
Test I (10 Wörter) ab 4 Jahren, Test II (25 Wörter) ab 5 Jahren, Test III (50 Wörter) ab 6 Jahren.
-
•
Teil I: 20 Einsilber Göttinger Kindersprachverständnistestfür 3–4 Jahre, mit Bildtafeln
-
•
Teil II: 100 Einsilber für 5–6 Jahre.
-
•
Reimtest mit 3 Oldenburger Kinderreimtest (OlKi)Gruppen von 81 zweisilbigen Wörtern, die sich jeweils im Anlaut, Inlaut oder Auslaut unterscheiden, z. B. „Dose – Hose – Rose“
-
•
für 6 bis 10 Jahre (Grundschulalter)
-
•
Anwendung ausschließlich als Bildertest
-
•
geeignet für Anwendung ohne und mit Störgeräusch
-
•
sehr geeignet für Kinder mit Artikulationsstörungen.
•
prüft die Verständlichkeit Oldenburger Satztest (OLSA)von Sätzen mit und ohne Störgeräusch, ab 6 Jahren
•
Sprachmaterial: 5-Wort-Sätze in der Form Name – Verb – Zahlwort – Adjektiv – Objekt, die aus Listen kombiniert werden. „Kerstin kauft zwei rote Schuhe“.
•
Phrasen können schlecht auswändig gelernt oder erraten werden, sodass mit ihnen auch wiederholt gemessen werden kann
•
bestimmt werden Sprachverständnisschwelle und Signal-Noise-Ratio L50.
-
•
prüft die Verständlichkeit von Oldenburger Kindersatztest (OlkiSa)Sätzen mit und ohne Störgeräusch, ab 4 Jahren
-
•
Sprachmaterial: 3-Wort-Phrasen aus Zahlwort – Adjektiv – Nomen, wobei 21 verschiedene Wörter kombiniert werden (Bsp.: „drei nasse Schuhe“)
-
•
bestimmt werden Sprachverständnisschwelle und Signal-Noise-Ratio L50.
-
•
für Heidelberger CVC-Audiometriehörgeschädigte Kinder im Grund- und Hauptschulalter
-
•
Material: Wörter mit der Lautfolge „Konsonant-Vokal-Konsonant“ (CVC). Die Wörter sind nach phonologischen Kriterien zusammengestellt. Lautbildungsort, Lautbildungsart und Stellung der Konsonanten im An- oder Auslaut variieren systematisch.
-
•
Verständlichkeit Oldenburger Logatomtestvon Konsonanten in Ruhe und im Störgeräusch
-
•
Prüfmaterial: Logatome, das sind sinnlose Silben, die sich in einem Phonem unterscheiden: z. B. aba afa aga …
-
•
Auswertung analog OLSA.
Ling-Test
Subjektive Tests für Kinder mit CI
•
Identifikation (Erkennen) von Geräuschen
•
Detektion (Entdeckung) von Lauten
•
Diskrimination (Unterscheidung) von Lauten
•
Identifikation (Verstehen) von Wörtern und Sätzen.
•
Frankfurter Funktioneller Hörtest (Frankfurter Funktioneller Hörtest (FFHT)FFHT)
•
Hannover-Hörprüfreihen (HHPR)Hannover-Hörprüfreihen (HHPR)
•
TAPS (Test of Auditory Perception of Speech for Children)TAPS (Test of Auditory Perception of Speech for Children)
•
EARS (Evaluation of Auditory Responses to Speech)EARS (Evaluation of Auditory Responses to Speech).
Objektive Hörprüfverfahren
Impedanzaudiometrie
Otoakustische Emissionen (OAE)
•
TEOAE (transitorisch evozierte otoakustische Emissionen)otoakustische Emissionen (OAE):transitorisch evozierte (TEOAE)TEOAE: bis 30 dB Hörverlust nachweisbar, nicht frequenzspezifisch
•
otoakustische Emissionen (OAE):Distorsionsprodukte (DPOAE)DPOAE (Distorsionsprodukte otoakustischer Emissionen)DPOAE: bis 50 dB Hörverlust nachweisbar, frequenzspezifisch.
Brainstem Evoked Response Audiometry (BERA)
•
Click-Click-BERABERA: Basisverfahren zur schnellen, nicht-frequenzbezogenen Hörschwellenbestimmung
•
Notched-Noise Notched-Noise BERABERA und Tonepipe-Tonepipe-BERABERA: zur frequenzbezogenen, zeitaufwändigen Hörschwellenbestimmung.
Cortical Evoked Response Audiometry (CERA)
Elektrocochleografie (ECochG)
Diagnostik bei speziellen Fragestellungen
•
Sprachentwicklungsdiagnostik:HörstörungenHörstörungen:SprachentwicklungsdiagnostikSprachentwicklungsdiagnostik (Kap. 9.2.3): ab dem 24. Lebensmonat, da die altersentsprechende Sprachentwicklung eng mit einem ausreichenden Hörvermögen verknüpft ist
•
Bildgebung: CT und MRT dienen dem Nachweis morphologischer Veränderungen bei Verdacht auf Mittelohr- und Innenohrfehlbildung und vor CI-Implantation, bei Säuglingen und Kleinkindern in Narkose
•
VestibularisdiagnostikVestibularisdiagnostik (Kap. 2.2.6): eine Vestibularisdiagnostik mit Videookulografie ist v. a. bei Labyrinthfehlbildung erforderlich
•
Labordiagnostik: Labordiagnostik ist zur Aufdeckung stoffwechselbedingter Hörstörungen wichtig, z. B. Pendred-Syndrom: Schilddrüsenhormone, Alport-Syndrom: Nierenfunktionswerte
•
humangenetische humangenetische Beratung/DiagnostikBeratung und Diagnostik: Bei Verdacht auf genetisch bedingte Störung, die sich bei Schwerhörigkeit der Eltern und Geschwister ergeben kann, wird eine genetische Anamnese mit Stammbaumaufzeichnung, audiometrischer und Chromosomenuntersuchung von Angehörigen mit Beratung angeboten
•
EntwicklungspsychologieEntwicklungspsychologie: bei Verdacht auf entsprechende Defizite Beurteilung durch standardisierte Tests von
–
auditiver, visueller, taktil-kinästhetischer Wahrnehmung
–
Grob-, Fein- und Mundmotorik
–
Aufmerksamkeit, Konzentration, Kognition, Intelligenz
–
emotionaler Entwicklung
•
NeuropädiatrieNeuropädiatrie (Entwicklungsneurologie): Entwicklungsneurologische Diagnostik ist bei Verdacht auf Retardierung (Zurückbleiben in der Entwicklung) und Syndrome angezeigt
•
Ophthalmologie/Dermatologie bei Verdacht auf Syndrome mit Sehstörungen, z. B. Usher-Syndrom oder Hautveränderungen, z. B. Waardenburg-Syndrom.
3.2.5
Therapie der peripheren Schwerhörigkeit
Kausale Therapie
Hörgeräteversorgung
Indikation
-
•
beidseitige, Hörgeräteversorgungpräoperative oder operativ nicht zu bessernde permanente Schallleitungsschwerhörigkeit mit mittlerem Hörverlust von mindestens 30 dB im Frequenzbereich zwischen 500 und 4.000 Hz
-
•
beidseitige persistierende Innenohrschwerhörigkeit:persistierendeInnenohrschwerhörigkeit mit mittlerem Hörverlust von mindestens 30 dB im Frequenzbereich zwischen 500 und 4.000 Hz.
-
•
einseitige permanente Schwerhörigkeit mit entsprechendem Hörverlust, wenn das Kind das Gerät akzeptiert zur Verbesserung der Schalllokalisation und des Sprachverstehens im Störschall
-
•
geringgradige Schwerhörigkeit mit Hörverlust von 25–30 dB im Einzelfall, z. B. für Schulbesuch bei Akzeptanz durch das Kind.
Anpassung und Kontrollen
•
In-situ-Messung („vor Ort“): Über ein an der Otoplastik vorbei in den Gehörgang geschobenes winziges Mikrofon wird der Schallpegel vor dem Trommelfell mit eingestelltem Hörgerät gemessen
•
Ling-Ling-Test:HörgeräteversorgungHörgeräteversorgungTest (Kap. 3.2.4)
•
Aufblähkurve: Hörschwelle mit und ohne Hörgerät in einem Diagramm
•
subjektive Hör- und Unbehaglichkeitsschwelle als Reaktionsaudiometrie (Kap. 3.2.4) im Freifeld gemessen mit und ohne Hörgerät oder seitengetrennte Spielaudiometrie
•
Kindersprachaudiometrie im Freifeld mit und ohne Störgeräusch
•
Messung des Richtungsgehörs und Lautheitsskalierung
•
Feststellung des Sprachfortschritts durch Tests (Kap. 9.2.3) bei prä- und perilingualer Anpassung.
FM-Anlage
Cochlea-Implantat (CI)
Indikation
Präoperative Maßnahmen
•
je nach Alter und Kooperationsfähigkeit des Kindes müssen Untersuchungen in Narkose durchgeführt werden
•
Anamneseerhebung, HNO-Status und die audiologischen Tests entsprechen denen bei pädaudiologischer Erstuntersuchung (Kap. 3.2.4)
•
Abklärung des Hör-, Sprech- und Sprachstatus
•
eine frequenzspezifische objektive Bestimmung der Hörschwelle durch frequenzspezifische BERA- oder ASSR-Untersuchungen verhindert das Übersehen von Hörresten
•
Elektrocochleografie und Promontoriumstest werden selten benötigt
•
Kinder werden gegen Erreger einer bakteriellen Labyrinthitis geimpft
•
zur Vorbeugung von Mittelohrentzündungen wird häufig eine Adenotomie (Kap. 5.4.2) und Myringotomie (Kap. 2.4.2) durchgeführt
•
Überprüfung der Hörleistung und Sprachentwicklung nach dem Hörgeräte-Trageversuch; wenn keine Hör-Sprach-Verbesserung erreicht wurde, ist die Operation indiziert
•
psychologische Entwicklungsdiagnostik, insbesondere kognitive Leistungsfähigkeit
•
neuropädiatrische entwicklungsneurologische Untersuchungen, z. B. um weitere Behinderungen zu erkennen
•
Abklärung des psychosozialen Umfelds und Beratungsgespräch mit den Eltern, um die notwendige postoperative Nachsorge sicherzustellen; Information der Eltern über das Cochlea-Implantat, die Operation, Risiken und lebenslange Nachsorge
•
sonderpädagogisches Gutachten über vorgesehene Hör-Sprach-Erziehung und Beschulungsart nötig.
Postoperative Maßnahmen
-
•
medizinische Nachbetreuung
-
•
vorbereitendes Training des Kindes auf die Erstanpassung des Sprachprozessors
-
•
Ersteinstellung und schrittweise Optimierung des Sprachprozessors
-
•
Bewertung und Neueinstellung des Prozessors mittels Verhaltensbeobachtung des Kindes und verhaltens-, spiel- und sprachaudiometrischen Kontrollen; zur Objektivierung können elektrisch ausgelöste Stapediusreflexe und elektrisch evozierte Potenziale und Neural-Response-Telemetrie-(NRT)-Messungen hinzugezogen werden (Kap. 2.4.3)
-
•
initiales Hör-Sprach-Training, sprachtherapeutische Maßnahmen
-
•
psychologische Betreuung
-
•
Schulung in der Handhabung des Gerätes (Pflege, Wartung, Fehlererkennung) und in der Nutzung von Zusatzgeräten (z. B. Telefonadapter, FM-Anlage).
Hör-Sprach-Therapie
•
Schulung in der Handhabung des Sprachprozessors, Erkennen von Fehlerquellen
•
Anleitung der Eltern zu einem situationsangemessenen Hörverhalten (Hörtaktik)
•
Zusammenarbeit der CI-Zentren mit der Frühförderstelle der hörgeschädigten Kinder, dem Regel- oder Sonderkindergarten, den Regel- oder Sonderschulen.
Hörpädagogik
•
Elternberatung in pädaudiologischen Beratungsstellen
•
Hausspracherziehung durch besuchende Hörgeschädigtenpädagogen
•
Einzel- und Gruppenförderung in einem pädaudiologischen Zentrum oder einer spezialisierten logopädischen Praxis.
•
LautspracherziehungLautspracherziehung: zielt auf die primär anzustrebende Vermittlung der Lautsprache als Kommunikationsmittel. Als erfolgreichste Methode gilt die unisensorische Hörerziehung, bei der ausschließlich über den auditiven Kanal trainiert wird.
•
lautsprachbegleitende lautsprachbegleitende GebärdenGebärden: sind Finger-Alphabetzeichen, Handbewegungen wie das phonembestimmte Manualsystem, Gestik und Mimik. Die Gebärden werden eingesetzt, wenn die lautsprachlichen Modalitäten behinderungs- oder situationsbedingt nicht ausreichen, z. B. bei zusätzlichen Artikulationsstörungen. Die Grammatik entspricht der lautsprachlichen.
•
GebärdenspracheGebärdensprache: ist ein behördlich anerkanntes System von Gebärden ohne einheitliche syntaktische und grammatische Regeln. Es wird ausschließlich über Gebärden kommuniziert. Die Gebärdensprache war vor Entwicklung der Cochlea-Implantate eine wichtige Kommunikationsmöglichkeit für gehörlose Menschen.
Sozialrechtliches
Habilitation: Erlangung von Fähigkeiten, hier speziell der Hör- und Sprachfähigkeit
3.3
AVWS
3.3.1
Terminologie
Zentrale Prozesse des Hörens
•
Differenzierung und Identifikation von Zeit-, Frequenz- und Intensitätsveränderungen akustischer und insbesondere lautsprachlicher Signale sowie
•
Prozesse der binauralen Interaktion (z. B. zur Geräuschlokalisation, Lateralisation, Störgeräuschbefreiung und Summation) und der
•
dichotischen, d. h. getrenntohrigen, Verarbeitung
Zentral-auditive Teilfunktionen
•
Aufmerksamkeit: Zuwendung zu auditiven Stimuli (selektive Aufmerksamkeit) und Beibehaltung der Zuwendung (Vigilanz)
•
Lokalisation: Ortung von Richtung und Entfernung auditiver Stimuli
•
Selektion: Auswahl des Wahrnehmungsobjekts, also die Unterscheidung zwischen Signal („Nutzschall“) und Störgeräusch, in Analogie zur visuellen Wahrnehmung auch als Figur-Hintergrund-Unterscheidung bezeichnet
•
Speicherung (auditive Merkspanne, Merkfähigkeit): Überführung auditiver Stimuli vom sensorischen (unter 1 Sekunde) in den Kurzzeitspeicher (einige Sekunden zu behalten)
•
Sequenzierung: Erfassung der Reihenfolge auditiver Stimuli
•
Diskrimination/Differenzierung: Erfassung von Ähnlichkeiten und Unterschieden, z. B. zwischen Lauten
•
Analyse/Identifikation: Identifizierung und Positionsbestimmung von Lauten, Silben, Worten
•
Synthese: Zusammensetzung von Lauten zu Silben und Wörtern
•
Ergänzung: Vervollständigung fragmentarischer akustischer Signale zu sinnvollen Informationen
•
intramodale Integration: Zusammenführung der auditiven Teilfunktionen zur Wahrnehmung „verstehendes Hören“
•
intermodale Integration: Zusammenführung der Teilfunktionen der auditiven, visuellen und kinästhetischen Modalität zur ganzheitlichen Umwelterkennung.
AVWS
•
nicht auf einer Verminderung oder Störung des peripheren Hörvermögen:StörungenHörvermögens beruhen. Als normales peripheres Hörvermögen werden ein normales Tonaudiogramm und/oder eine normale Hörschwelle in der Hirnstammaudiometrie definiert.
•
bei der Verarbeitung sprachlicher und nicht-sprachlicher Stimuli bestehen
•
ein Leistungsdefizit in mindestens zwei auditiven Teilleistungen aufweisen
•
spezifisch für den auditiven Modus sind, also nicht durch eine supramodale Aufmerksamkeitsstörung, ein allgemeines kognitives Defizit, eine modalitätsübergreifende mnestische (Speicher-)Störung erklärt werden.
3.3.2
Klinik
Ätiologie und Epidemiologie
•
genetisch bedingte Faktoren
•
Hirnreifungsverzögerungen mit Defizit bei Myelinisierung und Synaptogenese
•
frühkindlicher Hirnschaden (prä-, peri-, postnatal)
•
fehlerhafte akustische Stimuli während der Hörbahnreifung durch
–
rezidivierende akute Mittelohrentzündungen mit schlechter Jahreshörbilanz
–
minimale Schallempfindungsschwerhörigkeit
–
mangelndes akustisches, insbesondere lautsprachliches Angebot.
Symptome
•
leichte Ablenkbarkeit beim Zuhören
•
schlechtes Verstehen in unruhiger Umgebung
•
häufiges Nachfragen.
•
Schwierigkeiten bei der Schalllokalisation
•
gestörte Erkennung und Unterscheidung von Schallreizen
•
Schwierigkeiten beim Verstehen bei gleichzeitigem Hintergrundgeräusch
•
Schwierigkeiten beim Verstehen von Sprache mit reduzierter Qualität (z. B. undeutliche Artikulation, erhöhte Sprechgeschwindigkeit)
•
Beeinträchtigung der auditiven Aufmerksam-keit
•
Probleme mit dem Verstehen auditiver Informationen (z. B. im Diktat)
•
Schwierigkeiten mit der Unterscheidung und Erkennung von Sprachlauten
•
schwaches auditives Gedächtnis
•
Missverständnisse und verzögerte Reaktion bei verbalen Aufforderungen.
Diagnose und Differenzialdiagnose
•
periphere Hörstörungen (Kap. 3.2.2)
•
nicht ausreichende Intelligenz oder andere kognitive Defizite
•
modalitätsübergreifende Aufmerksamkeitsstörungen (ADHS)
•
psychogene Hörstörungen (Kap. 2.3.10)
•
psychiatrische Störungen wie autistische, Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen.
•
Aufmerksamkeitsstörungen (ADHS)Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätssyndrom (ADHS), AVWS: Im Gegensatz zu Kindern mit ADHS zeigen Kinder mit AVWS keine Unaufmerksamkeit bei nichtauditiven Aufgaben und keine Überaktivität.
•
Sprachverständnisstörungen:AVWSSprachverständnisstörungen: Dies sind Störungen der Fähigkeit, sprachliche Sinnzusammenhänge, z. B. syntaktisch-morphologische Zusammenhänge, zu begreifen. Die Unterscheidung zur AVWS gelingt mit dem Vergleich der Ergebnisse der Hörverarbeitungs- und Wahrnehmungstests mit denjenigen der Sprachverständnistests.
•
Modalitätsübergreifende Störungen des Kurzzeitgedächtnis:Störungen, AVWSKurzzeitgedächtnisses (Speicher- und Abrufstörung): Diese Störungen betreffen nicht ausschließlich die auditive Modalität.
•
Lese-Lese-Rechtschreibstörung (LRS):AVWSRechtschreibstörung (LRS): Bei LRS liegt die Lese- und Rechtschreibleistung unter demjenigen Niveau, das dem Alter und der allgemeinen Intelligenz des Kindes entspricht. Die Abgrenzung zur AVWS ergibt sich durch Vergleich der Leistungsdefizite in störungsspezifischen Tests.
•
ADHS: Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätssyndrom
•
modalitätsübergreifend: mehrere Wahrnehmungskanäle betreffend, z. B. auditiven, visuellen, taktil-kinästhetischen Kanal
3.3.3
Diagnostik
Übersicht
•
„Sprachaudiometrie im StörgeräuschSprachaudiometrie:im Störgeräusch“ (Kap. 3.2.3)
•
„KurzzeitgedächtnisKurzzeitgedächtnis für Sinnlossilbenfolgen“ wie Mottier-MottiertestTest
•
Subtest „Phonemdifferenzierung“Phonemdifferenzierung aus dem „Heidelberger Lautdifferenzierungstest “
1.
Für jedes Kind sollte eine Testbatterie zusammengestellt werden, die eine ausreichende Breite aufweist, um die verschiedenen Ebenen und Mechanismen des auditorischen Systems abzubilden und die erfragten Beschwerden/Funktionsdefizite berücksichtigt.
2.
Beurteilungen von Sprechen, Sprache, Lernfähigkeit und Psyche sollten vor der audiologischen Einschätzung vorgenommen werden, sodass die Ergebnisse in den nachfolgenden Hörtests korrekt interpretiert werden können.
3.
Tests, die zur Diagnose von AVWS genutzt werden, sollten altersgemäß sein und sowohl sprachlich basiertes als auch sprachfreies Testmaterial enthalten.
Mottier-Test, H-LDT
Mottier-Test (Eigenname, Untertest des Zürcher Lesetests)
•
Einsatz: Mottiertest1.–5. Schuljahr. Normiert.
•
Verfahren: Prüft akustische Zürcher LesetestDifferenzierungs- und Merkfähigkeit des auditiven Kurzzeitgedächtnisses und die sprechmotorische Koordination (komplexe intermodale Leistung).
•
Material: 30 Pseudowörter zunehmender Länge, z. B. von „rela“ bis „normalirakosa“, die mit verdecktem Mund vor- und vom Kind nachgesprochen werden sollen. Bei der Reproduktion durch das Kind lassen sich die folgenden Aspekte überprüfen:
–
die PhonemdifferenzierungPhonemdifferenzierung
–
die PhonemidentifikationPhonemidentifikation
–
die auditive Kurzzeitgedächtnis:auditivesSequenzierung bzw. das auditive Kurzzeitgedächtnis
–
die artikulatorische artikulatorische KinästhetikKinästhetik.
Heidelberger Lautdifferenzierungstest (H-LDT)
•
Einsatz 2.–4. Klasse
•
Untertest 1: „Lautdifferenzierung“: Heidelberger Lautdifferenzierungstest (H-LDT)Minimalpaare sollen auditiv als gleich oder ungleich erkannt und anschließend nachgesprochen werden. Die zu unterscheidenden Laute sind Konsonanten mit gleicher Artikulationsstelle (z. B. d/t, g/k) und Konsonanten mit unterschiedlicher Artikulationsstelle (z. B. t/k, m/n). Die Minimalpaare enthalten sowohl reale Wörter als auch Kunstwörter.
•
Untertest 2: „Lautanalyse“: Die ersten beiden Konsonanten von Wörtern mit Konsonantenhäufungen müssen genannt werden.
Anamnese
•
AF: „Allgemeine Fragen“ zum Sprachverständnis
•
DI: „Auditive Diskrimination“
•
RI: „Richtungsgehör“
•
SE: „Selektionsfähigkeit/Hören im Störschall“
•
GD: „Auditives Gedächtnis“
•
GÜ: „Geräuschüberempfindlichkeit“
Untersuchung des peripheren Hörvermögens
•
Binokularmikroskopie der Gehörgangs- und Mittelohrstrukturen
•
Tonaudiogramm mit Luft- und Knochenleitung
•
seitengetrennte Sprachaudiometrie (Kap. 2.2.4)
•
Tympanometrie
•
Messung von transitorisch evozierten otoakustischen Emissionen oder Distorsionsprodukten otoakustischer Emissionen
Subjektive Audiometrie zentraler Hörfunktionen
•
Gap Detection, Gaps in Noise Test: Fähigkeit, zeitlich kurze Lücken (engl.: gaps) in weißem Rauschen wahrzunehmen
•
zeitliche Ordnungsschwellenbestimmung: Messung der Zeitspanne, die zwischen zwei Signalen liegen muss, um diese getrennt wahrzunehmen
•
dichotischer Test nach Uttenweiler (Kap. 2.2.2)
•
Test für zeitkomprimierte Sprache nach Nickisch
•
Sprachaudiometrie im Sprachaudiometrie:im StörgeräuschStörgeräusch (Kap. 3.2.3)
•
RichtungshörtestRichtungshörtest (nv)
–
Prinzip: Prüfung der binauralen zentralen Hörfunktionen mit Tönen oder Geräuschen. Bei zentralen Hörstörungen ist das Richtungshören beeinträchtigt.
–
Durchführung: Patient sitzt im Zentrum eines Halb- oder Vollkreises von Lautsprechern. Der Schall wird in wechselndem Lautsprecher angeboten. Patient muss durch Hinwendung Schallquelle lokalisieren.
•
Binaural-Masking-Level-Binaural Masking Level DifferenzDifferenz (Verdeckungsschwellenunterschied): nv
–
Prinzip: Ein monaural angebotener 500-Hz-Ton wird monaural und binaural mit weißem Rauschen verdeckt. Bei binauralem Verdecken ist das Verdeckungsgeräusch normalerweise niedriger.
•
binauraler binauraler SummationstestSummationstest (v)
–
Prinzip: Jedes Ohr erhält nur eine Teilfrequenz des akustischen Sprachsignals, der Patient muss die Frequenzen zum vollständigen Wort zusammensetzen.
•
HörfeldskalierungHörfeldskalierung
•
UnbehaglichkeitsschwelleUnbehaglichkeitsschwelle.
Objektive Audiometrie
•
Messung der StapediusreflexschwelleStapediusreflexschwelle (Kap. 2.2.5): zeigt bei Kindern mit AVWS Unterschiede in der Reflexschwelle für Tonreize und Schmalbandrauschen: Die Stapediusreflexschwelle für Sinustöne liegt um mehr als 10 dB oberhalb der Schwelle für Schmalbandrauschen
•
Messung kortikaler evozierter kortikale evozierte Potenziale:MessungPotenziale (Kap. 2.2.5): zeigt Potenziale im Bereich von 100–500 ms Latenz an wachen, kooperativen Patienten, die den auditiven Wahrnehmungsprozess widerspiegeln (Tab. 3.8).
Psychometrische Tests
•
Heidelberger Lautdifferenzierungstest (H-LDT), Untertest Phonemdifferenzierung
•
Laut- und Geräuschdiskrimination nach Schäfer-Schilling
•
phonematische Differenzierung im Heidelberger Vorschulscreening (HVS).
•
Heidelberger Lautdifferenzierungstest (Subtest „Lautanalyse“)
•
Lautanalyse im Heidelberger Heidelberger VorschulscreeningVorschulscreening.
•
Kurzzeitgedächtnis für Zahlenfolgen aus psycholinguistischem Entwicklungstest (PET)Psycholinguistischer Entwicklungstest (PET)
•
Kurzzeitgedächtnis für Wortfolgen (Kaufman Assessment Battery for Children, dt. Version K-ABC)Kaufman Assessment Battery for Children, dt. Version (K-ABC)
•
Kurzzeitgedächtnis für Sinnlossilbenfolgen (Mottier-MottiertestTest) zur auditiven Differenzierungs- und Merkfähigkeit
•
Kurzzeitgedächtnis für komplexe Sätze (Subtest Imitation grammatischer Strukturen des Heidelberger Heidelberger Sprachentwicklungstest (HSET)Sprachentwicklungstests).
•
Basiskompetenzen für Lese-Rechtschreibleistungen (BAKO 1–4)
•
Subtest „Laute verbinden“ (Psycholinguistischer Entwicklungstest [PET]).Psycholinguistischer Entwicklungstest (PET)
•
Subtest „Verstehen grammatischer Strukturen“ (Heidelberger Sprachentwicklungstest [HSET])
•
Test zur Überprüfung des Grammatikverständnisses (TROG-D)
•
Sätze verstehen aus dem Sprachentwicklungstest für 3- bis 5-jährige Kinder (SETK 3–5).
3.3.4
Therapie der AVWS
•
Beratung der Eltern und Lehrer des Kindes
•
übende Verfahren zur Verbesserung auditiver Verarbeitungs- und Wahrnehmungsfähigkeiten
•
übende Verfahren zur Kompensation gestörter Funktionen
•
Maßnahmen zur Verbesserung der akustischen Signalqualität in Schule und Wohnung
•
übende Sprachtherapie bei gleichzeitiger Sprachentwicklungsstörung, wobei sich die Übungsbereiche mit der auditiven Therapie überlappen können.
Verbesserung auditiver Verarbeitungs- und Wahrnehmungsfähigkeiten
•
Lokalisationsfähigkeit und Aufmerksamkeit für sinntragende Signale (z. B. Geräusche, Sprache und Musik)
•
Lokalisationsfähigkeit und Aufmerksamkeit für die sprechende Person, einschließlich Blickkontakt
•
Erkennen von Tonhöhen- und Lautstärkeveränderungen
•
auditive Diskriminationsfähigkeit
•
phonologische Bewusstheit mit Phonemdifferenzierung, Phonemidentifikation, Phonemanalyse, Phonemsynthese
•
auditive Unterscheidung Signal/Störgeräusch einschließlich Sprachverstehen im Störgeräusch
•
auditives Signalerkennen bei reduzierter Sprachqualität und/oder erhöhter Sprechgeschwindigkeit
•
dichotisches Hören und Verstehen bei interauralen Zeit- und Intensitätsdifferenzen
•
auditives Gedächtnis für Sprache
•
multimodale Fähigkeiten (z. B. nach Diktat schreiben oder ein Bild während des Malens beschreiben).
Verbesserte Kompensation gestörter auditiver Funktionen
Kompensation durch angepasste Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstrategien
-
•
Reduktion und auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen (AVWS):angepasste, KompensationStrukturierung der angebotenen akustischen Information
-
•
Nutzung intakter auditiver Fähigkeiten, z. B. musikalisches Hören
-
•
Nutzung des visuellen Kanals wie Lippenablesen, phonembestimmtes Manualsystem, lautsprachbegleitende Gebärden
-
•
Nutzung von taktil-kinästhetischen und motorisch-rhythmischen Elementen zur Förderung der Eigenwahrnehmung.
Kompensatorische metakognitive Strategien
•
die Eigenkontrolle des auditiv-verbalen Inputs
•
das Verstehen einer Aufgabe
•
die Identifikation der Hauptidee des Gesagten
•
das Erkennen von Redundanz
•
die Realisierung komplizierter Hörsituationen
•
Strategien zur Vermeidung von Fehlern
•
Reparaturstrategien
•
effektive Problemlösungen
•
Metagedächtnis-Strategien
•
Visualisierung von akustischer und/oder sprachlicher Information.
Kompensatorische metalinguistische Strategien
•
das Erkennen linguistischer Strukturen
•
das Generieren von Vokabular in Abhängigkeit des Kontexts
•
die linguistische Segmentation
•
die Interpretation prosodischer Information, von Silbenbetonungen oder von anderen suprasegmentalen Merkmalen der Sprache
•
die Generierung von Metagedächtnis-Leistungen.
Maßnahmen zur Verbesserung der akustischen Signalqualität
•
Modifikation der akustischen Umwelt durch
–
Verminderung der Schallreflexion durch Anbringen geeigneter Textilien in Klassenräumen
–
Verminderung des Trittschalls durch weichen Bodenbelag
–
Verkleinerung der Klassenstärke, wenn möglich
•
Verbesserung des Nutz-Störschall-Verhältnisses und/oder Intensitätserhöhung des an das Ohr kommenden Signals durch
–
Sitzplatz möglichst nah beim Lehrer
–
Bemühen der Lehrenden und Mitschüler um verbesserte Sprachqualität
–
FM-Anlage (Kap. 3.2.5): Der Zweck eines FM-Systems ist es, das Signal-Rausch-Verhältnis am Ohr des Zuhörers durch Erhöhung der Intensität des Sprechers, Erniedrigung der Störgeräusche und Begrenzung von Nachhalleffekten zu verbessern. Als Hörer kommen für die normalerweise nichthörgerätetragenden Schüler in Betracht: Flat-Panel-Lautsprecher, omnidirektional abstrahlende Deckenlautsprecher, kleine Tischlautsprecher, Headsets und offene HdO-ähnliche Geräte ohne zusätzliche Verstärkung.
–
HörgeräteversorgungHörgeräteversorgung für Unterricht: Bei normaler Hörschwelle ist diese Maßnahme wegen möglicher Haarzellschädigung umstritten und darf nur nach Indikationsstellung und Überwachung durch einen Pädaudiologen erfolgen.
•
Auch die häusliche Hörqualität sollte verbessert werden durch
–
Nachhall- und Trittschallverminderung
–
Verzicht auf Dauerbeschallung (Radio, Fernsehen)
–
Hausaufgaben ohne Musikbeschallung in eigenem Raum.
meta: griech. nach; übertragene Bedeutung: übergeordnet; z. B. metasprachlich: Sprache über Sprache betreffend, metakognitiv: Nachdenken über Erkennen betreffend
Zusammenfassung
Schwerpunkt der Pädaudiologie ist die Vermeidung von negativen Auswirkungen angeborener oder frühkindlich erworbener Schwerhörigkeit oder Gehörlosigkeit auf die sprachliche Entwicklung der betroffenen Kinder.
Kindliche Hörstörungen werden anatomisch-physiologisch in Schallleitungsschwerhörigkeit, sensorische und neurale Schallempfindungsschwerhörigkeiten, zentrale und psychogene Hörstörungen eingeteilt.
Schallleitungs- und Schallempfindungsschwerhörigkeiten sind periphere Schwerhörigkeiten, die bereits bei Hörverlusten von 25 dB zwischen 0,5 und 4 kHz im frühen Kindesalter die Sprachentwicklung beeinträchtigen.
Häufigste Hörstörungen des Kindesalters sind passagere Schallleitungsschwerhörigkeiten, z. B. Tubenfunktionsstörungen, die meist spontan oder durch Pharmakotherapie ausheilen. Wenn diese Störungen länger als 3 Monate im Jahr bestehen, sind operative Maßnahmen, z. B. die Adenotomie und Myringotomie mit PaukenröhrchenPaukenröhrcheneinlage, nötig, um negative Auswirkungen für die Sprachentwicklung zu vermeiden. Häufig sind chronische Tubenfunktionsstörungen bei Kindern mit Gaumenspalte oder Down-Syndrom.
Permanente kindliche Schallleitungsschwerhörigkeiten sind insgesamt selten, häufig aber bei angeborenen kraniofazialen Fehlbildungen und Syndromen. Hier ist die hörprothetische Versorgung sofort nach Diagnosestellung nötig, im Jugendalter kann eine hörverbessernde Operation angeboten werden
Passagere Funktionsstörungen des Innenohrs wie Knalltrauma und Hörsturz sind bei Kindern selten und heilen spontan oder mit Pharmakotherapie meist folgenlos aus.
Immerhin 1 bis 3 von 1.000 Kindern haben eine angeborene oder frühkindlich erworbene permanente Innenohrschwerhörigkeit oder Taubheit mit der Notwendigkeit einer hörprothetischen Versorgung sofort nach Diagnosestellung. Kinder mit mittel- bis hochgradiger Schallempfindungsschwerhörigkeit werden mit HdO-Hörgeräten, taube oder nur resthörige Kinder mit Cochlea-Implantaten versorgt. Die Ätiologie ist zu etwa ¹∕₃ genetisch, zu ¹∕₃ prä-, peri-, postnatal erworben, zu ¹∕₃ ungeklärt.
Ebenfalls ungeklärt ist die Ursache der auditorischen Synapto- oder Neuropathie, einer Übertragungsstörung im Hörnerv.
Hauptrisikofaktoren sind familiäre Schwerhörigkeiten, postpartale Inkubatorpflicht über 48 Stunden, kraniofaziale Fehlbildungen.
Das wichtigste Instrument zur Früherfassung schwerhöriger oder gehörloser Kinder ist das Universelle Neugeborenen-Hörscreening mittels Messung der otoakustischen Neugeborenen-Hörscreening:otoakustische EmissionenEmissionen (TEOAE (transitorisch evozierte otoakustische Emissionen):Neugeborenen-HörscreeningTEOAE) und/oder der akustisch evozierten Hirnstammpotenziale (ABBR, automatisierte BERA).
Zur pädaudiologischen Erstdiagnostik gehören die genaue Fremdanamnese, die HNO-Untersuchung, objektive und altersadäquate subjektive Hörprüfungen, ggf. ein Sprachstatus und weitere Untersuchungen. Entscheidend für das weitere Vorgehen ist das Ergebnis der Hörschwellenbestimmung mittels frequenzspezifischer BERA-Ableitung.
Die subjektive Hörschwellenbestimmung beruht bis zum 4. Monat auf der Auslösung von Reflexen, danach auf der Beobachtung von konditionierten und unkonditionierten Reaktionen auf Schallreize im Freifeld. Ab dem 3. Lebensjahr sind Tonschwellenaudiometrie und Sprachaudiometrie mit Kopfhörern möglich.
Zur Einstellung von Hörgeräten und Sprachprozessoren bei Cochlea-Implantaten sind spezielle sprach-, geräusch- und überschwellige tonaudiometrische Tests entwickelt worden.
Nach hörprothetischer Versorgung eines prälingual hörgeschädigten Kindes ist eine aufwändige hör- und sprachtherapeutische Habilitation zur Erlangung von Hör-Sprach-Kompetenz nötig. Weitere Bausteine der Hörpädagogik sind die Frühförderung im Vorkindergartenalter sowie sonderpädagogische Betreuung in speziellen Kindergärten und Schulen. Eine FM-Anlage ermöglicht eine Sprachsignalzufuhr ohne Störgeräusch in die Hörprothese im Unterricht.
Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen (AVWS) sind Störungen zentraler Hörfunktionen trotz normalen peripheren Hörvermögens und altersentsprechender Intelligenz. Die Ätiologie ist nicht geklärt, die Symptome treten im Vorschul- und Grundschulalter zutage.
Zentrale Hörfunktionen betreffen bottom-up die Signalverarbeitung in der Hörbahn und Hörrinde sowie top-down die Beeinflussung der Verarbeitung und Wahrnehmung durch „höhere“ Funktionen wie Aufmerksamkeit, Motivation, Wissen.
Wichtige Teilfunktionen der Verarbeitung und Wahrnehmung sind Schalllokalisation, binaurale und dichotische Signalverarbeitung, auditive Differenzierung von sprachlichen und nichtsprachlichen Schallreizen, Diskrimination und Identifikation von Phonemen sowie zeitliche Ordnung und Speicherung sprachlicher Information.
Entsprechende Leitsymptome der AVWS sind leichte Ablenkbarkeit beim Zuhören, schlechtes Verstehen in unruhiger Umgebung, häufiges Nachfragen im Schulunterricht, Schwierigkeiten beim Diktatschreiben.
Die Diagnostik umfasst den Ausschluss einer peripheren Hörstörung oder eines Intelligenzdefizits sowie eine Testbatterie von speziellen audiometrischen und psychometrischen Untersuchungen der allgemeinen und speziell sprachlichen auditiven Funktionen.
Die Therapie basiert auf einer Mischung aus Übungen zur Verbesserung der betroffenen Teilfunktionen und aus Förderung von kognitiven, metakognitiven und metasprachlichen Fähigkeiten zur Anwendung auf die auditive Wahrnehmung. Dazu gehören das Strukturieren des akustischen Angebots, das Einsetzen alternativer Wahrnehmungsstrategien, die Nutzung von Information über kognitive Prozesse und linguistische Strukturen für die auditive Wahrnehmung.
Ergänzend zu den Übungen sind kompensatorische Maßnahmen zur Verbesserung der akustischen Signalqualität sinnvoll. Störschall kann durch Modifikationen der schulischen und häuslichen Umwelt vermindert, Nutzschall durch sprechernahe Sitzposition und Verwendung einer FM-Anlage in der Schule verbessert werden.